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Wirtschaftsrecht
30.07.2009
Wirtschaftsrecht
BGH: Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung und Gutglaubensschutz

BGH, Urteil vom 20.4. 2009 - II ZR 88/08

Volltext des Urteils: // BB-Online BBL2009- - unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze

1. Gewinn i.S. des § 172 Abs. 5 HGB ist allein der aufgrund eines Jahresabschlusses und eines Gewinnverwendungsbeschlusses ausgeschüttete Gewinn. Nicht darunter fallen Gewinnvoraus- oder -garantiezahlungen.

2. Ob der Kapitalanteil eines Kommanditisten unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder durch eine Gewinnentnahme herabgemindert wird i.S. des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB, beurteilt sich allein nach dem Inhalt der Bilanz und nicht nach dem guten Glauben des Gesellschafters.

3. § 172 Abs. 5 HGB setzt eine unrichtige Bilanz voraus.

HGB §§ 172 Abs. 4, 5

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung eines Teils des Darlehens, das sie der B.  GmbH & Co. KG (im Folgenden: B.) gewährt hat. Der Beklagte ist mit einer eingezahlten Einlage i.H.v. 51 129,19 Euro Kommanditist der B.  Auf seinem Kapitalkonto wurden im Jahre 1996 ein Verlustanteil i.H.v. 45 651,00 Euro und im Jahre 1997 ein solcher i.H.v. 3 145,58 Euro gebucht. Er erhielt in den Jahren 1997 bis 2003 Ausschüttungen i.H.v. 16 361,34 Euro. In Höhe dieses Betrages kündigte die Klägerin das Darlehen und macht den Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Beklagten geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Aus den Gründen

            Anspruch der Klägerin des fällig gestellten Darlehensteils 

6          II. ... Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2, § 490 Abs. 1 BGB, § 128, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf Erfüllung des fällig gestellten Teils des an die B.  begebenen Darlehens. Die persönliche Haftung des Beklagten war zwar durch die Zahlung eines Betrages in Höhe seiner im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage gemäß § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ausgeschlossen. Sie ist aber infolge der an ihn geleisteten Ausschüttungen in Höhe der Klageforderung nach § 172 Abs. 4 HGB wieder aufgelebt. Dem steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Regelung des § 172 Abs. 5 HGB nicht entgegen.

            Anwendungsbereich des Gutglaubensschutzes nach § 172 Abs. 5 HGB

7          1. Das Berufungsgericht hat schon verkannt, dass § 172 Abs. 5 HGB nur anwendbar ist auf die Ausschüttung von Gewinn gemäß dem Jahresabschluss und dem Gewinnverwendungsbeschluss, nicht dagegen auf Gewinnvoraus- oder -garantiezahlungen (MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. §§ 171, 172 Rdn. 84). Deshalb hat es ‑ von seinem Standpunkt aus folgerichtig ‑ nicht erörtert, ob die ‑ halbjährlichen ‑ Ausschüttungen an den Beklagten Gewinn in diesem Sinne zum Gegenstand hatten oder ob es sich dabei um "konzeptbedingte" Garantiezahlungen gehandelt hat, wie hier anzunehmen ist (s. unten 2 a).

            Wiederaufleben der persönlichen Kommanditistenhaftung scheitert vorliegend nicht am Gutglaubensschutz des § 172 Abs. 5 HGB

8            2. Jedenfalls hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, § 172 Abs. 4 HGB sei nicht anwendbar, wenn an einen gutgläubigen Kommanditisten Gewinn ausgezahlt werde.

9            a) Grundsätzlich lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten aus §§ 128, 171 Abs. 1 HGB, die durch Zahlungen an die Gesellschaft in Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme ausgeschlossen ist, gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auf, wenn und soweit der Kommanditist von der Gesellschaft Zahlungen zurückerhält. Das gilt nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB auch dann, wenn der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalkonto durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Hafteinlage herabgemindert ist oder wird. Dabei reicht es aus, dass der Verlust ‑ wie hier ‑ durch steuerliche Sonderabschreibungen entstanden ist (BGHZ 109, 334, 337 ff.).

