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Wirtschaftsrecht
17.05.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: Zu missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen (hier: Darlehensvertrag in Fremdwährung)

EuGH, Urteil vom 27.4.2023 – C-705/21, MJ gegen AxFina Hungary Zrt.

ECLI:EU:C:2023:352

Volltext: BB-Online BBL2023-1153-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegenstehen, nach der dieser Vertrag für wirksam erklärt wird und die Verpflichtungen des Verbrauchers aus dieser Klausel mittels einer Änderung der Währung des Vertrags und des darin festgelegten Zinssatzes oder einer Deckelung des Wechselkurses dieser Währung angepasst werden.

2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegensteht, nach der dieser Vertrag für einen Zeitraum von seinem Abschluss bis zum Inkrafttreten nationaler Rechtsvorschriften über die Umwandlung von auf Fremdwährung lautenden Darlehensverträgen in nationale Währung aufrechterhalten und die Klausel durch allgemeine Vorschriften des nationalen Rechts ersetzt wird, soweit solche nationalen Rechtsvorschriften die Klausel über einen bloßen, vom nationalen Gericht vorgenommenen Austausch nicht sachgerecht ersetzen können, ohne dass ein Eingriff des Gerichts erforderlich wäre, der darauf hinausliefe, den Inhalt einer in dem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel abzuändern.

 

Aus den Gründen

1            Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

 

2            Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MJ und der AxFina Hungary Zrt. (im Folgenden: AxFina) über die Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben, dass ein Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen wegen Missbräuchlichkeit einer darin enthaltenen Klausel, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, für unwirksam erklärt wurde.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

 

3            Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

 

4            Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 

Ungarisches Recht

5            § 231 Abs. 1 des Polgári Törvénykönyvről szóló 1959. évi IV. törvény (Gesetz Nr. IV von 1959 über das Bürgerliche Gesetzbuch) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Bürgerliches Gesetzbuch) sah vor, dass eine Geldschuld, sofern nichts anderes bestimmt ist, in der am Ort der Zahlung geltenden Währung zu begleichen ist.

 

6            Aus § 232 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt sich, dass in vertraglichen Beziehungen – sofern keine Rechtsvorschrift eine Ausnahme vorsieht – Zinsen zu zahlen sind und dass der Zinssatz dem Basiszinssatz der Zentralbank entspricht.

 

7            Gemäß § 237 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist im Fall der Unwirksamkeit eines Vertrags der vor Vertragsschluss bestehende Zustand wiederherzustellen.

 

8            Nach Art. 237 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erklärt das Gericht den Vertrag für den Zeitraum bis zu seiner Entscheidung für wirksam, wenn die Wiederherstellung des vor Vertragsschluss bestehenden Zustands nicht möglich ist. Nach dieser Bestimmung kann ein unwirksamer Vertrag für wirksam erklärt werden, wenn der Grund für die Unwirksamkeit ausgeräumt werden kann. In diesen Fällen ist die Rückerstattung der möglicherweise ohne Gegenleistung bleibenden Leistung anzuordnen.

 

9            Nach den Bestimmungen des Az egyes fogyasztói kölcsönszerződések devizanemének módosulásával és a kamatszabályokkal kapcsolatos kérdések rendezéséről szóló 2014. évi LXXVII. törvény (Gesetz Nr. LXXVII von 2014 zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Änderung der Währung von Verbraucherkreditverträgen und der Zinsregelung) wurden Fremdwährungsdarlehensverträge mit Wirkung zum 1. Februar 2015 für die Zukunft geändert. In diesem Gesetz schrieb der ungarische Gesetzgeber u. a. die Umwandlung der auf Fremdwährungsbasis berechneten geschuldeten Beträge zu dem in dem Gesetz festgelegten Zeitpunkt in inländische Währung vor und regelte auch die Kriterien des für diese Verträge anwendbaren Zinssatzes.

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

10        Am 13. Februar 2008 schloss die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit der Rechtsvorgängerin von AxFina einen Darlehens- und Optionsvertrag ab, um ein Kraftfahrzeug zu kaufen. Die tatsächliche Höhe des Darlehens belief sich auf 2 830 000 ungarische Forint (HUF) (etwa 7 126 Euro) mit einer Laufzeit von 120 Monaten, wobei für die gesamte Laufzeit ein Betrag in Höhe von 920 862 HUF (etwa 2 319 Euro) als Zinsen vorgesehen war.

