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Wirtschaftsrecht
10.04.2025
Wirtschaftsrecht
OLG München: Zeitlich relevanter Markt für Weihnachtsoratorium und Matthäuspassion

OLG München, Urteil vom 6.2.2025 – 29 U 1716/23 Kart e

Volltext: BB-Online BBL2025-898-6

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Der nach § 18 Abs. 1 GWB für eine Marktbeherrschung zeitlich relevante Markt erstreckt sich bei der Anbieterin eines Konzertsaals für die Aufführung von Werken des Komponisten Johann Sebastian Bach für das Weihnachtsoratorium vom Beginn der Adventszeit bis Epiphanias sowie für die Matthäuspassion über die Karwoche hinweg bis einschließlich zum Karfreitag.

GWB § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 33 Abs. 1

Sachverhalt

I. Die Parteien streiten um die Belegung eines Konzertsaals zur Aufführung von Werken des Komponisten J. S. B..

Die Klägerin ist eine private Konzertveranstalterin. Die Beklagte, eine Beteiligungsgesellschaft der Landeshauptstadt M., betreibt das Kulturzentrum … mit der … sowie während dessen Sanierung das Ausweichquartier … mit der sogenannten … in der … in M.-… .

Eine Anmietung von Veranstaltungsräumen mit der Raumgröße der … bzw. der … ist in M. nur bei der Beklagten möglich.

Die Klägerin und ihr Vorgängerverein, der … e.V., brachten als Veranstalter seit dem Jahr 1985 jeweils am vierten Adventssonntag das Weihnachtsoratorium von J.S.B. sowie am Karfreitag dessen Matthäuspassion in der … im … zur Aufführung. Etwa seit 2005 geschah das mit dem …-Chor.

Zwischen den Parteien bestanden im Hinblick auf die Anmietung von Räumen bei der Beklagten die sogenannten „Rahmenbedingungen in Ergänzung zu den Allgemeinen Mietbedingungen“ (Anlage K 2) sowie „Allgemeine Mietbedingungen“ (Anlage K 3) als Vereinbarungen.

Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen hatte die Klägerin von der Beklagten auch für den vierten Adventssonntag des Jahres 2019, den 22.12.2019, eine sogenannte Option zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums in der … im … erhalten.

Mit E-Mail vom 10.09.2018 (Anlage K 6) teilte der Prokurist der Beklagten, der Zeuge …, der Klägerin jedoch mit, dass man vom …-Chor die offizielle Mitteilung erhalten habe, dass dieser ab der Saison 2019/2020 mit einem neuen Konzertveranstalter kooperieren werde und dieser auch als Veranstalter insbesondere für das Weihnachtsoratorium am 22.12.2019 sowie für die Matthäuspassion am 10.04.2020 fungiere. Da diese Traditionstermine explizit für den …-Chor reserviert seien, übertrage man die Optionen auf den neuen Veranstalter. Der Klägerin stünden diese Termine leider nicht mehr zur Verfügung.

Die Beklagte bot der Klägerin den 17.12.2019, einen Dienstag, als Ersatztermin für das Weihnachtsoratorium an, den die Klägerin auch wahrnahm. Für den vierten Adventssonntag 2024, den 22.12.2024, erhielt die Klägerin ebenfalls ein Terminangebot der Beklagten (Anlage B 9), nachdem die Konkurrentin …/… diesen von ihr ursprünglich optionierten Termin wieder zurückgegeben hatte.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe aufgrund des vertrags- und rechtswidrigen Entzugs der Option für das Weihnachtsoratorium am 22.12.2019 ein Anspruch auf Ersatz des ihr durch die Aufführung am Ersatztermin entstandenen finanziellen Schadens in Höhe von € 51.906,00 zu. Die Aufführung an einem Dienstag, für die sie anstelle des …-Chors mit finanziellem Mehraufwand zwei professionelle Chöre habe engagieren müssen, habe zu deutlich geringeren Einnahmen geführt, als sie am Traditionstermin, dem vierten Adventssonntag, zu erwarten gewesen wären.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, sie sei von der Beklagten, die ein marktbeherrschendes Unternehmen oder jedenfalls ein Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht sei, durch den Entzug der Option vom 22.12.2019 und die Nichteinräumung der künftigen Traditionstermine für das Weihnachtsoratorium und die Matthäuspassion unbillig behindert worden. Es sei auch kartellrechtlich nicht zulässig, dass die Beklagte der Klägerin vorschreiben wolle, mit welchem Chor sie die Traditionstermine wahrnehme, und die Vermietung der … bzw. der … von der Mitwirkung des …-Chors abhängig mache. Für die Einräumung der Traditionstermine an einen anderen Veranstalter, die Unternehmensgruppe …/…, habe es keinen sachlich gerechtfertigten Grund gegeben. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte Räume im … bzw. im … zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums am vierten Adventssonntag jeden Jahres sowie zur Aufführung der Matthäuspassion am Karfreitag um 14.00 Uhr jeden Jahres vermiete.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 51.906,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2019 zu bezahlen.

II. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der ihr künftighin dadurch entstehen wird, dass die Beklagte Räume im „…“, … M., oder im „… “, … M., für die Veranstaltung des „Weihnachtsoratoriums“ von J.S.B. am 4. Advent eines jeden Jahres und für die „Matthäuspassion“ von J.S.B.  um 14.00 Uhr am Karfreitag eines jeden Jahres nicht an die Klägerin, sondern an Dritte vermietet.

