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Wirtschaftsrecht
04.04.2013
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Wirtschaftsverband stationärer Fachgroßhändler kann Versandhändlern die Mitgliedschaft versagen

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.1.2013 - VI - U (Kart) 5/12


Nicht amtliche Leitsätze


1. Ein Wirtschaftsverband stationärer Fachgroßhändler kann ohne Verstoß gegen § 20 Abs. 6 GWB in seiner Satzung die Aufnahme von Großhändlern ausschließen, die ihre Produkte schwerpunktmäßig als Versandhändler vertreiben.


2. Entscheidend ist die Satzungslage zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung.


GWB §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 6


Sachverhalt


Die Klägerin ist seit 1982 bundesweit als Großhändlerin im Bereich „Haustechnik", schwerpunktmäßig in der Heizungs- und Sanitärsparte, daneben aber auch auf dem Gebiet der Klima- und Lüftungstechnik, tätig. An ihrem Firmensitz in B. unterhält sie ein Ladengeschäft; zum Geschäftsbetrieb gehören darüber hinaus vier Abhollager. Die Klägerin verlegt einen jährlich neu erscheinenden Versandhandelskatalog. Abnehmer der Klägerin sind ausschließlich Fachhandwerker und Installateure.


Der Beklagte ist der - im Jahre 1900 gegründete - Verband X. Die Klägerin begehrt seit 2008 die Aufnahme in den beklagten Verband. Im Dezember 2009 ist ihr Aufnahmegesuch auf der Grundlage der damals gültigen Satzung (Stand: 1994) vom Vorstand des Beklagten mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Klägerin nicht alle satzungsmäßigen Aufnahmekriterien erfülle. Die Klägerin hat daraufhin gegen den Beklagten Klage auf Aufnahme als ordentliches Mitglied erhoben.


Mit Wirkung ab dem 13.1.2010 hat der Beklagte seine Satzung geändert. Anlass war das klägerische Aufnahmegesuch. Der Beklagte lehnt eine Mitgliedschaft der Klägerin auch auf der Grundlage der neuen Satzung ab. Zur Rechtfertigung beruft er sich insbesondere darauf, dass die Klägerin schwerpunktmäßige Versandhändlerin sei, die nach Ziffer 4.0 der Satzung von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen sei. Das LG hat sich diesem Standpunkt angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.


Aus den Gründen


II. ... Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von dem Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Aufnahme als ordentliches Verbandsmitglied verlangen.


  • Kein kartellrechtlicher Aufnahmeanspruch der Klägerin aus §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 6 GWB

A. Ein kartellrechtlicher Aufnahmeanspruch aus §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 6 GWB steht der Klägerin nicht zu.


Gemäß § 20 Abs. 6 GWB dürfen Wirtschaftsvereinigungen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen würde und die Ablehnung zu einer unbilligen Behinderung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde. Im Streitfall fehlt es an einer Ungleichbehandlung. Der Beklagte hat das Aufnahmegesuch fehlerfrei an den maßgeblichen Bestimmungen seiner Satzung gemessen und entschieden, dass die Klägerin als eine schwerpunktmäßige Versandhändlerin von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen ist. Der Beklagte hat die Klägerin auch nicht auf andere Weise diskriminiert, etwa dadurch, dass er in seinen Reihen Mitglieder duldet, die dieselbe oder eine vergleichbare Aufnahmevoraussetzung nicht erfüllen oder indem zum Nachteil der Klägerin ein besonders strenger Überprüfungsmaßstab angelegt wird. 


  • Die Klägerin ist als schwerpunktmäßige Versandhändlerin nach der Satzung von der Mitgliedschaft ausgeschlossen

1. Die Klägerin erfüllt nicht die satzungsmäßigen Aufnahmekriterien des Beklagten. Als eine schwerpunktmäßige Versandhändlerin ist die Klägerin von einer Mitgliedschaft ausdrücklich ausgeschlossen. 


