BGH: Zulässigkeit der Berufung auch bei Falschbezeichnung der beklagten Partei
BGH, Beschluss vom 24.7.2013 - XII ZB 56/13
Amtlicher Leitsatz
Die Berufung ist auch bei Falschbezeichnung der beklagten Partei zulässig eingelegt, wenn sich anhand der weiteren Angaben in der Rechtsmittelschrift sowie des beigefügten Urteils ersehen lässt, wer Beklagter sein soll (im Anschluss an BGH, 29. Juni 1956, V ZB 20/56, BGHZ 21, 168 und Senatsbeschluss vom 14. Mai 2003, XII ZB 154/01, FamRZ 2003, 1176).
§ 517 ZPO, § 519 Abs 3 ZPO
Sachverhalt
I. Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.
Das landgerichtliche Urteil ist dem Kläger am 2. Oktober 2012 zugestellt worden. Am 2. November 2012 ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift des Klägers eingegangen, in der das Aktenzeichen der ersten Instanz zutreffend angegeben war und der das in diesem Verfahren ergangene Urteil beilag. Als Parteien des Berufungsverfahrens war der Kläger als Berufungskläger und die B. GmbH als Berufungsbeklagte benannt. Am 7. November 2012 hat der Kläger um Berichtigung des Rubrums dahin gebeten, dass Berufungsbeklagte die T. GmbH, also die hiesige Beklagte, sei. Nach entsprechendem Hinweis hat das Oberlandesgericht die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.
Aus den Gründen
II.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
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2. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Unrecht verworfen.
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a) Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass es an einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung innerhalb der Berufungsfrist fehle. Nicht ordnungsgemäß sei eine Berufungsschrift, die als Rechtsmittelbeklagten ein mit der erstinstanzlichen Beklagten nicht identisches Unternehmen benenne, ohne dass die gemeinte erstinstanzliche Beklagte innerhalb der Berufungsfrist erkennbar werde. Aus der Berufungsschrift einschließlich des beigelegten Urteils sei nicht erkennbar gewesen, ob die Beklagtenbezeichnung oder das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Urteils (und dessen Beifügung) fehlerhaft gewesen sei. Eine Aufklärung habe nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist erfolgen können, da die Berufungsschrift erst am Tag des Fristablaufs (Freitag, den 2. November 2012) beim Oberlandesgericht eingegangen und dementsprechend der Vorsitzenden erst am Montag, den 5. November 2012 vorgelegt worden sei. Dies gelte umso mehr, als in dem Verfahren des Klägers gegen die B. GmbH und andere durch Urteil vom 27. September 2012 die Klage abgewiesen worden sei.
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b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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aa) Nach § 519 Abs. 2 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des angefochtenen Urteils und die Erklärung enthalten, dass dagegen Berufung eingelegt werde. Diesem Erfordernis ist nach der Rechtsprechung nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar werden (BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651; Senatsbeschluss vom 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176, jeweils zu § 518 Abs. 2 ZPO aF und mwN). Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Berufungsschrift zu stellenden Anforderungen dient - sowohl im Interesse der Erkennbarkeit der in zweiter Instanz am Rechtsstreit Beteiligten für das Berufungsgericht als auch im Interesse der Parteien - einem geregelten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift (BGH Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - NJW 1985, 2651).
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Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelklägers bzw. -beklagten wirksam nur ausdrücklich und nur in der Berufungsschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des Aktes der Berufungseinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelbeklagten ausschließt (vgl. BGHZ 21, 168, 173 zum Rechtsmittelkläger). Von daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176).
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bb) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Berufungsgericht eine hinreichende Würdigung der Berufungseinlegung unterlassen hat.
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(1) In der rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingegangenen Rechtsmittelschrift sind das erstinstanzliche Aktenzeichen, der Kläger, die genaue Bezeichnung des Urteils und schließlich das Datum der Zustellung des Urteils an den Kläger zutreffend angegeben. Soweit als Datum des angefochtenen Urteils "8.20.09.2012" angegeben ist, ist damit ersichtlich der "28. September 2012" gemeint, wie sich nicht zuletzt aus der korrekten Angabe des Datums auch am Ende der Berufungsschrift ergibt. Zudem hat der Kläger das angefochtene Urteil in vollständiger Fassung der Rechtsmittelschrift beigelegt.
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(2) Richtig ist zwar, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers die beklagte Partei unzutreffend angegeben hat. Allein dies und der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass zwischen dem Kläger und dem angegebenen Beklagten tatsächlich ein anderes Verfahren anhängig ist, das mittlerweile auch beim Oberlandesgericht geführt werde, steht der Würdigung der Berufungsschrift dahin, dass die Beklagte dieses Rechtsstreits gemeint war, nicht entgegen.
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Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die erheblich abweichenden Individualisierungsmerkmale darauf hin, dass der vom Berufungsgericht angeführte Umstand diese Auslegung nicht erschüttert. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass für den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Rechtsstreit ein anderes Landgericht zuständig gewesen ist und dass das dort ergangene Urteil ein anderes Datum (27. September 2012) sowie ein anderes Aktenzeichen aufweist.
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(3) Dass nach den vorliegenden Umständen die Beklagte auch für das Berufungsgericht innerhalb der Berufungsfrist erkennbar war (vgl. zum Empfängerhorizont des Rechtsmittelgerichts Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 325/12 - FamRZ 2013, 371 Rn. 15), folgt im Übrigen daraus, dass das Verfahren ohne weitere Beanstandung als Berufungsverfahren gegen das angefochtene Urteil eingetragen worden ist. Als Wiedervorlagefrist wurde der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vermerkt. Zwar hat die Vorsitzende die Verfügung erst am 6. November 2012 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist zur Kenntnis genommen; aber auch sie sah ausweislich der Gerichtsakte keine Veranlassung, etwas an den Eintragungen zu ändern. Erst nachdem der Kläger selbst die Berichtigung des Passivrubrums beantragt hatte, hat das Oberlandesgericht mit Verfügung vom 8. November 2012 auf seine - nunmehr - bestehenden Bedenken hingewiesen.
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3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.