EuGH: Zugang zum Beruf des Notars darf nicht am Staatsangehörigkeitserfordernis scheitern
EuGH, Urteil vom 24.5.2011 - Rs. C-47/08, Europäische Kommission gegen Königreich Belgien
Tenor
1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen, dass es für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Europäische Kommission, das Königreich Belgien, die Tschechische Republik, die Französische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Aus den Gründen
1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 EG und der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/48) verstoßen hat, dass es für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt und die Richtlinie 89/48 für diesen Beruf nicht umgesetzt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
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Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/48 hieß es: „Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome präjudiziert in keiner Weise die Anwendung von Artikel [45 EG]."
3
Art. 2 der Richtlinie 89/48 lautete:
„Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.
Diese Richtlinie gilt nicht für die Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird."
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Der Notarberuf ist nicht Gegenstand einer Regelung der in Art. 2 Abs. 2 genannten Art.
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Die Richtlinie 89/48 sah eine Umsetzungsfrist vor, die nach ihrem Art. 12 am 4. Januar 1991 ablief.
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Durch Art. 62 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22) wurde die Richtlinie 89/48 mit Wirkung vom 20. Oktober 2007 aufgehoben.
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Nach dem 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 „berührt [sie] nicht die Anwendung des Artikels 39 Absatz 4 [EG] und des Artikels 45 [EG], insbesondere auf Notare".
Nationales Recht
Allgemeine Ausgestaltung des Notarberufs
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Die Notare üben ihre Tätigkeiten nach der belgischen Rechtsordnung freiberuflich aus. Der belgische Notarberuf wird durch das Gesetz vom 25. Ventôse des Jahres XI zur Organisierung des Notariats in der Fassung des Gesetzes vom 4. Mai 1999 (im Folgenden: Notariatsgesetz) geregelt.
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Nach Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes sind Notare „öffentliche Beamte, die angestellt sind, alle Urkunden und Verträge aufzunehmen, denen die beteiligten Parteien den authentischen Charakter, wie Urkunden der öffentlichen Behörden ihn haben, geben lassen müssen oder geben lassen wollen, um deren Datum sicherzustellen, für ihre Aufbewahrung zu sorgen und Hauptausfertigungen und weitere Ausfertigungen davon auszustellen".
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In Art. 5 § 1 des Notariatsgesetzes heißt es: „Die Notare üben ihr Amt innerhalb des Gerichtsbezirks ihres Amtssitzes aus." Nach Art. 9 § 1 Abs. 1 des Gesetzes kann, abgesehen von den Fällen, in denen die Bestimmung des Notars durch das Gericht vorgesehen ist, jede Partei ihren Notar frei wählen. Die Anzahl der Notare, die Verbreitung der Notariatsstuben und die Amtssitze der Notare werden vom König im Einklang mit den Bestimmungen von Art. 31 des Gesetzes festgelegt.
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Nach Art. 50 des Notariatsgesetzes kann ein Notar seinen Beruf allein oder als gesellschaftlich Verbündeter mit einem oder mehreren Notariatsstubeninhabern, deren Amtssitz im selben Gerichtsbezirk liegt, in einer als Gesellschaft konstituierten Berufsvereinigung ausüben.
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Die Honorare der Notare werden durch das Gesetz im Einklang mit den Bestimmungen des Königlichen Erlasses vom 16. Dezember 1950 zur Festlegung des Tarifs der Honorare der Notare festgelegt.
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Nach Art. 35 § 3 des Notariatsgesetzes ist in Belgien u. a. Voraussetzung für eine Ernennung zum Notarsanwärter, dass der Betreffende Belgier ist.
Die Notartätigkeiten
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Im Rahmen der verschiedenen Tätigkeiten des Notars nach der belgischen Rechtsordnung besteht seine Hauptaufgabe darin, authentische Urkunden zu erstellen. Dabei kann das Tätigwerden des Notars je nach Art des von ihm zu beurkundenden Akts obligatorisch oder fakultativ sein. Durch sein Tätigwerden stellt der Notar das Vorliegen aller gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für das Zustandekommen des Akts sowie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten fest.
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Die authentische Urkunde wird in Art. 1317 des Zivilgesetzbuchs, der sich in Kapitel VI („Nachweis der Verbindlichkeiten und der Zahlung") von Titel III des Buchs III befindet, definiert. Nach diesem Artikel ist eine solche Urkunde „diejenige, die in der gesetzlichen Form vor öffentlichen Amtsträgern errichtet wird, die an dem Ort, wo die Urkunde abgefasst wird, dazu befugt sind".
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Nach Art. 19 des Notariatsgesetzes haben notarielle Urkunden vor Gericht Beweiskraft und sind im gesamten Königreich Belgien vollstreckbar.
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In Art. 1319 des Zivilgesetzbuchs heißt es: „Die authentische Urkunde hat unter den Vertragsparteien und ihren Erben oder Rechtsnachfolgern volle Beweiskraft für die darin enthaltene Vereinbarung."
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Art. 1322 des Zivilgesetzbuchs bestimmt: „Eine privatschriftliche Urkunde, die von demjenigen anerkannt wird, dem gegenüber man sie geltend macht, oder die gesetzlich als anerkannt gilt, hat unter denjenigen, die sie unterschrieben haben, und unter deren Erben und Rechtsnachfolgern dieselbe Beweiskraft wie eine authentische Urkunde."
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Nach Art. 516 des Gerichtsgesetzbuchs sind mangels gegenteiliger Rechtsvorschriften nur die Gerichtsvollzieher befugt, gerichtliche Entscheidungen sowie vollstreckbare Urkunden oder Titel zu vollstrecken. Die Art. 1395 und 1396 des Gerichtsgesetzbuchs sehen vor, dass u. a. alle die Vollstreckungswege betreffenden Anträge beim Pfändungsgericht zu stellen sind. Dieses wacht über die Einhaltung der Bestimmungen über die Vollstreckungswege. Es kann sich, auch von Amts wegen, von den beurkundenden oder beauftragten öffentlichen oder ministeriellen Amtsträgern über den Stand des Verfahrens Bericht erstatten lassen.
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Neben den Authentifizierungstätigkeiten sind die Notare in der belgischen Rechtsordnung u. a. mit folgenden Aufgaben betraut.
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Nach den Art. 1148 bis 1173 des Gerichtsgesetzbuchs übt der Notar bestimmte Tätigkeiten im Bereich der Anbringung und Entfernung von Siegeln aus. Die Anbringung und die Entfernung von Siegeln werden vom Friedensrichter genehmigt. Bei zwingender Notwendigkeit kann der Friedensrichter die kurzfristige Entfernung von Siegeln anordnen und einen Notar zur Vertretung abwesender Personen sowie einen Notar zur Aufstellung des Inventars und zur Überwachung der Verwahrung der Gegenstände bestimmen.
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In den Art. 1175 bis 1184 des Gerichtsgesetzbuchs wird der Notar mit der Erstellung des Verzeichnisses eines Nachlasses, einer Gemeinschaft oder einer Miteigentümergemeinschaft betraut. Die Erstellung eines solchen Verzeichnisses bedarf in der Regel der Genehmigung des Friedensrichters; das Inventar wird sodann durch notarielle Urkunde erstellt. Bei Schwierigkeiten wendet sich der Notar an den Friedensrichter.
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Die Rolle des Notars im Rahmen bestimmter Immobilienverkäufe ist in den Art. 1186 bis 1190 des Gerichtsgesetzbuchs geregelt. Um diese Verkäufe vorzunehmen, müssen die Betroffenen zuvor in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eine Genehmigung des Friedensrichters beantragen. Wenn dieser dem Antrag stattgibt, bestellt er einen Notar zur Durchführung des Verkaufs.
