EuGH: Wettbewerbswidrigkeit von Kartellabsprachen auch bei illegaler Tätigkeit des Konkurrenten
EuGH, Urteil vom 7.2.2013 - Rs. C‑68/12 Protimonopolný úrad Slovenskej republiky gegen Slovenská sporiteľňa a.s.
Tenor
1. Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Unternehmen, das durch eine Kartellabsprache, die eine Wettbewerbseinschränkung bezweckt, benachteiligt ist, zum Zeitpunkt dieser Absprache angeblich illegal auf dem relevanten Markt tätig war, für die Frage unerheblich ist, ob diese Absprache eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung darstellt.
2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass es für die Bejahung des Vorliegens einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung nicht notwendig ist, das persönliche Handeln des satzungsgemäßen Vertreters eines Unternehmens oder die in Form einer Vollmacht erteilte persönliche Zustimmung dieses Vertreters zum Handeln eines seiner Mitarbeiter, der an einem wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen hat, nachzuweisen.
3. Art. 101 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass er auf eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Vereinbarung nur dann anwendbar ist, wenn das Unternehmen, das sich auf diese Bestimmung stützt, nachgewiesen hat, dass die vier kumulativen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Protimonopolný úrad Slovenskej republiky (Kartellamt der Slowakischen Republik, im Folgenden: Protimonopolný úrad) und der Slovenská sporitel'ňa a.s. (im Folgenden: Slovenská sporitel'ňa) über das Verhalten dreier Banken, bei dem es sich nach Ansicht dieses Amts um eine Vereinbarung zur Einschränkung des Wettbewerbs handelt.
Rechtlicher Rahmen
3 In der Slowakei gilt im Bereich des Wettbewerbs das Gesetz Nr. 136/2001 über den Wettbewerbsschutz.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
4 Mit Entscheidung vom 9. Juni 2009 stellte der Protimonopolný úrad Slovenskej republiky, odbor dohôd obmedzujúcich súťaž (Abteilung Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen des Kartellamts der Slowakischen Republik, im Folgenden: Abteilung), eine im Bereich des Wettbewerbsschutzes zuständige erstinstanzliche Behörde, fest, dass drei bedeutende Banken mit Sitz in Bratislava (Slowakei), nämlich die Slovenská sporiteľňa a.s., die Československá obchodná banka a.s. und die Všeobecná úverová banka a.s., gegen Art. 81 EG sowie gegen die entsprechende Bestimmung des Gesetzes Nr. 136/2001 verstoßen hätten, indem sie eine Vereinbarung darüber getroffen hätten, Verträge über die Kontokorrentkonten der Akcenta CZ a.s. (im Folgenden: Akcenta), eine Gesellschaft mit Sitz in Prag (Tschechische Republik), aufzulösen und keine neuen Verträge mit dieser Gesellschaft zu schließen. Die Abteilung war der Ansicht, dass Akcenta, die kein Kreditinstitut sei und Dienstleistungen erbringe, die in Devisengeschäften bestünden, Kontokorrentkonten bei Banken benötige, um ihre Tätigkeiten auszuüben, zu denen der Transfer von Devisen aus dem und in das Ausland auch für ihre Kunden in der Slowakei zähle. Der Abteilung zufolge überwachten die drei betreffenden Banken, die Akcenta für eine Wettbewerberin hielten, die ihren Kunden gegenüber Dienstleistungen erbrachte, und mit der sich aus der Tätigkeit dieser Gesellschaft ergebenden Verringerung ihres Gewinns unzufrieden waren, diese Tätigkeit, stimmten sich ab und beschlossen gemeinsam, die Verträge mit dieser Gesellschaft koordiniert aufzulösen. Auf der Grundlage von Beweisen für Kontakte zwischen diesen Banken, die u. a. ein Treffen der Banken vom 10. Mai 2007 und einen darauf folgenden Austausch von E-Mails umfassten, stellte die Abteilung fest, dass jede dieser drei Banken der Auflösung ihres Vertrags mit Akcenta unter der Bedingung zugestimmt hatte, dass die anderen Banken genauso handelten, um zu verhindern, dass ein Teil ihrer Kunden zu der Bank wechselt, die weiterhin Kontokorrentkonten von Akcenta hält. Daraus schloss die Abteilung, dass das Verhalten dieser Banken auf dem relevanten Markt, der als der slowakische Markt für Dienstleistungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bestimmt wurde, eine Vereinbarung zur Einschränkung des Wettbewerbs sei, und verhängte eine Geldbuße von 3 197 912 Euro gegen Slovenská sporitel'ňa, von 3 183 427 Euro gegen die Československá obchodná banka a.s. und von 3 810 461 Euro gegen die Všeobecná úverová banka a.s.
