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Wirtschaftsrecht
08.11.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Wirksame Bestellung und Abberufung des besonderen Vertreters

OLG München, Beschluss vom 21.10.2010 - 7 W 2040/10

Leitsätze

1.         Die Frage, ob der besondere Vertreter durch die Hauptversammlung wirksam bestellt wurde und ob er wirksam abberufen wurde, stellt kein vorgreifliches Rechtsverhältnis für die Zulässigkeit der von Aktionären als gesetzliche Prozessstandschafter im Weg der actio pro societate erhoben Klagen dar.

2.         Selbst wenn die Bestellung des besonders Vertreters rechtskräftig für nichtig erklärt würde, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der von diesem erhobenen Klage oder zur automatischen Beendigung des Rechtsstreits, da die Lehre von der fehlerhaften Organstellung auch auf den besonderen Vertreter Anwendung findet und Rechtshandlungen des fehlerhaft bestellten Organs die Gesellschaft unabhängig davon, ob die Bestellung nichtig oder anfechtbar war, berechtigen und verpflichten.

3.         Auch die Frage der Wirksamkeit der Abberufung des besonderen Vertreters ist nicht vorgreiflich für die Zulässigkeit der Aktionärsklagen, da bei rechtskräftiger Bestätigung der Abberufung die originären Organe in den Rechtsstreit eintreten.

Sachverhalt

I. 1.       Die Kläger waren bis zu dem im September 2008 wirksam gewordenen Squeeze out Aktionäre der nunmehr als U.C. firmierenden H. Bank AG (im Folgenden: H. Bank). Die Kläger zu 1) bis 8) des hiesigen Verfahrens haben mit Schriftsatz vom 22.06.2007 (vgl. Bl. 1/96 d.A.) Klage gegen die Beklagte zu 1) die damalige Haupt- und nunmehrigen Alleinaktionärin, die U.C. S.p.A., gegen den Beklagten zu 2) als Chief Executive Officer der Beklagten zu 1) und damaligen Aufsichtratsvorsitzenden der H. Bank, Alessandro P., und gegen den Beklagten zu 3) als damaligen Sprecher des Vorstands der H. Bank, Dr. Wolfgang S., auf Zahlung eines Betrages von 17,35 Mrd. Euro an die H. Bank erhoben. Der Kläger zu 9) hat mit Schriftsatz vom 30.07.2008 als damaliger Aktionär der H. Bank gegen die selben Beklagten Teilklage in Höhe von 173,5 Mio. Euro erhoben. Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 29.07.2009, Az: 5 HK O 13106/08, dieses Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren vor dem Landgericht München I, Az: 5 HK O 11610/07 hinzuverbunden.

Die Kläger begründen ihre Klagen im wesentlichen damit, dass eine korrekte Unternehmensbewertung der im Jahr 2006 von der H. Bank an die Hauptaktionärin, die Beklagte zu 1), veräußerten Anteile an osteuropäischen Banken, wie z.B. die Bank A.C. AG, einen höheren Kaufpreis ergeben hätte, so dass der H. Bank entsprechende Zahlungsansprüche aus §§ 317, 318 AktG wegen der Nachteiligkeit des Geschäfts bzw. § 93 AktG zustünden. Die Kläger stützen ihre Klageforderung auch auf eine behauptete Unterwertveräußerung der Aktivest Gesellschaften. Ein Anspruch ergebe sich zudem aus der Nachteilsausgleichsvereinbarung vom 21.12.2007 zwischen der H. Bank und der hiesigen Beklagten zu 1) (zum Wortlaut der Vereinbarung vgl. Beschluss des Landgerichts vom 18.06.2010 S. 6 ff.).

Diese Ansprüche der H. Bank machen die Kläger mit den vorliegenden Klagen geltend.