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Auch mit bestimmten Tätigkeiten im Bereich der gerichtlich angeordneten Teilung wird der Notar durch die Art. 1207 bis 1224 des Gerichtsgesetzbuchs betraut. Es ist zunächst Sache des zuständigen Gerichts, die Teilung anzuordnen und die Parteien, gegebenenfalls unter von ihm festgelegten Modalitäten, an einen oder zwei von Amts wegen bestimmte Notare zu verweisen, wenn sich die Parteien nicht auf einen Notar ihrer Wahl einigen können. Nachdem die beweglichen und unbeweglichen Gegenstände geschätzt oder verkauft wurden, erstellt der Notar einen Liquidationsstatus im Hinblick auf die Teilung. Das Gericht entscheidet über etwaige Streitigkeiten und bestätigt dann diesen Liquidationsstatus oder sendet ihn zwecks Erstellung eines ergänzenden oder eines mit den Anweisungen des Gerichts im Einklang stehenden Liquidationsstatus an den bestellten Notar zurück.
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Aufgrund der Art. 1560 ff. des Gerichtsgesetzbuchs übt der Notar auch bestimmte Tätigkeiten im Bereich der Immobiliarvollstreckungspfändung aus. Nach diesen Bestimmungen wird der Vollstreckungstitel zunächst von einem Gerichtsvollzieher vollstreckt, der dem Schuldner eine Zahlungsaufforderung übermittelt. Dem Schuldner wird dann eine Frist gesetzt, um der Aufforderung nachzukommen. Ist er der Aufforderung bis zum Ablauf der Frist nicht nachgekommen, sind die betreffenden Immobilien schließlich Gegenstand einer Pfändung durch Gerichtsvollzieherurkunde, an die sich die Überschreibung dieser Urkunde beim Hypothekenamt anschließt. Auf Antrag des Gläubigers benennt der Pfändungsrichter einen Notar, den er mit der Versteigerung oder dem freihändigen Verkauf des Pfändungsguts, wenn Letzterer vom Richter genehmigt wurde, und mit den Maßnahmen zur Festsetzung des Rangverhältnisses betraut. Im Fall der Versteigerung erstellt der bestellte Notar das Lastenheft, in dem der Tag des Verkaufs angegeben und festgelegt wird, dass der Erlös den Gläubigern zusteht. Werden gegen das Lastenheft Einwände erhoben, erstellt der Notar darüber ein Protokoll, setzt alle Maßnahmen aus und legt die Frage dem Richter vor. Die in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Art. 1395 und 1396 des Gerichtsgesetzbuchs finden auf die Immobiliarvollstreckungspfändung Anwendung.
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Nach den Vorschriften der Art. 1639 bis 1654 des Gerichtsgesetzbuchs ist der Notar ferner mit dem Verfahren zur Festsetzung des Rangverhältnisses im Anschluss an einen öffentlichen Verkauf befasst. So erstellt der bestellte Notar das Protokoll über die Verteilung des Verkaufserlöses oder, soweit erforderlich, das Rangverhältnis von Vorzugsrechten und Hypotheken. Wird kein Widerspruch erhoben, schließt der Notar das Protokoll ab und übergibt den Gläubigern die Aufstellung der Rangverhältnisse in vollstreckbarer Form. Etwaige Einwände werden dem Gericht unterbreitet.
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Darüber hinaus sind bestimmte Transaktionen ohne notarielle Beurkundung unwirksam. Es handelt sich insbesondere um Schenkungen unter Lebenden, Testamente sowie Eheverträge und Verträge über gesetzliches Zusammenwohnen.
28
Der Notar wird auch im Bereich des Gesellschafts- und Vereinsrechts tätig. So muss z. B. über die von den Generalversammlungen bestimmter Gesellschaften gefassten Beschlüsse zu deren Auflösung gemäß Art. 181 § 4 des Gesellschaftsgesetzbuchs eine authentische Urkunde ausgefertigt werden. Das Gleiche gilt nach den Art. 27 und 46 des Gesetzes über die Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, die internationalen Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht und die Stiftungen in Bezug auf die Gründungsurkunden dieser Vereinigungen und Stiftungen. Die Vereinigungen und Stiftungen erwerben ihre Rechtspersönlichkeit ebenso wie die Gesellschaften im Anschluss an die Hinterlegung der Gründungsurkunde bei der Kanzlei des Handelsgerichts (Art. 2 § 4 und 68 des Gesellschaftsgesetzbuchs sowie Art. 3, 26 novies § 1, 29 § 1 und 31 § 1 des genannten Gesetzes). Überdies wird nach den Art. 882 bis 884 des Gesellschaftsgesetzbuchs die Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer Fusion oder Aufspaltung von Gesellschaften oder einer Verlagerung des Sitzes durch einen Notar vorgenommen.
Vorverfahren
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Die Kommission wurde mit einer Beschwerde befasst, die die Staatsangehörigkeitsvoraussetzung für den Zugang zum Beruf des Notars in Belgien betraf. Nach Prüfung dieser Beschwerde forderte die Kommission das Königreich Belgien mit Schreiben vom 8. November 2000 auf, sich binnen zwei Monaten zum einen zur Vereinbarkeit der Staatsangehörigkeitsvoraussetzung mit Art. 45 Abs. 1 EG und zum anderen zur unterbliebenen Umsetzung der Richtlinie 89/48 in Bezug auf den Beruf des Notars zu äußern.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2001 antwortete das Königreich Belgien auf dieses Aufforderungsschreiben.
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Am 15. Juli 2002 übersandte die Kommission diesem Mitgliedstaat ein ergänzendes Aufforderungsschreiben, in dem sie ihm vorwarf, gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 Abs. 1 EG und aus der Richtlinie 89/48 verstoßen zu haben.
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Das Königreich Belgien antwortete auf dieses ergänzende Aufforderungsschreiben mit Schreiben vom 10. Oktober 2002.
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Da die vom Königreich Belgien vorgebrachten Argumente die Kommission nicht überzeugten, richtete sie an diesen Mitgliedstaat am 18. Oktober 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie zu dem Ergebnis kam, dass der Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 Abs. 1 EG und aus der Richtlinie 89/48 verstoßen habe. Sie forderte ihn auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrem Erhalt nachzukommen.
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Mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 legte das Königreich Belgien dar, aus welchen Gründen es den von der Kommission vertretenen Standpunkt für unbegründet hielt.
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Unter diesen Umständen hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Zur ersten Rüge
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
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Mit ihrer ersten Rüge ersucht die Kommission den Gerichtshof um die Feststellung, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 45 Abs. 1 EG verstoßen hat, dass es den Zugang zum Beruf des Notars seinen eigenen Staatsangehörigen vorbehalten hat.
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Vorab hebt sie hervor, dass der Zugang zum Beruf des Notars in einigen Mitgliedstaaten nicht an ein Staatsangehörigkeitserfordernis geknüpft sei und dass andere Mitgliedstaaten - wie das Königreich Spanien, die Italienische Republik und die Portugiesische Republik - dieses Erfordernis fallen gelassen hätten.
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Sie weist an erster Stelle darauf hin, dass Art. 43 EG eine der grundlegenden Vorschriften des Unionsrechts darstelle und die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats garantieren solle, der sich, sei es auch nur mit einer Sekundärniederlassung, in einem anderen Mitgliedstaat niederlasse, um dort eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, und dass er jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verbiete.
