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Wirtschaftsrecht
22.05.2025
Wirtschaftsrecht
EuGH: Werbeaussage mit Hinweis auf bestimmte Zahlungsmodalität als „Angebot zur Verkaufsförderung“ (Bonprix)

EuGH, Urteil vom 15.5.2025 – C-100/24, Verbraucherzentrale Hamburg e. V. gegen bonprix Handelsgesellschaft mbH

ECLI:EU:C:2025:352

Volltext: BB-Online BBL2025-1217-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass eine Werbeaussage auf der Website eines im Onlinehandel tätigen Unternehmens, mit der auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen wird, unter den Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, sofern diese Zahlungsmodalität dem Adressaten dieser Aussage einen objektiven und sicheren Vorteil verschafft, der sein Verhalten bei der Entscheidung für eine Ware oder Dienstleistung beeinflussen kann.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg e. V., einem Verbraucherschutzverein (im Folgenden: Verbraucherschutzverein), und der bonprix Handelsgesellschaft mbH über eine Werbeaussage auf deren Website, die eine spezifische Zahlungsmodalität betrifft.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2000/31

3          In den Erwägungsgründen 7, 10, 29 und 60 der Richtlinie 2000/31 heißt es:

„(7) Um Rechtssicherheit zu erreichen und das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, muss diese Richtlinie einen klaren allgemeinen Rahmen für den Binnenmarkt bezüglich bestimmter rechtlicher Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs festlegen.

(10) Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind in dieser Richtlinie nur diejenigen Maßnahmen vorgesehen, die zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes unerlässlich sind. Damit der Binnenmarkt wirklich zu einem Raum ohne Binnengrenzen für den elektronischen Geschäftsverkehr wird, muss diese Richtlinie in den Bereichen, in denen ein Handeln auf [Unionsebene] geboten ist, ein hohes Schutzniveau für die dem Allgemeininteresse dienenden Ziele, insbesondere für den Jugendschutz, den Schutz der Menschenwürde, den Verbraucherschutz und den Schutz der öffentlichen Gesundheit, gewährleisten. …

(29) Kommerzielle Kommunikationen sind von entscheidender Bedeutung für die Finanzierung der Dienste der Informationsgesellschaft und die Entwicklung vielfältiger neuer und unentgeltlicher Dienste. Im Interesse des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs müssen die verschiedenen Formen kommerzieller Kommunikation, darunter Preisnachlässe, Sonderangebote, Preisausschreiben und Gewinnspiele, bestimmten Transparenzerfordernissen genügen. …

(60) Im Sinne der ungehinderten Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs muss dieser Rechtsrahmen klar, unkompliziert und vorhersehbar sowie vereinbar mit den auf internationaler Ebene geltenden Regeln sein, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie nicht zu beeinträchtigen und innovative Maßnahmen in diesem Sektor nicht zu behindern.“

 

4          Art. 1 („Zielsetzung und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2000/31 sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

…“

 

5          Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2000/31 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

f) ‚kommerzielle Kommunikation‘: alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt …

…“

 

6          Art. 6 („Informationspflichten“) der Richtlinie 2000/31, der zu deren Abschnitt 2 („Kommerzielle Kommunikationen“) gehört, sieht vor:

„Zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem [Unionsrecht] stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass kommerzielle Kommunikationen, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, zumindest folgende Bedingungen erfüllen:

c) soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke im Mitgliedstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden;

d) soweit Preisausschreiben oder Gewinnspiele im Mitgliedstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind, müssen sie klar als solche erkennbar sein, und die Teilnahmebedingungen müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden.“

 

Richtlinie 2005/29

7          Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt in ABl. 2009, L 253, S. 18) in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 (ABl. 2019, L 328, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2005/29) sieht vor:

„Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der [Union], die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.“

 

8          Art. 7 („Irreführende Unterlassungen“) der Richtlinie 2005/29 bestimmt:

„(1) Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.

(2) Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender wesentliche Informationen gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der darin beschriebenen Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt oder wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

(4) Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

d) die Zahlungs‑, Liefer- und Leistungsbedingungen, falls sie von den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt abweichen;

…“

 

Richtlinie 2011/83

9          In Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) heißt es:

„(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

g) die Zahlungs‑, Liefer- und Leistungsbedingungen, den Termin, bis zu dem sich der Unternehmer verpflichtet, die Waren zu liefern oder die Dienstleistung zu erbringen, und gegebenenfalls das Verfahren des Unternehmers zum Umgang mit Beschwerden;

(8) Die in dieser Richtlinie festgelegten Informationspflichten gelten zusätzlich zu den Informationspflichten nach … der Richtlinie [2000/31] und hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, zusätzliche Informationspflichten im Einklang mit jenen Richtlinien vorzusehen.