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 831,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2019 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Terminsverlegung für das Weihnachtsoratorium 2019 sei weder vertrags- noch rechtswidrig gewesen, da der …-Chor zuvor mitgeteilt hatte, für den Termin am 22.12.2019 sowie die folgenden Traditionstermine nicht mehr mit der Klägerin zusammenarbeiten zu wollen. Insofern sei die Übertragung auf den neuen Veranstalter folgerichtig gewesen.

Bei der Festlegung von Programm und Künstlern im Zusammenhang mit der Einräumung eines Vorrechts für einen bestimmten Termin handle es sich um eine – sich aus der Auslegung der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarungen ergebende – auflösende Bedingung, unter der die Option vereinbart werde. Die auflösende Bedingung trete ein, wenn der potentielle Mieter das Programm oder den Künstler nicht aufführen könne oder wolle. Diese Buchungspraxis der Beklagten diene unter anderem der Sicherung der Qualität der Veranstaltungen, da ansonsten durch „Blanko-Vermietungen“ mit nur unverbindlicher Mitteilung von Titel, Programm und Interpreten eine Art Terminhandel zwischen Veranstaltern entstehen könne und an weniger attraktiven Terminen Programme von minderer Qualität zur Aufführung kämen, die geeignet seien, das Ansehen des … zu beschädigen. Auch könnten ansonsten die Regeln, wonach Veranstaltungen mit möglichen rechtswidrigen oder extremistischen Inhalten nicht zugelassen werden, umgangen werden.

Der Klägerin sei wegen der Rücknahme der Option vom 22.12.2019 kein kausal aus dem Verhalten der Beklagten resultierender Schaden in der behaupteten Höhe entstanden.

Eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht der Beklagten, der Klägerin künftig und für alle Zeiten aufgrund eines sonst vermeintlich unbillig behindernden Verhaltens die „Traditionstermine“ am vierten Adventssonntag für das Weihnachtsoratorium und am Karfreitag um 14.00 Uhr für die Matthäuspassion zur Verfügung zu stellen, bestehe nicht. Eine solche Vergabe liefe vielmehr umgekehrt auf einen diskriminierenden Ausschluss von Mitbewerbern der Klägerin hinaus.

Das Landgericht hat der Klage durch Endurteil vom 17.03.2023 (Bl. 136/146 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, im Hinblick auf den Antrag I. teilweise in Höhe von € 12.065,00 (Tenor Ziffer 1.) sowie im Hinblick auf den Antrag III. teilweise in Höhe von € 412,60 (Tenor Ziffer 2.) jeweils nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Tenor Ziffer 3.) und der Klägerin 88% sowie der Beklagten 12% der Kosten des Rechtsstreits auferlegt (Tenor Ziffer 4.).

Die Klägerin greift das Urteil teilweise mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an.

Die Klägerin ist nunmehr der Auffassung, aufgrund der Knappheitssituation an den Traditionsterminen, an denen die Nachfrage nach den thematisch zum jeweiligen kirchlichen Feiertag passenden Konzertprogramm am größten sei, sowie aufgrund der möglichen Mehrfachbelegung des Konzertsaales müsse die Beklagte die vorhandenen Kapazitäten auf alle bisherigen Abnehmer gerecht aufteilen. Es gehe nicht an, dass der konkurrierende Konzertveranstalter …/… den Saal am vierten Adventssonntag und am Karfreitag sowohl am frühen Nachmittag als auch am Abend buchen könne, obwohl die Klägerin – jedenfalls bei nur zwei Bewerbern – zumindest eine Buchung an beiden Tagen beanspruchen könne. Das knappe Angebot von Konzertterminen an den beiden Feiertagen sei von der Beklagten als marktbeherrschender Anbieterin derart gleichmäßig zu verteilen, dass jeder der Nachfrager einen der beiden Termine bekomme und nicht der Nachfrager …/… alle beide.

Die Klägerin beantragt,

I.

1. Das Urteil des LG München I vom 17.03.2023, Az. 37 O 4423/22, wird in Ziff. 3. und 4. aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, solange sich um die beiden traditionellen Veranstaltungstermine für das Weihnachtsoratorium (i.d.R. am 4. Adventssonntag) und für die Matthäus-Passion (am Karfreitag) ausschließlich die Klägerin und ihre Konkurrentin … (eingeschlossen sind deren Tochtergesellschaften und Kooperationen, insbesondere die … GmbH) bewerben, der Klägerin seit 13.04.2020 jeden Schaden zu ersetzen, der dadurch bereits entstanden ist oder ihr künftig dadurch entstehen wird, dass die Beklagte Räume im „…“, … M., oder im „… “, … M., für die Veranstaltung des „Weihnachtsoratoriums“ von J.S.B. am 4. Advent (fällt dieser auf den Heiligen Abend, am dritten Adventssonntag) eines jeden Jahres und für die „Matthäus-Passion“ von J.S.B. um 14.00 Uhr am Karfreitag eines jeden Jahres nicht an die Klägerin, sondern an Dritte vermietet.