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Die Kommission und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland machen geltend, Art. 45 Abs. 1 EG müsse autonom und einheitlich ausgelegt werden (Urteil vom 15. März 1988, Kommission/Griechenland, 147/86, Slg. 1988, 1637, Randnr. 8). Da dieser Artikel für Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien, eine Ausnahme von der Niederlassungsfreiheit vorsehe, sei er zudem eng auszulegen (Urteil vom 21. Juni 1974, Reyners, 2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 43).
40
Die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme müsse daher auf Tätigkeiten beschränkt werden, die für sich genommen eine unmittelbare und spezifische Teilhabe an der Ausübung öffentlicher Gewalt umfassten (Urteil Reyners, Randnrn. 44 und 45). Der Begriff der öffentlichen Gewalt setze die Ausübung einer vom allgemeinen Recht abweichenden Entscheidungsbefugnis voraus, die in der Fähigkeit zum Ausdruck komme, unabhängig vom Willen anderer Rechtssubjekte oder sogar gegen deren Willen zu handeln. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs manifestiere sich die öffentliche Gewalt insbesondere in der Ausübung von Zwangsbefugnissen (Urteil vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien, C‑114/97, Slg. 1998, I‑6717, Randnr. 37).
41
Die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundenen Tätigkeiten seien von den im Allgemeininteresse ausgeübten Tätigkeiten zu unterscheiden. Verschiedenen Berufsgruppen seien nämlich im Allgemeininteresse besondere Kompetenzen eingeräumt worden, ohne dass ihre Tätigkeiten mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien.
42
Vom Anwendungsbereich des Art. 45 Abs. 1 EG seien auch Tätigkeiten ausgenommen, mit denen die Ausübung öffentlicher Gewalt unterstützt oder an ihr mitgewirkt werde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1993, Thijssen, C‑42/92, Slg. 1993, I‑4047, Randnr. 22).
43
Überdies beziehe sich Art. 45 Abs. 1 EG grundsätzlich auf bestimmte Tätigkeiten und nicht auf eine ganze Berufsgruppe, es sei denn, dass die betreffenden Tätigkeiten von den gesamten Tätigkeiten der Berufsgruppe nicht trennbar seien.
44
An zweiter Stelle nimmt die Kommission eine Prüfung der verschiedenen von Notaren in der belgischen Rechtsordnung ausgeübten Tätigkeiten vor.
45
Soweit es erstens darum geht, Akte und Verträge zu beurkunden, macht sie geltend, der Notar beschränke sich darauf, den Willen der Parteien zu bezeugen, nachdem er sie beraten habe, und diesem Willen Rechtswirkungen zu verleihen. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit verfüge der Notar nicht über eine Entscheidungsbefugnis gegenüber den Parteien. Die Beurkundung sei somit nur die Bestätigung einer vorausgegangenen Vereinbarung zwischen den Parteien. Dass bestimmte Akte beurkundet werden müssten, spiele keine Rolle, da zahlreiche Verfahren zwingenden Charakter hätten, ohne Ausdruck der Ausübung öffentlicher Gewalt zu sein.
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Das Gleiche gelte für die Besonderheiten der Beweisregelung in Bezug auf notarielle Urkunden, da eine vergleichbare Beweiskraft auch anderen Urkunden zukomme, die nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien, wie z. B. den von vereidigten Förstern erstellten Protokollen. Dass der Notar für die von ihm erstellten Urkunden hafte, sei ebenfalls unerheblich. Dies sei nämlich bei den meisten freien Berufen der Fall, etwa bei Rechtsanwälten, Architekten oder Ärzten.
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Was die Vollstreckbarkeit beurkundeter Akte angehe, erfolge die Anbringung der Vollstreckungsklausel vor der eigentlichen Vollstreckung und sei kein Teil von ihr. Die Vollstreckbarkeit verleihe den Notaren daher keine Zwangsbefugnis. Im Übrigen entscheide über etwaige Einwände nicht der Notar, sondern das Gericht.
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Zweitens führe der Notar bei seinen Aufgaben im Rahmen der Immobiliarvollstreckungspfändung lediglich die Entscheidungen des Pfändungsgerichts aus. Das Gleiche gelte für den öffentlichen Verkauf von Immobilien außerhalb einer Vollstreckungspfändung.
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Drittens beschränke sich die Rolle des Notars bei der Erstellung des Verzeichnisses eines Nachlasses, einer Gemeinschaft oder einer Miteigentümergemeinschaft auf die Erstellung dieses Verzeichnisses unter der Aufsicht des Gerichts. Auch seine Rolle bei der gerichtlich angeordneten Auseinandersetzung und Teilung übe er im Rahmen richterlicher Entscheidungen aus.
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Viertens habe der Notar in Bezug auf die Vornahme bestimmter Handlungen, insbesondere von Schenkungen, Eheverträgen und Verträgen über gesetzliches Zusammenwohnen, allein die Aufgabe, den Willen der Parteien unter Wahrung des Rechts zu bestätigen.
51
Das Gleiche gelte fünftens für die Aufgaben des Notars im Bereich des Gesellschafts- und Vereinsrechts.
52
Im Übrigen seien der spezielle Status des Notars nach belgischem Recht, seine Ernennung durch den König und die Kontrolle seiner Tätigkeiten durch staatliche Stellen für die Beurteilung der Art der fraglichen Tätigkeiten nicht unmittelbar relevant.
53
An dritter Stelle sind die Kommission und das Vereinigte Königreich der Ansicht, dass die Vorschriften des Unionsrechts, die Bezugnahmen auf die notarielle Tätigkeit enthielten, die Anwendung der Art. 43 EG und 45 Abs. 1 EG auf diese Tätigkeit nicht berührten.
54
Sowohl Art. 1 Abs. 5 Buchst. d der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") (ABl. L 178, S. 1) als auch der 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 nähmen von ihrem Anwendungsbereich die Tätigkeiten von Notaren nur insoweit aus, als sie eine unmittelbare und besondere Verbindung zur Ausübung öffentlicher Befugnisse aufwiesen. Es handele sich somit um einen bloßen Vorbehalt, der keine Auswirkungen auf die Auslegung von Art. 45 Abs. 1 EG habe. Was Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36) anbelange, wonach die Tätigkeiten von Notaren vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen seien, so bedeute die Tatsache, dass der Richtliniengeber entschieden habe, eine bestimmte Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen, nicht, dass Art. 45 Abs. 1 EG auf diese Tätigkeit anwendbar sei.
55
Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1), die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. L 143, S. 15) sähen lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten Urkunden, die in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen worden und vollstreckbar seien, anerkennen und für vollstreckbar erklären müssten.
56
Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. März 2006 zu den Rechtsberufen und dem allgemeinen Interesse an der Funktionsweise der Rechtssysteme (ABl. C 292E, S. 105, im Folgenden: Entschließung von 2006) sei eine rein politische Handlung mit mehrdeutigem Inhalt, denn zum einen habe das Europäische Parlament in Nr. 17 dieser Entschließung ausgeführt, dass Art. 45 EG auf den Beruf des Notars anwendbar sei, und zum anderen habe es in Nr. 2 der Entschließung den in seiner Entschließung vom 18. Januar 1994 zur Lage und Organisation des Notarstands in den zwölf Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (ABl. C 44, S. 36, im Folgenden: Entschließung von 1994) vertretenen Standpunkt bekräftigt, dass das im Recht mehrerer Mitgliedstaaten vorgesehene Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zum Notarberuf gestrichen werden sollte.