Nach Erhebung der Klagen durch die Kläger zu 1) bis 8) fand eine weitere Hauptversammlung der H. Bank am 26./27.06.2007 statt, in der unter TOP 10 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Geschäftsführung insbesondere gegen die gegenwärtigen und ehemaligen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der H. Bank sowie gegen die Großaktionärin U.C. S.p.A. sowie mit dieser verbundene Unternehmen, jeweils einschließlich der gesetzlichen Vertreter insbesondere folgender Personen: Dieter R., Dr. Wolfgang S., Alessandro P. wegen der Veräußerung der Anteile an der Bank A.C. AG und des mit der U.C. abgeschlossenen Business Combination Agreements vom 12.06.2005 beschlossen wurde. Im Beschluss wurde für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche ein besonderer Vertreter gem. § 147 Abs. 2 AktG, Rechtsanwalt Dr. Thomas H., bestellt (zum Wortlaut vgl. Beschluss des LG vom 18.06.2010 S. 8 f.). Die hiergegen erhobene Klage der Hauptaktionärin U.C. S.p.A. wies das Landgericht durch Endurteil vom 04.10.2007 (Az: 5 HK O 12615/07) ab. Die Berufung hatte vor dem Senat nur teilweise Erfolg, nämlich insoweit als der besondere Vertreter ermächtigt wurde Schadensersatzansprüche auch gegen verbundene Unternehmen und bezüglich des Business Combination Agreements geltend zum machen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof anhängig und wird dort unter Aktenzeichen II ZR 225/08 geführt.

Am 20.02.2008 erhob die H.Bank, vertreten durch den besonderen Vertreter Dr. H., im Verfahren vor dem Landgericht München I, Az: 5 HK O 2836/08, Klage unter anderem gegen die hiesigen Beklagten als Gesamtschuldner auf Herausgabe von 113.989.900 auf den Inhaber lautende Stückaktien der Bank A. C. AG, hilfsweise zu übertragen und der H.Bank Besitz und Inhaberschaft an den vorgenannten Aktien zu verschaffen sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der H.Bank Besitz und Inhaberschaft an den vorgenannten Aktien zu verschaffen sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der H.Bank allen weiteren Schaden aus Abschluss, Vollzug oder sonst aufgrund des Anteilskaufvertrages vom 12.09.2006 sowie des Vertrages zur Übereignung der verkauften Anteile vom 09.01.2007 zwischen der H.Bank und der Beklagten zu ersetzen, der schon entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird. Hilfsweise stellte die H.Bank den Antrag, unter anderem die hiesigen Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Geld in Höhe eines Betrages von mindestens 13,9 Mrd. Euro nebst Zinsen zu leisten.

Am 10.11.2008 fand eine außerordentliche Hauptversammlung der H.Bank statt, an der die hiesige Beklagte zu 1) als einzige Aktionärin durch Frau Marina N. vertreten war. Die Hauptversammlung fasste den Beschluss, den in der ordentlichen Hauptversammlung vom 26./27.06.2007 unter TOP 10 gefassten Beschluss vollumfänglich aufzuheben und den zum besonderen Vertreter bestellten Rechtsanwalt Dr. H. mit sofortiger Wirkung von seinem Amt abzuberufen. Die hiergegen vom besonderen Vertreter erhobene Anfechtungsklage, die vor dem Landgericht München I Erfolg hatte, wurde durch Endurteil des Berufungsgerichts vom 03.03.2010 (Az: 7 U 4744/09) abgewiesen. Hiergegen ist Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben, über diese ist noch nicht entschieden.