 

11        In dem Vertrag war ein Darlehen vereinbart, das auf Schweizer Franken (CHF) lautete und in ungarischen Forint zurückzuzahlen war. Die Wechselkursschwankungen zwischen ungarischen Forint und Schweizer Franken wirkten sich auf die Rückzahlungspflicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens aus, die die monatlichen Raten bis August 2015 beglich.

 

12        Das Győri Ítélőtábla (Tafelgericht Győr, Ungarn), das vorlegende Gericht, stellte die Unwirksamkeit des Vertrags mit der Begründung fest, dass die Klausel, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürde, missbräuchlich sei.

 

13        Daneben lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag nach den geltenden ungarischen Rechtsvorschriften auch wegen der Klausel unwirksam war, nach der bei der Auszahlung des Darlehens der Ankaufkurs gilt, wohingegen bei der Rückzahlung des Darlehens der Verkaufskurs oder ein anderer, von dem für die Auszahlung festgelegten abweichender Wechselkurs gilt.

 

14        Nachdem der Vertrag vom vorlegenden Gericht für unwirksam erklärt worden war, wurde das Verfahren im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit vor dem erstinstanzlichen Gericht, dem Szombathelyi Törvényszék (Stuhlgericht Szombathely, Ungarn) weitergeführt.

 

15        Im Rahmen einer Berufung wurde das vorlegende Gericht erneut mit dem Verfahren befasst.

 

16        Dieses Gericht ist der Auffassung, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag nach Wegfall der in Rn. 12 des vorliegenden Urteils angeführten Klausel nicht erfüllt werden kann.

 

17        Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Vertrags verweist das Gericht darauf, dass die ungarische Rechtsprechung überwiegend der Stellungnahme des Beratungsausschusses der Kúria (Oberstes Gericht, Ungarn) vom 19. Juni 2019 folge, die formell nicht verbindlich sei.

 

18        Nach dieser Stellungnahme besteht die einzige Rechtsfolge, die zur Anwendung kommen könne, wenn ein Darlehensvertrag eine missbräuchliche Klausel enthalte, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürde, in einer „Erklärung der Wirksamkeit“ gemäß ungarischem Recht.

 

19        Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass das angerufene Gericht den Vertrag nur dann für bis zum Erlass einer Entscheidung für vorläufig anwendbar erklären könne – was zwangsläufig mit der Auflösung des Vertrags für die Zukunft einhergehe –, wenn der Grund für die Unwirksamkeit des Vertrags nicht beseitigt werden könne. In diesem Zusammenhang bedeute die Beseitigung des Grundes der Unwirksamkeit für den Verbraucher den vollständigen Wegfall des sich aus der betreffenden missbräuchlichen Vertragsklausel ergebenden Wechselkursrisikos (Umwandlung in ein Forint-Darlehen durch ein Gericht) bzw. dessen teilweisen Wegfall (Festsetzung einer Obergrenze des Wechselkursrisikos durch ein Gericht) mittels einer Änderung des Vertragsinhalts. Somit erlange keine der Parteien einen unverhältnismäßigen Vermögensvorteil.

 

20        Das vorlegende Gericht wirft allerdings die Frage auf, ob ein solcher Ansatz insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 mit Letzterer vereinbar ist.

 

21        Weiterhin möchte das Gericht wissen, ob für ein nationales Gericht die Möglichkeit besteht, einen Darlehensvertrag, der eine missbräuchliche Klausel enthält, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, für wirksam zu erklären und diese missbräuchliche Klausel durch die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Währung für die Rückzahlung eines Darlehens, die Zahlung von Zinsen in vertraglichen Beziehungen und die Festlegung des Zinssatzes zu ersetzen.

 

22        Unter diesen Umständen hat das Győri Ítélőtábla (Tafelgericht Győr) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Stehen Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 einer Auslegung des nationalen Rechts entgegen, die die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit wegen einer in einem Verbrauchervertrag verwendeten missbräuchlichen Klausel – insofern diese den Hauptgegenstand der Dienstleistung betrifft, so dass der (Darlehens‑)Vertrag mit dem Weglassen der als missbräuchlich angesehenen Klausel nicht erfüllt werden kann – so ableitet, dass, nachdem das nationale Gericht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags feststellt, also feststellt, dass der Vertrag in seiner Gesamtheit keinen Bestand haben und keine verbindlichen Rechtswirkungen für den Verbraucher entfalten kann,