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Die Kommission und das Vereinigte Königreich fügen hinzu, in der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. September 2003, Colegio de Oficiales de la Marina Mercante Española (C‑405/01, Slg. 2003, I‑10391), ergangen sei, auf das mehrere Mitgliedstaaten in ihren schriftlichen Erklärungen Bezug genommen hätten, sei es um die Wahrnehmung einer breiten Palette von Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, von polizeilichen Befugnissen sowie von notariellen und personenstandsrechtlichen Zuständigkeiten durch die Kapitäne und Ersten Offiziere von Handelsschiffen gegangen. Der Gerichtshof habe daher keine Gelegenheit gehabt, die verschiedenen von den Notaren ausgeübten Tätigkeiten im Detail an Art. 45 Abs. 1 EG zu messen. Aus diesem Urteil lasse sich folglich nicht schließen, dass die genannte Vorschrift auf Notare anwendbar sei.
58
Das Königreich Belgien macht mit Unterstützung der Tschechischen Republik, der Französischen Republik, der Republik Litauen, der Republik Ungarn und der Slowakischen Republik an erster Stelle geltend, die von der Kommission vertretene Auslegung von Art. 45 Abs. 1 EG sei zu eng. Die Notare hätten nach belgischem Recht zum einen aufgrund der den notariellen Urkunden beigemessenen, vom allgemeinen Recht abweichenden Rechtswirkungen und zum anderen aufgrund des Wesens der eng mit der Ausübung rechtsprechender Gewalt verbundenen notariellen Tätigkeiten sowie ihrer Tätigkeiten im nichtstreitigen Bereich unmittelbar und spezifisch an der Ausübung öffentlicher Gewalt teil.
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Das Königreich Belgien fügt hinzu, der Status der Notare in der belgischen Rechtsordnung entspreche dem von Amtsträgern, die öffentliche Gewalt ausübten, während ihr Bestellungsverfahren und ihre Unabsetzbarkeit wie bei Magistraten geregelt seien.
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An zweiter Stelle hebt das Königreich Belgien in Bezug auf die verschiedenen Tätigkeiten der Notare hervor, dass sie mit der Erstellung authentischer Urkunden verbunden seien; dabei handele es sich um eine konkrete Manifestierung öffentlicher Gewalt. Entgegen dem Vorbringen der Kommission reiche die Einigung zwischen den Parteien nicht für die Erstellung einer notariellen Urkunde aus. Der Notar müsse nämlich die Ausstellung der authentischen Urkunde ablehnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
61
Außerdem spiele der Notar bei der Beurkundung die Rolle des Steuereinnehmers, indem er die Zahlung etwaiger Registrierungsgebühren und der Hypothekengebühr entgegennehme und darüber eine Quittung ausstelle.
62
Die vom Notar erstellten authentischen Urkunden besäßen überdies volle Beweiskraft und seien vollstreckbar.
63
So hätten nach der belgischen Rechtsordnung die beurkundeten Angaben in der notariellen Urkunde, d. h. die vom Notar selbst festgestellten Tatsachen, die er nach seiner Erklärung gesehen, gehört und vorgenommen habe, volle Beweiskraft zwischen den Parteien, es sei denn, sie seien mittels einer Fälschungsklage erfolgreich angefochten worden. Dagegen komme privatschriftlichen Urkunden keine Beweiskraft zu, es sei denn, sie seien von den Parteien anerkannt worden.
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Notarielle Urkunden seien auch vollstreckbar, ohne dass zuvor eine gerichtliche Entscheidung eingeholt werden müsse. Die Erstellung der notariellen Urkunde führe nämlich zu einem vollstreckbaren Titel, der es dem Gerichtsvollzieher ermögliche, unmittelbar auf der Grundlage dieser Urkunde zu vollstrecken. Im Fall eines Widerspruchs gegen die Vollstreckung müsse sich der Schuldner an das Pfändungsgericht wenden.
65
An dritter Stelle macht das Königreich Belgien geltend, die Notare würden in der belgischen Rechtsordnung mit bestimmten Aufgaben im Rahmen sowohl der streitigen als auch der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit betraut.
66
Was erstens die verschiedenen Aufgaben der Notare im Rahmen der streitigen Gerichtsbarkeit anbelange, zu denen die Immobiliarvollstreckungspfändung, bestimmte öffentliche Verkäufe, die Erstellung des Verzeichnisses eines Nachlasses, einer Gemeinschaft oder einer Miteigentümergemeinschaft, die gerichtliche Teilung und die Anordnung und Entfernung von Siegeln gehörten, so seien diese Aufgaben eng mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden.
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Der Notar nehme dabei eigenständige und von denen des Richters gesonderte Aufgaben wahr. In bestimmten Fällen sei der Notar befugt, einseitige Maßnahmen zu treffen, ohne dass es des Einverständnisses der Parteien bedürfe. Dies sei dann der Fall, wenn er im Rahmen einer Vollstreckungspfändung eine Immobilie verkaufe oder wenn er im Rahmen einer gerichtlichen Teilung den Liquidationsstatus erstelle. Speziell bei der Vollstreckungspfändung sei der Notar nach seiner Ernennung durch das Gericht allein Herr des Verfahrens, da die Versteigerung definitiv sei und nicht mit einer Klage angefochten werden könne. Das Pfändungsgericht könne daher nur mit einem die Rechtmäßigkeit der Pfändung betreffenden Einwand oder mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Versteigerung befasst werden.
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Zweitens sollten die Aufgaben, mit denen der Notar im Rahmen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, insbesondere im Bereich der Testamente, der Eheverträge oder der Verträge über gesetzliches Zusammenwohnen, betraut werde, spätere gerichtliche Streitigkeiten verhindern. Die Notare und die Gerichte seien also mit zwei gesonderten Teilen der Gerichtsbarkeit betraut; Erstere würden im Rahmen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit tätig, Letztere im Rahmen der streitigen Gerichtsbarkeit. Die notariellen Tätigkeiten hätten daher keine Hilfs- oder Vorbereitungsfunktion für die Tätigkeiten des Gerichts.
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Im Übrigen habe der Gerichtshof im Urteil Colegio de Oficiales de la Marina Mercante Española bestätigt, dass die notariellen Tätigkeiten bei der Erstellung von Testamenten eine Teilhabe an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellten.
70
Drittens werde der Notar im Bereich des Gesellschaftsrechts als Repräsentant der hoheitlichen Gewalt tätig, der im Allgemeininteresse dafür sorge, dass die Transaktionen im Einklang mit dem Recht stünden.
71
Das Königreich Belgien und die Republik Litauen machen an vierter Stelle geltend, der Unionsgesetzgeber habe bestätigt, dass die Notare an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilhätten. Nach den in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils erwähnten Rechtsakten der Union seien entweder die Tätigkeiten der Notare von ihrem jeweiligen Geltungsbereich ausgenommen, weil die Notare an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilhätten, oder es werde anerkannt, dass authentische Urkunden von einer Behörde oder einer anderen vom Staat hierzu ermächtigten Stelle ausgestellt würden. Überdies ergebe sich aus den in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsakten, dass notarielle Urkunden in Bezug auf ihre Vollstreckbarkeit gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt seien.
72
Sie fügen schließlich hinzu, das Parlament habe in seinen Entschließungen von 1994 und 2006 deutlich gemacht, dass der Beruf des Notars mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
- Vorbemerkungen
73
Mit ihrer ersten Rüge wirft die Kommission dem Königreich Belgien vor, Angehörige anderer Mitgliedstaaten dadurch daran zu hindern, sich in seinem Hoheitsgebiet zur Ausübung des Notarberufs niederzulassen, dass es den Zugang zu diesem Beruf unter Verstoß gegen Art. 43 EG seinen eigenen Staatsangehörigen vorbehalte.