2.            Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009 mit den Parteien neben den Voraussetzungen eines Anspruchs auch die Frage der Vorgreiflichkeit anderer Verfahren, in denen es um die Wirksamkeit des Handelns des besonderen Vertreters geht, erörtert. Die Beklagten haben sich einer Aussetzung des Verfahrens widersetzt, weil sie die Klagen für unzulässig und damit entscheidungs- und abweisungsreif halten.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 18.06.2010 das Verfahren nach § 148 ZPO ausgesetzt, da es die Fragen, ob Dr. H. wirksam zum besonderen Vertreter bestellt und wirksam abberufen wurde, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, als für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Klagen vorgreiflich erachtete. Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass für die vorliegende Ausnahmesituation einer gesetzlichen Prozessstandschaft oder einer actio pro societate dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe, wenn der Anspruchsinhaber, hier die H. Bank, den Anspruch selbst geltend mache. Die erhobenen Klagen würden dann unzulässig. Für die Frage, ob die H.Bank Ansprüche selbst geltend mache, käme es maßgeblich darauf an, ob sie in dem Verfahren vor dem Landgericht, vertreten durch den besonderen Vertreter, prozessfähig und damit die Klage zulässig sei. Ob Dr. H. wirksam zum besonderen Vertreter bestellt und wirksam abberufen wurde, sei noch nicht rechtkräftig entschieden. Die Stellung von Dr. H. als besonderem Vertreter habe Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage der H.Bank, weil in dem Fall, dass die Bestellung für nichtig erklärt wird, die Vorschrift des § 241 Nr. 5 AktG eingreife und der Beschluss mit Rechtskraft der Entscheidung von Anfang an als nichtig angesehen werde. Werde zudem die Wirksamkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung vom 10.11.2008 bezüglich der Abberufung des besonderen Vertreters rechtskräftig festgestellt, entfalle die Prozessfähigkeit der H.Bank, weil sie nicht mehr vom besonderen Vertreter im Prozess vertreten werden könne. In diesem Fall würde für die vorliegenden Klagen das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen sein.

Das Landgericht erachtete die Einwände der Beklagten hiergegen, die die Klagen in jedem Fall für unzulässig und damit entscheidungsreif halten, als nicht stichhaltig. Die Schiedsvereinbarung in den Kaufverträgen führe nicht dazu, dass die Klage entscheidungsreif im Sinne einer Klageabweisung sei. Die Prozessführungsbefugnis der Kläger sei auch nicht als Folge des Verlustes der Aktionärseigenschaft durch die Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung der H.Bank über den Squeeze out entfallen. Auch in Bezug auf die Haftung des Beklagten zu 3) sei von einer Vorgreiflichkeit auszugehen, da Mitglieder des Vorstands der abhängigen Gesellschaft für die Verletzung der sich aus der Abhängigkeit der Gesellschaft ergebenen Pflichten nach § 93 AktG grundsätzlich haften und die in § 318 AktG geltenden Sonderregelungen entsprechend anwendbar sein könnten, sofern das herrschende Unternehmen im faktischen Konzern hafte. Die Vorgreiflichkeit beträfe auch die Haftung der Beklagten zu 2) und 3).

3.            Gegen den Aussetzungsbeschluss richten sich die sofortigen Beschwerden der Beklagten, die weiterhin die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Aussetzung lägen nicht vor, insbesondere sei die Frage der wirksamen Bestellung und Abberufung des besonderen Vertreters nicht vorgreiflich für den vorliegenden Rechtsstreit, die Sache sei entscheidungsreif und die Klagen als unzulässig abzuweisen.

                Die Beklagten tragen übereinstimmend vor, dass mit Klageerhebung der H.Bank durch den besonderen Vertreter die vorliegenden Aktionärsklagen unzulässig geworden seien. Die von Dr. H. als besonderem Vertreter erhobene Klage sei rechtshängig und bleibe dies auch unabhängig von dem Ausgang der beiden Verfahren über seinen Status. Die Beklagten verweisen zudem auf die in den Kaufverträgen getroffene Schiedsvereinbarung und die von ihnen erhobene Schiedseinrede. Schließlich sind sie der Auffassung, aufgrund des wirksamen Squeeze out und dem damit verbunden Verlust ihrer Aktionärstellung hätten die Kläger ihre Prozessführungsbefugnis verloren.

                Die Beklagten beantragen daher, den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 18.06.2010 aufzuheben.

                Die Kläger zu 1) bis 8) halten die Aussetzung des Verfahrens für vertretbar und die sofortigen Beschwerden für unbegründet.

Die Klägerin zu 9) beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerden.

