R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
16.05.2012
Wirtschaftsrecht
Hanseatisches OLG: Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs.1 InsO gegenüber einem nicht insolventen Mitmieter des Schuldners

Hanseatisches OLG, Urteil vom 29.3.2012 - 8 U 78/11 ( nicht rechtskräftig)


Leitsatz


Das vom Insolvenzverwalter ausgeübte Sonderkündigungsrecht nach § 109 Abs.1 InsO beendet das Mietverhältnis auch im Verhältnis zwischen Vermieter und nicht insolventem Mitmieter des Schuldners.


§ 109 Abs.1 InsO                     


Sachverhalt


I.


Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für den Monat September 2009 gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch wegen Miete, Nutzungsentschädigung oder Schadensersatzes hat.


Im Jahre 1999 schlossen der Kläger und Dr. med. R. per 01.01.2000 einen Mietvertrag über Gewerberäume in der N.-R.-St. in Hamburg gemäß Anlage K 1. Mit Wirkung ab dem 01.07.2002 trat der Beklagte als weiterer Mieter in das Mietverhältnis ein. In den gemieteten Räumen betrieben der Beklagte und Dr. R. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein medizinisches Labor (s. Anlage B 4).


Mit Schreiben vom 25.03.2003 gemäß Anlage B 3 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er scheide mit Wirkung zum 31.03.2003 aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus und bat um Entlassung aus dem Mietvertrag. Eine Entlassung aus dem Mietvertrag erfolgte jedoch nicht.


Der Kläger und Dr. R. vereinbarten am 22.08.2007 im Rahmen eines Nachtrags III zum Mietvertrag (Anlage K 4) eine Erhöhung des Mietzinses auf brutto 5.476,49 EUR. Der in dem Nachtrag genannte Beklagte hat den Nachtrag nicht unterzeichnet.


Mit Wirkung zum 31.12.2009 kündigten der Beklagte und Dr. R. das Mietverhältnis. Unter Bestellung des Nebenintervenienten zum Verwalter wurde über das Vermögen des Dr. R. am 04.02.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 28.04.2009 kündigte der Ne-


benintervenient das Mietverhältnis unter Berufung auf § 109 InsO zum Ablauf des 31.07.2009. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Räume zu diesem Zeitpunkt noch vom Insolvenzschuldner oder von einer - ebenfalls in Insolvenz befindlichen - I.L.gesellschaft mbH genutzt worden sind. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war Dr. R.


Mit Schreiben vom 14.09.2009 an den Bevollmächtigten des Beklagten (Anlage B 1) erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter anderem, er habe für den Kläger das Vermieterpfandrecht geltend gemacht. Am 30.10.2009 verschaffte sich der Kläger Zutritt zu den Räumlichkeiten und verwertete in der Folge die vorgefundenen Gegenstände.


Mit Schreiben vom 03.05.2010 gemäß Anlage K 5 ließ der Kläger den Beklagten unter anderem zur Zahlung der Miete für September 2009 auffordern. Der Beklagte ließ dies mit Schreiben vom 14.05.2010 ablehnen (Anlage K 6).


Der Kläger hat gemeint, die Ausübung des Sonderkündigungsrechts durch den Insolvenzverwalter habe das Mietverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem nicht beendet. Jedenfalls stehe ihm gegen den Beklagten eine Nutzungsentschädigung zu, weil Dr. R. die Räume weiter genutzt habe. Überdies habe er gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Miete. Er, der Kläger, habe das Objekt nicht vor dem 31.12.2009 weiter vermieten können, weil der Beklagte seiner Rückgabeverpflichtung nicht nachgekommen sei.