74
Diese Rüge betrifft somit allein das nach der einschlägigen belgischen Regelung für den Zugang zu diesem Beruf aufgestellte Staatsangehörigkeitserfordernis unter dem Aspekt von Art. 43 EG.
75
Folglich ist klarzustellen, dass die Rüge weder den Status und die Organisation des Notariats in der belgischen Rechtsordnung betrifft noch die Voraussetzungen, die neben der Staatsangehörigkeit für den Zugang zum Beruf des Notars in diesem Mitgliedstaat bestehen.
76
Ferner ist hervorzuheben, dass die erste Rüge, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, auch nicht die Anwendung der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr betrifft. Ebenso wenig betrifft sie die Anwendung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer.
- Zur Begründetheit
77
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 43 EG eine der grundlegenden Vorschriften des Unionsrechts darstellt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Reyners, Randnr. 43).
78
Der Begriff der Niederlassung im Sinne dieser Vorschrift ist ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Unionsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsmitgliedstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Europäischen Union im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird (vgl. u. a. Urteil vom 22. Dezember 2008, Kommission/Österreich, C‑161/07, Slg. 2008, I‑10671, Randnr. 24).
79
Die Niederlassungsfreiheit, die den Angehörigen eines Mitgliedstaats im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zuerkannt wird, umfasst u. a. das Recht zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten nach den Rechtsvorschriften, die im Mitgliedstaat der Niederlassung für dessen eigene Angehörigen gelten (vgl. u. a. Urteil vom 28. Januar 1986, Kommission/Frankreich, 270/83, Slg. 1986, 273, Randnr. 13, und in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 27). Mit anderen Worten verbietet Art. 43 EG jedem Mitgliedstaat, in seinen Rechtsvorschriften in Bezug auf Personen, die von der Freiheit, sich in diesem Staat niederzulassen, Gebrauch machen, für die Ausübung ihrer Tätigkeit andere als die für seine eigenen Staatsangehörigen festgelegten Bedingungen vorzusehen (Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 28).
80
Art. 43 EG soll also die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats garantieren, der sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlässt, um dort eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, und untersagt jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 14).
81
Im vorliegenden Fall wird aber durch die streitigen nationalen Rechtsvorschriften der Zugang zum Beruf des Notars den belgischen Staatsangehörigen vorbehalten; sie schaffen damit eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die grundsätzlich nach Art. 43 EG verboten ist.
82
Das Königreich Belgien macht jedoch geltend, die notariellen Tätigkeiten seien vom Anwendungsbereich des Art. 43 EG ausgenommen, da sie im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien. Daher ist zunächst die Tragweite des Begriffs der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der letztgenannten Vorschrift zu prüfen und dann zu klären, ob die den Notaren nach der belgischen Rechtsordnung übertragenen Tätigkeiten unter diesen Begriff fallen.
83
Was den Begriff „Ausübung öffentlicher Gewalt" im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG angeht, ist bei seiner Würdigung nach ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass den anerkannten Ausnahmen vom Grundsatz der Niederlassungsfreiheit durch die genannte Bestimmung dem Unionsrecht eigene Grenzen gesetzt werden, um zu verhindern, dass der Vertrag durch einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten seiner praktischen Wirksamkeit in diesem Bereich beraubt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Reyners, Randnr. 50, Kommission/Griechenland, Randnr. 8, und vom 22. Oktober 2009, Kommission/Portugal, C‑438/08, Slg. 2009, I‑10219, Randnr. 35).
84
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung stellt Art. 45 Abs. 1 EG eine Ausnahme von der Grundregel der Niederlassungsfreiheit dar. Als solche ist er so auszulegen, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (Urteile Kommission/Griechenland, Randnr. 7, Kommission/Spanien, Randnr. 34, vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C‑451/03, Slg. 2006, I‑2941, Randnr. 45, vom 29. November 2007, Kommission/Österreich, C‑393/05, Slg. 2007, I‑10195, Randnr. 35, und Kommission/Deutschland, C‑404/05, Slg. 2007, I‑10239, Randnrn. 37 und 46, sowie Kommission/Portugal, Randnr. 34).
85
Ferner hat der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben, dass die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränkt werden muss, die als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Urteile Reyners, Randnr. 45, Thijssen, Randnr. 8, Kommission/Spanien, Randnr. 35, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 46, Kommission/Deutschland, Randnr. 38, und Kommission/Portugal, Randnr. 36).
86
Dabei hat der Gerichtshof ausgeführt, dass von der in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehenen Ausnahmeregelung bestimmte Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten für die Ausübung öffentlicher Gewalt ausgenommen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Thijssen, Randnr. 22, Kommission/Spanien, Randnr. 38, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 47, Kommission/Deutschland, Randnr. 38, und Kommission/Portugal, Randnr. 36) sowie bestimmte Tätigkeiten, deren Ausübung - auch wenn sie Kontakte, die regelmäßig oder organisch in das Verfahren eingebettet sein können, mit Verwaltungsbehörden oder Gerichten oder sogar einen, möglicherweise obligatorischen, Beitrag zur Erfüllung ihrer Aufgaben umfasst - die Beurteilungs- oder Entscheidungsbefugnisse dieser Behörden oder Gerichte unberührt lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil Reyners, Randnrn. 51 und 53), oder auch bestimmte Tätigkeiten, die nicht die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen (vgl. in diesem Sinne Urteile Thijssen, Randnrn. 21 und 22, vom 29. November 2007, Kommission/Österreich, Randnrn. 36 und 42, Kommission/Deutschland, Randnrn. 38 und 44, sowie Kommission/Portugal, Randnrn. 36 und 41) oder Zwangsbefugnissen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 37) oder den Einsatz von Zwangsmitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2003, Anker u. a., C‑47/02, Slg. 2003, I‑10447, Randnr. 61, sowie Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 44) umfassen.
87
Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die den Notaren in der belgischen Rechtsordnung übertragenen Tätigkeiten unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.
88
Dabei ist die Art der von den Angehörigen dieses Berufs ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Thijssen, Randnr. 9).
89
Das Königreich Belgien und die Kommission sind sich darüber einig, dass die Haupttätigkeit der Notare nach der belgischen Rechtsordnung darin besteht, authentische Urkunden in der gesetzlichen Form zu erstellen. Dabei müsse der Notar u. a. prüfen, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erstellung der Urkunde erfüllt seien. Die authentische Urkunde besitze zudem Beweiskraft und sei vollstreckbar.
90
Hierzu ist hervorzuheben, dass nach den belgischen Rechtsvorschriften Akte oder Verträge, denen sich die Parteien freiwillig unterworfen haben, beurkundet werden. Die Parteien entscheiden nämlich, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen, selbst über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten und können die Bestimmungen, denen sie sich unterwerfen wollen, frei wählen, wenn sie dem Notar einen Akt oder einen Vertrag zur Beurkundung unterbreiten. Dessen Tätigwerden setzt daher voraus, dass zuvor eine Einigung oder Willensübereinstimmung der Parteien zustande gekommen ist.
91
Außerdem darf der Notar den von ihm zu beurkundenden Vertrag nicht ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Parteien einseitig ändern.
92
Die Beurkundungstätigkeit der Notare ist somit als solche nicht im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden.