…“

 

Deutsches Recht

10        § 6 Abs. 1 Nr. 3 Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. 2007 I S. 179) diente der Umsetzung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 und bestimmte hinsichtlich der Pflichten von Diensteanbietern bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, dass Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke klar als solche erkennbar sein müssen, und dass die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden müssen.

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

11        Bonprix ist ein Unternehmen, das im Onlinehandel tätig ist. Im Dezember 2021 erschien auf der Website dieses Unternehmens folgende Werbebotschaft: „Bequemer Kauf auf Rechnung“.

 

12        Der Verbraucherschutzverein beanstandete diese Werbepraxis als irreführend, da sie für den Verbraucher nicht erkennen lasse, dass die auf diese Weise angebotene Zahlungsmodalität unter dem Vorbehalt einer vorherigen Prüfung seiner Kreditwürdigkeit stehe.

 

13        Mit Urteil vom 21. Juli 2022 wies das Landgericht Hamburg (Deutschland) die Klage dieses Vereins ab, mit der bonprix zur Unterlassung dieser Praxis verpflichtet werden sollte.

 

14        Die vom Verbraucherschutzverein gegen dieses Urteil beim Hanseatischen Oberlandesgericht (Hamburg, Deutschland) eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Dieses Gericht war der Auffassung, dass die in Rede stehende Werbepraxis nicht irreführend sei und dass bonprix nicht gegen die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Telemediengesetz vorgesehene Informationspflicht verstoßen habe. Die betreffende Werbeaussage stelle nämlich kein „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung dar, da der Kauf einer Ware auf Rechnung dem Käufer keinen geldwerten Vorteil verschaffe, durch den sich ein solches Angebot zur Verkaufsförderung auszeichne. Da der einzige Vorteil für den Käufer die Möglichkeit sei, die Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt zu leisten, habe er keinen Vorteil, der über den eigentlichen Kauf hinausgehe.

 

15        Der mit der vom Verbraucherschutzverein eingelegten Revision befasste Bundesgerichtshof (Deutschland), das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache, fragt nach dem Umfang der Informationspflicht nach Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31. Da die in Rede stehende Werbeaussage eine kommerzielle Kommunikation darstelle und Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sei, stelle sich die Frage, ob diese Aussage unter den Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung falle.

 

16        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts dürfte zwar insoweit eine Auslegung dieses Begriffs nach dem Wortsinn den Tatbestand erfüllen, der Regelungszusammenhang unter Berücksichtigung der beispielhaften Nennung von „Preisnachlässen, Zugaben und Geschenken“ in dieser Bestimmung zur Veranschaulichung dieses Begriffs könne jedoch darauf hindeuten, dass der Unionsgesetzgeber wegen des Ausnahmecharakters der dort genannten Maßnahmen bloße Zahlungsmodalitäten nicht habe erfassen wollen.

 

17        Allerdings stelle der mit einem Kauf auf Rechnung verbundene Aufschub der Zahlung des Kaufpreises einen – wenn auch nur geringfügigen – geldwerten Vorteil dar. Ebenso könnte das bloße Versprechen einer bevorzugten Behandlung als ausreichend angesehen werden, um den Tatbestand des Angebots zur Verkaufsförderung zu erfüllen.

 

 

18        Wenn eine Werbeaussage, in der auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen werde, unter den Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ falle, stünde dies im Übrigen mit dem Ziel des Verbraucherschutzes der Richtlinie 2000/31 im Einklang, da die Möglichkeit, auf Rechnung zu kaufen, sowohl dem Rechts- als auch dem Sicherheitsinteresse des Käufers diene.

 

19        Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

Stellt die Werbung mit einer Zahlungsmodalität (hier: „Bequemer Kauf auf Rechnung“), die zwar nur einen geringen Geldwert hat, jedoch dem Sicherheits- und Rechtsinteresse des Verbrauchers dient (hier: keine Preisgabe sensibler Zahlungsdaten; bei Rückabwicklung des Vertrags keine Rückforderung einer Vorleistung), ein Angebot zur Verkaufsförderung im Sinne von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 dar?

 

Zur Vorlagefrage

20        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass eine Werbeaussage auf der Website eines im Onlinehandel tätigen Unternehmens, mit der auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen wird, unter den Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

 

21        Art. 6 der Richtlinie 2000/31 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem Unionsrecht sicherstellen, dass kommerzielle Kommunikationen, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. So müssen nach Art. 6 Buchst. c dieser Richtlinie, soweit Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke im Mitgliedstaat der Niederlassung des Diensteanbieters zulässig sind, klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden.