5 Auf Widerspruch von Slovenská sporitel'ňa gegen die Entscheidung der Abteilung erließ der Rada Protimonopolného úradu Slovenskej republiky (Rat des Kartellamts der Slowakischen Republik, im Folgenden: Rat), eine zweitinstanzliche Verwaltungsbehörde, am 19. November 2009 eine Entscheidung, mit der er die angefochtene Entscheidung abänderte und die rechtliche Beurteilung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verhaltensweise ausweitete. Der Rat ließ die Höhe der von der Abteilung verhängten Geldbußen unverändert.
6 Slovenská sporitel'ňa erhob gegen die Entscheidung des Rates Klage beim Krajský súd Bratislava (Regionalgericht Bratislava).
7 Mit Urteil vom 23. September 2010 hob der Krajský súd Bratislava die Entscheidungen vom 9. Juni und vom 19. November 2009 auf, soweit sie Slovenská sporitel'ňa betrafen, und verwies die Sache an den Protimonopolný úrad zurück.
8 Der Krajský súd Bratislava stellte in seinem Urteil u. a. fest, dass der Protimonopolný úrad die Begriffe des Wettbewerbers und des relevanten Marktes falsch angewandt habe. Der Protimonopolný úrad habe nicht überprüft, ob Akcenta angesichts des Umstands, dass sie in der Slowakei ohne die notwendige Genehmigung der Národná banka Slovenska (Nationalbank der Slowakei) handle, als Wettbewerberin von Slovenská sporitel'ňa auf dem relevanten Markt angesehen werden könne, und er habe auch nicht geprüft, ob die von dieser Gesellschaft ausgeübte illegale Tätigkeit rechtlichen Schutz genießen könne. Dazu führte der Krajský súd Bratislava aus, dass die Národná banka Slovenska gegen Akcenta eine Geldbuße in Höhe von 35 000 Euro verhängt habe, weil diese von Januar 2008 bis Juni 2009 ohne Genehmigung Devisengeschäfte in der Slowakei getätigt habe. Der Krajský súd Bratislava wies jedoch auch darauf hin, dass die Entscheidung der Národná banka Slovenska über die Verhängung der Geldbuße vom Banková rada Národnej banky Slovenska (Bankrat der Nationalbank der Slowakei) aufgehoben worden sei und dass das gegen Akcenta eingeleitete Verfahren eingestellt worden sei, weil gegen diese wegen Ablaufs der dafür vorgesehenen Verjährungsfrist keine finanzielle Sanktion mehr habe verhängt werden können. Außerdem hob der Krajský súd Bratislava hervor, dass aus den Akten hervorgehe, dass Akcenta keine Wettbewerberin, sondern nur eine Kundin der betreffenden Banken gewesen sei, da sie ihre Dienstleistungen auf einer anderen Ebene als die Banken und nach anderen Modalitäten als diese erbringe. Ferner habe der Protimonopolný úrad die Umstände, unter denen die im Ausgangsverfahren fragliche Vereinbarung getroffen worden sei, nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere sei nicht bewiesen worden, dass Akcenta vergebens versucht habe, erneut Bankkonten bei Slovenská sporitel'ňa zu eröffnen.
9 Gegen das Urteil des Krajský súd Bratislava legte der Protimonopolný úrad ein Rechtsmittel beim Najvyšší súd Slovenskej republiky (Höchstes Gericht der Slowakischen Republik) ein.