93
Dass bei bestimmten Akten oder Verträgen eine Beurkundung zwingende Voraussetzung ihrer Wirksamkeit ist, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Es ist nämlich nicht ungewöhnlich, dass die Gültigkeit verschiedener Akte nach den nationalen Rechtsordnungen und unter den vorgesehenen Modalitäten Formerfordernissen oder zwingenden Validierungsverfahren unterliegt. Dieser Umstand reicht daher nicht aus, um die vom Königreich Belgien vertretene These zu untermauern.
94
Auch die Pflicht der Notare, vor der Beurkundung eines Akts oder eines Vertrags zu prüfen, ob alle gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für das Zustandekommen dieses Akts oder Vertrags erfüllt sind, und, wenn dies nicht der Fall ist, die Beurkundung zu verweigern, ist nicht geeignet, das vorstehende Ergebnis in Frage zu stellen.
95
Zwar verfolgt der Notar, wie das Königreich Belgien hervorhebt, bei dieser Prüfung das im Allgemeininteresse liegende Ziel, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Die bloße Verfolgung dieses Ziels kann es jedoch nicht rechtfertigen, die dafür erforderlichen Vorrechte Notaren mit der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats vorzubehalten.
96
Dass in Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels gehandelt wird, genügt für sich genommen nicht, um eine bestimmte Tätigkeit als unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden einzustufen. Es steht nämlich fest, dass die im Rahmen verschiedener reglementierter Berufe ausgeübten Tätigkeiten nach den nationalen Rechtsordnungen häufig die Pflicht der sie ausübenden Personen einschließen, ein solches Ziel zu verfolgen, ohne dass diese Tätigkeiten deshalb mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.
97
Dass mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten, stellt allerdings einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige Beschränkungen von Art. 43 EG rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind.
98
Es trifft auch zu, dass der Notar die Beurkundung eines Akts oder eines Vertrags, der nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt, unabhängig vom Willen der Parteien verweigern muss. Nach einer solchen Weigerung steht es den Parteien jedoch frei, die festgestellte Regelwidrigkeit abzustellen, die Bestimmungen des fraglichen Akts oder Vertrags zu ändern oder auf diesen Akt oder Vertrag zu verzichten.
99
Was die Beweiskraft und die Vollstreckbarkeit notarieller Urkunden anbelangt, so verleihen sie diesen Urkunden unbestreitbar bedeutsame Rechtswirkungen. Dass eine bestimmte Tätigkeit die Erstellung von Urkunden umfasst, die mit solchen Wirkungen ausgestattet sind, reicht jedoch nicht aus, um diese Tätigkeit als im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden einzustufen.
100
Insbesondere in Bezug auf die Beweiskraft einer notariellen Urkunde ist nämlich festzustellen, dass sie Teil der in der fraglichen Rechtsordnung gesetzlich verankerten Beweisregeln ist. So gehört Art. 1319 des Zivilgesetzbuchs, der die Beweiskraft authentischer Urkunden regelt, zu dem mit „Nachweis der Verbindlichkeiten und der Zahlung" überschriebenen Kapitel VI dieses Gesetzbuchs. Die einer bestimmten Urkunde durch Gesetz verliehene Beweiskraft hat daher keine unmittelbare Auswirkung auf die Frage, ob die mit der Erstellung dieser Urkunde verbundene Tätigkeit als solche unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, wie es die Rechtsprechung verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile Thijssen, Randnr. 8, und Kommission/Spanien, Randnr. 35).
101
Zudem hat, wie das Königreich Belgien eingeräumt hat, eine privatschriftliche Urkunde, die von demjenigen anerkannt wird, dem gegenüber sie geltend gemacht wird, oder die gesetzlich als anerkannt gilt, gemäß Art. 1322 des Zivilgesetzbuchs unter denjenigen, die sie unterschrieben haben, und unter deren Erben und Rechtsnachfolgern „dieselbe Beweiskraft wie eine authentische Urkunde".
102
Zur Vollstreckbarkeit der authentischen Urkunde hat das Königreich Belgien zutreffend ausgeführt, dass sie die Vollstreckung der in ihr enthaltenen Verpflichtung ermöglicht, ohne dass zuvor das Gericht tätig werden muss.
103
Die Vollstreckbarkeit der authentischen Urkunde verschafft dem Notar aber keine Befugnisse, die mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Zwar verleiht die Anbringung der Vollstreckungsklausel durch den Notar der authentischen Urkunde die Vollstreckbarkeit, doch beruht diese auf dem Willen der Parteien, eine Urkunde zu schaffen oder einen Vertrag zu schließen, nachdem der Notar ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung geprüft hat, und ihnen Vollstreckbarkeit zu verleihen.
104
Ferner ist zu prüfen, ob die übrigen dem Notar in der belgischen Rechtsordnung übertragenen Tätigkeiten, auf die das Königreich Belgien Bezug nimmt, mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.
105
Erstens ist zu den Aufgaben, mit denen der Notar im Rahmen von Immobiliarvollstreckungspfändungen betraut ist, festzustellen, dass seine Hauptaufgabe darin besteht, die Versteigerung oder den freihändigen Verkauf des Pfändungsguts - sofern Letzterer vom Richter genehmigt wurde und zu den von diesem festgelegten Bedingungen - abzuwickeln. Der Notar hat auch die Ortsbesichtigung zu organisieren und das Lastenheft zu erstellen, in dem der Tag des Verkaufs angegeben und festgelegt wird, dass der Erlös den Gläubigern zusteht.
106
Somit ist zum einen festzustellen, dass der Notar nicht befugt ist, selbst die Pfändung vorzunehmen. Zum anderen wird der Notar vom Pfändungsgericht benannt und mit der Versteigerung oder dem freihändigen Verkauf des Pfändungsguts sowie mit den Maßnahmen zur Festsetzung des Rangverhältnisses betraut. Dieses Gericht wacht über die Einhaltung der Bestimmungen über die Vollstreckungswege. Es kann sich auch von Amts wegen, wie aus Art. 1396 des Gerichtsgesetzbuchs hervorgeht, von den beurkundenden oder beauftragten öffentlichen oder ministeriellen Amtsträgern über den Stand des Verfahrens Bericht erstatten lassen. Im Fall von Einwänden entscheidet das Pfändungsgericht, wobei der Notar über die Einwände ein Protokoll zu erstellen, alle Maßnahmen auszusetzen und die Frage dem Gericht vorzulegen hat.
107
Die Aufgaben, mit denen die Notare im Rahmen von Immobiliarvollstreckungspfändungen betraut sind, werden somit unter der Aufsicht des Pfändungsgerichts wahrgenommen, dem der Notar etwaige Einwände zuleiten muss und das zudem die Letztentscheidungsbefugnis hat. Diese Aufgaben können folglich als solche nicht als unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Thijssen, Randnr. 21, vom 29. November 2007, Kommission/Österreich, Randnrn. 41 und 42, Kommission/Deutschland, Randnrn. 43 und 44, sowie Kommission/Portugal, Randnrn. 37 und 41).
108
Das Gleiche gilt zweitens für die den Notaren durch die Art. 1186 bis 1190 des Gerichtsgesetzbuchs übertragenen Befugnisse im Rahmen bestimmter Immobilienverkäufe. Aus diesen Vorschriften geht nämlich hervor, dass die Entscheidung über die Gestattung solcher Verkäufe vom Gericht getroffen wird.
109
Drittens ist zu den Tätigkeiten der Notare im Bereich der Erstellung des Verzeichnisses von Nachlässen, Gemeinschaften oder Miteigentümergemeinschaften und im Bereich der Anbringung und Entfernung von Siegeln hervorzuheben, dass sie der Genehmigung des Friedensgerichts bedürfen. Im Fall von Schwierigkeiten verweist der Notar die Frage nach Art. 1184 des Gerichtsgesetzbuchs an dieses Gericht.