 

22        Aus dem Wortlaut von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31, der zu deren Abschnitt 2 („Kommerzielle Kommunikationen“) gehört, ergibt sich, dass der Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ unter den Oberbegriff „kommerzielle Kommunikation“ fällt, mit dem in Art. 2 Buchst. f dieser Richtlinie grundsätzlich alle Formen der Kommunikation bezeichnet werden, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.

 

 

23        Da die Richtlinie 2000/31 jedoch nicht genau definiert, was unter einem „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne ihres Art. 6 Buchst. c zu verstehen ist, sind Bedeutung und Tragweite dieses autonomen Begriffs des Unionsrechts entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 2022, Porsche Inter Auto und Volkswagen, C‑145/20, EU:C:2022:572, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 30. April 2024, Trade Express-L und DEVNIA TSIMENT, C‑395/22 und C‑428/22, EU:C:2024:374, Rn. 65).

 

24        Was als Erstes den Sinn des Begriffs „Angebot zur Verkaufsförderung“ nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch betrifft, ergibt sich aus einer Analyse der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31, dass dieser Begriff allgemein dahin verstanden werden kann, dass er jede Form der Kommunikation erfasst, mit der ein Diensteanbieter bei deren Adressaten für Waren oder Dienstleistungen werben möchte, indem er diesem einen Vorteil gewährt. Jedoch lassen sich allein anhand der wörtlichen Auslegung dieses Begriffs nicht die Voraussetzungen bestimmen, die ein solcher Vorteil aufweisen muss, um diesen Tatbestand zu erfüllen.

 

25        Als Zweites ist zu dem Zusammenhang, in dem der Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ verwendet wird, darauf hinzuweisen, dass dieser Begriff in Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 mit einer nicht abschließenden Aufzählung von Beispielen wie „Preisnachlässe[n], Zugaben und Geschenke[n]“ versehen ist. Aus Kohärenzgründen müssen Kommunikationen, die unter diese Bestimmung fallen, somit die Merkmale aufweisen, die Preisnachlässen, Zugaben und Geschenken gemeinsam sind.

 

26        Hierzu ist erstens festzustellen, dass die in dieser Bestimmung genannten Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke ihrem Adressaten einen objektiven Vorteil verschaffen, so dass für das tatsächliche Vorhandensein dieses Vorteils nicht die subjektive Beurteilung dieses Adressaten maßgeblich sein darf.

 

27        Zweitens müssen sich aus denselben Kohärenzgründen die Merkmale kommerzieller Kommunikationen, die Preisausschreiben und Gewinnspielen gemäß Art. 6 Buchst. d der Richtlinie 2000/31 gemeinsam sind, von den Merkmalen unterscheiden, die unter Art. 6 Buchst. c dieser Richtlinie fallen. So verschaffen Angebote zur Verkaufsförderung im Gegensatz zu Preisausschreiben und Gewinnspielen einen sicheren Vorteil, der weder vom Zufall noch von einer Auswahl abhängig ist.

 

28        Drittens zeichnen sich Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke gemäß Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 durch ihren Anreizeffekt dahin gehend aus, dass sie das Verhalten des Adressaten bei seiner Entscheidung für eine Ware oder Dienstleistung beeinflussen können, sowie durch die Objektivität und Sicherheit des Vorteils, den sie ihm verschaffen. Um ein „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung darzustellen, muss demnach jegliche Kommunikation, die der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dient, ihrem Adressaten einen objektiven und sicheren Vorteil verschaffen und sein Konsumverhalten beeinflussen können.

 

29        Entgegen dem Vorbringen von bonprix in ihren schriftlichen Erklärungen kann aus den Worten „Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke“ nicht abgeleitet werden, dass sich ein „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung zwangsläufig durch das Vorhandensein eines erheblichen geldwerten Vorteils für seinen Adressaten auszeichnet.

 

30        Zum einen können nämlich sowohl Preisnachlässe als auch Zugaben und Geschenke einen geringen oder gar vernachlässigbaren Geldwert haben. Zum anderen kann zwar davon ausgegangen werden, dass ein Preisnachlass zu einer Verringerung der vom Adressaten geschuldeten finanziellen Gegenleistung und damit zu einem für ihn quantifizierbaren geldwerten Vorteil führt. Bei einer Zugabe oder einem Geschenk, bei denen sich die objektive Feststellung des Geldwerts in der Praxis als unmöglich erweisen kann, ist dies jedoch nicht der Fall. Die Bedeutung des betreffenden Vorteils für die Vermögenssituation seines Adressaten ist daher nicht das alleinige Tatbestandsmerkmal des Begriffs „Angebot zur Verkaufsförderung“. Wie sich aus Rn. 28 des vorliegenden Urteils ergibt, kommt es allein darauf an, ob das Angebot zur Verkaufsförderung einen Anreiz in Bezug auf eine Ware oder eine Dienstleistung darstellt und ob der Vorteil, den es seinem Adressaten verschafft, objektiv und sicher ist.

