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Wirtschaftsrecht
07.10.2021
Wirtschaftsrecht
BGH: Zulässigkeit eines digitalen Vertragsdokumentengenerators – „Smart Law“

BGH, Urteil vom 9.9.2021 – I ZR 113/20

ECLI:DE:BGH:2021:090921UIZR113.20.0

Volltext: BB-Online BBL2021-2369-2

Amtlicher Leitsatz

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, stellt keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar.

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk H.   . Ihr obliegt die Wahrung und Förderung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder. Die Beklagte ist ein Verlag, der schwerpunktmäßig in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern tätig ist.

Die Beklagte stellt im Internet unter der Bezeichnung "smartlaw" einen elektronischen Generator zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten in verschiedenen Rechtsgebieten bereit, die Unternehmen und Verbraucher im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs erwerben können. Hierzu werden dem Kunden Fragen zum Gegenstand, zum gewünschten Inhalt und zur beabsichtigten Reichweite des Dokuments gestellt, die überwiegend anhand von zur Auswahl gestellten Angaben und teils offen zu beantworten sind. Neben der jeweiligen Frage ist eine Erläuterung der verwendeten Rechtsbegriffe oder zur rechtlichen Bedeutung der Frage eingeblendet. Mithilfe einer von der Beklagten programmierten Software werden anhand der Antworten des Kunden aus einer Sammlung ihnen zugeordneter Textbausteine bestimmte Vertragsklauseln oder Textpassagen generiert, aus denen ein individueller Vertragsentwurf erstellt wird. Im Anschluss an das erstellte Dokument erteilt die Beklagte jedenfalls teilweise Hinweise und Empfehlungen zur richtigen und sicheren Verwendung des Dokuments. Die Beklagte hat die Frage-Antwort-Systeme und die Textbausteine in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten entwickelt.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte verstoße durch die elektronische Bereitstellung auf die Kundenwünsche zugeschnittener Vertragsdokumente gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Sie hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, geschäftlich handelnd entgeltlich und selbständig Dritten gegenüber ohne entsprechende Erlaubnis außergerichtlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen, anzubieten und/oder zu bewerben, indem sie für Dritte durch einen digitalen Rechtsdokumentengenerator auf Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung alternativer Textbausteine individuelle Rechtsdokumente erstellt, wie geschehen unter www.smartlaw.de und aus den Anlagen K 5 bis K 8 ersichtlich.

[Es folgen Internetausdrucke, die knapp 30 Eingabeschritte zur Erzeugung eines neun Paragrafen umfassenden "Content-Lizenzvertrags" sowie knapp 40 Eingabeschritte zur Erzeugung eines neun Paragrafen umfassenden "Grafikdesignervertrags" zeigen.]

Die Klägerin hat die Beklagte ferner auf Unterlassung bestimmter Werbeaussagen in Anspruch genommen, in denen sie eine unzulässige qualitative Gleichstellung der durch den Generator "smartlaw" erzeugten Rechtsdokumente mit anwaltlichen Dienstleistungen gesehen hat.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Köln, MMR 2020, 56). Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat sie das Rechtsmittel zurückgenommen, soweit sie zur Unterlassung der Werbeaussagen verurteilt worden ist. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen die Erstellung von Vertragsdokumenten mithilfe des Generators gerichtet ist (OLG Köln, WRP 2020, 1213). Insoweit begehrt die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gründen

6          A. Das Berufungsgericht hat einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin verneint, weil die Beklagte mit dem Angebot des digitalen Rechtsdokumentengenerators nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von § 2 Abs. 1 RDG unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung erbringe. Dazu hat es ausgeführt:

7          Die Tätigkeit der Beklagten bestehe in der Entwicklung und Bereitstellung des Computerprogramms. Sie beziehe sich nicht auf eine konkrete Angelegenheit, sondern auf eine Vielzahl denkbarer Fälle. Soweit der Nutzer das abstrakte Dienstleistungsangebot der Beklagten durch die Inanspruchnahme des Rechtsdokumentengenerators in einen konkreten Einzelfall überführe, handele es sich um eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Anwenders zur Erledigung seiner eigenen Rechtsangelegenheiten. Die Tätigkeit des Nutzers in eigener Sache sei der Beklagten mangels Begründung einer Gefahr im Schutzbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht als Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit zurechenbar. Durch das automatisierte Verfahren werde der Rechtsuchende nicht der Gefahr einer unqualifizierten Rechtsberatung ausgesetzt. Das zur Anwendung kommende Computerprogramm nehme für den Nutzer erkennbar keine Rechtsprüfung vor, sondern füge mithilfe des festgelegten Frage-Antwort-Schemas einen Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster ein und kombiniere vorgegebene Textbausteine anhand von logisch-schematischen Verknüpfungen. Für eine enge Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung spreche der Wille des Gesetzgebers, das neu gestaltete Recht der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen zu liberalisieren und die Entwicklung neuer Berufsbilder zu erlauben.