a)         der Vertrag für wirksam erklärt wird, indem der ungarische Forint als Verrechnungswährung, auf die das gewährte Darlehen, das den Hauptgegenstand des Vertrags darstellt, lautet, und der Forintbetrag, den der Verbraucher vom Kreditgeber tatsächlich erhalten hat, eingesetzt wird, und die auf das so ermittelte Kapital zu zahlenden Geschäftszinsen auch anders als in dem für unwirksam erklärten Vertrag bestimmt werden, und zwar so, dass der „anfängliche“ Zins bei Vertragsabschluss dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Zins, dem BUBOR (Budapest Interbank Offered Rate), als Referenzzinssatz zuzüglich des im ursprünglichen (fremdwährungsbasierten) Vertrag festgelegten Zinsaufschlags entspricht;

b)         der Vertrag für wirksam erklärt wird, indem eine Obergrenze für den Wechselkurs zwischen der Fremdwährung und dem Forint festgelegt wird, d. h., das tatsächlich vom Verbraucher übernommene, jedoch von einer als missbräuchlich angesehenen Vertragsklausel betroffene Wechselkursrisiko auf ein Maß reduziert wird, das das Gericht als angemessen und für den Verbraucher bei Vertragsschluss als erwartbar einstuft, wobei der im Vertrag festgelegte Zinssatz bis zu einem späteren, gesetzlich verbindlich vorgeschriebenen Stichtag für die Umwandlung in Forint unberührt bleibt?

2.         Ist es für die Beantwortung der Frage in Nr. 1 von Bedeutung, dass die nach ungarischem Recht angewendete Wirksamkeitserklärung

a)         entweder in einer Sachlage, in der es noch einen zwischen den Parteien bestehenden Vertrag gibt, d. h., die Aufrechterhaltung des Vertrags dem Ziel dient, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien auch für die Zukunft bestehen bleiben kann, indem die als missbräuchlich eingestuften Klauseln rückwirkend angepasst und gleichzeitig die bis dahin erbrachten Leistungen auf der Grundlage der geänderten Klauseln neu berechnet werden, und damit auch der Verbraucher vor der besonders nachteiligen Folge geschützt wird, die eine Pflicht zur sofortigen pauschalen Rückzahlung bedeuten würde,

b)         oder in einer Sachlage, in der der Vertrag zwischen den Parteien, der im Rechtsstreit unter Berücksichtigung der missbräuchlichen Vertragsklausel zu beurteilen ist, nicht mehr besteht – weil seine Laufzeit bereits abgelaufen ist oder weil der Gläubiger ihn wegen Nichtzahlung oder einer Zahlung eines seiner Ansicht nach unzureichenden Betrags bereits gekündigt hat oder, auch wenn dies nicht der Fall ist, die Sachlage so ist, dass keine der Parteien ihn mehr für wirksam hält oder seine Unwirksamkeit aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr bestritten werden kann –, d. h., die rückwirkende Wirksamkeitserklärung des Vertrags nicht dazu dienen soll, den Vertrag im Interesse des Verbrauchers aufrechtzuerhalten, sondern dazu, mit Anpassung der für missbräuchlich erklärten Klausel(n) gegenseitige Ansprüche zu verrechnen und das Rechtsverhältnis zu beenden?

3.         Falls der Gerichtshof Frage 1 Buchst. a bzw. b – auch unter Berücksichtigung der in Nr. 2 dargelegten Erwägungen – bejaht, stehen in der in Frage 2 Buchst. a beschriebenen Sachlage dann die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 93/13 der Aufrechterhaltung des Vertrags bis zu dem vom Gesetzgeber im Gesetz über die Umwandlung in Forint vorgeschriebenen Zeitpunkt der Änderung der gesetzlichen Vorschriften durch Ersetzung der Vorschriften des nationalen Rechts entgegen, nach denen,

–            sofern nichts anderes (im vorliegenden Fall unwirksam) bestimmt ist, die Geldschuld in der am Ort der Zahlung geltenden Währung zu begleichen ist,

–            in vertraglichen Beziehungen – sofern keine Rechtsvorschrift eine Ausnahme vorsieht – Zinsen zu zahlen sind,

–            der Zinssatz – sofern keine Rechtsvorschrift eine Ausnahme vorsieht – dem Basiszinssatz der Zentralbank entspricht?

 

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

23        AxFina und die ungarische Regierung haben Zweifel an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geäußert.

 

24        Nach Ansicht von AxFina möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof eine Beurteilung der Vereinbarkeit des ungarischen Rechts mit dem Unionsrecht erhalten, was aber in die alleinige Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts falle. Die Vorlagefragen genügten zudem nicht den in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gestellten Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit. Dies betreffe zum einen die Gründe, die das vorlegende Gericht veranlasst hätten, diese Fragen zu stellen, und zum anderen die Bezeichnung der im Rahmen der zweiten Vorlagefrage einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts.