 

31        Soweit in diesem Zusammenhang von bonprix auch die Ansicht vertreten wurde, ein „Angebot zur Verkaufsförderung“ zeichne sich durch seinen Aktionscharakter aus, genügt im Übrigen die Feststellung, dass Maßnahmen wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke nicht zwangsläufig zeitlich begrenzt sind, sondern je nach den anwendbaren nationalen Regelungen systematisch und dauerhaft Bestandteil der Werbepolitik der Diensteanbieter sein können. Daher kann der vermeintliche Aktionscharakter solcher Maßnahmen nicht als Argument herangezogen werden, um Zahlungsmodalitäten vom Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ auszunehmen.

 

32        Somit ergibt sich aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung des Begriffs „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31, dass dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er jede kommerzielle Kommunikation erfasst, mit der ein Dienstanbieter für Waren oder Dienstleistungen werben will, indem er dem Adressaten einen Vorteil verschafft, der objektiv und sicher ist sowie dessen Verhalten bei der Auswahl solcher Waren oder Dienstleistungen beeinflussen kann. Die Form dieses Vorteils ist ebenso wie sein Umfang unerheblich, so dass er geldwert oder rechtlich sein kann oder in einer reinen Bequemlichkeit bestehen kann, etwa, dass er dem Adressaten Zeit verschaffen kann.

 

33        Als Drittes wird die Auslegung in der vorstehenden Randnummer durch eine teleologische Auslegung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 untermauert, deren Zielsetzung, wie aus ihrem Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 7, 10 und 60 hervorgeht, darin besteht, einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, ohne die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu behindern. Aus dem 29. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich, dass die in ihrem Art. 6 vorgesehenen Transparenzerfordernisse im Interesse des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs festgelegt werden.

 

34        Der Umstand, dass im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Onlinehandel eine Werbeaussage, in der auf eine Zahlungsmodalität hingewiesen wird, den in Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Bedingungen unterworfen wird, trägt aber zu einem hohen Verbraucherschutzniveau bei, ohne die Diensteanbieter über Gebühr zu belasten.

 

35        Denn die Informationspflicht des Diensteanbieters nach Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 bedeutet, dass der Adressat einer Werbeaussage, in der auf eine spezifische Zahlungsmodalität hingewiesen wird, über die besonderen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Angebots zur Verkaufsförderung informiert werden muss, sobald er auf die Verkaufs-Website zugreift, auf der diese Werbeaussage angezeigt wird, und er hierdurch in die Lage versetzt werden muss, gegebenenfalls unter Berücksichtigung seiner finanziellen Situation auf Anhieb zu beurteilen, ob er für dieses Angebot in Betracht kommt. Eine solche Auslegung steht im Übrigen im Einklang mit der Anforderung aus der Richtlinie 2000/31, den Schutz der Interessen der Verbraucher in jedem Stadium des Kontakts zwischen dem Diensteanbieter und den Nutzern des Dienstes sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2008, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, C‑298/07, EU:C:2008:572, Rn. 22).

 

36        Folglich muss ein Verbraucher, wenn der mit einem Angebot zur Verkaufsförderung verbundene Vorteil betreffend eine bestimmte Zahlungsmodalität von einem positiven Ergebnis der vorherigen Prüfung seiner Kreditwürdigkeit abhängt, darüber auf einfache, klare und eindeutige Weise informiert werden, damit er erkennen kann, dass ihm bei Inanspruchnahme dieses Angebots ein Vertragsabschluss wahrscheinlich verwehrt wird, wenn das Ergebnis dieser Prüfung zu seinen Ungunsten ausfällt.

 

37        Um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, ist ferner darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Art. 6 der Richtlinie 2000/31 ergibt, die in dieser Bestimmung enthaltenen Transparenzerfordernisse zusätzlich zu den sonstigen im Unionsrecht vorgesehenen Informationsanforderungen bestehen. Die in Rn. 32 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung ist aber voll und ganz mit den in den Richtlinien 2005/29 und 2011/83 vorgesehenen Informationsanforderungen über Zahlungsbedingungen vereinbar.