2. a) Hilfsweise zu 2:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen hat, der ihr künftig dadurch entstehen wird, dass die Beklagte Räume im „…“, … M., oder im „… “, … M., für die Veranstaltung des „Weihnachtsoratoriums“ von J.S.B. am 4. Advent eines jeden Jahres und für die „MatthäusPassion“ von J.S.B. um 14.00 Uhr am Karfreitag eines jeden Jahres nicht an die Klägerin, sondern an Dritte vermietet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, einen Antrag der Klägerin auf mietweise Überlassung des großen Konzertsaales (…) im … zu den üblichen Preisen und Bedingungen der Beklagten a) am 4. Adventssonntag (fällt dieser auf den Heiligen Abend, am 3. Adventssonntag) zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums b) und/oder am Karfreitag, 14.00 Uhr, zur Aufführung der Matthäus-Passion, der für das auf den Antragszeitpunkt folgende Kalenderjahr gilt, abzulehnen oder von der namentlichen Nennung der vorgesehenen Klangkörper (Chor und/oder Orchester) und/oder der mitwirkenden Künstler abhängig zu machen.

3. a) hilfsweise zu 3.:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, eine Anfrage der Klägerin nach mietweiser Überlassung des großen Veranstaltungsraumes im … zu den üblichen Preisen und Bedingungen der Beklagten a) am 4. Adventssonntag (fällt dieser auf den Heiligen Abend, am 3. Adventssonntag) zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums und/oder b) am Karfreitag, 14.00 Uhr, zur Aufführung der Matthäus-Passion, die für das auf den Antragszeitpunkt folgende Kalenderjahr gilt, abzulehnen oder von der namentlichen Nennung der vorgesehenen Klangkörper (Chor und/oder Orchester) und/oder der mitwirkenden Künstler abhängig zu machen, es sei denn für den beantragten Veranstaltungstag liegen außer von dem Veranstalter … GmbH & Co. KG und/oder von mit diesem konzernmäßig verbundenen Veranstaltern, insbesondere der … GmbH, Buchungen oder Buchungsanfragen Dritter vor.

3. b) Hilfsweise zu 3.a)

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, eine Anfrage der Klägerin nach mietweiser Überlassung des großen Veranstaltungsraumes im … zu den üblichen Preisen und Bedingungen der Beklagten a) am 4. Adventssonntag (fällt dieser auf den Heiligen Abend, am 3. Adventssonntag) zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums und/oder b) am Karfreitag, 14.00 Uhr, zur Aufführung der Matthäus-Passion, die für das auf den Antragszeitpunkt folgende Kalenderjahr gilt, abzulehnen, es sei denn für den beantragten Veranstaltungstag liegen außer von dem Veranstalter … GmbH & Co. KG und/oder von mit diesem konzernmäßig verbundenen Veranstaltern, insbesondere der … GmbH, Buchungen oder Buchungsanfragen Dritter vor.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt weiter im Wege der Anschlussberufung,

das angefochtene Urteil in den Ziffern 1. und 2. abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung sei im Hinblick auf die Feststellungsanträge bereits unzulässig. Die Beklagte behandle im Hinblick auf die auflösende Bedingung mit dem Inhalt der Veranstaltung und dem Interpreten alle Abnehmer gleich, weil dies der einzige Weg sei, ein geordnetes, faires und transparentes Buchungssystem zu unterhalten, das den Missbrauch von „Blanko-Terminen“ verhindere. Bei einer Verknappung des Angebots könnte die Beklagte nach ihren auch sonst gültigen Regeln entscheiden und dürfe eigene wirtschaftliche Kriterien berücksichtigen. Sie habe außerdem das Recht, nach ihrem Ermessen und im Rahmen ihres Nutzungskonzepts sowie der Ausgestaltung des Betriebs die Programmierung im Rahmen der im privaten Veranstaltermarkt angebotenen Inhalte auszuwählen, um ein eigenes künstlerisches Profil zu erhalten.

Im Rahmen der Anschlussberufung sei zu beachten, dass für den bei der Klägerin im Jahr 2019 eingetretenen Verlust keine vermeintliche Pflichtverletzung der Beklagten, sondern allein der Wegfall des …-Chors für die in Rede stehenden Aufführungen ursächlich gewesen sei. Die Beklagte habe danach aufgrund der auflösenden Bedingung für die Option der Klägerin den Termin vom 22.12.2019 an einen Dritten vergeben dürfen.

Zur Ergänzung wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2024 (Bl. 196/200 d.e.A.) sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

A.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1. Der hauptsächlich gestellte Feststellungsantrag I. 2. und der hilfsweise gestellte Feststellungantrag I. 2.a) sind bereits unzulässig, weil sie mangels Bezugnahme auf konkrete Verletzungshandlungen nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind.

a) Ein bestimmter Antrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist erforderlich, um den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) festzulegen (BGH GRUR 2011, 521 Rn. 9 – TÜV I). Der Verbotsantrag darf daher nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Antragsgegner verboten ist, im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (st.Rspr., BGH GRUR 2015, 1237 Rn. 13 – Erfolgsprämie für die Kundengewinnung; WRP 2017, 426 Rn. 18 – ARD-Buffet; WRP 2018, 328 Rn. 12 – Festzins Plus; GRUR 2019, 627 Rn. 15 – Deutschland-Kombi; WRP 2019, 1013 Rn. 23 – Cordoba II).