Der Beklagte und der Nebenintervenient sind dem entgegengetreten. Die Kündigung des Nebenintervenienten habe das Vertragsverhältnis auch mit Wirkung für den Beklagten beendet. Da der Beklagte zudem am Nachtrag III über die Mieterhöhung nicht beteiligt gewesen sei, stehe dem Kläger der Anspruch jedenfalls der Höhe nach nicht in vollem Umfang zu. Der Nachtrag ergebe vielmehr eine Entlassung des Beklagten aus dem Mietverhältnis. Da der Kläger zudem der Wirksamkeit der insolvenzrechtlichen Kündigung entgegengetreten sei und von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch gemacht habe, habe es ihm jedenfalls am Rücknahmewillen gemangelt. Ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten scheitere daran, dass der Beklagte keine Pflichten verletzt habe.


 Der Nebenintervenient hat behauptet, alleinige Nutzerin der Räumlichkeiten sei seit dem 01.01.2009 die I.L. GmbH gewesen.


Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen drauf abgestellt, das Sonderkündigungsrecht des Verwalters habe das Vertragsverhältnis auch mit Wirkung für den Beklagten beendet. Mit entgegenstehenden Stimmen der Literatur hat es sich dezidiert auseinandergesetzt und sich der zur selben Problematik unter Geltung von  § 19 KO ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen.


Einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung hat das Landgericht im Wesentlichen an dem aus seiner Sicht fehlenden Rücknahmewillen scheitern lassen. Ein insolvenzrechtlicher Schadensersatzanspruch aus §109 Abs. 1 Satz 3 InsO gegen den Beklagten sei nicht gegeben, weil diese Norm keinen Anspruch gegen den Beklagten begründe. Ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe einer Bruttomiete bestehe nicht. Zum einen habe der Beklagte seit 2003 keinen Zutritt mehr zu den Räumlichkeiten gehabt, zum anderen sei nicht ersichtlich, dass der Insolvenzschuldner bzw. die I.L. GmbH vom Beklagten erfolgreich auf Besitzverschaffung an den Kläger hätte in Anspruch genommen werden können.


Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zur Begründung der Klagabweisung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.


Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Klagabweisung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.


Der Kläger beantragt,


den Beklagten unter Abänderung des am 08.03.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, 333 O 166/10, zu verurteilen, an den Kläger 5.476,49 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.05.2010 zu zahlen.


Der Beklagte und der Nebenintervenient beantragen,


die Berufung zurückzuweisen.


Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.


Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug.


Aus den Gründen


II.


Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keine Ansprüche auf die Zahlung von Mietzins oder Nutzungsentschädigung für den Monat September 2009 oder Schadensersatz in entsprechender Höhe.


1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mietzins für den Monat September 2009.


Streitentscheidend ist insoweit die Frage, ob die dem Kläger als Vermieter vom Nebenintervenienten als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Mitmieters des Beklagten zum 31.07.2009 ausgesprochene Kündigung das Mietverhältnis auch für den Beklagten beendet hat. Dies ist zur Überzeugung des Senats der Fall, was auch das Landgericht zutreffend angenommen hat.


a) Nach den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung beendet die auf einem insolvenzrechtlichen Sonderkündigungsrecht des Verwalters beruhende Kündigung das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte (s. zu der Kündigung nach § 19 Satz 1 KO OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 1369; OLG Celle, NJW 1974, 2012; RGZ 141, 391, 392). Diese Auffassung wird in der Literatur teilweise ebenfalls vertreten (s. Frankfurter Kommentar zur InsO/Wegener, 6. Auflage 2011, § 109 Rn. 17; Münchener Kommentar zum BGB-Bydlinski, 5. Auflage 2007, § 425 Rn. 7; Braun/Kroth, InsO, 4. Auflage 2010, § 109 Rn. 24; Hamburger Kommentar zur InsO - Ahrend, 3. Auflage 2009, § 109 Rn. 19), teilweise aber auch mit der Begründung kritisiert, § 109 InsO sichere nur die Interessen der Masse - wofür es ausreiche, allein die Masse aus dem Mietverhältnis zu entlassen (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Auflage 2009, Rn. 1589; Münchener Kommentar zur InsO - Eckert, 2. Auflage 2007, § 109 Rn. 37 ff. mwN). Teilweise wird das Mietverhältnis im Verhältnis zu sämtlichen Beteiligten nur dann als beendet angesehen, wenn der weitere Mieter nur die Mithaftung für die durch den Mieter eingegangenen Verpflichtungen hat übernehmen, nicht aber gleichberechtigter Mieter hat sein sollen (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 2. Auflage 2008, Kapitel 20 Rn. 68 ff. mwN).