8          B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung der Erstellung von Vertragsentwürfen mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators "smartlaw" nicht verlangen kann.

9          I. Die Klage ist zulässig.

10        1. Das Berufungsgericht hat die Klägerin zu Recht als klagebefugt angesehen. Sie ist als berufsständische Vertretung der Rechtsanwälte im Bezirk des Oberlandesgerichts H.   gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung) befugt, den Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1, § 3a UWG geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15, GRUR 2016, 1189 Rn. 13 = WRP 2016, 1232 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 227/19, GRUR 2021, 758 Rn. 11 = WRP 2021, 610 - Rechtsberatung durch Architektin).

11        2. Der Unterlassungsantrag genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

12        a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Die Bestimmtheit der Klageanträge ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 12. März 2020 - I ZR 126/18, BGHZ 225, 59 Rn. 38 f. - WarnWetter-App; Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 16 f. = WRP 2021, 604 - Dr. Z.; Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20, GRUR 2021, 971 Rn. 14 f. = WRP 2021, 904 - myboshi). Der Gebrauch auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung genügt, wenn über ihren Sinngehalt zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen, oder wenn der Kläger den auslegungsbedürftigen Begriff hinreichend konkret umschreibt und gegebenenfalls mit Beispielen unterlegt oder sein Begehren an der konkreten Verletzungshandlung ausrichtet (BGH, Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 13 = WRP 2011, 742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 42 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot; Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 Rn. 29 = WRP 2017, 320 - World of Warcraft I).

13        b) Nach diesen Grundsätzen ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat den auslegungsbedürftigen Begriff der "Rechtsdienstleistungen" im Klageantrag dahin konkretisiert, dass sie darunter die Erstellung individueller Rechtsdokumente durch einen digitalen Generator anhand eines Frage-Antwort-Systems und zugeordneter Textbausteine fasst. Dabei hat sie die Funktionsweise des Rechtsdokumentengenerators durch die Bezugnahme auf Internetausdrucke veranschaulicht, die die Schritte zur Erzeugung eines "Content-Lizenzvertrags" für Bild und/oder Film und eines "Grafikdesignervertrags" zeigen. Ergänzend hat sie in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass sich ihr Unterlassungsbegehren gegen die Erstellung von Verträgen wie die als konkrete Verletzungsformen eingeblendeten Dokumente und nicht gegen die Erzeugung jedweden Rechtsdokuments wie etwa auch einer Rechnung, einer Handelsregisteranmeldung oder einer Vermieterbescheinigung richtet. Hierdurch hat die Klägerin das zu verbietende Verhalten ausreichend konkret beschrieben.

14        II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG nicht zu, weil die Beklagte durch die Erzeugung von Vertragsdokumenten mithilfe des digitalen Generators "smartlaw" nicht gegen das gesetzliche Verbot zur Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen in § 3 RDG verstößt.

15        1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 3 RDG einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG begründen kann. Dem steht nicht entgegen, dass nach Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert werden sollen, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. Nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG bleiben alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 3a UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen zulässig, die - wie die Vorschrift des § 3 RDG - das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 23 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; GRUR 2016, 1189 Rn. 17 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; GRUR 2021, 758 Rn. 30 - Rechtsberatung durch Architektin).

16        2. Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Danach dürfen Rechtsdienstleistungen lediglich aufgrund gesetzlicher Erlaubnis erbracht werden; im Übrigen sind sie verboten. Bereits die Bewerbung oder das Angebot einer unerlaubten Rechtsdienstleistung ist unzulässig, weil dadurch die Gefahr begründet wird, dass sich die Adressaten mit ihren Rechtsangelegenheiten an den Werbenden oder den Anbieter wenden werden (zu Art. 1 § 1 RBerG vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - I ZR 214/99, GRUR 2002, 985, 986 [juris Rn. 35] = WRP 2002, 952 - WISO; Urteil vom 24. Februar 2005 - I ZR 128/02, GRUR 2005, 604, 606 [juris Rn. 21] = WRP 2005, 739 - Fördermittelberatung). Die Bestimmung des § 3 RDG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 25 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 107/14, GRUR 2016, 820 Rn. 12 = WRP 2016, 861 - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler; BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 18 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; GRUR 2021, 758 Rn. 28 - Rechtsberatung durch Architektin).