  • Das Aufnahmebegehren der Klägerin ist an den Aufnahmekriterien der aktuellen Satzung des Beklagten zu messen

a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass das Aufnahmebegehren der Klägerin an den Aufnahmekriterien der aktuellen Satzung des Beklagten und nicht an den Satzungsbestimmungen zu messen ist, die bei Anbringung des Aufnahmegesuchs im Jahre 2008 oder im Zeitpunkt der Ablehnung des Aufnahmegesuchs durch den Vorstand des Beklagten im Dezember 2009 in Kraft waren. Denn zur gerichtlichen Prüfung steht nicht, ob das ursprüngliche Aufnahmegesuch der Klägerin begründet gewesen ist. Ebenso wenig ist über die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung des Beklagten aus Dezember 2009 zu befinden. Zur Beurteilung steht alleine die Frage, ob die Voraussetzungen des eingeklagten (kartell-)gesetzlichen Aufnahmeanspruchs aus §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 6 GWB vorliegen. Für die Beantwortung dieser Frage kann es nur auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - vorliegend also auf die Satzungslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - ankommen.


Dass der Beklagte den Aufnahmeantrag der Klägerin zum Anlass für die Satzungsänderung genommen hat und sich die geänderten Aufnahmekriterien auch (und gerade) gegen die von der Klägerin begehrte Aufnahme richten, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (a. A. OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 4698 - Gütegemeinschaft Kachelöfen). Der Beklagte kann im Rahmen seiner durch Art. 9 Abs. 1  GG verfassungsrechtlich garantierten Satzungsautonomie grundsätzlich den Zweck seiner Vereinigung, den eigenen Tätigkeitsrahmen und die dadurch bedingten Aufnahmevoraussetzungen eigenverantwortlich bestimmen (vgl. nur BGH, WuW/E BGH 2226, 2230 - Aikido-Verband; Markert in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 20 Rdnr. 345 m. w. N.). Es besteht kein Grund, diese Satzungsautonomie einzuschränken und es einer Wirtschaftsvereinigung zu verwehren, ihre Statuten während eines laufenden Aufnahmeverfahrens in zulässiger Weise zu ändern. Der Aufnahmeinteressent besitzt deshalb auch kein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen, dass die Satzungslage bis zum Abschluss seines Aufnahmeverfahrens unverändert bleibt und sie nicht in einem zulässigen Umfang zu seinem Nachteil verändert wird.


  • Da die Klägerin ihre Produkte als schwerpunktmäßige Versandhändlerin vertreibt, ist sie von der Mitgliedschaft im beklagten Verband ausgeschlossen

b) Die Klägerin ist von der Mitgliedschaft im beklagten Verband ausgeschlossen, weil sie ihre Produkte der Haustechnik nicht als stationäre Fachgroßhändlerin, sondern als eine schwerpunktmäßige Versandhändlerin vertreibt.


  • Denn § 5 Ziffer 4.0 der Satzung bestimmt, dass Versandhändler dem Beklagten nicht als Mitglied beitreten können

aa) § 5 Ziffer 4.0 der Satzung bestimmt, dass (reine oder schwerpunktmäßige) Versandhändler dem Beklagten nicht als Mitglied beitreten können. Der Begriff des Versandhändlers wird in der Satzung selbst definiert, und zwar dahin, dass es sich um Großhändler handelt, die ihre Produkte vorwiegend im Fernabsatz anbieten und die in § 5 Ziffern 3.4.2 (Nachweis der ständigen Ausstellung der Produkte in einem branchenüblichen und dem Geschäftsumfang angemessenen Umfang), 3.4.8 (Nachweis der nicht nur gelegentlichen Erfüllung der üblichen Beratungsfunktionen des Fachgroßhandels u.a. durch Fachpersonal in den Schauräumen) und 3.4.9 (Nachweis der nicht nur gelegentlichen Erfüllung der üblichen Dienstleistungsfunktionen des Fachgroßhandels) genannten Leistungen nicht oder nur gelegentlich oder nur in Sonderfällen erbringen. Fernabsatz bedeutet der Absatz von Waren (oder Dienstleistungen) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems (vgl. § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Begriff des Fernabsatzes erfasst neben den Verträgen des E-Commerce auch das traditionelle Distanzgeschäft, insbesondere den Versandhandel (vgl. nur: Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl., § 312 b Rn. 6). Demgegenüber wird - anders als die Klägerin meint - ein Geschäft nicht alleine dadurch zum Fernabsatzgeschäft, dass die Bestellung mit Fernkommunikationsmitteln (z.B. telefonisch, per Telefax oder per E-Mail) erteilt wird. Zum einen bezieht sich das Erfordernis der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nämlich nicht nur auf den Vertragsschluss, sondern auch auf die Vertragsanbahnung (vgl. nur: Grüneberg in Palandt, a. a. O. § 312 b Rn. 8); zum anderen stellt der bloße Telefon-, Telefax- und/oder E-Mail-Anschluss des Auftragnehmers noch kein „für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem" dar.


