OLG München: Wirksame Verlängerung der Verjährung einer Bürgschaftsforderung
OLG München, Urteil vom 19.6.2012 - 5 U 3445/11 |
Leitsatz
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Verlängerung der Verjährung einer Bürgschaftsforderung von drei Jahren auf fünf Jahre wirksam vereinbart werden.
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus zwei Bürgschaften in Anspruch.
Mit Kreditvertrag vom 04.05.2005 (Anlage K 1) gewährte die Klägerin, damals firmierend unter der Bezeichnung B.bank AG, der Kreditnehmerin t. GmbH ein Darlehen über 150.000 €. Hierfür übernahm der Beklagte, damals Geschäftsführer der Kreditnehmerin, gemäß Bürgschaftsvertrag vom 04.05.2005 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft (Anlage K 2) bis zu einem Betrag von 75.000 €.
Des weiteren gewährte die Klägerin der t. GmbH mit Vertrag vom 03.05.2005, angenommen durch die Darlehensnehmerin am 04.05.2005 (Anlage K 4), eine Rahmenkreditlinie in Höhe von 800.000 €, die die Darlehensnehmerin gemäß der Wahlmöglichkeit (Anlage K 4, Bl. 1, Ziffer 1) als Kontokorrentkredit in Anspruch nahm. Hierfür übernahm der Beklagte gemäß der Bürgschaft vom 04.05.2005 (Anlage K 5) gleichfalls eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von hier 400.000 €.
Die jeweils 5 Druckseiten umfassenden formularmäßigen Bürgschaftsverträge enthalten auf Bl. 2 unter der fettgedruckten Überschrift "Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, Verzicht auf Einreden" jeweils die Formulierung:
"Sind die durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche der Banken fällig und erfüllt der Hauptschuldner diese Ansprüche nicht, können sich die Banken an den Bürgen wenden, der dann aufgrund seiner Haftung als Selbstschuldner nach Aufforderung durch die Banken Zahlung zu leisten hat" (fortan: Klausel Nr. 1).
Jeweils auf Bl. 3 des Bürgschaftsvertrages findet sich unter der fettgedruckten Überschrift "Recht des Bürgen zur Kündigung der Bürgschaft" die Formulierung:
"Der Bürge kann die Bürgschaft nach Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt ihrer Übernahme schriftlich kündigen. Die Kündigung wird mit einer Frist von 3 Monaten nach dem Eingang bei der B.bank AG wirksam ...
Das Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt" (fortan: Klausel Nr. 2).
Die Haftung des Bürgen besteht auch nach Wirksamwerden der Kündigung fort, beschränkt sich jedoch auf den Bestand der verbürgten Ansprüche, der zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung vorhanden war. Die Regelungen dieser Bürgschaft gelten bis zum vollständigen Ausgleich der verbürgten Verbindlichkeiten des Hauptschuldners weiter" (fortan: Klausel Nr. 3).
Im unteren Drittel der Seite 3 (Anlage K 2) bzw. am Ende der Seite 3 (Anlage K 5) findet sich unter der fettgedruckten Überschrift "Verlängerung der Verjährungsfrist" folgende Formulierung:
"Ansprüche der Bank aus diesem Bürgschaftsvertrag verjähren nach Ablauf von 5 Jahren ..." (fortan: Klausel Nr. 4).
Mit Schreiben vom 21.09.2005 (Anlage K 7), bei der Klägerin eingegangen am 22.09.2005, erklärte der Beklagte die "fristlose Kündigung meiner Bürgschaft ... Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich meine selbstschuldnerische Bürgschaft ... aus wichtigem und außerordentlichem Grund hiermit mit sofortiger Wirkung kündige. Ich habe die Fa. t. per 31.08.2005 als Geschäftsführer verlassen ..." Hierauf antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2005 (Anlage K 8): "Sofern Sie tatsächlich im Zeitpunkt ihrer Kündigung nicht mehr Gesellschafter der t. GmbH gewesen sein sollten, würden wir Ihre Kündigung der Bürgschaften als wirksam betrachten ...". Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Voraussetzung tatsächlich vorgelegen hat.
Das Darlehen gemäß Anlage K 1 valutierte am 22.09.2005 mit mehr als 75.000 €, das Darlehen gemäß Anlage K 4 mit mehr als 400.000 €. Am 10.02.2010 valutierte das Darlehen gemäß Anlage K 1 mit 15.047,43 €, das Darlehen gemäß Anlage K 4 valutierte am 23.10.2010 mit 580.010,29 €, am 30.09.2008 dagegen mit 241.657,25 €; letzteres ist gleichzeitig der Allzeit-Tiefststand dieses Saldos.
