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Wirtschaftsrecht
16.06.2010
Wirtschaftsrecht
BGH: Widerspruch gegen stillschweigende Vertragsfortsetzung

BGH, Beschluss vom 21.4.2010 - VIII ZR 184/09

Leitsatz

Ein bereits mit der Kündigung erklärter Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung ist wirksam; eines zeitlichen Zusammenhangs mit der Vertrags-beendigung bedarf es nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 9. April 1986 - VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020).

BGB § 545

Aus den Gründen

1          I. Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in S. . Die Klägerin hat das Grundstück, auf dem sich die an die Beklagte vermietete Wohnung befin-det, erworben und wohnt dort auch selbst.

2          Mit Schreiben vom 23. Mai 2007 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum Ablauf des Monats Februar 2008. Zur Begründung ist in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Eltern benötige. Einer still-schweigenden Vertragsfortführung werde vorsorglich widersprochen.

3          Mit der am 19. März 2008 zugestellten Klage hat die Klägerin Räumung der Wohnung begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Beru-fungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Räumung verurteilt. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Wohnung zwi-schenzeitlich geräumt hatte.

4          II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt:

5          Die Klägerin sei gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen des von ihr nachgewiesenen Eigenbedarfs zur Kündigung des mit der Beklagten bestehen-den Mietverhältnisses berechtigt gewesen. Eine Verlängerung des Mietverhält-nisses gemäß § 545 BGB sei nicht eingetreten. Zwar sei die Frist für die Erklä-rung des Widerspruchs am 17. März 2008 abgelaufen, weil der Klägerin die Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache durch die Beklagte ab 1. März 2008 sogleich bekannt gewesen sei. Die erst am 19. März 2008 zugestellte Räu-mungsklage stelle deshalb keinen rechtzeitigen Widerspruch dar. Jedoch sei der schon im Kündigungsschreiben vom 23. Mai 2007 erklärte Widerspruch ausreichend. Nach allgemeiner Ansicht könne der Widerspruch des Vermieters schon vor Mietende erklärt werden, soweit ein zeitlicher Zusammenhang zwi-schen der Widerspruchserklärung und der Vertragsbeendigung bestehe. Hier-von sei vorliegend auszugehen, weil nach den Gesamtumständen für die Be-klagte eindeutig sei, dass der gleichzeitig mit der Eigenbedarfskündigung aus-gesprochene Widerspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Eintritt der Vertragsbeendigung dem Willen der Klägerin entspreche.

6          III. 1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin voraussichtlich obsiegt hätte. Der Klägerin stand der von ihr geltend gemachte Räumungsanspruch zu (§ 546 Abs. 1 BGB), weil das Mietverhältnis durch ihre berechtigte Eigenbedarfskündigung beendet worden ist. Die im Revisionsverfahren allein streitige Frage, ob der von der Klägerin bereits im Kündigungsschreiben erklärte Widerspruch einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB entgegenstand, ist mit dem Berufungsge-richt zu bejahen.

7          2. Nach § 545 Satz 1 BGB tritt eine Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ein, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fortsetzt und keine der Parteien ihren entgegenstehenden Willen binnen zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Für den Vermieter be-ginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis er-langt (§ 545 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dies war nach den Feststellungen des Beru-fungsgerichts hier der 1. März 2008. Der in der Klageerhebung liegende Wider-spruch war deshalb nicht fristgemäß, weil die Klage erst am 19. März 2008 zu-gestellt worden ist. Die Klägerin hat der Fortsetzung des Mietvertrages jedoch bereits mit Schreiben vom 23. Mai 2007 widersprochen und damit eine Ver-tragsfortsetzung wirksam ausgeschlossen.

8          a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Widerspruch grund-sätzlich auch schon vor dem Beginn der zweiwöchigen Widerspruchsfrist erho-ben werden (Senatsurteil vom 8. Januar 1969 - VIII ZR 184/66, WM 1969, 298, unter 3 b; Senatsbeschluss vom 9. April 1986 - VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020, unter [II] 3; Senatsurteile vom 16. September 1987 - VIII ZR 156/86, NJW-RR 1988, 76, unter 2 c bb, sowie vom 7. Januar 2004 - VIII ZR 103/03, NJW-RR 2004, 558, unter II 1 b cc; jeweils zu § 568 BGB aF). Dies entspricht auch der wohl einhelligen Meinung in der Literatur (Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 545 Rdnr. 14; MünchKommBGB/Bieber, 5. Aufl., § 545 Rdnr. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 545 BGB Rdnr. 25; Erman/ Jendrek, BGB, 12. Aufl., § 545 Rdnr. 7; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 545 Rdnr. 7; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., § 545 Rdnr. 2; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 545 Rdnr. 33).

9          b) Unterschiedliche Meinungen werden hingegen zu der Frage vertreten, inwiefern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Widerspruch und dem Vertragsende erforderlich ist, insbesondere, wenn der Widerspruch zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärt wird, also zwischen dem Widerspruch und der Vertragsbeendigung mehrere Monate liegen oder - wie hier wegen der infolge des langjährigen Mietverhältnisses verlängerten Kündigungsfrist - sogar ein Zeitraum von neun Monaten.

10        In seinem Beschluss vom 9. April 1986 (aaO) hat der Senat (allgemein) einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Widerspruch und Vertragsende für erforderlich gehalten. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf allerdings nicht einen zusammen mit einer Kündigung erklärten ausdrücklichen Widerspruch, sondern die Frage, ob die mehr als ein Jahr vor Vertragsende erfolgte Erklä-rung eines Pächters, an der Ausübung der Verlängerungsoption nicht interes-siert zu sein, als wirksamer Widerspruch anzusehen war. Im Anschluss an die-se Senatsentscheidung hat sich die Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Wirksamkeit eines zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärten Wi-derspruchs unterschiedlich entwickelt. Teilweise wird ein solcher Widerspruch mangels des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs allgemein (OLG Hamm, OLGR 1993, 221; LG Kassel, WuM 1989, 518; vgl. auch Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 545 Rdnr. 21) oder jedenfalls bei längeren Kündigungsfristen (LG Ansbach, NJW-RR 1996, 1479, 1480; AG Schöneberg MM 1992, 174; vgl. auch Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rdnr. X 182) als unbeachtlich angese-hen. Von anderen Instanzgerichten wird der gleichzeitig mit der ordentlichen Kündigung erklärte Widerspruch hingegen generell als wirksam angesehen (OLG Düsseldorf, ZMR 2002, 589, 591 f.; OLG Köln, WuM 2003, 465, 466; LG Bonn, WuM 1992, 617).

11        c) Der Senat entscheidet nunmehr, dass es eines zeitlichen Zusammen-hangs jedenfalls dann nicht bedarf, wenn der Widerspruch zusammen mit der Kündigung erklärt wird. Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom 9. April 1986 etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest. Im Rahmen des § 545 BGB kommt es, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, entschei-dend darauf an, ob nach den Gesamtumständen für den Mieter aus der frühe-ren Erklärung seines Vermieters dessen eindeutiger Wille erkennbar wird, das Mietverhältnis nach dem Ablauf der Mietzeit nicht fortsetzen zu wollen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter - wie hier die Klägerin - bereits im Kündigungsschreiben, das zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, einer Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Beendigungszeitpunkt hinaus aus-drücklich widerspricht. Ein solcher Widerspruch, der sich auf eine konkrete Beendigung des Mietverhältnisses bezieht, lässt keinen Zweifel daran, dass der Vermieter die Rechtsfolgen des § 545 BGB ausschließen will.

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