  • Die Satzungsbestimmung ist sachlich gerechtfertigt und damit wirksam; die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Beklagten aus

bb) Die Satzungsbestimmung in § 5 Ziffer 4.0 ist wirksam, weil die Nichtaufnahme von (reinen oder schwerpunktmäßigen) Versandhändlern eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Haustechnik-Großhändlern darstellt.


Die sachliche Rechtfertigung ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung zwischen dem Interesse des Bewerbers an der Mitgliedschaft und dem Interesse des Verbandes an der Nichtaufnahme des Bewerbers zu beurteilen (vgl. BGH, WuW/E BGH 2226 - Aikido-Verband; Markert in Immenga/Mestmäcker, a. a. O. § 20 Rdnr. 344 m. w. N.). Im Streitfall fällt diese Interessenabwägung zugunsten des Beklagten aus.


 (1) Aufgrund der verfassungsrechtlich verbürgten Verbandsautonomie kann der Beklagte seinen Verbandszweck, den eigenen Tätigkeitsrahmen und die dadurch bedingten generellen Aufnahmevoraussetzungen grundsätzlich frei festlegen. Eine Aufnahmebeschränkung nach der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Wirtschaftszweig, einer bestimmten Wirtschaftsstufe, aber auch nach der Vertriebsform (Bedienungshandel, Selbstbedienungshandel, Versandhandel, Fachhandel, Warenhäuser etc.) ist im Allgemeinen sachlich gerechtfertigt (vgl. nur: Markert in Immenga/Mest-mäcker, a. a. O. § 20 Rdnr. 345 m. w. N.). Auch vorliegend ist die Versagung einer Mitgliedschaft von Versandhändlern von der Verbandsautonomie gedeckt. Der Beklagte hat ein berechtigtes Interesse an einer homogenen Mitgliederstruktur, damit die wirtschaftlichen und wettbewerblichen Interessen der Verbandsmitglieder effektiv wahrgenommen werden können. Stationäre Haustechnik-Großhändler bilden eine in diesem Sinne hinreichend homogene Gruppe. Sie vertreiben ihre Haustechnik-Produkte regional in einem Lieferradius von bis zu 100 km, indem sie an ihrem Standort sowohl für die Handwerker als unmittelbare Abnehmer als auch für die Bauherren als Endverbraucher in einem branchenüblichen Umfang Beratungs- und Dienstleistungen vorhalten sowie eine Ausstellung mit Schauräumen unterhalten. Versandhändler praktizieren ein gänzlich anderes Vertriebskonzept. Sie vertreiben ihre Waren nicht regional von einzelnen Standorten aus, sondern über Kataloge und/oder das Internet bundesweit. Zum Absatz ihrer Produkte unterhalten sie keine Ausstellungsräume; ebenso wenig bieten sie für die Handwerker oder Endverbraucher Beratungs- und sonstige branchenübliche Dienstleistungen an.  


Der Beklagte hat überdies ein Interesse daran, Versandhändler zur Vermeidung einer Trittbrettfahrerproblematik von der Mitgliedschaft auszuschließen. Das Geschäft des Versandhändlers baut in einem nicht unerheblichen Umfang auf den vom stationären Großhandel bereitgestellten Beratungs- und Dienstleistungen auf. Insbesondere den Bauherren bietet der stationäre Fachgroßhandel die Möglichkeit, sich in den Ausstellungsräumen und mit Hilfe der dort angebotenen fachkundigen Beratung über das Leistungsangebot zu informieren und die für das eigene Bauvorhaben benötigten Produkte auszuwählen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Sanitärprodukte. Es liegt auf der Hand, dass sich vor allem in diesem Produktsegment Bauherren zunächst beim stationären Fachgroßhandel informieren und beraten lassen, um die ausgewählten Produkte anschließend beim Versandhandel zu bestellen. Die für Ausstellungsräume und fachkundiges Beratungspersonal ersparten Aufwendungen kann der Versandhändler im Preiswettbewerb gegen den stationären Fachhandel einsetzen. Nicht ohne Grund bezeichnet sich die Klägerin selbst als ein „preisaktiver" Konkurrent ... Es ist kartellrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte zur Vermeidung des dargestellten wettbewerblichen Konflikts dazu entschlossen hat, Versandhändler von der Verbandsmitgliedschaft auszuschließen. 