 

25        Die ungarische Regierung hält die zweite Frage für hypothetisch, da sie sich auf eine Fallgestaltung beziehe, in der ein Vertrag zwischen dem betreffenden Gewerbetreibenden und dem betreffenden Verbraucher bestehe, was im Ausgangsrechtsstreit nicht der Fall sei.

 

26        Um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, müssen nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung im Vorabentscheidungsersuchen u. a. eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, sowie der Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt, enthalten sein (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

27        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt, wobei für die Fragen eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt. Der Gerichtshof ist folglich grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegte Frage zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts betrifft, es sei denn, dass die erbetene Auslegung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, dass das Problem hypothetischer Natur ist oder dass der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der Frage erforderlich sind (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

28        Desgleichen ist im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, nach ständiger Rechtsprechung allein das nationale Gericht für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig, während der Gerichtshof nur befugt ist, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

29        Im vorliegenden Fall lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass es im Ausgangsrechtsstreit um die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit eines Vertrags über ein Darlehen geht, das auf eine Fremdwährung lautet, aber in inländischer Währung zurückzuzahlen ist, und dass sich diese Unwirksamkeit aus der Missbräuchlichkeit einer Klausel des Vertrags ergibt, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet. In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht mit seinen drei Vorlagefragen geklärt wissen, ob der Ansatz, der Stellungnahme des Beratungsausschusses der Kúria (Oberstes Gericht) vom 19. Juni 2019 zu folgen, nach der die nationalen Gerichte einen solchen Vertrag unter Anpassung der Verpflichtungen des Verbrauchers durch Änderung des Vertragsinhalts für wirksam zu erklären haben, mit der Richtlinie 93/13 vereinbar ist.

 

30        Insbesondere zur zweiten Frage ist zum einen klarzustellen, dass zu den Fallgestaltungen, auf die sich diese Frage bezieht, auch die Situation zählt, in der zwischen dem betreffenden Gewerbetreibenden und dem betreffenden Verbraucher kein Vertrag mehr besteht. Zum anderen ergänzen diese Fallgestaltungen die von der ersten Frage erfassten zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13.

 

31        In Anbetracht dessen ist nicht ersichtlich, dass die Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich wären oder dass das Problem hypothetischer Natur wäre.

 

32        Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

 

Zu den Vorlagefragen

33        Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die vom vorlegenden Gericht für missbräuchlich befundene Klausel nach den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen dem Verbraucher das Wechselkursrisiko aufbürdet. Diese Klausel betrifft nach Ansicht des Gerichts den Hauptgegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensvertrags, so dass es sich durch die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Klausel dazu veranlasst gesehen hat, den Vertrag für unwirksam zu erklären. In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage nach den Folgen auf, die aus der Unwirksamkeit des Vertrags für den Zeitraum zwischen seinem Abschluss, dem 13. Februar 2008, und dem 1. Februar 2015, der von den ungarischen Rechtsvorschriften für die Umwandlung von auf Fremdwährung lautenden Darlehensverträgen in nationale Währung vorgesehenen Frist, abzuleiten sind.

 

34        Die Vorlagefragen sind anhand dieser Erwägungen zu beantworten.

 

Zur ersten und zur zweiten Frage

35        Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegenstehen, nach der dieser Vertrag für wirksam erklärt wird und die Verpflichtungen des Verbrauchers aus dieser Klausel mittels einer Änderung der Währung des Vertrags und des darin festgelegten Zinssatzes oder einer Deckelung des Wechselkurses dieser Währung angepasst werden.

 

36        Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die erste und die zweite Frage nicht anhand des Umstands zu prüfen sind, dass eine Erklärung der Wirksamkeit des in Rede stehenden Darlehensvertrags und die Anpassung der Verpflichtungen des Verbrauchers aus der für missbräuchlich befundenen Vertragsklausel dem nationalen Gericht die Möglichkeit geben sollen, die wechselseitigen Verpflichtungen des betreffenden Gewerbetreibenden und des betreffenden Verbrauchers zu regeln sowie die zwischen ihnen bestehende Rechtsbeziehung zu beenden, da in der Vorlageentscheidung hinreichende Angaben zur Relevanz dieses Umstands für die Beantwortung dieser beiden Fragen fehlen.