Sie ist der Auffassung, dass die Beschwerden bereits unstatthaft seien, weil die Beklagten damit die Vorabentscheidung einzelner Rechtsfragen anstrebten. Bei der Frage der Vorgreiflichkeit anderer Rechtsstreite müsse der verfassungsrechtliche Justizgewährleistungsanspruch berücksichtigt werden. Die Kläger wären schutzlos gestellt, wenn es allein der Entscheidungsgewalt der Beklagten zu 1) als Hauptaktionärin der H.Bank überlassen bliebe, Ersatzansprüche gegen sich selbst und die Beklagten zu 2 und 3) durchzusetzen. Sollte der besondere Vertreter die Klage nicht weiterverfolgen können, wäre die Gefahr begründet, dass Ersatzansprüche, die der Gesellschaft gegen die Beklagten zustünden, nicht durchgesetzt werden könnten. Es sei äußerst zweifelhaft, dass die H.Bank den Rechtsstreit im Fall einer wirksamen Abberufung des besonderen Vertreters weiterverfolge. Zutreffend gesehen habe das Erstgericht, dass die vorliegende Klage bzw. deren Zulässigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Bestellung des besonderen Vertreters und dessen Abberufung, abhängig ist. Die Nebenintervenientin meint zudem, der Verlust der Aktionärstellung durch Squeeze out führe nicht zum Verlust der Prozessführungsbefugnis. Die zwischen der H.Bank und der Beklagten zu 1) getroffene Schiedsvereinbarung wirke nicht gegen die Kläger zu 9), zudem machten die Kläger keine Verstöße gegen die Verträge geltend, die den Schiedsgerichten zuzuweisen wären, sondern wendeten sich gegen die Nachteiligkeit dieser Verträge und die sich hieraus ergebenden Schäden der Gesellschaft. Hierüber gebe es keine Schiedsvereinbarung. Die Nebenintervenientin zu 3) beantragt ebenfalls mit vergleichbarer Begründung die Zurückweisung der sofortigen Beschwerden.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 03.09.2010 den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Beschwerdebegründungen der Beklagten, die Beschwerdeerwiderungen der Kläger und Nebenintervenienten sowie die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Beschluss und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in erster Instanz vom 10.12.2009 verwiesen.

Aus den Gründen

II. Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 18.06.2010, §§ 148, 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, erweisen sich auch in der Sache als erfolgreich. Auf die Rechtsmittel der Beklagten hin war die Entscheidung aufzuheben.

Das Landgericht München I hat zu Unrecht das Verfahren gem. § 148 ZPO ausgesetzt, weil es die noch nicht rechtskräftig entschiedenen Fragen, ob der besondere Vertreter Dr. H. wirksam bestellt und wirksam abberufen wurde, fehlerhaft für vorgreiflich für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Klage hielt.

1.         Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 148 ZPO ist die Abhängigkeit der Entscheidung von jener, die in einem anderen Rechtsstreit zu treffen ist. Diese muss also vorgreiflich sein für die Entscheidung, die im auszusetzenden Verfahren ergehen soll. Dies ist nur der Fall, wenn im anderen Verfahren über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, dessen Bestehen für den vorliegenden Rechtsstreit präjudizielle Bedeutung hat. Das Landgericht hat im vorliegenden Fall die Vorgreiflichkeit der Frage der wirksamen Bestellung und Abberufung des besonderen Vertreters für den Rechtsstreit bejaht und deshalb das Verfahren ausgesetzt. Durch die hiergegen erhobenen sofortigen Beschwerden ist die Nachprüfung des Vorliegens des Aussetzungsgrundes (BGH MDR 2006, 704) dem Beschwerdegericht eröffnet (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, ZPO § 252 Rdnr. 3). Liegt dem Verfahren, das Grund für die Aussetzung war, kein für das hier zu entscheidende präjudizielles Rechtsverhältnis zu Grunde, ist eine Aussetzung nicht möglich. Raum für eine Ermessensentscheidung des Erstgerichts und damit für eine nur eingeschränkte Überprüfung durch das Beschwerdegericht besteht dann nicht. Voll überprüfbar ist, ob die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt (vgl. KG MDR 2007, 736). Da es an letzterer fehlt ist der Aussetzungsbeschluss aufzuheben.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner ist die Beschwerde nicht unstatthaft, weil die Beschwerdeführer damit eine Vorabentscheidung über einzelne Rechtsfragen anstrebten. Es geht vorliegend allein um die Frage, ob für die Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsstreits die rechtskräftige Feststellung des Status des besonderen Vertreters präjudiziell ist und deshalb das Verfahren ausgesetzt werden kann.