Ebenso wie ein auf Auskunftserteilung gemäß § 242 BGB zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs gerichteter Klageantrag (vgl. BGHZ 171, 151 Rn. 21 – Wagenfeld-Leuchte) genügt ein Antrag auf Schadensersatzfeststellung den Anforderungen an die Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nur, wenn er die konkrete Verletzungshandlung bezeichnet. Auch für die Bestimmtheit des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht bedarf es der Bezugnahme auf eine konkrete Verletzungshandlung, um den Bezugspunkt der festzustellenden Schadensersatzpflicht zu kennen (vgl. Senat, Urteil vom 20.07.2023, Az. 29 U 1563/22). Soweit ein Anspruch auf Schadensersatzfeststellung über die konkret festgestellte Verletzungshandlung hinaus geltend gemacht wird, darf es sich nicht um bloß drohende Verstöße oder um selbstständige neue Verletzungshandlungen handeln (vgl. BGH GRUR 2001, 849, 850 – Remailing-Angebot; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 43. Aufl., § 9, Rn. 5.11; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Goldmann, UWG, 5. Aufl., vor § 8, Rn. 52 zum Auskunftsanspruch).

b) Nach diesen Grundsätzen sind der Feststellungsantrag I. 2. und der hierauf bezogene Hilfsantrag I. 2.a) mangels Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Beide Anträge beschränkten sich nicht darauf, eine Ersatzpflicht für wahrscheinliche oder konkret drohende Schäden durch bereits stattgehabte konkret genannte Verletzungshandlungen festgestellt wissen zu wollen, sondern erstrecken sich vielmehr auch auf vermeintlich drohende, in der Zukunft liegende Verletzungshandlungen selbst, nämlich die künftige Nichtvergabe der …-Säle für die „Traditionstermine“ an die Klägerin. Diese Verletzungshandlungen sollen nach den Anträgen indes weder konkret festgestellt werden, noch ist das im hiesigen Erkenntnisverfahren überhaupt möglich, da sie in der Zukunft liegen und bis zum vermeintlichen Handlungszeitpunkt eine Vielzahl möglicher Einwendungen entstehen kann.

Soweit die Klägerin auf den Seiten 2 bis 4 des Schriftsatzes vom 02.01.2025 die Zulässigkeit der Anträge I. 2. und I. 2.a) damit zu begründen versucht, dass sich die Beklagte des Rechts berühme, der Klägerin künftig die Anmietung der … an den Traditionsterminen zu verweigern, sie aber ihrer Konkurrentin zu vermieten, und in dieser Berühmung eine konkrete Rechtsverletzung liege, die zur Zulässigkeit der Anträge führe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Klägerin bezieht sich insoweit auf potentielle künftige Verweigerungen der Saalvergabe, für die sie eine Begehungsgefahr zu erkennen glaubt. Dies macht die gestellten Schadensersatzfeststellungsanträge indes nicht zulässig. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts lässt sich nämlich nicht aus der einen vermeintlichen Unterlassungsanspruch begründenden Begehungsgefahr ableiten, da vor Vollendung der Zuwiderhandlung, die hier in der Saalverweigerung, nicht in der Berühmung, hierzu berechtigt zu sein, liegt, ein tatsächlicher Schaden nicht entsteht (vgl. BGH GRUR 2000, 907, 910 – Filialleiterfehler; GRUR 2001, 849, 850 f. – Remailing-Angebot; MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl., § 9, Rn. 38a).

2. Im Hinblick auf die zulässigen Unterlassungsanträge I. 3., I. 3.a) und I. 3. b) ist die Klage unbegründet.

a) Die Unterlassungshaupt- und -hilfsanträge I. 3., I. 3.a) und I. 3. b) sind zulässig. Ein vermeintlicher kartellrechtlicher Kontrahierungszwang eines Marktbeherrschers folgt aus einem Unterlassungsanspruch (Wiedemann KartellR-HdB/Lübbert/Schöner, 4. Aufl., § 25, Rn. 5; Immenga/ Mestmäcker/Fuchs, 7. Aufl., GWB, § 19, Rn. 454).

b) Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Unterlassungsansprüche aus §§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; 33 Abs. 1 GWB wegen des Ausschlusses der Klägerin von den „Traditionsterminen“ am vierten Adventssonntag für das Weihnachtsoratorium und am Karfreitag um 14.00 Uhr für die Matthäuspassion entsprechend dem Hauptantrag I. 3 und den Hilfsanträgen I. 3.a) und I. 3. b) zu.

aa) Die Beklagte hat auf dem relevanten Markt der Vermietung von Veranstaltungsräumen für klassische Musik in der Größenordnung der … im … und der … im … von etwa 1.900 bis 2.400 Zuschauerplätzen im Großraum M. sowie zu den traditionellen Aufführungszeiten des Weihnachtsoratorium von J.S.B. vom Beginn der Adventszeit bis Epiphanias (6. Januar) und seiner Matthäuspassion in der Karwoche bis einschließlich Karfreitag zwar eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB i.V.m. § 18 Abs. 1 GWB.