Am 23.02.2010 kündigte die Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin die Darlehen und forderte sie zur Rückzahlung auf (Anlagen K 3 und K 6). Mit einem weiteren Schreiben vom 23.02.2010 (Anlage K 9) hat die Klägerin außerdem gegenüber dem Beklagten dessen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft angekündigt. Am 01.04.2010 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten als Bürgen hinsichtlich des Darlehens gemäß Anlage K 1 mit einem Betrag von 15.419,34 €, hinsichtlich des Darlehens gemäß Anlage K 4 mit einem Betrag von 400.000 € (jeweils nebst Zinsen) in Anspruch; hierüber hat das Amtsgericht Coburg als zentrales Mahngericht am 26.08.2010 antragsgemäß Mahnbescheid erlassen.
Das Landgericht hat entgegen der Auffassung des Beklagten die klägerische Forderung nicht als verjährt erachtet. Es hat hinsichtlich des Darlehens gemäß Anlage K 1 antragsgemäß den geltend gemachten Betrag von 15.419,34 € zugesprochen. Hinsichtlich des Darlehens gemäß Anlage K 4 hat das Landgericht auf den genannten Saldotiefststand abgestellt und diesen Betrag der Klägerin zugesprochen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Begehren auf vollumfängliche Klageabweisung weiter; mit der Anschlussberufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche, soweit sie erstinstanzlich abgewiesen wurden, weiter.
Im Übrigen wird auf (den) Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sowie auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2012 Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Sowohl Berufung als auch Anschlussberufung sind nicht begründet.
1.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB nicht verjährt.
a) Der Anspruch aus einer Bürgschaft entsteht im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der Fälligkeit der gesicherten Forderung, sofern eine abweichende Vereinbarung der Parteien nicht festzustellen ist. Auf die Geltendmachung der Bürgschaftsverpflichtung kommt es nicht an (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.1989 - XI ZR 65/88, NJW 1989, 1480, juris Rn. 10; Urteil vom 23.09.2008 - XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 = NJW 2009, 587, Rn. 10). Die Forderung aus der Bürgschaft wird fällig mit Fälligkeit der Hauptforderung; einer zusätzlichen Leistungsaufforderung gegenüber dem Bürgen bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10.02.2011 - VII ZR 53/10, WM 2011, 541 = NJW 2011, 2120, Rn. 12).
aa) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob durch die Klausel Nr. 1 in den Bürgschaftsverträgen ("Sind die durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche der Banken fällig und erfüllt der Hauptschuldner diese Ansprüche nicht, können sich die Banken an den Bürgen wenden, der dann aufgrund seiner Haftung als Selbstschuldner nach Aufforderung durch die Banken Zahlung zu leisten hat ..."), das Entstehen (im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) des Anspruchs aus der Bürgschaft hinausgeschoben werden kann, kommt es im Ergebnis nicht an. Der Senat weist aber darauf hin, dass er die von dem 19. Zivilsenat des OLG München (Urteil vom 20.07.2006 - 19 U 3419/06, WM 2006, 1813 = BKR 2006, 455) und von dem OLG Dresden (Urteil vom 03.11.2010 - 12 U 782/10, WM 2011, 65) zu der identischen Klausel vertretene Auffassung nicht teilt.
(1) Nach zutreffender Auffassung enthält die Klausel Nr. 1 schon keine Regelung. Die Klausel beschreibt vielmehr nur eine für das tatsächliche Leben naheliegende Selbstverständlichkeit, nämlich dass der Bürge erst dann leisten wird, wenn er von dem Bürgschaftsgläubiger hierzu aufgefordert wird. Nicht vorstellbar ist für das praktische Leben nämlich, das ein Bürge an den Bürgschaftsgläubiger gleichsam "auf Verdacht" leistet, ohne von diesem darüber informiert worden zu sein, dass der Bürgschaftsfall dem Grunde nach überhaupt eingetreten ist, und in welcher Höhe die Hauptforderung und somit - aufgrund ihrer Akzessorietät - auch die Bürgschaftsforderung (noch) besteht.
(2) Unstreitig handelt es sich bei den sowohl dem hiesigen als auch dem Verfahren des 19. Zivilsenats des OLG München als auch des OLG Dresden zugrunde liegenden Bestimmungen derselben Klägerin um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.