10 Der Protimonopolný úrad trägt vor, dass er hinreichend nachgewiesen habe, dass Akcenta eine Wettbewerberin der betreffenden Banken auf dem relevanten Markt, dem slowakischen Markt für Devisengeschäfte, sei. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit der von Akcenta in der Slowakei ausgeübten Tätigkeit führt er aus, dass bei der Prüfung des Verhaltens der betreffenden Banken im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln nicht zu berücksichtigen sei, dass diese Gesellschaft ihre Tätigkeit ohne die notwendige Genehmigung ausgeübt habe. Weiter hätten weder Slovenská sporitel'ňa noch die anderen Banken die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit von Akcenta bestritten, bevor er das Ausgangsverfahren eingeleitet habe. Seiner Ansicht nach gibt es keine Beweise dafür, dass Akcenta illegal tätig gewesen sei. Was die Entscheidung des Bankrats der Nationalbank der Slowakei angehe, habe sie den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2009 betroffen; Akcenta sei aber seit dem Jahr 2003 auf dem slowakischen Markt tätig gewesen, und die betreffenden Banken hätten im Jahr 2007 ihre Verhaltensweisen koordiniert und die mit Akcenta geschlossenen Verträge aufgelöst. Im Übrigen sei diese Entscheidung aufgehoben worden.
11 Slovenská sporitel'ňa macht geltend, der Protimonopolný úrad habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass Akcenta, die nicht über die notwendige Genehmigung verfügt habe, illegal auf dem betreffenden slowakischen Markt tätig gewesen sei. Da die im Wettbewerbsbereich aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könne keine Wettbewerbsbeschränkung gerügt werden. Es gebe keinen Grund, ein Verhalten zu ahnden, das zur Ausschaltung eines illegal tätigen Unternehmens führe. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass das Treffen der drei Banken am 10. Mai 2007 zu einer Vereinbarung geführt habe, da der anwesende Mitarbeiter von Slovenská sporitel'ňa bei diesem Treffen bloß Informationen zu dem Plan, die Verträge über die Kontokorrentkonten von Akcenta aufzulösen, gesammelt habe.
12 Vor diesem Hintergrund hat der Najvyšší súd Slovenskej republiky als Gericht, dessen Entscheidungen nicht mit einem innerstaatlichen Rechtsmittel angefochten werden können, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Kann Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin ausgelegt werden, dass der Umstand, dass ein Wettbewerber (Unternehmer), der durch eine Kartellabsprache zwischen anderen Wettbewerbern (Unternehmer) benachteiligt ist, zum Zeitpunkt der Kartellabsprache illegal auf dem relevanten Markt tätig war, rechtlich erheblich ist?
2. Ist es für die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV rechtlich erheblich, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kartellvereinbarung die Rechtmäßigkeit des Handelns dieses Wettbewerbers (Unternehmer) von den zuständigen Aufsichtsbehörden im Gebiet der Slowakischen Republik nicht in Frage gestellt worden ist?
3. Kann Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin ausgelegt werden, dass es für die Bejahung des Vorliegens einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung notwendig ist, das persönliche Handeln des satzungsgemäßen Vertreters oder die in Form einer Vollmacht erteilte persönliche Zustimmung des satzungsgemäßen Vertreters eines Unternehmens, der an einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung beteiligt war oder beteiligt gewesen sein könnte, zum Handeln eines seiner Mitarbeiter nachzuweisen, wenn das Unternehmen sich nicht vom Verhalten des Mitarbeiters distanziert hat und gleichzeitig sogar die Vereinbarung umgesetzt wurde?
4. Kann Art. 101 Abs. 3 AEUV dahin ausgelegt werden, dass er auch auf eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Vereinbarung anwendbar ist, die ihrer Natur nach die Wirkung hatte, einen bestimmten einzelnen Wettbewerber (Unternehmer) vom Markt auszuschließen, in Bezug auf den später nachgewiesen wurde, dass er auf dem Devisenmarkt mit Devisen gehandelt hat, ohne im Besitz der entsprechenden, durch das nationale Recht vorgeschriebenen Lizenz zu sein?
Zu den Vorlagefragen
13 Der Protimonopolný úrad, Slovenská sporitel'ňa, die slowakische, die tschechische, die italienische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben Erklärungen abgegeben.
Zur ersten und zur zweiten Frage
14 Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass ein Wettbewerber, der durch eine Kartellabsprache zwischen anderen Wettbewerbern benachteiligt ist, zum Zeitpunkt dieser Absprache angeblich illegal auf dem relevanten Markt tätig war, rechtlich erheblich ist.