 (1) Marktbeherrschend ist ein Unternehmen nach § 18 Abs. 1 GWB, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

Nach der Konzeption des § 18 Abs. 1 GWB muss zur Beurteilung der Marktbeherrschung zunächst der relevante Markt ermittelt werden. Denn die Frage, ob ein bestimmtes Unternehmen eine marktbeherrschende Position besitzt und ausnutzt, kann nicht allgemein anhand seiner Größe, seiner Wirtschaftskraft oder anderer abstrakter Unternehmenskriterien bestimmt werden, sondern nur in Bezug auf einen konkret abzugrenzenden Markt. Es gilt, diejenigen Unternehmen zu ermitteln, die mit dem zur Beurteilung stehenden Unternehmen im Wettbewerb stehen. Dazu ist der relevante Markt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abzugrenzen (BeckOK KartellR/Götting, 14. Ed. 1.6.2020, GWB, § 18, Rn. 7).

Geht es im Rahmen des sachlich relevanten Marktes um eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung eines Anbieters, ist zunächst das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung zu identifizieren. Ausgehend hiervon ist sodann zu prüfen, ob von anderen Anbietern angebotene Produkte oder Dienstleistungen aus Sicht der Nachfrager als Marktgegenseite nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs funktionell austauschbar sind (sog. Bedarfsmarktkonzept; BGH GRUR 2020, 1318 Rn. 23 – Facebook; WRP 2017, 707 Rn. 20 – Kabelkanalanlagen; GRUR 2019, 1305 Rn. 23 – Werbeblocker III; BeckOK KartellR/Götting, a.a.O., Rn. 15, 16).

Für die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes ist ebenfalls die funktionelle Austauschbarkeit aus der Sicht der Marktgegenseite maßgebend. Diese richtet sich insbesondere auch nach der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen in einem bestimmten Gebiet (vgl. EuGH NJW 1978, 2439, 2440 – Chiquita). Regional begrenzte Teilmärkte sind maßgeblich, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen räumlich begrenzt sind (vgl. BGH NJW 1996, 1820 – Raiffeisen). Zu berücksichtigen sind die etwaige Ortsgebundenheit des Angebots und die Mobilität der Nachfrager bzw. Anbieter, wobei auf die konkreten Erwartungen der Marktgegenseite abzustellen ist (vgl. BGH GRUR 2004, 1048, 1049 – Sanacorp/ANZAG; BeckOK KartellR/Götting, a.a.O., Rn. 33-35).

Beim zeitlich relevanten Markt geht es um die Frage, welcher Zeitraum für die Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse zugrunde zu legen ist. Bedeutung erlangt die Definition des zeitlich relevanten Marktes, wenn es sich um Waren oder Leistungen handelt, die temporär beschränkt, also periodisch oder nur zu bestimmten Zeitpunkten, angeboten werden, weil sich dann die Marktbeherrschung aufgrund eines Monopols und einer Mangellage auf einen bestimmten Zeitabschnitt beschränkt (vgl. BGHZ 52, 65, 67 f. – Sportartikelmesse II; OLG Frankfurt a. M. GRUR 1989, 777 – Kunstmesse Art Frankfurt I; 1992, 554, 555 – Kunstmesse Art Frankfurt II). Auch ein einzelnes, z.B. sportliches, Großereignis kann als solches einen eigenen relevanten Markt darstellen (BGH NJW 1987, 3007 – Inter Mailand-Spiel; BeckOK KartellR/Götting, a.a.O., Rn. 37) .

 (2) Nach diesen Grundsätzen ist als maßgebliche Dienstleistung aus Sicht der Marktgegenseite in Gestalt von privaten Konzertveranstaltern auf dem entsprechenden Angebotsmarkt die Vermietung von Veranstaltungsräumen für klassische Musik anzusehen.

Als sachlich relevanter Markt ist die Vermietung von Veranstaltungsräumen für klassische Musik in der Größenordnung der … im … und der … im … von etwa 1.900 bis 2.400 Zuschauerplätzen anzusehen, da diese Raumkategorie aus Sicht der Marktgegenseite, der privaten Konzertveranstalter, wie sich an der seit Anfang der 1980er-Jahre geübten Praxis zeigt, zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums und der Matthäuspassion von J.S.B. besonders eignet und entsprechende Räume nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung dieses Bedarfs der Konzertveranstalter funktionell austauschbar sind.

Der räumlich relevante Markt erstreckt sich aus Sicht dieser Marktgegenseite auf den Großraum M., da die Konzertveranstalter mit der Aufführung des Weihnachtsoratoriums und der Matthäuspassion eine wohnortnahe Konzertzuhörerschaft ansprechen wollen, die eine taggleiche An- und Abreise, typischerweise mit dem öffentlichen Personennahverkehr, anstrebt. Bei den aufzuführenden Werken der klassischen Musik ist aufgrund flächendeckenderer Angebote aus Sicht der Veranstalter – anders als beispielsweise bei Musicals – eine deutschlandweite Anreise mit Übernachtung dagegen nicht üblich.

Der zeitlich relevante Markt erstreckt sich vorliegend auf die traditionellen Aufführungszeiten des Weihnachtsoratoriums von J.S.B. vom Beginn der Adventszeit bis Epiphanias (6. Januar) und seiner Matthäuspassion in der Karwoche bis einschließlich Karfreitag, da die Werke einen entsprechenden thematischen Bezug aufweisen und aus Sicht der Konzertveranstalter mit der zeitlichen Nähe zu Weihnachten und zu Ostern der emotionale Bezug der Zuhörer zu diesen christlichen Festen ein ausschlaggebender Marketinggesichtspunkt gegenüber den Konzertbesuchern ist.