10        Die Ausschüttungen an den Beklagten erfüllen diese Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der Haftung. In den von der Klägerin vorgelegten Bilanzen der B.  war jeweils kein Gewinn, wohl aber ein Verlustvortrag ‑ i.H.v. 7 559 955,15 DM im Jahre 1997 bis zu 3 310 887,50 Euro im Jahre 2003 ‑ ausgewiesen. Die für die Jahre 1999 bis 2003 erzielten Jahresüberschüsse i.H.v. 73 271,81 DM, 137 710,61 DM, 124 305,17 DM, 361 247,93 Euro und 66 165,97 Euro konnten angesichts der hohen Verlustvorträge nichts daran ändern, dass keine Gewinne entstanden waren. Das ergibt sich auch aus § 12 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der B. . Darin heißt es, "Gewinne" ‑ d.h. anteilige Jahresüberschüsse ‑ seien den Verlustvortragskonten der Kommanditisten so lange gutzuschreiben, bis diese ausgeglichen seien. Folgerichtig hat die B.  in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen für 1999 bis 2003 nach dem Ausweis der Jahresüberschüsse die Verlustvorträge aus dem jeweiligen Vorjahr aufgeführt, daraus den Stand des ‑ für alle Kommanditisten zusammengefassten ‑ Verlustvortragskontos errechnet und diesen Betrag in die Bilanz übernommen.

11        b) Aus § 172 Abs. 5 HGB ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift enthält eine Ausnahme von der Regel des § 172 Abs. 4 HGB nur unter der Voraussetzung, dass die Bilanz einen Gewinn ausweist, obwohl ‑ bei richtiger Bilanzierung ‑ kein Gewinn entstanden ist und sowohl der Kommanditist als auch die Personen, die die Bilanz errichtet haben, gutgläubig von der Richtigkeit der Bilanz ausgehen.

12        Hier scheitert die Anwendbarkeit des § 172 Abs. 5 HGB schon daran, dass in den Bilanzen ein Gewinn nicht ausgewiesen worden ist. Nur wenn die Bilanzen ‑ nach Verrechnung mit den jeweiligen Verlustvorträgen ‑ Gewinne ausgewiesen hätten, hätte Anlass bestehen können, ein etwaiges Vertrauen des Beklagten in die Richtigkeit des Zahlenwerks zu schützen.

            Denn § 172 Abs. 5 HGB setzt eine unrichtige Bilanz voraus

13            3. Daraus folgt zugleich, dass § 172 Abs. 5 HGB entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine unrichtige Bilanz voraussetzt. Davon geht auch das Schrifttum ganz überwiegend als selbstverständlich aus(von Gerkan/Haas in Röhricht/von Westphalen, HGB 3. Aufl. § 172 Rdn. 41; Schilling in Großkomm. z. HGB 4. Aufl. § 172 Rdn. 16;MünchKommHGB/K. Schmidt §§ 171, 172 Rdn. 87 f.; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 172 Rdn. 52 f.; Heymann/Horn, HGB 2. Aufl. § 172 Rdn. 22 f.; Ensthaler/Fahse, HGB 7. Aufl. § 172 Rdn. 18 f.; a.A. wohl ‑ soweit ersichtlich allein und ohne nähere Begründung ‑Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. § 172 Rdn. 10). Ist die Bilanz dagegen ‑ wie hier ‑ zutreffend errichtet worden, kommt es für die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB allein auf den Inhalt der Bilanz an.

            Eine Haftungsbefreiung des Beklagten ergibt sich auch nicht aufgrund unzutreffender Beurteilung der Rechtslage

14        4. Der Beklagte ist auch nicht deshalb von der Haftung befreit, weil er nach Meinung des Berufungsgerichts die Rechtslage unzutreffend beurteilt hat und deshalb der Annahme war, die Jahresüberschüsse dürften an ihn ohne Haftungsfolgen ausgeschüttet werden. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass jeder, der am Rechtsverkehr teilnimmt, die dabei geltenden Regeln zu beachten hat und sich nicht darauf berufen kann, diese Regeln nicht zu kennen. Für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung ist schließlich, ob der Beklagte über seine Haftung in dem Emissionsprospekt der B. zutreffend aufgeklärt worden ist. Denn die Klägerin muss sich etwaige Aufklärungsmängel ‑ anders als die Revisionserwiderung meint ‑ nicht entgegenhalten lassen.

15        5. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache entscheiden und die Klage zusprechen.

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