 

38        Zur Richtlinie 2005/29 ist nämlich festzustellen, dass nach ihrem Art. 3 Abs. 4, wenn Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Union kollidieren, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Somit gehen die sich aus Art. 6 der Richtlinie 2000/31 ergebenden Anforderungen den Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 vor.

 

39        Jedenfalls ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2005/29, dass bei einer Aufforderung zum Kauf die Informationen über Zahlungsbedingungen als wesentlich gelten, so dass ihre Unterlassung, Verheimlichung oder unklare, unverständliche, zweideutige oder nicht rechtzeitige Bereitstellung eine Geschäftspraxis darstellt, die als irreführend gilt. Die Verpflichtung eines Diensteanbieters nach der Richtlinie 2000/31, schon in der Online-Werbung in Bezug auf eine bestimmte Zahlungsmodalität die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines solchen Angebots anzugeben, steht nicht im Widerspruch zu dieser Bestimmung.

 

40        Des Weiteren sieht Art. 6 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2011/83 vor, dass der Unternehmer den Verbraucher über die Zahlungsbedingungen informieren muss, bevor er durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist. Nach dieser Bestimmung ist der Unternehmer somit erst ab dem Zeitpunkt verpflichtet, den Verbraucher über die Voraussetzungen zu informieren, unter denen er eine bestimmte Zahlungsmodalität in Anspruch nehmen kann, wenn dieser Verbraucher bei einer Online-Bestellung im Begriff ist, sich für diese Zahlungsmodalität zu entscheiden, während, wie sich aus Rn. 35 des vorliegenden Urteils ergibt, die Anwendung von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 auf Werbeaussagen, in denen auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen wird, bedeutet, dass bei Verträgen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83 fallen, der Unternehmer den Verbraucher über diese Voraussetzungen informieren muss, sobald dieser auf die Verkaufs-Website, auf der diese Art von Aussage angezeigt wird, zugegriffen hat.

 

41        Eine solche Situation ist mit der Richtlinie 2011/83 jedoch nicht unvereinbar, da nach deren Art. 6 Abs. 8 Unterabs. 1 die in dieser Richtlinie vorgesehenen Informationspflichten zusätzlich zu den in der Richtlinie 2000/31 enthaltenen gelten und die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, zusätzliche Informationspflichten im Einklang mit jener Richtlinie vorzusehen.

 

42        Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass das Ausgangsverfahren eine Werbeaussage auf der Website von bonprix betrifft, in der auf die Möglichkeit eines Kaufs auf Rechnung hingewiesen wird.

 

43        Um zu beurteilen, ob eine solche kommerzielle Kommunikation die in Rn. 32 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt, ist mit dem vorlegenden Gericht darauf hinzuweisen, dass der mit dem Kauf einer Ware auf Rechnung verbundene Zahlungsaufschub einen – wenn auch geringfügigen – geldwerten Vorteil darstellt, da der als Kaufpreis geschuldete Betrag dem Käufer länger zur Verfügung steht und ihm damit einen Liquiditätsvorschuss verschafft. Aus Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 lässt sich für die Beurteilung, ob ein geldwerter Vorteil vorliegt, der den Tatbestand des „Angebots zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung erfüllen könnte, keine De-minimis-Regel ableiten.

 

44        Im Übrigen braucht der Käufer im Fall der Aufhebung des Vertrags, insbesondere infolge der Ausübung eines Widerrufs- oder Rücktrittsrechts, keine Rückerstattung des Preises zu verlangen.

 

45        Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht erscheinen solche für den Käufer vorteilhaften Umstände geeignet, ihm einen Anreiz zu geben, sich an einen Verkäufer zu wenden, der einen Onlinekauf auf Rechnung anbietet, anstatt sich an einen anderen Verkäufer zu wenden, der die sofortige Bezahlung ab der Bestellung erwartet. Folglich kann bei einer solchen Zahlungsmodalität davon ausgegangen werden, dass sie einem Käufer einen objektiven und sicheren Vorteil verschafft, der sein Verhalten bei der Entscheidung für eine Ware oder Dienstleistung beeinflussen kann, so dass eine Werbeaussage, in der auf diese Modalität hingewiesen wird, als „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne von Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 eingestuft werden kann.

 

46        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass eine Werbeaussage auf der Website eines im Onlinehandel tätigen Unternehmens, mit der auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen wird, unter den Begriff „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, sofern diese Zahlungsmodalität dem Adressaten dieser Aussage einen objektiven und sicheren Vorteil verschafft, der sein Verhalten bei der Entscheidung für eine Ware oder Dienstleistung beeinflussen kann.

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