Auf dem relevanten Markt der Vermietung von Veranstaltungsräumen für klassische Musik in der Größenordnung von etwa 1.900 bis 2.400 Zuschauerplätzen im Großraum M. vom Beginn der Adventszeit bis Epiphanias (6. Januar) bzw. in der Karwoche bis einschließlich Karfreitag ist die Beklagte ohne Wettbewerber und daher als Monopolanbieterin anzusehen. Die Klägerin hat zum sachlich relevanten Markt auf Seite 4 der Klageschrift vom 13.04.2022 (Bl. 4 d.A.) vorgetragen, eine Anmietung von Räumen für die Durchführung von Veranstaltungen im … sei in dieser Raumgröße von rund 2.378 Plätzen in M. nur bei der Beklagten möglich. Diesen Vortrag hat die Beklagte erstinstanzlich nicht bestritten, sondern vielmehr ausgeführt, dass Erwägungen, die für den … gälten, auch auf den … mit rund 1.900 Plätzen übertragbar seien. Soweit sie die tatsächlichen Grundlagen für ihre sachliche Alleinstellung nunmehr in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 31.05.2024 auf Seite 11 (Bl. 152 d.e.A.) erstmals bestreitet und ausführt, es bestehe eine funktionelle Austauschbarkeit der … bzw. … mit Kirchen, mit dem …, dem … und nicht näher bezeichneten Festspielhäusern und anderen Sälen, ist sie mit diesem Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, da nicht ersichtlich ist, warum es nicht ohne Nachlässigkeit bereits im ersten Rechtszug hätte angebracht werden können.

bb) Die Beklagte hat die Klägerin indes durch die Nichtvergabe der „Traditionstermine“ am Karfreitag um 14.00 Uhr und am vierten Adventssonntag nicht im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen.

 (1) Grundsätzlich sind Unternehmen, die funktionierendem Wettbewerb ausgesetzt sind, in ihrer unternehmerischen Entscheidung frei, andere Unternehmen gleich oder ungleich zu behandeln. Dies ist Ausfluss ihrer allgemeinen Handlungs- bzw. Vertragsfreiheit und kann gerade ein wesentlicher Wettbewerbsimpuls sein. Gleichbehandlung ist kein Wettbewerbsprinzip (vgl. BeckOK KartellR/Stancke, 14. Ed. 1.10.2024, GWB, § 19, Rn. 69).

Anders als im funktionierenden Wettbewerb ist eine Ungleichbehandlung anderer Unternehmen durch einen Marktbeherrscher nach allgemeinen Kriterien aber verboten, wenn sie als Missbrauch der Marktmacht wettbewerbsschädliche Wirkungen hat oder hierzu geeignet ist (BGH GRUR-RS 2021, 27083 – Einspeiseentgelte). Dieses Diskriminierungsverbot gilt indes nicht abstrakt, d.h. ein Marktbeherrscher muss nicht von vornhinein für alle Geschäftspartner identische Bedingungen anbieten. Ein Verstoß kann nur vorliegen, wenn sich die unterschiedliche Behandlung auf mehrere gleichartige Unternehmen im Hinblick auf einen sich entsprechenden Geschäftsverkehr oder denselben Anlass bezieht. Dann ist es dem Marktbeherrscher verboten, gegenüber gleichartigen Unternehmen wirtschaftlich gleich liegende Sachverhalte ungleich zu behandeln (BeckOK KartellR/Stancke, a.a.O. Rn. 70, 71).

Das Diskriminierungsverbot richtet sich nicht gegen jede Ungleichbehandlung als solche, sondern gegen die sich hieraus ergebende Beeinträchtigung der wettbewerblichen Chancengleichheit gleichartiger Unternehmen. Der Normzweck ist auf den Schutz der Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen vor Beeinträchtigungen durch den Normadressaten gerichtet. Eine als Ungleichbehandlung beanstandete Bevorzugung muss sich daher nachteilig auf die Wettbewerbsposition des anspruchstellenden Unternehmens auswirken (BGH GRUR 2012, 84 Rn. 32 – Grossistenkündigung).

Die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung richtet sich anschließend danach, ob die relative Schlechterstellung des betroffenen Unternehmens als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlichem oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind. Zudem sollen die Unternehmen auf der Marktgegenseite nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden (BGH NZKart 2021, 578 Rn. 16 – wilhelm.tel).

Hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ist eine Interessenabwägung zwischen der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes und der Respektierung eines unternehmerischen Freiraumes (BGH NJW 1982, 46 – Original VWErsatzteile II) zu beachten.

Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf einen solchen Missbrauch beruft (BGH NJW 2008, 2172 Rn. 15 – Erdgassondervertrag). Für die sachliche Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung im Rahmen des § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB ist dagegen der Diskriminierende darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW-RR 1987, 929 – Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II).

 (2) Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall mangels insoweit schlüssiger Darlegungen der Klägerin an einer Ungleichbehandlung wirtschaftlich gleich liegender Sachverhalte gegenüber gleichartigen Unternehmen im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB, die sich nachteilig auf die Wettbewerbsposition der Klägerin auswirken.