Wollte man der Klausel Nr. 1 (entgegen der hier - Ziff. (1) - vertretenen Auffassung) einen eigenständigen Regelungsgehalt im Sinne einer Vertragsbedingung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB) beimessen, so wäre die Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden, weil sie so ungewöhnlich wäre, dass der Vertragspartner der Klägerin mit ihr nicht zu rechnen brauchte (§ 305 c Abs. 1 BGB). Nach dem Sinngehalt, den die Klägerin der Klausel Nr. 1 beimisst, wäre diese nämlich als ein Hinausschieben der Entstehung der Bürgschaftsforderung zu verstehen mit der Folge, dass auch die Verjährung der Bürgschaftsforderung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB hinausgeschoben wäre. Hiermit muss ein redlicher Kunde nicht rechnen, wenn, wie im vorliegenden Fall, beinahe zwei vollständige DIN A 4-Druckseiten nach der fraglichen Klausel Nr. 1 unter einer gesonderten und fettgedruckten Überschrift "Verlängerung der Verjährungsfrist" (Klausel Nr. 4) eben dies, nämlich die Verlängerung der Verjährungsfrist, explizit geregelt ist. Ein Hinweis darauf, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist nicht nur in ihrer Ausdehnung auf 5 Jahre besteht, sondern dass diese Bestimmung der Klausel Nr. 4 gleichzeitig "zusammengelesen" werden muss mit einer Regelung (Klausel Nr. 1), die unter der Überschrift "Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, Verzicht auf Einreden" regelrecht versteckt ist, fehlt nämlich in dem Absatz über die "Verlängerung der Verjährungsfrist". Dass ein 5-seitiges Vertragsdokument nicht daraufhin durchgearbeitet werden muss, ob die Verlängerung der Verjährungsfrist nicht nur unter der eben so bezeichneten und hervorgehobenen Überschrift, sondern auch anderenorts geregelt ist, liegt auf der Hand.
(3) Selbst wenn die Klausel über das Hinausschieben des Beginns der Verjährung entgegen § 305 c Abs. 1 BGB Vertragsbestandteil geworden wäre, wäre sie nicht wirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellen würde. Dies folgt zum einen daraus, dass aus den soeben dargestellten Gründen die Bestimmung "nicht klar und verständlich", sondern im Gegenteil höchst verwirrend ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aber auch inhaltlich hielte die Bestimmung über das Hinausschieben des Verjährungsbeginns einer Überprüfung nicht stand. Zum einen stünde es völlig im nicht kontrollierbaren Belieben der Klägerin, den Beginn der Verjährung durch Hinausschieben der Erteilung der in der genannten Klausel genannten Aufforderung ("können sich die Banken an den Bürgen wenden, der dann ... nach Aufforderung ... Zahlung zu leisten hat") nach Belieben hinauszuschieben. Zum anderen liefe dies der gesetzlichen Wertung des § 202 Abs. 2 BGB zuwider. Hiernach kann die Verjährungsfrist auf höchstens 30 Jahre verlängert werden. Das Regelwerk der Klägerin trifft aber keine Vorkehrung dagegen, sondern würde vielmehr gestatten, dass durch Hinausschieben der Aufforderung - ggfs. in Verbindung mit der Verlängerung der Verjährung auf 5 Jahre - die Verjährung insgesamt auf mehr als 30 Jahre verlängert wird.
b) Hierauf kommt es indessen nicht an, weil die Verjährung, die hier aufgrund wirksamer Verlängerung 5 Jahre beträgt (Klausel Nr. 4), rechtzeitig gehemmt worden ist.
aa) Die Verjährung hat frühestens mit der Erklärung der - von beiden Seiten sichtlich als wirksam erachteten - außerordentlichen Kündigung der Bürgschaft durch den Beklagten und deren Zugang am 22.09.2005 begonnen.
(1) In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass gemäß § 199 Abs. 1 BGB Verjährungsende das Jahresende wäre. Es kommt des weiteren nicht darauf an, dass die Verjährung der Bürgschaftsforderung, wie gezeigt, zunächst das Entstehen des Bürgschaftsanspruchs, und dieser wiederum das Fälligwerden des gesicherten Hauptanspruchs, hier also der Darlehensrückzahlungsforderung der Bank gegen die t. GmbH, voraussetzt.
(2) Denn selbst wenn zugunsten des Beklagten der Verjährungsbeginn taggenau auf den 22.09.2005 bestimmt würde, wäre die Verjährung rechtzeitig durch die Zustellung des am 26.08.2010 erlassenen Mahnbescheides bei dem Beklagten am 31.08.2010 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt war die in den Bürgschaftsverträgen bestimmte 5-Jahres-Frist (Klausel Nr. 4) für die Verlängerung der Bürgschaft nicht abgelaufen.