17        3. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte verstoße durch das Angebot "smartlaw" nicht gegen § 3 RDG, weil sie mit dem Rechtsdokumentengenerator keine Rechtsdienstleistung erbringe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

18        a) Eine Rechtsdienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Abzustellen ist nicht auf die berufliche oder geschäftliche Gesamttätigkeit, sondern auf die im Rahmen der jeweiligen beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit erbrachte einzelne Dienstleistung (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 37; Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 2 Rn. 16; Krenzler/Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 2 Rn. 12).

19        b) Die Erstellung eines Vertragsdokuments mithilfe des digitalen Generators "smartlaw" stellt keine Rechtsdienstleistung der Beklagten in diesem Sinne dar. Die Erzeugung eines Vertragsentwurfs anhand der Eingaben des Nutzers stellt zwar eine Tätigkeit der Beklagten dar (dazu B II 3 b bb). Die Beklagte erbringt diese Tätigkeit jedoch nicht in einer konkreten fremden Angelegenheit (dazu B II 3 b cc).

20        aa) Anders als das Berufungsgericht meint, gebietet die mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz erfolgte Neuausrichtung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen allerdings keine enge Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Rechtsdienstleistung.

21        (1) Der Gesetzgeber hat mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz das Ziel verfolgt, das Berufsrecht zu deregulieren und zu liberalisieren und das Rechtsdienstleistungsrecht für künftige Entwicklungen neuer Dienstleistungsberufe zu öffnen (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 38 und 42). Er wollte der systematischen Neuausrichtung des Rechtsdienstleistungsgesetzes allerdings nicht im Rahmen der Definition der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG, sondern im Rahmen des Erlaubnistatbestands des § 5 RDG Rechnung tragen (BT-Drucks. 16/3655, S. 37). Der durch den Begriff der Rechtsdienstleistung eröffnete Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte deshalb weit gefasst und erst innerhalb des für zulässige Nebenleistungen geschaffenen Erlaubnistatbestands des § 5 Abs. 1 RDG unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Rechtsdienstleistungsgesetzes entschieden werden, ob eine Tätigkeit als Nebenleistung zulässig ist (BT-Drucks. 16/3655, S. 37 und 51 f.). Der danach mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgte Kontrollzweck gibt keinen Anlass zu einer restriktiven Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung (BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 47 f. - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler).

22        (2) Nichts anderes ergibt sich aus der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. November 2019 (VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89). Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nicht den Begriff der Rechtsdienstleistung (§ 2 Abs. 1 RDG) eng ausgelegt, sondern - im Rahmen des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Schutzzwecks (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG) - eine eher großzügige Auslegung des Begriffs der registrierungsfähigen Inkassodienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG) für geboten erachtet (BGHZ 224, 89 Rn. 141).

23        bb) Bei der softwarebasierten Erstellung eines Vertragsdokuments handelt es sich um eine Tätigkeit der Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG.

24        (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Tätigkeit setze eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität voraus. Aus der Gesetzesbegründung zur rechtlichen Prüfung ergebe sich, dass ein juristischer Subsumtionsvorgang auf Seiten des Dienstleistenden notwendig sei, der bei einem Computerprogramm, das vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen schematisch abarbeite, nicht vorliege. Als Tätigkeiten verblieben daher nur das Programmieren und Bereitstellen des Computerprogramms durch die Beklagte einerseits und die Anwendung des Programms durch den Nutzer andererseits. Dieser Einschätzung kann im Ergebnis nicht zugestimmt werden.

25        (2) Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Legaldefinition der Rechtsdienstleistung zwar die Tätigkeit einer natürlichen oder juristischen Person vor Augen gehabt. Er hat es jedoch als unerheblich angesehen, mit welchen technischen Mitteln eine Rechtsdienstleistung erbracht wird (BT-Drucks. 16/3655, S. 47 f.). Auch für andere Fälle ist anerkannt, dass eine Person eine geschäftliche Handlung - etwa mithilfe eines von ihr entwickelten oder genutzten Computerprogramms - technisch gestützt oder automatisiert vornehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 17; Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, GRUR 2018, 924 Rn. 30 = WRP 2018, 1074 - ORTLIEB I; BeckOK.UWG/Alexander, 13. Edition [Stand 1. August 2021], § 2 Rn. 43 f.).