b) Der Senat sieht vorliegend keinen Anlass, von der zu § 19 KO ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen und schließt sich ihr an. Zwar ist nicht zu verkennen, dass das Sonderkündigungsrecht aus § 109 Abs. 1 InsO dem Schutz der Masse dient. Dies zwingt aber nicht zu einer Betrachtungsweise, die allein diesen Schutzzweck im Blick hat. Ebenso wie unter Geltung der Vorgängervorschrift des § 19 KO ist nämlich zu beachten, dass besondere Bedeutung der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses zukommt, und dass die vertraglich geschuldete Gebrauchsüberlassung der Mietsache unteilbar ist. Ebenso wie nach dem Beitritt des Beklagten zum Mietvertrag dem Insolvenzschuldner und dem Beklagten der Gebrauch der Mietfläche zur Berufsausübung nur einheitlich hat gewährt werden können, konnte das Mietverhältnis nur einheitlich beendet werden. Eine Teilkündigung wäre unzulässig gewesen (s. nur Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage 2011, § 542 Rn. 87 mwN). Die auf einer abweichenden Beurteilung der gegebenen Konstellation in der Literatur fußenden Angriffe der Berufung hält das Berufungsgericht aus den ausführlichen und zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat Bezug nimmt, für nicht durchgreifend.


Hiernach ist der Mietvertrag durch die Kündigung auch im Verhältnis zum Beklagten zu Ende Juli 2009 beendet gewesen. Mietzinsansprüche für September 2009 gegen den Beklagten bestehen mangels vertraglicher Grundlage nicht.


2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, hat das Landgericht auch einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung verneint. Dies gilt insbesondere für den vom Landgericht mit vollen Umfangs zutreffender Begründung verneinten Rücknahmewillen des Klägers im Verhältnis zum Beklagten.


3. Gleiches gilt für einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten in entsprechender Höhe. Der Kläger kann sich im Verhältnis zum Beklagten nicht darauf berufen, dieser habe ihm die Mietsache vorenthalten, wenn er dem Beklagten gegenüber selbst durchgehend zu verstehen gegeben hat, er halte ihn für weiterhin aus dem Mietvertrag verpflichtet.


4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO.


5. Der Senat hat den Streitwert in teilweiser Abänderung des Festsetzungsbeschlusses des Landgerichts für beide Rechtszüge auf  5.476,49 EUR festgesetzt. Von einer hiervon abweichenden - niedrigeren - Festsetzung im Verhältnis zum Nebenintervenienten hat er abgesehen. Der Senat schließt sich aus systematischen und rechtspraktischen Erwägungen insoweit der auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, dass der Streitwert einer Nebenintervention dann dem Wert der Hauptsache entspricht, wenn - wie hier - der Streithelfer dieselben Anträge wie die Hauptpartei stellt (BGHZ 31, 144, 146 ff.; KG Berlin MDR 2004, 1445; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 1007; OLG München AnwBl. 1973, 359; MDR 1997, 1166; NJW-RR 1998, 420; OLG Hamburg MDR 1985, 588; OLG Koblenz JurBüro 1999, 196; OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 282; OLG Düsseldorf, MDR 2006, 1017 f.; OLG Bamberg JurBüro 1980, 1574). Der Streithelfer handelt in einem fremden Prozess. In diesem Prozess hat er nur eingeschränkte Parteirechte und unterstützt das Interesse der Prozesspartei, auf deren Seite er dem Rechtsstreit beigetreten ist.











6. Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf die höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage, ob das vom Insolvenzverwalter eines Mitmieters ausgeübte Sonderkündigungsrecht aus § 109 InsO das Mietverhältnis auch im Verhältnis zum nicht insolventen Mitmieter beendet.  






stats