(bb) Die Klausel Nr. 4 ist wirksam.
(1) Ein diesbezügliches ausdrückliches Klauselverbot gemäß § 308 BGB oder § 309 BGB besteht nicht.
(2) Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist nicht festzustellen. Vielmehr eröffnet § 202 Abs. 2 BGB die grundsätzliche Möglichkeit, die Verjährung zu verlängern, freilich (wenn dies, wie hier, in AGB geschieht) lediglich in den Grenzen der §§ 307 ff. BGB. Diese Grenzen sind gewahrt. Unangemessen ist eine Klausel im Sinne des § 307 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431, Rn. 20). Inwieweit Verjährungsverlängerungen als angemessen anzusehen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Hierbei haben die gesetzlichen Verjährungsregelungen seit der Schuldrechtsmodernisierung eine verstärkte Leitfunktion (Grothe in: MünchKommBGB, 6. Aufl., § 202, Rn. 12). Ausgehend von der gesetzlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB) erscheint die hier erfolgte Verlängerung auf 5 Jahre nicht unangemessen. Sie hält sich beispielsweise im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe der wirtschaftlich vergleichbaren Nachhaftung eines ausscheidenden Kommanditisten im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die zeitliche Grenze des § 202 Abs. 2 BGB ist gleichfalls gewahrt. Angesichts einer maßvollen Verlängerung von deutlich unter 100 % der gesetzlichen Frist (hier: Verlängerung um 2/3) kann von einer unangemessenen Bevorzugung des Verwenders nicht die Rede sein, zumal die AGB-vertraglich vereinbarte Verjährungsfrist auch in absoluten Zahlen (5 Jahre) sich nicht bedeutsam von der gesetzlichen Regelverjährung (3 Jahre) entfernt.
(3) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin sich - in anderem Zusammenhang und überdies nicht streitentscheidend - auf die Wirksamkeit der Vertragsbestimmung über das Hinausschieben des Entstehens der Bürgschaftsforderung (Klausel Nr. 1) beruft. Zwar weist die Beklagtenseite zutreffend darauf hin, dass bei Wirksamkeit jener Klausel ein Verstoß gegen § 202 Abs. 2 BGB anzunehmen wäre, weil hierdurch, wie gezeigt, eine 30 Jahre übersteigende Dauer der Verjährung herbeigeführt werden könnte. Beachtlich ist auch, dass sich der Verwender einer Formularbestimmung nicht auf deren Unwirksamkeit berufen darf (BGH, Urteil vom 13.07.2011 - VIII ZR 215/10, NJW 2011, 3435 = WM 2011, 2152, Rn. 34).
Dies steht der Anwendung der 5-jährigen Verjährungsfrist hier indessen nicht entgegen. Zum einen beruft sich die Klägerin schon nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel Nr. 1 über das Hinausschieben des Verjährungsbeginns, sondern - im hier interessierenden Zusammenhang - ausschließlich auf die Wirksamkeit der Klausel Nr. 4 über die Verlängerung der Verjährung auf 5 Jahre. Zum anderen hat die Klausel Nr. 1, wie gezeigt, schon keinen Regelungsgehalt, so dass ein "Berufen" der Klägerin in Sinne der genannten BGH-Rechtsprechung von vornherein ausscheidet. Außerdem käme es, wie dargestellt, bei Gültigkeit der Klausel Nr. 1 zur insgesamt anzunehmenden Unwirksamkeit der Verjährungsregelung nicht deshalb, weil die reguläre Verjährungsfrist von 3 Jahren auf 5 Jahre verlängert worden ist, sondern weil der Beginn der Verjährung hinausgeschoben wurde.
(4) § 307 Abs. 1, 2 BGB steht daher der Wirksamkeit der Klausel Nr. 4 nicht entgegen.
(5) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang des weiteren, dass die Bürgschaft - wie die Parteien übereinstimmend annehmen: wirksam - außerordentlich (und nicht etwa ordentlich) gekündigt worden ist.