26        (3) Nach diesen Maßstäben umfasst die Tätigkeit der Beklagten nicht nur die Programmierung und die Bereitstellung der Software, sondern auch die Verwendung des Computerprogramms zur Generierung eines Rechtsdokuments. Ihre Dienstleistung gegenüber dem Kunden besteht darin, mithilfe der Software ein individuelles Rechtsdokument zu erstellen. Die Programmierung und Bereitstellung des Rechtsdokumentengenerators und die Erzeugung des Rechtsdokuments mithilfe des Generators können daher nicht in eigenständige Vorgänge aufgespalten werden, sondern sind unselbständige Bestandteile einer einheitlichen Tätigkeit der Beklagten im Rahmen ihres softwarebasierten Online-Angebots "smartlaw" (vgl. Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 57 f.; ders., BRAK-Mitt. 2018, 231, 232; Plog/Lose, AnwBl Online 2021, 131; Rack, CB 2021/Sonderbeilage 1, S. 10; Timmermann/Hundertmark, RDi 2021, 269 Rn. 28; Krenzler/Krenzler aaO § 2 Rn. 14 und 44; aA Wormit, InTeR 2021, 22, 24 f.). Insofern ist es unerheblich, dass die Beklagte das vom Nutzer gewünschte Rechtsdokument nicht persönlich erstellt, sondern sich hierzu des technischen Hilfsmittels der von ihr programmierten und bereitgestellten Software bedient (vgl. Wettlaufer, MMR 2018, 55; Dahns, NJW-Spezial 2019, 766; Krenzler, BRAK-Mitt. 2020, 119, 120; Wessels, MMR 2020, 59; aA Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler aaO § 2 Rn. 54b).

27        cc) Durch die Erstellung eines Vertragsdokuments mithilfe des Generators "smartlaw" wird die Beklagte jedoch nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG in konkreten fremden Angelegenheiten tätig.

28        (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Programmieren und Bereitstellen des Computerprogramms erfolgten nicht in einer konkreten Angelegenheit, weil sie sich nicht auf einen tatsächlichen Fall, sondern auf eine Vielzahl fiktiver Fälle bezögen. Die Anwendung des Programms durch den Nutzer geschehe zwar in einem konkreten Einzelfall, aber in seiner eigenen Sache. Sie sei der Beklagten nicht als Tätigkeit in fremder Angelegenheit zuzurechnen, weil der von ihr angebotene Rechtsdokumentengenerator keine Gefahr begründe, vor der das Rechtsdienstleistungsgesetz schützen wolle. Indem der Anwender mithilfe des Programms selbst ein Rechtsdokument erstelle, erledige er unter Verwendung eines Hilfsmittels - wie beim Gebrauch eines Vorstücks oder eines Formularhandbuchs - eine eigene Rechtsangelegenheit in eigener Verantwortung, ohne dass er eine rechtliche Beratung bei der Formulierung des Rechtsdokuments erwarte.

29        Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Ihr liegt zwar die unzutreffende Annahme zugrunde, die Tätigkeit der Beklagten erschöpfe sich in der Programmierung und Bereitstellung des Computerprogramms. Auch unter Einbeziehung der digitalen Erzeugung des Vertragsdokuments ist das Online-Angebot "smartlaw" der Beklagten jedoch nicht auf die Bearbeitung einer konkreten fremden Angelegenheit des Nutzers gerichtet.

30        (2) Bei der Erstellung des vom Nutzer gewünschten Vertragsdokuments handelt es sich allerdings um eine fremde Angelegenheit. Ob die Tätigkeit sich auf eine eigene oder auf eine fremde Angelegenheit bezieht, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 26 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; GRUR 2021, 758 Rn. 32 - Rechtsberatung durch Architektin; vgl. auch BT-Drucks. 16/3655, S. 48). Wird der Handelnde primär im fremden wirtschaftlichen Interesse tätig und verfolgt lediglich mittelbar ein wirtschaftliches Eigeninteresse, liegt eine fremde Rechtsangelegenheit vor (vgl. BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 26 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur). Das Online-Angebot der Beklagten zielt darauf ab, dem Kunden ein anhand seiner Vorgaben erzeugtes Vertragsdokument zur Verfügung zu stellen, das er für seine persönlichen Zwecke einsetzen kann. Die Anfertigung des Rechtsdokuments dient damit in erster Linie dem wirtschaftlichen Interesse des Nutzers, auch wenn die Beklagte mit Blick auf die dafür anfallende Vergütung mittelbar ein eigenes finanzielles Interesse verfolgt.