 

37        Als Erstes ist aber zu den Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel darauf hinzuweisen, dass das vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der Richtlinie 93/13 verfolgte Ziel darin besteht, Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen und dabei grundsätzlich die Wirksamkeit eines Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die missbräuchliche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

38        Zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, den Vertrag nicht durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anpassen kann (Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

39        Daher ist eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Folglich muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befände, und zwar insbesondere durch Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Vorteile, die der Gewerbetreibende aufgrund der missbräuchlichen Klauseln zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 50 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

40        Wenn es nämlich dem nationalen Gericht freistünde, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden abzuändern, dann könnte eine derartige Befugnis, wie der Gerichtshof ausgeführt hat, die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird und darin besteht, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in solchen Verträgen ein Ende zu setzen. Diese Befugnis trüge dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben, da diese nämlich versucht blieben, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weise gewahrt würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2020, Gómez del Moral Guasch, C‑125/18, EU:C:2020:138, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

41        Um dieses Ziel nicht zu beeinträchtigen, darf das nationale Gericht daher der Unwirksamkeit eines Vertrags, die sich aus der Missbräuchlichkeit einer darin enthaltenen Klausel ergibt, nicht abhelfen, indem es den Vertrag für wirksam erklärt und gleichzeitig dessen Währung und den im Vertrag festgelegten Zinssatz ändert oder den Wechselkurs der Währung deckelt. Ein solcher Eingriff des Gerichts liefe letztlich auf eine inhaltliche Änderung der Klausel hinaus und stünde folglich im Widerspruch zu der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung.

 

42        Als Zweites ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass eine missbräuchliche Klausel, wenn der in Rede stehende Darlehensvertrag wie im vorliegenden Fall nach dem Wegfall einer darin enthaltenen derartigen Klausel insgesamt für nichtig zu erklären ist, ausnahmsweise gestrichen und durch eine dispositive oder bei einer Vereinbarung der Parteien anwendbare Vorschrift des nationalen Rechts ersetzt werden kann. Eine derartige Möglichkeit ist auf Fallgestaltungen beschränkt, in denen die Nichtigerklärung des gesamten Vertrags den Verbraucher besonders nachteiligen Folgen aussetzen würde, so dass dieser dadurch geschädigt würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

43        Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof entschieden, dass das nationale Gericht einem Antrag auf Nichtigerklärung eines Darlehensvertrags wegen Missbräuchlichkeit einer Klausel über das Wechselkursrisiko stattgeben können muss, wenn festgestellt wird, dass diese Klausel missbräuchlich ist und der Vertrag ohne diese Klausel nicht weiter Bestand haben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 56).

 

44        Soweit das nationale Gericht der Auffassung ist, dass die Nichtigerklärung des in Rede stehenden Darlehensvertrags dazu führen würde, dass der Verbraucher im Sinne der in Rn. 42 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geschädigt würde, ist in diesem Rahmen des Weiteren darauf hinzuweisen, dass die Ersetzung der betreffenden missbräuchlichen Klausel durch dispositive Bestimmungen des nationalen Rechts nicht die einzige mit der Richtlinie 93/13 vereinbare Konsequenz darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 39 und 40).

 

45        Fehlt im nationalen Recht eine dispositive Bestimmung oder eine Vorschrift, die mit Zustimmung der Parteien auf den in Rede stehenden Darlehensvertrag anwendbar ist und an die Stelle der betreffenden missbräuchlichen Klauseln treten kann, so hat der Gerichtshof ausgeführt, dass – soweit der Verbraucher nicht den Wunsch geäußert hat, an den missbräuchlichen Klauseln festzuhalten, und die Nichtigerklärung des Vertrags für ihn besonders nachteilige Folgen hätte – das gemäß der Richtlinie 93/13 zu gewährleistende hohe Verbraucherschutzniveau verlangt, dass das nationale Gericht zur Wiederherstellung des tatsächlichen Gleichgewichts zwischen den gegenseitigen Rechten und Pflichten der Vertragspartner unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des Vertrags nach sich ziehen könnte, u. a. aufgrund des Umstands, dass die Forderung des Gewerbetreibenden gegenüber dem Verbraucher sofort fällig würde (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

46        So hat der Gerichtshof unter besonderen Umständen etwa festgestellt, dass das nationale Gericht nicht gehindert ist, die Parteien zu Verhandlungen aufzufordern, solange es den Rahmen für diese Verhandlungen vorgibt und diese darauf abzielen, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien herzustellen, das u. a. das der Richtlinie 93/13 zugrunde liegende Ziel des Verbraucherschutzes berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 42).