2.         Dem Landgericht ist insofern zuzustimmen, als es feststellte, dass die vorliegenden Aktionärsklagen wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses und in analoger Anwendung von § 148 Abs. 3 S. 2 AktG unzulässig sind, wenn die Gesellschaft den von den Aktionären als gesetzliche Prozessstandschafter im Wege einer actio pro societate erhobenen Anspruch selbst geltend macht. Da im vorliegenden Fall die H.Bank unstreitig, vertreten durch den besonderen Vertreter Klage erhoben hat, ist dies hier zu prüfen. Die von der H.Bank erhobene Klage ist in ihrem wesentlichen Teil, jedoch nicht vollständig, nämlich bezüglich der behaupteten Ansprüche wegen der Übertragung der Anteile an der früheren Bank A.C. AG an die Beklagte zu 1) in Höhe von insgesamt 13,9 Mrd. identisch mit den vorliegenden Klagen. Die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit stützen ihre Klagen auch auf die behauptete Unterwertveräußerung der Aktivest Gesellschaften und begehren Schadensersatz hierfür in Höhe von 2,4 Mrd. Euro. Auch die Beklagten beider Rechtsstreite sind im wesentlichen identisch, die H.Bank erhob jedoch Klage gegen einen weiteren Beklagten.

Damit sind grundsätzlich mit Einreichung der Klage der Gesellschaft durch den besonderen Vertreter am 20.02.2008 die vorliegenden Aktionärsklagen unzulässig geworden, soweit dieselben Ansprüche geltend gemacht werden.

Der Senat vermag der Ansicht des Landgerichts - worauf es seinen Aussetzungsbeschluss stützt -, dass die Aktionärsklagen nur dann durch die Klage der H.Bank unzulässig geworden seien, wenn "die Bestellung von Herrn Dr. H. wirksam war und nicht wirksam widerrufen wurde" nicht zu teilen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts hängt die Unzulässigkeit der vorliegenden Klagen nicht von dem Ausgang der Rechtsstreite über die Wirksamkeit der Bestellung und Abberufung des besonderen Vertreters ab.