31        (3) Durch die Erzeugung des vom Anwender gewünschten Dokuments wird die Beklagte jedoch nicht in einer konkreten Angelegenheit im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG tätig.

32        Die als Rechtsdienstleistung einzuordnende Tätigkeit muss auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet sein. Entscheidend ist, ob es sich um eine nicht fingierte, sondern wirkliche, sachverhaltsbezogene Rechtsfrage einer bestimmten ratsuchenden Person handelt (BT-Drucks. 16/3655, S. 48; zu Art. 1 § 1 RBerG BGH, Urteil vom 13. Dezember 1955 - I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 - Ratgeber). Durch das Tatbestandsmerkmal der konkreten Angelegenheit sollen Konstellationen ausgeschieden werden, in denen nur ein fiktiver oder abstrakter Fall zu beurteilen ist (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 30 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Das Angebot von standardisierten Rechtsdokumenten oder von fertigen Textbausteinen, etwa in einem Formularhandbuch, ist nicht auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet (Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 58; Wormit, InTeR 2021, 22, 25; Krenzler/Krenzler aaO § 2 Rn. 43). Auch die Unterstützung beim Ausfüllen eines dem Kunden überlassenen, alle wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte vorgebenden Formulars in Form der Abfrage und Einfügung von tatsächlichen Sachverhaltsangaben stellt keine Rechtsdienstleistung in einem konkreten Fall dar (vgl. zur rechtlichen Prüfung des Einzelfalls OLG Karlsruhe, WRP 2010, 1553, 1554 [juris Rn. 14]).

33        (4) Nach diesen Kriterien befasst sich die Beklagte bei der softwarebasierten Erzeugung eines Vertragsentwurfs nicht mit einer konkreten Angelegenheit. Die Generierung des Dokuments erfolgt nicht auf der Grundlage eines der Beklagten von einer bestimmten Person unterbreiteten konkreten Sachverhalts.

34        Das hierzu verwendete Computerprogramm ist nicht auf einen individuellen realen Fall zugeschnitten, sondern erfasst allgemeine Sachverhalte mit üblicherweise auftretenden Fragen, zu denen die Beklagte Antworten in Form von standardisierten Vertragsklauseln und Textbausteinen entwickelt hat. Dabei mag sie die Programmierung der Software darauf ausgerichtet haben, durch ein umfangreiches und detailliertes Frage-Antwort-System möglichst alle typischen und in der Praxis häufig vorkommenden Fallkonstellationen vorwegzunehmen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der Vielzahl möglicher Kombinationen von Textbausteinen um Lösungen für fiktive Einzelfälle eines unbestimmten Personenkreises handelt (vgl. Wettlaufer, MMR 2018, 55, 56; Deckenbrock, AnwBl Online 2020, 178, 179; Wormit, InTeR 2021, 22, 25 f.). Insoweit unterscheidet sich der Vertragsdokumentengenerator "smartlaw" nicht von einem detaillierten Formularhandbuch, in dem den Lesern für gewisse Sachverhaltskonstellationen bestimmte Vertragsklauseln empfohlen werden (vgl. Weberstaedt, AnwBl 2016, 535, 537; Deckenbrock, AnwBl Online 2020, 178, 179 f.; Timmermann/Hundertmark, RDi 2021, 269 Rn. 29; aA Fries, ZRP 2018, 161, 162; Wessels, MMR 2020, 59, 59 f.; Krenzler, BRAK-Mitt. 2020, 119, 121).

35        Eine solche abstrakte Angelegenheit wird nicht dadurch zu einer konkreten Angelegenheit, dass der Nutzer des Rechtsdokumentengenerators durch die Beantwortung der vorgegebenen Fragen Angaben zu einem realen Sachverhalt macht. Seine Eingaben bewirken lediglich, dass die Textbausteine, die die Beklagte den Antworten bereits zuvor zugeordnet hat, abgerufen und zu einem Vertragsdokument zusammengestellt werden. Das auf diese Weise individualisierte Dokument wird daher nicht in Ansehung eines der Beklagten unterbreiteten konkreten Falls, sondern mit Blick auf die im Vorhinein konzipierten fiktiven Einzelfälle erstellt (vgl. Deckenbrock, AnwBl 2020, 178, 181; aA Krenzler, BRAK-Mitt. 2020, 119, 121 f.).

