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Wirtschaftsrecht
27.05.2021
Wirtschaftsrecht
BGH: Weitergabe anonymisierter Abschriften von Entscheidungen des Insolvenzgerichts an am Verfahren nicht beteiligte Dritte durch Gerichtsvorstand

BGH, Beschluss vom 25.3.2021 – IX AR(VZ) 1/19

ECLI:DE:BGH:2021:250321BIXAR.VZ.1.19.0

Volltext: BB-Online BBL2021-1282-2

Amtliche Leitsätze

a) In Insolvenzsachen kann der Gerichtsvorstand am Verfahren nicht beteiligten Dritten anonymisierte Abschriften von Entscheidungen des Insolvenzgerichts erteilen, ohne dass dies den Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht unterliegt.

b) Soweit die berechtigten Belange und Rechte der Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch die Weitergabe einer Abschrift trotz Anonymisierung verletzt sein können, steht dem Gerichtsvorstand ein aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens erweitertes Ermessen zu, ob und in welchem Umfang Schwärzungen vorzunehmen sind.

c) Der Gerichtsvorstand kann eine Weitergabe insgesamt verweigern, wenn die erforderlichen Schwärzungen dazu führen, dass die Entscheidung in den verbleibenden Teilen nicht mehr aus sich heraus verständlich ist, die Schwärzungen sinnentstellend sind oder die verbleibenden Teile den Inhalt der getroffenen Entscheidung verfälschen.

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller ist Mitverfasser von Kommentaren und Handbüchern zu Vergütungsfragen im Insolvenzrecht. Das Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der L.                       AG (fortan: Schuldnerin) und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter. Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung des weiteren Beteiligten als Insolvenzverwalter durch Beschluss fest. Am 29. August 2016 stellte das Insolvenzgericht folgenden Text zum Zweck der öffentlichen Bekanntmachung im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de ein:

"In dem Insolvenzverfahren [der Schuldnerin] sind Vergütung nebst Umsatzsteuer des Insolvenzverwalters durch Beschluss des Insolvenzgerichts festgesetzt worden.

Der vollständige Beschluss nebst Rechtsmittelbelehrungen kann von den Beteiligten auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden."

Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 an das Amtsgericht bat der Antragsteller, ihm eine Abschrift der Entscheidung über die Verwaltervergütung zu wissenschaftlichen Zwecken zu übersenden. Mit Schreiben vom 19. Januar 2017 erklärte der Antragsteller, sein Antrag beruhe auf § 299 Abs. 2 ZPO. Der weitere Beteiligte und der Vorstand der Schuldnerin traten dem Gesuch des Antragstellers entgegen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 wies der Präsident des Amtsgerichts den Antrag auf Erteilung einer Abschrift des Vergütungsbeschlusses zurück. Daraufhin hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG gestellt und beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, anonymisierte Abschriften der Vergütungsentscheidungen zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat den Antrag - soweit noch von Interesse - als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine anonymisierte Abschrift des Beschlusses über die Vergütungsfestsetzung des Insolvenzverwalters zu überlassen.

Aus den Gründen

II.

4          Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

5          1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung unter anderem in NZI 2019, 632 ff veröffentlicht ist, hat - soweit noch von Interesse - angenommen, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei zulässig. Der Präsident des Amtsgerichts habe das Gesuch des Antragstellers zutreffend als Antrag ausgelegt, diesem eine Abschrift des Beschlusses über die Vergütung des Insolvenzverwalters zu überlassen. Diese Entscheidung sei im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG zu überprüfen.

