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Wirtschaftsrecht
07.03.2019
Wirtschaftsrecht
OLG Köln: Wirksamkeit einer zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung

OLG Köln, Beschluss vom 24.8.2018 – 4 Wx 4/18

ECLI:DE:OLGK:2018:0824.4WX4.18.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-595-1

 

Sachverhalt

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Zurückweisung eines Antrages auf Eintragung eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses.

Im Gesellschaftsvertrag der Beteiligten zu 1) ist in § 12 folgende Kündigungsregelung enthalten:

 „Kündigung der Gesellschaft

Die Gesellschaft ist kündbar unter Einhaltung einer Frist von 1 Jahr, jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres. Die Kündigung ist durch eingeschriebenen Brief an die Gesellschaft auszusprechen.

…“

Am 14.12.2017 fassten die Gesellschafter der Beteiligten zu 1) folgenden notariell beurkundeten Beschluss:

„1. Die Gesellschafter sind sich darüber einig, dass allen aktuellen Gesellschaftern – abweichend von den Satzungsregelungen – das Recht zustehen soll, die Gesellschaft nach Maßgabe der nachstehenden Regelung ordentlich zu kündigen. Das Kündigungsrecht soll dabei wie folgt lauten:

‚Die Gesellschaft ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Kalenderjahres kündbar. …‘

Am selben Tage beantragten die Beteiligten zu 2) und 3) unter Bezugnahme auf vorstehenden Beschluss folgende Eintragung in das Handelsregister:

„§ 12 des Gesellschaftsvertrages ist durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 14. Dezember 2017 durchbrochen worden.“

Nachdem die Beteiligten zu 2) und 3) trotz der vom Handelsregister hiergegen geäußerten Bedenken (Schreiben vom 29.12.2017; Bl. 145 – 147 d. A.) an ihrem Eintragungsantrag festgehalten haben, hat das Handelsregister diesen Antrag durch Beschluss vom 18.06.2018 (Bl. 149f. d. A.) zurückgewiesen, weil der Beschluss vom 14.12.2017 nichtig sei.

Dieser Beschluss wurde den Beteiligten zu 2) und 3) zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 20.06.2018 zugestellt. Mit ihrer Beschwerde vom 13.07.2018 (Bl. 154f. d. A.), der das Handelsregister durch Beschluss vom 19.07.2018 (Bl. 157 d. A..) nicht abgeholfen hat, verfolgen sie ihr Eintragungsbegehren weiter. Sie sind unter Bezugnahme auf verschiedene obergerichtliche Entscheidungen der Auffassung, dass der Beschluss vom 14.12.2017 den Anforderungen der §§ 53, 54 GmbHG genüge und deshalb nicht nichtig, sondern einzutragen sei.

Aus den Gründen

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Handelsregister hat die Eintragung des Beschlusses zu Recht abgelehnt.

Mit ihrer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.06.1993 – II ZR 81/92 -, NJW 1993, 2246) sowie verschiedener Oberlandesgerichte (OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.03.2010 – 12 W 376/10 -, MDR 2010, 822; OLG Dresden, Beschluss vom 09.11.2011 – 12 W 1002/11 -, NZG 2012, 507) übersehen die Antragsteller, dass für die Frage der Wirksamkeit sog. satzungsdurchbrechender Beschlüsse zwischen „punktuellen“ und „zustandsbegründenden“ Beschlüssen zu unterscheiden ist. „Punktuelle“ Beschlüsse sind solche, bei denen sich die Abweichung von der Satzung auf einen konkreten Einzelfall beschränkt und sich deshalb die Wirkung des Beschlusses in der jeweiligen Maßnahme erschöpft. Zustandsbegründend sind Beschlüsse dagegen, wenn sie einen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand begründen (BGH, a. a. O., S. 2247). Diese Differenzierung ist für die rechtliche Behandlung derartiger Beschlüsse von Bedeutung. Während punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse wirksam, aber anfechtbar sind, sind zustandsbegründend satzungsdurchbrechende Beschlüsse „dagegen ohne Einhaltung der für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften … unwirksam“ (BGH, a. a. O., S. 2247).

Bei dem hier in Rede stehenden Beschluss handelt es sich nicht um eine punktuelle Abweichung von der Satzung. Es geht vielmehr darum, für die derzeitigen Gesellschafter der Beteiligten zu 1) eine dauerhafte Abweichung von der Kündigungsregelung in § 12 des Gesellschaftsvertrages und damit einen dauerhaften Zustand zu schaffen.

Eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ohne förmliche Satzungsänderung ist aber nicht möglich und deshalb ist das Handelsregister zu Recht von der Nichtigkeit des Beschlusses vom 14.12.217 ausgegangen. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs dazu, dass zustandsbegründende satzungsdurchbrechende Beschlüsse die Formvorschriften der §§ 53, 54 GmbHG wahren müssen, wird von der überwiegenden Auffassung dahin verstanden, dass eine derartige Satzungsdurchbrechung letztlich nur durch eine formelle Satzungsänderung möglich sei, weil zu den Anforderungen an die Satzungsänderung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG auch gehört, dass der Anmeldung der Wortlaut des (geänderten) Gesellschaftsvertrages beizufügen ist. Dies wird z. T. ausdrücklich so ausgeführt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.10.2011 – 20 W 95/11 -, GmbHR 2012, 394, 396; Priester, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., 2014, § 53 Rn 30; Hoffman, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., 2010, § 53 Rn 37), z. T. ergibt sich dies aber auch aus der Forderung, dass „zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen … zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Bestimmungen über die Satzungsänderung“ bedürfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.2016 – 3 Wx 130/15 -, NZG 2016, 1424 Rn 15; OLG Dresden, a. a. O.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., 2016, § 53 Rn 30 sowie Harbarth, in: MünchKommGmbHG, 2. Aufl., 2016, § 53 Rn 49, wenn dort auf einen „Satzungsänderungsbeschluss“ abgestellt wird). Demgegenüber ist die Auffassung, dass es für die Wirksamkeit auch der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung ausreichend sei, wenn die Formvorschrift des § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG gewahrt werde und der Beschluss als solcher – ohne eine geänderte Urkunde des Gesellschaftsvertrages – in das Handelsregister eingetragen wird (Ulmer/Casper, in Großkomm GmbHG, 2. Aufl., 2016, § 53 Rn 38) vereinzelt geblieben. Lediglich nach dieser Auffassung wäre der hier in Rede stehende Beschluss so wie beantragt in das Handelsregister einzutragen und damit auch wirksam.

Der Senat folgt dieser Auffassung jedoch nicht, sondern schließt sich der herrschenden Meinung an, denn allein diese trägt den der maßgeblichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1993 zugrunde liegenden Erwägungen hinreichend Rechnung. Allerdings wird dort die Konsequenz, dass es wirksame zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen außerhalb der formellen Satzungsänderung nicht geben kann, nicht ausdrücklich formuliert. Es ergibt sich aber gleichwohl, dass gerade dies gemeint gewesen ist. Der Bundesgerichtshof bezieht sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf den wenige Jahre zuvor veröffentlichte Aufsätze von Priester (ZHR 151 (1987), 40), auf den die Unterscheidung zwischen „punktuellen“ und „zustandsbegründenden“ Beschlüssen zurück geht. Bereits in diesem Zusammenhang hatte er im Hinblick auf das Informationsinteresse Dritter eine Änderung des Satzungstextes für unerlässlich gehalten und ausgeführt:

„Zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen müssen demnach zu ihrer Wirksamkeit in den Satzungstext wörtlich aufgenommen werden…“ (a. a. O., S. 56).

Genau hieran hat der Bundesgerichtshof dann aber auch angeknüpft, wenn er in seiner Grundsatzentscheidung ausführt, dass „der Rechtsverkehr über die Verhältnisse der Gesellschaft entgegen dem mit der Registerpublizität verfolgten Zweck unzutreffend informiert“ wird, wenn die zum Handelsregister eingereichte Satzungsurkunde „den materiellen Satzungsinhalt nicht richtig und vollständig“ wiedergibt (a. a. O., S. 2247). Gerade das wäre aber der Fall, wenn man es zuließe dass neben der in der Satzungsurkunde enthaltenen Regelung des § 12 auch noch der hiervon abweichende Beschluss vom 14.12.2017 gelten würde, denn dann wären die für die Gesellschaft maßgeblichen grundlegenden Regelungen nicht mehr allein aus der Satzungsurkunde zu entnehmen. Entgegen der von Ulmer/Casper (a. a. O.) vertretenen abweichenden Auffassung ist deshalb die Einhaltung des § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG für zustandsbegründende Beschlüsse deshalb auch keine „pure Förmelei“, sondern dient der Wahrung berechtigter Interessen. Soweit Ulmer/Casper sich für ihre Auffassung auch auf die Kommentierung von Hoffmann (a. a. O., Rn 35) berufen, geschieht dies im Übrigen zu Unrecht. Hoffmann will auf die Einhaltung des § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG ausdrücklich nur für „punktuelle“ Satzungsdurchbrechungen verzichten.

Diese enge Zulassung satzungsdurchbrechender Beschlüsse ist auch nicht mit erkennbaren Nachteilen für die Gesellschaft oder ihre Gesellschafter verbunden. Der satzungsdurchbrechende Beschluss bedarf ebenso wie der satzungsändernde der notariellen Beurkundung und der Eintragung in das Handelsregister. Es ist auch ohne weiteres möglich, es grundsätzlich bei der Satzungsregelung zu belassen und diese lediglich um eine auf den konkreten Fall zugeschnittene abweichende Regelung zu ergänzen (vgl. den Formulierungsvorschlag bei Priester, a. a. O., S. 56). Der einzige „Zusatzaufwand“ besteht dann darin, dass die so geänderte Satzungsurkunde neu ausgedruckt werden muss. Das ist im Hinblick auf den damit verbundenen Gewinn an Transparenz aber ohne weiteres zumutbar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, weil die maßgebliche Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden ist und seit dieser Entscheidung keine neue Gesichtspunkte aufgetreten sind, die eine erneute Befassung des Bundesgerichtshofs mit dieser Frage erfordern würden.

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