15 Die tschechische Regierung hat den auf diese Frage bezogenen Sachverhalt in ihren Erklärungen so dargestellt, wie er nach der Empfehlung 2001/893/EG der Kommission vom 7. Dezember 2001 über Grundsätze zur Nutzung von „Solvit", dem Problemlösungsnetz für den Binnenmarkt (ABl. L 331, S. 79), behandelt wurde. Die Solvit-Stelle der Tschechischen Republik ging im Wesentlichen davon aus, dass Akcenta, eine tschechische Gesellschaft, die in diesem Mitgliedstaat über alle erforderlichen Genehmigungen verfügt habe, ausschließlich telefonisch mit ihren slowakischen Kunden gearbeitet habe und dass daher für die erbrachten Dienstleistungen keine Genehmigung in der Slowakei erforderlich gewesen sei. Die slowakische Solvit-Stelle war hingegen der gegenteiligen Ansicht und meinte, dass die Frage mit der Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang stehe, da die verschiedenen Dienstleistungen durch in der Slowakei niedergelassene Vermittler erbracht worden seien. Der Solvit-Datenbank zufolge wurde die Sache am 2. Januar 2006 als nicht gelöst abgeschlossen.
16 Art. 101 Abs. 1 AEUV erklärt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten.
17 Bei der Anwendung dieser Bestimmung brauchen die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt (Urteile vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, Slg. 1966, 429, 496, vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 508, sowie vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 75).
18 Art. 101 AEUV soll nämlich nicht nur die Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher schützen, sondern auch die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (Urteil vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, Slg. 2009, I‑9291, Randnr. 63).
19 Aus der Vorlageentscheidung geht in diesem Zusammenhang hervor, dass die Vereinbarung zwischen den betreffenden Banken speziell eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt hat und dass keine der Banken vor den Ermittlungen, die im Ausgangsverfahren gegen sie geführt wurden, die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit von Akcenta bestritten hat. Die behauptete rechtliche Situation von Akcenta ist folglich für die Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln vorliegen, unerheblich.
20 Im Übrigen obliegt es den Behörden und nicht privaten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Die Beschreibung der Situation von Akcenta durch die tschechische Regierung zeigt hinreichend, dass die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen komplexe Beurteilungen erfordern kann, die nicht zum Aufgabenbereich dieser privaten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gehören.
21 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass ein Unternehmen, das durch eine Kartellabsprache, die eine Wettbewerbseinschränkung bezweckt, benachteiligt ist, zum Zeitpunkt dieser Absprache angeblich illegal auf dem relevanten Markt tätig war, für die Frage unerheblich ist, ob diese Absprache eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung darstellt.
Zur dritten Frage
22 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin ausgelegt werden kann, dass es für die Bejahung des Vorliegens einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung notwendig ist, das persönliche Handeln des satzungsgemäßen Vertreters eines Unternehmens oder die in Form einer Vollmacht erteilte persönliche Zustimmung dieses satzungsgemäßen Vertreters, der an einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung beteiligt war oder beteiligt gewesen sein könnte, zum Handeln eines seiner Mitarbeiter nachzuweisen, wenn das Unternehmen sich nicht vom Verhalten des Mitarbeiters distanziert hat und gleichzeitig sogar die Vereinbarung umgesetzt wurde.
23 Die slowakische und die tschechische Regierung sowie die Kommission zweifeln angesichts des vom vorlegenden Gericht dargestellten Sachverhalts an der Erheblichkeit dieser Frage, bemühen sich aber um Antwortvorschläge.
24 Der Protimonopolný úrad trägt vor, dass diese Frage darauf beruhe, dass im vorliegenden Fall Slovenská sporiteľna behauptet habe, dass ihr Mitarbeiter, der an dem Treffen der Vertreter der betreffenden Banken vom 10. Mai 2007 teilgenommen habe, nicht dazu bevollmächtigt gewesen sei und dass außerdem nicht nachgewiesen worden sei, dass er den Ergebnissen dieses Treffens zugestimmt habe.
25 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung von Art. 101 AEUV keine Handlung und nicht einmal Kenntnisse der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens voraussetzt, sondern die Handlung einer Person genügt, die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97).
26 Wie die Kommission ausführt, findet die Beteiligung an nach dem AEU-Vertrag verbotenen Kartellen im Übrigen meistens im Verborgenen statt und unterliegt keinen Formvorschriften. Es kommt selten vor, dass ein Vertreter eines Unternehmens, der an einem Treffen teilnimmt, über eine Vollmacht für die Begehung einer Zuwiderhandlung verfügt.