 (2) Das Interesse des Versandhändlers, durch die fehlende Mitgliedschaft im beklagten Verband nicht in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt zu werden, tritt hinter den Belangen des Beklagten zurück. Denn es ist weder dargetan noch sonst zu erkennen, dass die Mitwirkung im Verband des Beklagten oder die vom Beklagten in § 7 der Satzung gewährten Mitgliedschaftsrechte (Recht auf Teilnahme an den Verbandseinrichtungen, Stimmrecht, Recht auf Beratung, Betreuung, Förderung, Unterrichtung und Vertretung im Rahmen des Verbandszwecks) für einen Versandhändler derart wichtig sind, dass die Verbandsautonomie und das Interesse des Beklagten an einer homogenen Mitgliederstruktur ohne Trittbrettfahrerproblematik dahinter zurücktreten müsste. Dass die Satzung nicht nur den reinen, sondern auch den nur schwerpunktmäßig tätigen Versandhändler von der Mitgliedschaft ausschließt, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Interessenlage unbedenklich.    


cc) Die Klägerin ist eine Fachgroßhändlerin, die schwerpunktmäßig einen Versandhandel betreibt und deshalb unter § 5 Ziffer 4.0 der Satzung fällt ... [wird ausgeführt].


  • Eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis

c) Erfüllt die Klägerin somit das Ausschlusskriterium in § 5 Ziffer 4.0 der Satzung, kann ihre Nichtaufnahme als Mitglied gleichwohl eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung sein, wenn die Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu ihren Gunsten ausfällt.


Das ist im Ergebnis nicht der Fall. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass sie von etlichen namhaften Herstellern ohne eine Mitgliedschaft im beklagten Verband nicht beliefert werde. Der Klägerin ist allerdings ein Bezug der betreffenden Produkte nicht gänzlich verschlossen. Nach eigenem Bekunden kann sie die Waren aus dem benachbarten Ausland oder über den Handel beziehen. Bereits erstinstanzlich hat die Klägerin eingeräumt, trotz der beschriebenen Lieferprobleme eine Belieferungsquote von 98 % gewährleisten, d. h. von 100 bestellten Artikeln 98 Stück sofort ausliefern zu können ... Dass der Warenbezug über das Ausland oder den Handel gleichwohl mit konkreten nachteiligen Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit verbunden ist, trägt die Klägerin - die im Senatstermin auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen worden ist ... - nicht vor. Angesichts der bereits erwähnten erheblichen Umsatzzuwächse, die die Klägerin seit 2005 zu verzeichnen hat, sind signifikante Wettbewerbsnachteile auch sonst nicht zu erkennen. Dann lässt sich aber auch nicht feststellen, dass das Direktbelieferungsinteresse der Klägerin ein derartiges Gewicht besitzt, dass die Satzungsautonomie und das Interesse des Beklagten an einer homogenen Mitgliederstruktur ohne Trittbrettfahrerproblematik dahinter zurücktreten müssen.  


  • Die Klägerin wird gegenüber den aktuellen Mitgliedern des Beklagten weder durch die Ablehnung des Aufnahmeantrags diskriminiert ...

2. Durch die Ablehnung ihres Aufnahmeantrags wird die Klägerin nicht im Vergleich zu den aktuellen Mitgliedern des Beklagten diskriminiert.


a) Es verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 20 Abs. 6 GWB, wenn die satzungsmäßigen Aufnahmekriterien gegenüber einem Bewerber angewendet werden und gleichzeitig einzelne Mitglieder von den betreffenden (oder vergleichbaren) Satzungsanforderungen freigestellt werden. Die Wirtschaftsvereinigung ist allerdings befugt - und im Allgemeinen auch verpflichtet -, ihren Mitgliedern eine angemessene Zeitspanne einzuräumen, um geänderten Satzungsanforderungen zu genügen (Senatsurteil vom 23.3.2011, VI - U(Kart) 29/11). Ob eine Ungleichbehandlung gegenüber Mitgliedern vorliegt, beurteilt sich auch insoweit nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Die Darlegungs- und Beweislast für die Ungleichbehandlung trägt der Bewerber um die Mitgliedschaft, vorliegend also die Klägerin. Für eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten besteht      - entgegen der Auffassung der Klägerin - kein Anlass. Denn die Klägerin kann durch eigene Recherchen selbst feststellen, ob die Mitglieder des Beklagten die in Rede stehenden Aufnahmekriterien erfüllen. 