 

47        Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass das nationale Gericht dafür zu sorgen hat, dass der Verbraucher letztlich so gestellt ist, als hätte es die für missbräuchlich erklärte Klausel nie gegeben, wenn es im Hinblick auf die Art des Kreditvertrags seiner Meinung nach nicht möglich ist, die Parteien in die Lage zu versetzen, in der sie sich ohne diesen Vertrag befunden hätten (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 57).

 

48        Folglich steht es dem nationalen Gericht insbesondere frei, zum Schutz der Interessen des Verbrauchers anzuordnen, dass ihm die vom Darlehensgeber aufgrund der für missbräuchlich erklärten Klausel rechtsgrundlos vereinnahmten Beträge zurückgezahlt werden, wobei eine solche Erstattung nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 58).

 

49        Allerdings dürfen die Befugnisse des Gerichts nicht über das hinausgehen, was unbedingt erforderlich ist, um das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen und so den Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des betreffenden Kreditvertrags nach sich ziehen könnte (Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 59).

 

50        Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegenstehen, nach der dieser Vertrag für wirksam erklärt wird und die Verpflichtungen des Verbrauchers aus dieser Klausel mittels einer Änderung der Währung des Vertrags und des darin festgelegten Zinssatzes oder einer Deckelung des Wechselkurses dieser Währung angepasst werden.

 

Zur dritten Frage

51        Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegensteht, nach der dieser Vertrag für den Zeitraum von seinem Abschluss bis zum Inkrafttreten nationaler Rechtsvorschriften über die Umwandlung von auf Fremdwährung lautenden Darlehensverträgen in nationale Währung aufrechterhalten wird und die Klausel durch Vorschriften des nationalen Rechts über die Währung bei der Rückzahlung eines Darlehens, die Zahlung von Zinsen in vertraglichen Beziehungen und die Festlegung des Zinssatzes ersetzt wird.

 

52        Wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, hat der Gerichtshof dem nationalen Gericht zwar die Möglichkeit zuerkannt, eine missbräuchliche Klausel eines Darlehensvertrags durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts zu ersetzen; diese Möglichkeit ist jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt, d. h. auf Fallgestaltungen, in denen die Erklärung der vollständigen Unwirksamkeit eines Vertrags den Verbraucher besonders nachteiligen Folgen aussetzen würde, so dass dieser dadurch geschädigt würde.

 

53        Eine derartige Befugnis zur Ersetzung von Klauseln, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, wonach der betreffende Vertrag für die Parteien nur dann bindend bleibt, wenn er ohne die darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln bestehen kann, beschränkt sich allerdings auf dispositive Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts oder Vorschriften, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien des betreffenden Vertrags anwendbar sind, und beruht insbesondere auf der Prämisse, dass solche Bestimmungen keine missbräuchlichen Klauseln enthalten (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

54        Diese Bestimmungen sollen nämlich das Gleichgewicht widerspiegeln, das der nationale Gesetzgeber zwischen allen Rechten und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge in Fällen herstellen wollte, in denen die Parteien entweder nicht von einer vom nationalen Gesetzgeber für die betreffenden Verträge vorgesehenen Standardregel abgewichen sind oder ausdrücklich für die Anwendbarkeit einer vom nationalen Gesetzgeber zu diesem Zweck eingeführten Regel optiert haben (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

55        Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass die Lücken eines Vertrags, die durch den Wegfall der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln entstanden sind, nicht allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften geschlossen werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 62).

 

56        Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung, wenn eine Klausel in einem Vertrag über ein auf eine Fremdwährung lautendes, aber in inländischer Währung zurückzuzahlendes Darlehen, die das Wechselkursrisiko dem Verbraucher aufbürdet, aufgrund ihrer Missbräuchlichkeit die Unwirksamkeit dieses Vertrags nach sich zieht, einer Regelung entgegensteht, nach der dieser Vertrag für einen Zeitraum von seinem Abschluss bis zum Inkrafttreten nationaler Rechtsvorschriften über die Umwandlung von auf Fremdwährung lautenden Darlehensverträgen in nationale Währung aufrechterhalten und die Klausel durch allgemeine Vorschriften des nationalen Rechts ersetzt wird, soweit solche nationalen Rechtsvorschriften die Klausel über einen bloßen, vom nationalen Gericht vorgenommenen Austausch nicht sachgerecht ersetzen können, ohne dass ein Eingriff des Gerichts erforderlich wäre, der darauf hinausliefe, den Inhalt einer in dem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel abzuändern.

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