27 Außerdem obliegt es nach ständiger Rechtsprechung einem Unternehmen, dessen Teilnahme an wettbewerbswidrigen Treffen konkurrierender Unternehmen erwiesen ist, Indizien vorzubringen, aus denen sich ergibt, dass seine Teilnahme ohne wettbewerbswidrige Einstellung erfolgte, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hatte, dass es mit einer anderen Zielsetzung als sie an den Treffen teilnahm. Damit die Teilnahme eines Unternehmens an einem solchen Treffen weder als stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative noch als Gutheißen des Ergebnisses angesehen werden kann, muss dieses Unternehmen sich offen von der Initiative distanzieren, so dass die anderen Teilnehmer davon ausgehen, dass es seine Teilnahme beendet, oder sie bei den Verwaltungsbehörden anzeigen (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Mai 2012, Comap/Kommission, C‑290/11 P, Randnrn. 74 und 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Angesichts des Vorstehenden ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass es für die Bejahung des Vorliegens einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung nicht notwendig ist, das persönliche Handeln des satzungsgemäßen Vertreters eines Unternehmens oder die in Form einer Vollmacht erteilte persönliche Zustimmung dieses Vertreters zum Handeln eines seiner Mitarbeiter, der an einem wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen hat, nachzuweisen.
Zur vierten Frage
29 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 101 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen ist, dass er auf eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Vereinbarung anwendbar ist, die ihrer Natur nach die Wirkung hatte, einen bestimmten einzelnen Wettbewerber vom Markt auszuschließen, in Bezug auf den später nachgewiesen wurde, dass er auf dem Devisenmarkt mit Devisen gehandelt hat, ohne im Besitz der entsprechenden, durch das nationale Recht vorgeschriebenen Lizenz zu sein.
30 Da Art. 101 Abs. 3 AEUV nur dann angewandt werden kann, wenn das Vorliegen einer nach Art. 101 AEUV verbotenen Vereinbarung festgestellt wurde, stützt sich die Antwort des Gerichtshofs auf die Prämisse, dass eine solche Feststellung erfolgt ist.
31 Damit die in Art. 101 Abs. 3 AEUV genannte Ausnahme zur Anwendung kommt, müssen entsprechend dem Vorbringen der Kommission die vier kumulativen Voraussetzungen erfüllt sein, die in dieser Bestimmung vorgesehen sind. Erstens müssen die Vereinbarungen zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, zweitens müssen sie den Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligen, drittens dürfen den beteiligten Unternehmen keine Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, und viertens dürfen den beteiligten Unternehmen keine Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren oder Dienstleistungen den Wettbewerb auszuschalten.
32 Wer sich auf diese Bestimmung beruft, muss mit überzeugenden Argumenten und Beweisen nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt sind (Urteil GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., Randnr. 82).
33 In ihren Erklärungen führt Slovenská sporitel'ňa aus, dass der Umstand, dass eine wettbewerbswidrige Vereinbarung verhindern solle, dass ein anderer Wettbewerber, der nicht über die erforderliche Genehmigung verfüge, illegal auf dem Markt tätig sei, die Anwendung der Ausnahme nach Art. 101 Abs. 3 AEUV rechtfertigen müsse, da eine solche Vereinbarung die Bedingungen eines gesunden Wettbewerbs schütze und in einem weiteren Sinne daher der Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts im Sinne dieser Bestimmung diene.
34 Es ist festzustellen, dass sich Slovenská sporitel'ňa nur auf eine der vier kumulativen Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV berufen hat.
35 Auch wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre, ist nicht ersichtlich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartellabsprache die drei anderen Voraussetzungen und insbesondere die dritte erfüllt, wonach den beteiligten Unternehmen durch die Vereinbarung keine Beschränkungen auferlegt werden dürfen, die für die Verwirklichung der im Rahmen der ersten Voraussetzung des Art. 101 Abs. 3 AEUV genannten Ziele nicht unerlässlich sind. Denn selbst wenn der von den Teilnehmern an dieser Absprache angeführte Grund darin bestanden haben sollte, Akcenta zur Beachtung des slowakischen Rechts zu zwingen, waren sie - wie in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erläutert - verpflichtet, die zuständigen Behörden mit einer diesbezüglichen Beschwerde zu befassen, es stand ihnen aber nicht zu, selbst das Konkurrenzunternehmen vom Markt auszuschließen.
36 Demnach ist Art. 101 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass er auf eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Vereinbarung nur dann anwendbar ist, wenn das Unternehmen, das sich auf diese Bestimmung beruft, nachgewiesen hat, dass die vier kumulativen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.
Kosten
37 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.