 (a) Zwar ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei der Klägerin und ihrer Konkurrentin, der Unternehmensgruppe …/…, um gleichartige Unternehmen handelt, da beide als Konzertveranstalter für die streitgegenständlichen Werke von J.S.B. tätig sind. Auch handelt es sich bei der Vermietung bzw. Nichtvermietung der … im … bzw. der … im … um den gleichen Geschäftsverkehr und den gleichen Anlass, da sie der Veranstaltung entsprechender gleichgelagerter Konzerte mit den gleichen B.-Werken durch die konkurrierenden Unternehmen dient.

 (b) Die nicht mehr erfolgende Vergabe der konkreten „Traditionstermine“ am Karfreitag um 14.00 Uhr und am vierten Adventssonntag an die Klägerin bei gleichzeitiger Vergabe an die Konkurrentin sowie einer sonst vorhandenen Kontrahierungsbereitschaft der Beklagten gegenüber der Klägerin (vgl. Seite 9 der Berufungserwiderung vom 06.11.2023, Bl. 63 d.e.A.) stellt jedoch keine ungleiche Behandlung wirtschaftlich gleich liegender Sachverhalte gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 GWB dar. Diese Vergabepraxis wirkt sich insofern nicht nachteilig auf die Wettbewerbsposition der Klägerin aus, als ihr auf dem gleichen zeitlich relevanten Markt weiterhin mit den „Traditionsterminen“ wirtschaftlich als gleichrangig anzusehende Ersatztermine zur Verfügung stehen.

Entgegen der Auffassung der für den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin, die insoweit auf die besonders lukrative Lage allein dieser Termine nach ihrer eigenen wirtschaftlichen Kalkulation abhebt, ist der relevante Markt in zeitlicher Hinsicht nicht auf diese „Traditionstermine“ allein beschränkt, da sich das Weihnachtsoratorium und die Matthäuspassion von J.S.B. in einem Raum in M. mit etwa 1900 bis 2400 Zuschauerplätzen in einem deutlich weiteren zeitlichen Umgriff aufführen lassen. Dieser reicht – nach dem oben Gesagten – beim Weihnachtsoratorium schon aufgrund der heute weitgehenden Entkopplung von einer kirchlichen Aufführungspraxis vom Beginn der Adventszeit bis zum – durch das Werk vorgegebenen – 6. Januar (Epiphanias), dem vorgesehenen Aufführungszeitpunkt der VI. Kantate. Bei der Matthäuspassion erstreckt er sich über die Karwoche hinweg bis einschließlich zum Karfreitag, was sich ebenfalls aus dem Werk selbst ergibt, zumal der Part des Evangelisten mit dem Matthäusevangelium Kapitel 26 (Mt 26) in der Übersetzung Martin Luthers beginnt, das vollständig die Zeit vor Karfreitag zum Gegenstand hat (vgl. Mt 26, 2: „Ihr wißt, daß in zwei Tagen Passa ist und der Menschensohn wird überantwortet werden, daß er gekreuzigt werde.“; Mt 26, 17: „Aber am ersten Tage der ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wo willst du, daß wir dir das Passalamm zum Essen bereiten?“).

Erst mit dem Rezitativ von Evangelist und Judas (BWV 244 Nr. 49) beginnt Kapitel 27 (Mt 27) und damit in zeitlicher Hinsicht der Karfreitag (vgl. Mt 27, 1: „Am Morgen aber faßten alle Hohenpriester und die Ältesten des Volkes den Beschluss über Jesus, ihn zu töten,“).

Selbst unter Berücksichtigung des von der Klägerin angeführten Aspekts, dass Wochentage wie der im Jahr 2019 angebotene Dienstag als Ersatztermin aufgrund des zu erwartenden geringeren Zuschauerinteresses nicht als wirtschaftlich gleichwertig anzusehen seien, verengt die dem Klagevortrag zugrunde liegende Betrachtung nur der Termine am Karfreitag um 14.00 Uhr sowie am vierten Adventssonntag die Gleichheitsprüfung über Gebühr und ist daher nicht geeignet, eine rechtswidrige Ungleichbehandlung mit nachteiligen Auswirkungen zu begründen. Als wirtschaftlich gleichwertig sind innerhalb des zeitlich relevanten Marktes nämlich zum Beispiel auch der dritte Adventssonntag für das Weihnachtsoratorium und ein Abendtermin am Gründonnerstag anzusehen, da auch an diesen Terminen mit sehr starker Nachfrage nach den B.-Werken zu rechnen ist, was z.B. gerichtsbekannte entsprechende Termine des … in Leipzig am dritten Adventswochenende 2024 sowie der eigene Termin der Klägerin am 17.04.2025 um 19 Uhr im … der … (vgl. Seite 4 des Terminsprotokolls vom 28.11.2024, Bl. 199 d.e.A.) zeigen. Auch wenn diese einen anderen räumlich und sachlich relevanten Markt betreffen, lässt sich aufgrund der nach der Lebenserfahrung weitgehend gleichlaufenden Interessen des Klassikpublikums in zeitlicher Hinsicht annehmen, dass auch aus objektiver Sicht der Konzertveranstalter als Marktgegenseite, die nicht nur die eigene Kalkulation der Klägerin in den Blick nimmt, solchen Terminen ein wirtschaftlicher Gleichrang mit den von der Klägerin isoliert hervorgehobenen „Traditionsterminen“ zukommt.