a)         Die Frage, ob der besondere Vertreter wirksam bestellt wurde, ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Selbst wenn nämlich der Hauptversammlungsbeschluss zur Bestellung des besonderen Vertreters vom 26./27.06.2007 rechtskräftig für nichtig erklärt werden würde, führte dies nicht zur Unzulässigkeit der vom besonderen Vertreter erhobenen Klage oder zu einer automatischen Beendigung dieses Verfahrens. Zwar würde - wie das Landgericht zutreffend erkennt - mit Rechtskraft des Urteils rückwirkend die Nichtigkeit des Bestellungsbeschlusses festgestellt, die Wirksamkeit der von dem besonderen Vertreter Dr. H. vorgenommenen Prozesshandlungen bliebe hiervon jedoch unberührt. Denn unabhängig von der Frage, ob der besondere Vertreter als Organ der Gesellschaft anzusehen ist, ist auf die Handlungen, die der besondere Vertreter in seinem Wirkungskreis vor der rechtskräftigen Aufhebung seiner Bestellung vorgenommen hat, die Lehre von der fehlerhaften Organstellung anzuwenden. Rechtshandlungen des fehlerhaft bestellten Organs berechtigen und verpflichten die Gesellschaft unabhängig davon, ob die Bestellung nichtig oder lediglich anfechtbar war (vgl. Hüffer, AktG, 9.Auflage, § 84 Rdnr. 10; Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage 2008, § 93 Rdnr. 14, § 101 Rdnr 69; Heidel, Aktienrecht, 2. Auflage, § 84 Rdnr. 9). Die Lehre von der fehlerhaften Organstellung ist auf den besonderen Vertreter anwendbar, da diesem gem. § 147 Abs. 2 AktG Aufgaben übertragen werden, die auch den Organen der Gesellschaft obliegen. Insoweit als er mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen beauftragt wird, nimmt er Aufgaben eines Organs wahr und ist daher im Hinblick auf die Bestellung wie ein Organ zu behandeln. Die Feststellung der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Bestellung des besonderen Vertreters führt weder aus aktien- noch aus prozessrechtlichen Gründen zur Unwirksamkeit seiner Prozesshandlungen und zum automatischen Wegfall der von ihm erhobenen Klage. Sollte sich die Bestellung des besonderen Vertreters als nichtig erweisen, bleibt der vom besonderen Vertreter wirksam erhobene Rechtsstreit zulässig. Die Gesellschaft wird im Rechtsstreit dann durch die regulär zuständigen Organe vertreten. Ausweislich der als Anlagen SB-P 1 und SB-P 2 vorgelegten Schriftsätze vom 21.07.2009 haben die Prozessbevollmächtigten der H.Bank im Namen des Vorstands und des Aufsichtsrats mitgeteilt, dass die originären Organe der H.Bank das Verfahren übernommen haben.

            Da danach auch für den Fall, dass der besondere Vertreter nicht wirksam bestellt worden ist, die Prozessfähigkeit der H.Bank nicht entfällt, fehlt es an der Vorgreiflichkeit der Frage über die Wirksamkeit der Bestellung des besonderen Vertreters für das hiesige Verfahren.

b)         Auch die Frage, ob der Abberufungsbeschluss der Hauptversammlung vom 10.11.2008 wirksam ist oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Sollte die Abberufung des besonderen Vertreters rechtskräftig werden, führt dies ebenfalls nicht zur Prozessunfähigkeit der H.Bank. Die originären Organe treten dann nämlich an die Stelle des abberufenen besonderen Vertreters. Wie oben bereits ausgeführt sind diese in das Verfahren eingetreten.

c)         Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der von den Beschwerdegegnern vorgebrachte Einwand zum Justizgewährleistungsanspruch. Auch wenn der besondere Vertreter die Klage nicht weiterverfolgen kann und die "Gefahr" besteht, dass die Organe der Gesellschaft die erhobene Klage zurücknehmen, fordert der Justizgewährleistungsanspruch nicht, dass die im Wege der actio pro societate erhobenen Klagen weiter als zulässig anzusehen sind. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, handelt es sich bei der gesetzlichen Prozessstandschaft oder einer actio pro societate, mit der Ansprüche Dritter verfolgt werden, um eine Ausnahmesituation, die nur eingreifen kann, wenn der Anspruchsinhaber den Anspruch nicht selbst geltend macht. Verfolgt der Anspruchsinhaber seine Ansprüche selbst, entfällt damit das Rechtsschutzbedürfnis der Prozessstandschafter.

Eine Kostenentscheidung durch das Beschwerdegericht ergeht nicht, da die entstandenen Kosten Teil der Prozesskosten und ggf. bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 252 Rdnr. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 252 Rdnr. 7).

Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 3 ZPO und ist mit dem Interesse der Parteien an der Entscheidung über die Aussetzung zu schätzen, in der Regel 1/5 der Hauptsache (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 3 Rdnr. 16 "Aussetzungsbeschluss", Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 3 Rdnr. 24). Da die Kläger mit ihrer Schadensersatzklage Ansprüche in Höhe von ca. 17 Mrd. Euro geltend machen, ist gem. §§ 45 Abs. 1, 39 Abs. 2 GKG für das vorliegende Beschwerdeverfahren von einem Streitwert von 30 Mio. Euro auszugehen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

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