6          Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Zwar gelte die Pflicht, veröffentlichungswürdige Gerichtsentscheidungen zu publizieren, auch im Insolvenzverfahren. Jedoch sei wegen der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens vor der Herausgabe von Entscheidungsabschriften an Dritte wegen der Nichtöffentlichkeit des Verfahrens ein strengerer Maßstab an die Anonymisierung anzulegen. Die vom Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung zur Veröffentlichung von Entscheidungen der Zivilgerichte vorgenommene abstrakte Interessenabwägung sei auf Insolvenzverfahren nicht uneingeschränkt übertragbar, weil für diese weder der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung noch der öffentlichen Urteilsverkündung gelte. § 64 Abs. 2 Satz 1 InsO, wonach der Beschluss über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen sei, diene der Information der Gläubiger und der Effizienz des Insolvenzverfahrens. Dabei seien die festgesetzten Beträge gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht zu veröffentlichen, um unnötige Einblicke Außenstehender zu vermeiden. Nach der gesetzlichen Wertung sollten personenbezogene Daten aus einem Insolvenzverfahren grundsätzlich nur insoweit offengelegt werden, als dies erforderlich sei, um die Ziele des Insolvenzverfahrens zu erreichen. Eine Herausgabe anonymisierter Entscheidungen im Insolvenzverfahren werde daher durch die Möglichkeit begrenzt, den Schuldner zu identifizieren. Demgemäß könne im Insolvenzverfahren im Einzelfall auch die Herausgabe einer Entscheidung vollständig verweigert werden. Dabei seien das Informationsinteresse des Dritten, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die betroffenen Geheimhaltungsinteressen gegeneinander abzuwägen.

7          Es handele sich um eine Ermessensentscheidung, bei der sich der Maßstab mit jenem des § 299 Abs. 2 ZPO decke. Die Entscheidung des Präsidenten des Amtsgerichts sei vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Dass dieser seine Entscheidung auf der Grundlage von § 299 Abs. 2 ZPO getroffen habe, sei unerheblich, weil dies keine Auswirkungen auf die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Umstände habe. Der Präsident des Amtsgerichts habe die konkreten Interessen des Antragstellers und der Beteiligten des Insolvenzverfahrens zutreffend erkannt, in seine Abwägungsentscheidung einbezogen und die ablehnende Entscheidung ermessensfehlerfrei damit begründet, dass mit einer Herausgabe einer anonymisierten Entscheidungsabschrift eine unvermeidliche Preisgabe von wesentlichen Informationen zum nicht öffentlichen Ablauf des Insolvenzverfahrens verbunden wäre. Dies sei auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Vergütungsentscheidung im Streitfall trotz der Höhe der Masse und der Vergütung im Hinblick auf die Anwendung der vergütungsrechtlichen Bestimmungen keine Besonderheiten gegenüber einem Verfahren aufweise, in welchem sich die Beträge in einem durchschnittlichen Rahmen bewegten.

8          2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9          a) Zutreffend hat das Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für zulässig gehalten.

10        aa) Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Antragsteller den Antrag auf Überlassung einer Abschrift im eigenen Namen gestellt hat. Mit Recht nimmt das Oberlandesgericht an, dass das vom Antragsteller gestellte Gesuch auszulegen ist. Die Angriffe des weiteren Beteiligten auf die Auslegung zeigen keine Rechtsfehler auf.

11        bb) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG hat den gleichen Streitgegenstand wie die Auskunftsbitte, die der Präsident des Amtsgerichts beschieden hat. Zu Unrecht meint der weitere Beteiligte, dass die vom Antragsteller ursprünglich geltend gemachte wissenschaftlich begründete Akteneinsicht einen anderen Streitgegenstand habe als der Anspruch auf Überlassung einer Abschrift der Vergütungsentscheidung. Der Antragsteller hat stets als am Verfahren nicht beteiligter Dritter die Überlassung einer - anonymisierten - Abschrift der Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters verlangt.

12        b) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, der angefochtene Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts sei rechtmäßig ergangen, hält jedoch rechtlicher Überprüfung nicht stand.

13        aa) Zutreffend nimmt das Oberlandesgericht an, dass der Präsident des Amtsgerichts seiner Entscheidung die falsche Rechtsgrundlage zugrunde gelegt hat. Die Überlassung anonymisierter Entscheidungsabschriften an Dritte stellt weder eine Gewährung von Akteneinsicht dar noch ist sie mit ihr vergleichbar; § 299 Abs. 2 ZPO ist daher nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 5. April 2017 - IV AR(VZ) 2/16, WM 2017, 948 Rn. 14 f). Dies gilt auch für im Insolvenzverfahren getroffene gerichtliche Entscheidungen.