Zwar ist es im Kern Wesen jedes Dauerschuldverhältnisses, also auch der Bürgschaft, dass es gemäß § 314 BGB außerordentlich aus wichtigem Grund stets gekündigt werden kann (dem trägt sichtlich der Schlusssatz der Klausel Nr. 2 Rechnung). Diese Regelung ist im Kern zwingendes Recht (Gaier, in: MünchKommBGB, a.a.O., § 314, Rn. 4). Unwirksam sind daher Vereinbarungen, die zu einer unzumutbaren Erschwerung der Vertragsbeendigung führen oder die diese an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, die geeignet sein können, den Vertragspartner des Verwenders von der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzuhalten (BGH, Urteil vom 08.02.2012, a.a.O., Rn. 27). Dieser Fall ist hier aber nicht gegeben. Die außerordentliche Kündigung ist nicht erschwert dadurch, dass die Bürgschaftsforderung (unabhängig davon, ob die Bürgschaft außerordentlich oder ordentlich gekündigt worden ist) gleichermaßen in 5 Jahren verjährt. Die Regelung über die Verjährung betrifft die inhaltliche Ausgestaltung, letztlich die zeitliche Durchsetzbarkeit der Bürgschaftsforderung, nicht aber das Recht des Verwendungsgegners, die Bürgschaft zu kündigen. Kündigt der Bürge außerordentlich, steht er durch die Verjährungsregelung nicht schlechter, als er bei einer ordentlichen Kündigung oder bei einer anderweitigen Beendigung des Bürgschaftsverhältnisses stünde. Durch die Verjährungsregelung wird er daher nicht davon abgehalten, von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
2.
Auch die Anschlussberufung der Klägerin (betreffend die Bürgschaft für das Darlehen gem. Anlage K 4) ist nicht begründet.
a) Unstreitig überstieg der Saldo des Darlehens gemäß Anlage K 4 sowohl zum Zeitpunkt der Kündigung als auch zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme den in der Bürgschaft festgesetzten Höchstbetrag von 400.000 €. Ebenso unstreitig betrug aber der Tiefststand des Saldos nach erfolgter Kündigung, nämlich am 30.09.2008, lediglich 241.657,25 €.
b) Zu Recht hat das Landgericht dahin entschieden, dass hinsichtlich dieses zweiten Darlehens die Klägerin von dem Beklagten nur diesen - niedrigsten - Saldostand als Bürgschaftsforderung verlangen kann.
aa) Zwar besteht die Haftung - bis zum Eintritt der Verjährung - fort, sie ermäßigt sich aber im Falle einer - wie hier gekündigten - Sicherheit bei Wirksamwerden der Kündigung dann, wenn sich bei einem der der Kündigung nachfolgenden Rechnungsabschlüsse - wie hier unstreitig zum 30.09.2008 - ein geringerer Schuldsaldo ergibt (BGH, Urteil vom 07.10.2002 - II ZR 74/00, NJW 2003, 61, 62; Nobbe in: Schimansky u.a., Handbuch des Bankrechts, 4. Aufl., § 91, Rn. 426).
bb) Unbehelflich ist demgegenüber die Berufung der Klägerin auf die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Klausel Nr. 3), wonach die Haftung des Bürgen auch nach Wirksamwerden der Kündigung fortbesteht, sich jedoch auf den Bestand der verbürgten Ansprüche, der zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung vorhanden war, beschränkt. Diese Formulierung legt nicht etwa - wie die Klägerin meint - die Höhe der Bürgschaftsforderung auf die Höhe des Saldos der Hauptforderung zum Zeitpunkt der Kündigung (oder Fälligstellung) der Bürgschaft, begrenzt allenfalls auf den Höchstbetrag der Bürgschaft, fest. Die Klausel Nr. 3 gibt vielmehr lediglich die Selbstverständlichkeit wieder, dass sich die Bürgschaftsschuld nach Wirksamwerden der Kündigung nicht erhöhen kann, sondern nach oben durch den Stand der Hauptforderung zum Zeitpunkt der Kündigung der Bürgschaft "gedeckelt" ist. Die nachfolgende Formulierung in den AGB ("Die Regelungen dieser Bürgschaft gelten bis zum vollständigen Ausgleich der verbürgten Verbindlichkeiten des Hauptschuldners weiter.") ist gem. § 305 c Abs. 2 BGB zugunsten des Beklagten jedenfalls dahingehend auszulegen, dass hiermit lediglich die Fortgeltung der allgemeinen Bürgschaftsregelung, also somit auch die Maßgeblichkeit des niedrigsten Rechnungsabschlusssaldos, wiederholt wird.
III.
Kosten: §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert folgt aus § 3 ZPO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsstreitigkeit zuzulassen. Bedeutsam erscheint insbesondere
4- ob die - wie aus der genannten Rechtsprechung des OLG München und des OLG Dresden ersichtlich - von der Klägerin häufig verwendete AGB-vertragliche Verlängerung der Verjährungsfrist einer Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB stand hält
- das rechte Verständnis der Klausel Nr. 3.