b) Eine Ungleichbehandlung der Klägerin in diesem Sinne lässt sich nicht feststellen.


aa) Dass irgendein aktuelles Mitglied des Beklagten einen (reinen oder schwerpunktmäßigen) Versandhandel betreibt, ist weder vorgetragen noch sonst zu erkennen.


bb) Ebenso wenig ist substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen, dass ein aktuelles Mitgliedsunternehmen des Beklagten die Satzungsanforderungen in § 5 Ziffern 3.4.2 , 3.4.8 und 3.4.9 über den Nachweis branchenüblicher Ausstellungsräume sowie der nicht nur gelegentlichen Erfüllung der üblichen Beratungs- und Dienstleistungsfunktionen des Fachgroßhandels nicht erfüllt. Angesichts der eigenen Darlegungslast kann sich die Klägerin nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen ...


  • ... noch durch die dezidierte und gründliche Antragsprüfung ...

3. Die Klägerin wird im Vergleich zu den aktuellen Mitgliedern des Beklagten ebenso wenig dadurch diskriminiert, dass ihr Aufnahmeantrag einer dezidierten und gründlichen Prüfung unterzogen worden ist.


a) Da der Beklagte gehalten ist, die satzungsmäßigen Anforderungen an eine Mitgliedschaft diskriminierungsfrei anzuwenden, hat er sich im Rahmen des Nötigen und Möglichen auch davon zu überzeugen, dass seine Mitglieder innerhalb einer angemessenen Frist die geänderten Satzungsanforderungen erfüllen. Der Beklagte muss insoweit allerdings nicht in jedem Fall eine vollständige Überprüfung seines Mitgliederbestandes durchführen. Eine Prüfung der Satzungsanforderungen hat nur dort stattzufinden, wo aufgrund konkreter Anhaltspunkte Veranlassung zu Zweifeln besteht.


b) Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte diesen Anforderungen nicht genügt hat ... . Der Beklagte hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass er bei einer Vielzahl von Mitgliedsunternehmen vor Ort überprüft habe, ob ein satzungskonform ausgestatteter Geschäftsbetrieb vorhanden ist ... Der Beklagte hat ferner zwischenzeitlich zwei Mitgliedsunternehmen ausgeschlossen. Weitere 20 Unternehmen haben ihre Mitgliedschaft selbst beendet oder sind infolge von Unternehmenszusammenschlüssen aus dem beklagten Verband ausgeschieden ...


  • ... noch durch die bis zum 12.1.2010 gültige Satzung 1994

4. Eine Diskriminierung der Klägerin gegenüber (aktuellen) Mitgliedern des Beklagten ergibt sich schließlich nicht aus der - bis zum 12.1.2010 gültigen - Satzung 1994. Zwar hält die dort in § 5 Ziffer 3.5 enthaltene Aufnahmeregelung - wonach Unternehmen in der Zeit bis 31.10.1994 die Mitgliedschaft erwerben konnten, ohne dass sie die Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllen mussten - schon auf erste Sicht einer kartellrechtlichen Überprüfung nicht stand. Aus dieser kartellrechtswidrigen Satzungslage kann die Klägerin indes keine Rechte herleiten, weil der Beklagte - unstreitig - unter Geltung der genannten Bestimmung kein einziges Unternehmen als Mitglied aufgenommen hat.


  • Ein Aufnahmeanspruch aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung und der gezielten Mitbewerberbehinderung scheidet von vornherein aus

B. Lehnt der Beklagte nach alledem den Aufnahmeantrag der Klägerin unter Hinweis auf seine satzungsmäßigen Aufnahmekriterien berechtigterweise ab, scheidet von vornherein auch ein Aufnahmeanspruch aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) und der gezielten Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) aus. 


Hinweis der Redaktion: Die Revision wurde nicht zugelassen.








 

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