36        Auch die Vielzahl der Antworten des Nutzers auf die standardisierten Fragen bewirkt nicht, dass der erstellte Vertrag auf seinen konkreten Fall zugeschnitten ist (aA Dahns, NJW-Spezial 2019, 766). Rückfragen der Beklagten oder ergänzende Angaben des Nutzers zu Besonderheiten des tatsächlichen Sachverhalts sind nicht vorgesehen. Eine Berücksichtigung über den Standardfall hinausgehender Umstände des Einzelfalls, die eine Anpassung der Vertragsklauseln (vgl. BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 51 - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler), ihre Ergänzung um bestimmte Textpassagen oder die Vervollständigung des Vertragstexts um zusätzliche Regelungen ermöglichen würde, findet daher nicht statt. Soweit der Nutzer auf offene Fragen individuelle Antworten geben kann, handelt es sich im Wesentlichen um allgemeine Vorgaben - etwa beim "Content-Lizenzvertrag" der Verwendungszweck des Lizenzgegenstands oder beim "Grafikdesignervertrag" der Vertragsgegenstand - oder um tatsächliche Daten wie etwa die Höhe und der Zeitpunkt der zu zahlenden Vergütung, die in den Vertragstext eingesetzt werden. Sie ermöglichen ebenfalls nicht die rechtliche Erfassung der individuellen Verhältnisse des Anwenders.

37        c) Der Sinn und Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG), gebietet keine erweiternde Auslegung der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 RDG dahin, dass die digitale Erstellung eines Vertragsdokuments mithilfe des Generators "smartlaw" eine Rechtsdienstleistung darstellt.

38        aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Vertragsdokumentengenerator gefährde weder den Rechtsverkehr oder die Rechtsordnung, noch führe sein Verbot zu einem verbesserten Schutz der Rechtsuchenden. Ein Schutz des Nutzers vor unqualifizierter Rechtsberatung müsse nicht gewährleistet werden. Der Kunde nutze den Generator nicht in der Erwartung, dass sein Anliegen rechtlich geprüft werde. Ihm sei klar, dass er durch die ausgewählten Antworten eigenverantwortlich einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, bei dem mithilfe eines schematisch ablaufenden Computerprogramms vorgegebene Textbausteine miteinander kombiniert würden. Für ihn sei ohne weiteres erkennbar, dass das erzielte Ergebnis von der Qualität der Bausteine und den im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit seiner eigenen Angaben andererseits abhänge.

39        bb) Die tatgerichtliche Beurteilung, der Nutzer erwarte aufgrund der für ihn erkennbaren Arbeitsweise des Vertragsdokumentengenerators keine auf seinen persönlichen Fall ausgerichtete Rechtsberatung, stellt sich weder als erfahrungswidrig dar, noch lässt sie sonst einen Rechtsfehler erkennen. Die Revision führt vergeblich an, die Erläuterungen der Beklagten zu Bedeutung und Rechtsfolge der Fragen und Antworten, ihre Beschreibung der zu erbringenden Vertragsleistung, die Hinweise im Anschluss an das erstellte Dokument sowie ihre ergänzenden werblichen Angaben erweckten bei dem Nutzer die Erwartung, er erhalte mithilfe des Frage-Antwort-Systems eine komplexe individuelle Rechtsberatung, als deren Ergebnis er einen auf seine konkreten Verhältnisse zugeschnittenen Vertrag erhalte. Mit dem im Revisionsverfahren in Rede stehenden Klageantrag wendet sich die Klägerin gegen die Erstellung von Vertragsentwürfen mithilfe des Rechtsdokumentengenerators "smartlaw", weil sie die Funktionsweise des Generators unter Berücksichtigung der Art und Komplexität des erzeugten Rechtsdokuments als Rechtsdienstleistung ansieht. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass für die Frage, ob das Geschäftsmodell als solches unzulässig ist, die ergänzenden Angaben der Beklagten im Rahmen des Internetangebots ohne Bedeutung sind.

40        cc) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien tatgerichtlichen Feststellungen geht der Nutzer davon aus, anhand seiner Angaben werde ein standardisiertes Vertragsformular erzeugt, ohne dass sein konkreter Fall geprüft und einer auf seine individuellen Verhältnisse zugeschnittenen rechtlichen Lösung zugeführt werde. Für den Nutzer ist danach erkennbar, dass die Beklagte keine Rechtsdienstleistung erbringt, die eine entsprechende Fachkunde erfordert.

41        C. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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