110
Viertens obliegt es in Bezug auf die Tätigkeiten der Notare im Bereich der gerichtlichen Teilung zum einen dem Gericht, die Teilung anzuordnen und die Parteien, gegebenenfalls unter den von ihm festgelegten Modalitäten, an einen Notar zu verweisen, der u. a. die Aufgabe hat, das Inventar zu erstellen, die allgemeine Masse zusammenzustellen und die Zusammensetzung der Partien festzulegen. Zum anderen hat das Gericht über alle etwaigen Streitigkeiten zu entscheiden, den vom Notar erstellten Liquidationsstatus zu bestätigen oder ihn zwecks Erstellung eines ergänzenden oder eines mit den Anweisungen des Gerichts im Einklang stehenden Liquidationsstatus an den Notar zurückzusenden. Folglich übt der Notar bei diesen Tätigkeiten keine öffentliche Gewalt aus.
111
Das Gleiche gilt fünftens für das Verfahren zur Festsetzung des Rangverhältnisses im Anschluss an einen öffentlichen Verkauf. Im Rahmen dieses Verfahrens erstellt der Notar das Protokoll über die Verteilung des Verkaufserlöses oder, soweit erforderlich, das Rangverhältnis von Vorzugsrechten und Hypotheken. Etwaige Einwände sind dem Gericht vorzutragen.
112
In Bezug auf die in den Randnrn. 105 bis 111 des vorliegenden Urteils genannten notariellen Tätigkeiten ist noch hinzuzufügen, dass - wie in Randnr. 86 dieses Urteils ausgeführt - berufliche Tätigkeiten, die einen, sei es auch obligatorischen, Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Gerichte umfassen, deshalb nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (Urteil Reyners, Randnr. 51).
113
Was sechstens Transaktionen wie Schenkungen unter Lebenden, Testamente sowie Eheverträge und Verträge über gesetzliches Zusammenwohnen anbelangt, die ohne notarielle Beurkundung unwirksam sind, so ist auf die Erwägungen in den Randnrn. 90 bis 103 des vorliegenden Urteils zu verweisen.
114
Die gleichen Erwägungen gelten siebtens für Handlungen zur Gründung von Gesellschaften, Vereinigungen und Stiftungen, deren Wirksamkeit eine notarielle Beurkundung voraussetzt. Die genannten juristischen Personen erwerben ihre Rechtspersönlichkeit im Übrigen erst nach Hinterlegung der Gründungsurkunde bei der Kanzlei des Handelsgerichts.
115
Achtens können Aufgaben der Vereinnahmung von Steuern, mit denen der Notar betraut ist, wenn er Registrierungs- oder Hypothekengebühren entgegennimmt, als solche nicht als unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden angesehen werden. Hierzu ist klarzustellen, dass die Vereinnahmung durch den Notar für Rechnung des Schuldners erfolgt und dass sich ihr die Übergabe entsprechender Beträge an die zuständige staatliche Stelle anschließt, so dass sie sich nicht grundlegend von der Vereinnahmung der Mehrwertsteuer unterscheidet.
116
Zum speziellen Status der Notare nach belgischem Recht genügt der Hinweis, dass nach den Ausführungen in den Randnrn. 85 und 88 des vorliegenden Urteils anhand der Art der fraglichen Tätigkeiten für sich genommen und nicht anhand dieses Status als solchen zu prüfen ist, ob die Tätigkeiten unter die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme fallen.
117
Hierzu bedarf es jedoch zweier Erläuterungen. Zum einen steht fest, dass - außer in den Fällen, in denen die Bestimmung des Notars durch das Gericht vorgesehen ist - nach Art. 9 des Notariatsgesetzes jede Partei den Notar frei wählen kann. Es trifft zwar zu, dass das Honorar der Notare gesetzlich festgelegt ist; gleichwohl kann die Qualität der erbrachten Leistungen von Notar zu Notar u. a. aufgrund der beruflichen Fähigkeiten der Betreffenden schwanken. Folglich üben die Notare, wie der Generalanwalt in Nr. 18 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ihren Beruf in den Grenzen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeiten unter Wettbewerbsbedingungen aus, was für die Ausübung öffentlicher Gewalt untypisch ist.
118
Zum anderen sind die Notare, wie die Kommission geltend macht, ohne dass das Königreich Belgien ihr insoweit widersprochen hätte, ihren Klienten gegenüber unmittelbar und persönlich verantwortlich für alle Schäden, die aus einem Fehlverhalten bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten resultieren.
119
Überdies vermag auch das vom Königreich Belgien aus einigen Rechtsakten der Union abgeleitete Argument nicht zu überzeugen. Zu den in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsakten ist festzustellen, dass der Ausschluss der notariellen Tätigkeiten vom Anwendungsbereich eines Rechtsakts durch den Gesetzgeber nicht bedeutet, dass diese Tätigkeiten zwangsläufig unter die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme fallen. Speziell im Fall der Richtlinie 2005/36 geht schon aus dem Wortlaut ihres 41. Erwägungsgrundes, wonach sie „nicht die Anwendung ... des Artikels 45 [EG], insbesondere auf Notare", berührt, hervor, dass der Unionsgesetzgeber gerade nicht zur Anwendbarkeit von Art. 45 Abs. 1 EG auf den Beruf des Notars Stellung genommen hat.
120
Auch die Argumentation, die sich auf die in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils genannten Verordnungen stützt, greift nicht durch. Diese Verordnungen betreffen nämlich die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen worden und vollstreckbar sind, und wirken sich folglich nicht auf die Auslegung von Art. 45 Abs. 1 EG aus. Zudem geht aus der analog auf die Verordnung Nr. 44/2001 anwendbaren Rechtsprechung hervor, dass eine Urkunde erst durch das Tätigwerden einer Behörde oder einer anderen vom Staat ermächtigten Stelle zu einer öffentlichen Urkunde im Sinne der Verordnung werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juni 1999, Unibank, C‑260/97, Slg. 1999, I‑3715, Randnrn. 15 und 21).
121
Die in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils erwähnten Entschließungen von 1994 und 2006 besitzen keine Rechtswirkungen, da solche Entschließungen ihrem Wesen nach keine verbindlichen Rechtsakte sind. Überdies heißt es darin zwar, dass der Notarberuf unter Art. 45 EG falle, doch hat das Parlament in der erstgenannten Entschließung ausdrücklich seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass Maßnahmen getroffen werden, damit das Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zum Notarberuf gestrichen wird; dieser Standpunkt wurde in der Entschließung von 2006 nochmals implizit bekräftigt.
122
Zu dem vom Königreich Belgien aus dem Urteil Colegio de Oficiales de la Marina Mercante Española abgeleiteten Argument ist festzustellen, dass es in der Rechtssache, die Gegenstand dieses Urteils war, um die Auslegung von Art. 39 Abs. 4 EG und nicht von Art. 45 Abs. 1 EG ging. Außerdem geht aus Randnr. 42 des Urteils hervor, dass der Gerichtshof bei der Entscheidung, dass die den Kapitänen und Ersten Offizieren von Schiffen übertragenen Aufgaben eine Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse darstellen, auf die Gesamtheit ihrer Aufgaben abgestellt hat. Der Gerichtshof hat also nicht allein die den Kapitänen und Ersten Offizieren übertragenen notariellen Befugnisse der Entgegennahme, Aufbewahrung und Weiterleitung von Testamenten gesondert von ihren übrigen Befugnissen, etwa der Zwangsanwendung oder der Verhängung von Sanktionen, geprüft.