14        bb) Ebenfalls zu Recht geht das Oberlandesgericht davon aus, dass die Überlassung anonymisierter Entscheidungsabschriften an Dritte Teil der öffentlichen Aufgabe der Gerichte ist, Entscheidungen zu veröffentlichen (BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 16). Die Rechtspflicht der Gerichtsverwaltung, Gerichtsentscheidungen zu veröffentlichen, an denen ein öffentliches Interesse besteht (BVerfG, NJW 2015, 3708 Rn. 16, 20; BVerwGE 104, 105, 108 f), gilt auch für Entscheidungen der Gerichte in einem Insolvenzverfahren. Der Bürger muss in einer zunehmend komplexen Rechtsordnung zuverlässig in Erfahrung bringen können, welche Rechte er hat und welche Pflichten ihm obliegen; die Möglichkeiten und Aussichten eines Individualrechtsschutzes müssen für ihn annähernd vorhersehbar sein (BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 16). Dies ist auch in Insolvenzverfahren ohne ausreichende Publizität der Rechtsprechung nicht möglich.

15        Die Befugnis zur Weitergabe von Urteilen und Beschlüssen beschränkt sich nicht auf Entscheidungen, die nach Ansicht des betreffenden Gerichts veröffentlichungswürdig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO). Vielmehr sind die Gerichte grundsätzlich verpflichtet, einem Verlangen auf Überlassung einer anonymisierten Abschrift einer gerichtlichen Entscheidung zu entsprechen, wenn ein öffentliches Interesse an der Überlassung der Entscheidung besteht. Entsprechende Anfragen aus der Öffentlichkeit belegen regelmäßig ein öffentliches Interesse (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO; BVerwGE 104, 105, 111). Das vom Antragsteller nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts verfolgte wissenschaftliche Interesse stellt - nicht zuletzt im Licht des Art. 5 Abs. 3 GG - ein öffentliches Interesse dar, welches eine Veröffentlichungspflicht auslöst.

16        cc) Hingegen sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Ermessensausübung von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflusst.

17        (1) Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Kontrolle verletzt § 28 Abs. 3 EGGVG. Der Präsident des Amtsgerichts hat das Gesuch des Antragstellers nach den Maßstäben des § 299 Abs. 2 ZPO beschieden und bei seiner Entscheidung den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2017 (IV AR(VZ) 2/16, WM 2017, 948) nicht berücksichtigt. Der Bescheid zieht daher eine unzutreffende Rechtsgrundlage heran, prüft ein rechtliches Interesse des Antragstellers und richtet seine Ermessenserwägungen allein an den Grundsätzen des § 299 Abs. 2 ZPO aus. Anders als das Oberlandesgericht meint, sind die Anforderungen an eine Entscheidung nach § 299 Abs. 2 ZPO nicht deckungsgleich mit dem Anspruch auf Überlassung einer Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 14, 16). Damit hat das Oberlandesgericht mit seinen Erwägungen zur Ermessensausübung für einen Anspruch auf Überlassung einer anonymisierten Abschrift entgegen § 28 Abs. 3 EGGVG an Stelle der zuständigen Behörde eine eigene Ermessensentscheidung getroffen (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., § 28 EGGVG Rn. 15).

18        (2) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zum Ermessen im Rahmen der Veröffentlichungspflicht der Gerichte weisen ebenfalls Rechtsfehler auf.

19        (a) Das Oberlandesgericht bestimmt den Rahmen des Ermessens nicht zutreffend. Ausgangspunkt des Ermessens ist die grundsätzliche Rechtspflicht der Gerichtsverwaltung, Gerichtsentscheidungen zu veröffentlichen, an denen ein öffentliches Interesse besteht (BVerfG, NJW 2015, 3708 Rn. 16, 20; BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 16 mwN). Dabei hat die Gerichtsverwaltung bei einer Veröffentlichung einer gerichtlichen Entscheidung aus einem Insolvenzverfahren die bestehenden Datenschutzvorschriften zu beachten, weil die Veröffentlichung eine Aufgabe der Justizverwaltung ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steht der Gerichtsverwaltung in dieser Hinsicht kein Ermessen zu, wenn ein Dritter die Überlassung einer anonymisierten Entscheidungsabschrift beantragt (vgl. Tiedemann, NVwZ 1997, 1187; Mensching, AfP 2007, 534, 537; Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1778).