Soweit die Klägerin nunmehr im nachgelassenen Schriftsatz vom 02.01.2025 einen fehlenden wirtschaftlichen Gleichrang von Ersatzterminen und „Traditionsterminen“ damit zu begründen versucht, dass das B.-Publikum in Leipzig und in M. in Bezug auf die Aufführungszeitpunkte unterschiedlichen langjährigen Gewöhnungseffekten unterlegen habe und in Leipzig die Karfreitagsaufführung 2025 der Matthäuspassion, anders als der Gründonnerstagstermin, bereits jetzt ausverkauft sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Dass die wettbewerblichen Chancen der Klägerin an den Ersatzterminen objektiv beeinträchtigt wären (vgl. BGH NJW 2012, 773 Rn. 32 – Grossistenkündigung), lässt sich hieraus nicht ableiten, da die Argumentation der Klägerin damit weiter zum Gegenstand hat, den Entzug der aufgrund ihrer eigenen Kalkulation lukrativsten Aufführungsmöglichkeiten in M. zu beklagen, für die sie aufgrund langjähriger Handhabung eine Art Bestandsschutz erreichen möchte, ohne die wettbewerblichen Chancen an den Ersatzterminen aus objektivierter Sicht, wie sie gerade die Praxis in Leipzig aufzeigt, in Betracht zu nehmen.

cc) Da nach dem vorstehend Gesagten kein Kontrahierungszwang der Beklagten mit der Klägerin für die „Traditionstermine“ besteht, kommt die ebenfalls auf einen kartellrechtlichen Kontrahierungszwang gestützte (vgl. die Seiten 6 bis 8 des Schriftsatzes vom 11.11.2024, Bl. 163/165 d.e.A.) zweite Alternative der Unterlassungsanträge I. 3. und I. 3.a), wonach die Beklagte die Saalvergabe nicht von bestimmten Bedingungen abhängig machen dürfe, nicht zum Tragen.

B.

Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der vom Landgericht zuerkannte Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. der – nunmehr unstreitig – vereinbarten Option für die Aufführung des Weihnachtsoratoriums am 22.12.2019 in der … im … zu.

1. Der Beklagten fällt eine Vertragspflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB dadurch zur Last, dass sie der Klägerin durch ihren Prokuristen … mit der E-Mail vom 10.09.2018 (Anlage K 6) die Option für den 22.12.2019 durch Kündigung entzogen hat, ohne dass nach § 19 der zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Mietbedingungen gemäß Anlage K 3 bzw. § 314 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund vorlag. Sie hat durch den zur Verfügung gestellten Ersatztermin für eine Aufführung ohne den …-Chor selbst zum Ausdruck gebracht hat, dass dessen Veranstalterwechsel und damit Weggang von der Klägerin zur Unternehmensgruppe …/… keinen wichtigen Grund für einen Optionsentzug darstellte.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich nicht argumentieren, dass allein der Weggang des …-Chors, nicht aber der Entzug der Option für den 22.12.2019 für den bei der Klägerin im Jahr 2019 eingetretenen Verlust kausal gewesen sei, weil die Option durch den Wegfall des Chors von selbst entfallen sei und sich die Regelungen in den Allgemeinen Mietbedingungen (Anlage K 3) nur auf abgeschlossene Mietverträge, nicht aber auf Optionen bezögen.

Wie die zwischen den Parteien ebenfalls geschlossenen – den Allgemeinen Mietbedingungen vorgehenden – Rahmenbedingungen (Anlage K 2) in § 2 Nr. 2 zeigen, sollten die Optionen nicht frei durch die Beklagte entziehbar sein, sondern es sollte ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Verfahren mit einer Anfrage und einer Umwandlungsmöglichkeit oder einer Freigabe eingehalten werden. Damit wird deutlich, dass im Übrigen ein Entzug der Option ebenfalls nicht frei, sondern allenfalls aus wichtigem Grund erfolgen konnte, wie er wiederum in § 19 der ergänzend geltenden Allgemeinen Mietbedingungen (Anlage K 3) geregelt war und der gesetzlichen Regelung in § 314 Abs. 1 BGB entspricht.

Selbst wenn man annehmen würde, dass aufgrund des Wegfalls des …-Chors mit der Argumentation der Beklagten die Option für den 22.12.2019 aufgrund der behaupteten konkludent vereinbarten auflösenden Bedingung ipso jure entfallen sei, kann sich die Beklagte – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – im konkreten Fall dieser Option hierauf nicht berufen. Da sie der Klägerin den Ersatztermin am 17.12.2019 zur Verfügung gestellt hat, ohne sich daran zu stoßen, dass die Klägerin an diesem Termin den …-Chor nicht mehr einsetzen konnte und auf zwei Ersatzchöre zurückgreifen musste, liegt ein widersprüchliches Verhalten im Sinne von § 242 BGB darin, sich für die Wirksamkeit des Optionsentzugs für den 22.12.2019 gerade auf den fehlenden …-Chor zu berufen. Dass und warum der Einsatz des …-Chors am 22.12.2019 vertragswesentlich, am Ersatztermin wenige Tage zuvor dagegen bedeutungslos gewesen sein soll, erschließt sich durch die Argumentation der Beklagten nicht. Dass eine Bindung der Beklagten an Optionen bestand, räumt sie überdies selbst ein.

C.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.

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