123
Unter diesen Umständen sind die notariellen Tätigkeiten nach ihrer gegenwärtigen Definition in der belgischen Rechtsordnung nicht im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden.
124
Folglich ist festzustellen, dass das in der belgischen Regelung aufgestellte Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zum Notarberuf eine nach Art. 43 EG verbotene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt.
125
Nach alledem ist die erste Rüge begründet.
Zur zweiten Rüge
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
126
Die Kommission wirft dem Königreich Belgien vor, die Richtlinie 89/48 in Bezug auf den Notarberuf nicht umgesetzt zu haben. Dieser Beruf dürfe dem Anwendungsbereich der Richtlinie nicht entzogen werden, da die Tätigkeit des Notars nicht unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sei.
127
Die Richtlinie 89/48 gestatte es den Mitgliedstaaten, eine Eignungsprüfung oder einen Anpassungslehrgang vorzusehen, die das erforderliche hohe Qualifikationsniveau der Notare gewährleisten könnten. Außerdem würde die Anwendung dieser Richtlinie nicht die Bestellung von Notaren mittels Auswahlverfahren verhindern, sondern nur den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten Zugang zu diesen Auswahlverfahren verschaffen. Ihre Anwendung hätte auch keine Auswirkungen auf das Verfahren zur Bestellung der Notare.
128
Das Vereinigte Königreich ist zudem der Ansicht, dass die Bezugnahme auf den Notarberuf im 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 diesen Beruf nicht insgesamt vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließe.
129
Das Königreich Belgien trägt, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, vor, mit der zweiten Rüge werde eine unterbliebene Umsetzung nicht der Richtlinie 2005/36, sondern der Richtlinie 89/48 geltend gemacht. Letztere sei aber mit Wirkung vom 20. Oktober 2007 durch die Richtlinie 2005/36 aufgehoben worden.
130
In der Sache machen das Königreich Belgien, die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Slowakische Republik geltend, im 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 heiße es ausdrücklich, dass sie „nicht die Anwendung des Artikels 39 Absatz 4 [EG] und des Artikels 45 [EG], insbesondere auf Notare", berühre. Dieser Vorbehalt bestätige, dass der Notarberuf von Art. 45 Abs. 1 EG erfasst werde, so dass die Richtlinie 2005/36 auf diesen Beruf keine Anwendung finde. Die Republik Litauen weist ferner darauf hin, dass im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/48 ein ähnlicher, wenn auch weniger spezifischer Vorbehalt zu finden sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
- Zur Zulässigkeit
131
Nach ständiger Rechtsprechung ist im Rahmen einer auf Art. 226 EG gestützten Klage das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand des Stands des Unionsrechts am Ende der Frist zu beurteilen, die die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat für ein Handeln gemäß ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat (vgl. u. a. Urteile vom 9. November 1999, Kommission/Italien, C‑365/97, Slg. 1999, I‑7773, Randnr. 32, vom 5. Oktober 2006, Kommission/Belgien, C‑275/04, Slg. 2006, I‑9883, Randnr. 34, und vom 19. März 2009, Kommission/Deutschland, C‑270/07, Slg. 2009, I‑1983, Randnr. 49).
132
Im vorliegenden Fall lief die genannte Frist am 18. Dezember 2006 ab. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch die Richtlinie 89/48 in Kraft, die erst mit Wirkung vom 20. Oktober 2007 durch die Richtlinie 2005/36 aufgehoben wurde. Eine auf die unterbliebene Umsetzung der Richtlinie 89/48 gestützte Klage ist daher nicht gegenstandslos (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 2009, Kommission/Frankreich, C‑327/08, Randnr. 23).
133
Der Einwand des Königreichs Belgien ist daher zurückzuweisen.
- Zur Begründetheit
134
Die Kommission wirft dem Königreich Belgien vor, die Richtlinie 89/48 in Bezug auf den Beruf des Notars nicht umgesetzt zu haben. Folglich ist zu prüfen, ob die Richtlinie für diesen Beruf gilt.
135
Dabei ist ihr normativer Zusammenhang zu berücksichtigen.
136
Hierzu ist festzustellen, dass der Richtliniengeber im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/48 ausdrücklich bestimmt hat, dass die durch sie geschaffene allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome „in keiner Weise die Anwendung von ... Artikel [45 EG]" präjudiziert. In diesem Vorbehalt kommt zum Ausdruck, dass der Richtliniengeber die unter Art. 45 Abs. 1 EG fallenden Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbeziehen wollte.
137
Zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 89/48 hatte der Gerichtshof aber noch keine Gelegenheit gehabt, sich zu der Frage zu äußern, ob die Tätigkeiten des Notars unter Art. 45 Abs. 1 EG fallen.
138
Überdies hat das Parlament in den Jahren nach dem Erlass der Richtlinie 89/48 in seinen - in den Randnrn. 56 und 121 des vorliegenden Urteils erwähnten - Entschließungen von 1994 und 2006 zum einen ausgeführt, dass Art. 45 Abs. 1 EG vollständig auf den Beruf des Notars als solchen anwendbar sei, zum anderen aber die Streichung des Staatsangehörigkeitserfordernisses für den Zugang zu diesem Beruf als wünschenswert bezeichnet.
139
Ferner hat der Unionsgesetzgeber beim Erlass der an die Stelle der Richtlinie 89/48 getretenen Richtlinie 2005/36 in deren 41. Erwägungsgrund klargestellt, dass sie die Anwendung des Art. 45 EG, „insbesondere auf Notare", nicht berührt. Wie in Randnr. 119 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat der Unionsgesetzgeber mit diesem Vorbehalt nicht zur Anwendbarkeit von Art. 45 Abs. 1 EG und damit der Richtlinie 2005/36 auf die Tätigkeiten des Notars Stellung genommen.
140
Dies bestätigt insbesondere die Entstehungsgeschichte der letztgenannten Richtlinie. Das Parlament hatte nämlich in seiner Legislativen Entschließung zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2004, C 97E, S. 230), die in erster Lesung am 11. Februar 2004 festgelegt wurde, vorgeschlagen, im Text der Richtlinie 2005/36 ausdrücklich anzugeben, dass sie nicht für Notare gilt. Zwar wurde dieser Vorschlag weder im geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (KOM[2004] 317 endg.) noch in dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 10/2005 vom 21. Dezember 2004, vom Rat festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, C 58E, S. 1), übernommen, doch bestand der Grund dafür nicht darin, dass die geplante Richtlinie auf den Beruf des Notars Anwendung finden sollte, sondern vor allem darin, dass Art. 45 Abs. 1 EG „für diejenigen Tätigkeiten Ausnahmen von den Grundsätzen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vorsieht, die eine unmittelbare und spezifische Beteiligung an der Ausübung öffentlicher Gewalt beinhalten".
141
Insoweit erscheint es angesichts der besonderen Umstände, die den Rechtsetzungsprozess begleiteten, sowie der daraus nach dem oben wiedergegebenen normativen Zusammenhang resultierenden Ungewissheit nicht möglich, festzustellen, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist eine hinreichend klare Verpflichtung für die Mitgliedstaaten bestand, die Richtlinie 89/48 in Bezug auf den Beruf des Notars umzusetzen.
142
Folglich ist die zweite Rüge zurückzuweisen.
143
Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen hat, dass es für den Zugang zum Beruf des Notars eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung aufgestellt hat; im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Kosten
144
Nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage der Kommission nur teilweise stattgegeben wird, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.
145
Gemäß Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Tschechische Republik, die Französische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich tragen daher ihre eigenen Kosten.