20        Ein Ermessen kommt der Gerichtsverwaltung hingegen zu, soweit berechtigte Belange und Rechte der Parteien und der Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch die Weitergabe einer Abschrift trotz Anonymisierung verletzt sein können und es darum geht, die Rechte und Belange der Beteiligten mit der Verpflichtung in Einklang zu bringen, Gerichtsentscheidungen zu veröffentlichen. Insoweit muss die Gerichtsverwaltung eine Abwägungsentscheidung treffen. Das Ermessen betrifft in erster Linie die Frage, ob und in welchem Umfang Schwärzungen vorzunehmen sind. Es erstreckt sich darauf, ob im Einzelfall die überwiegenden Rechte der Beteiligten eine Veröffentlichung insgesamt ausschließen.

21        Bei der Ausübung des Ermessens, in welchem Umfang bei einer Veröffentlichung Teile der Entscheidung über die übliche Anonymisierung hinaus zu schwärzen sind, hat - wie das Oberlandesgericht richtig sieht - die Gerichtsverwaltung den Besonderheiten der jeweiligen Verfahrensart Rechnung zu tragen. Für das Insolvenzverfahren fehlt - anders als für das Strafverfahren in § 475 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 5 AR(Vs) 112/17, BGHSt 63, 156 Rn. 6 ff) - eine Bestimmung, welche die Überlassung anonymisierter Abschriften von Entscheidungen an private Dritte regelt. Die für Entscheidungen in Zivilprozessen aufgestellten Grundsätze (BGH, Beschluss vom 5. April 2017 - IV AR(VZ) 2/16, WM 2017, 948 Rn. 14 ff) können nicht unbesehen auf Entscheidungen im Insolvenzverfahren übertragen werden, weil das Insolvenzverfahren in wesentlichen Punkten Besonderheiten gegenüber einem Zivilprozess aufweist.

22        (b) Zutreffend stellt das Oberlandesgericht darauf ab, dass eine Veröffentlichung von Entscheidungen aus einem Insolvenzverfahren in besonderem Maß eine Prüfung erfordert, ob berechtigte Belange und Rechte der Beteiligten des Insolvenzverfahrens verletzt sein können und diesen durch eine Schwärzung von Teilen der Entscheidung, die über die übliche Anonymisierung hinausgeht, Rechnung zu tragen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 18; vom 14. Dezember 2017 - IX ZB 65/16, ZIP 2018, 86 Rn. 29). Daraus ergibt sich ein erweitertes Ermessen des Gerichtsvorstands. Das Insolvenzverfahren berührt in vielfacher Hinsicht schutzwürdige Interessen. Hierzu zählen nicht nur die Interessen des Schuldners, sondern die Interessen aller Beteiligten des Insolvenzverfahrens, etwa der Gläubiger, des Insolvenzverwalters oder der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Schutzwürdig sind vor allem Daten, die als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzustufen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - EnVR 12/18, RdE 2020, 182 Rn. 20 ff mwN).

23        Insbesondere treffen den Schuldner im Insolvenzverfahren weitreichende Informationspflichten (vgl. §§ 97 ff InsO). Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 InsO), und erstreckt sich auch auf seine Geschäftsbücher (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Sowohl die Informationspflichten als auch der umfassende Vermögensbeschlag beruhen auf dem Insolvenzzweck (§ 1 InsO). Sie dienen hingegen nicht dazu, eine Information der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Diese Daten, insbesondere zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Schuldners, sind daher besonders schützenswert. Handelt es sich beim Schuldner um eine juristische Person, ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, ob nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch schutzwürdige Rechte des Schuldners bestehen können. Daran kann es fehlen, wenn das Insolvenzverfahren zur Vollbeendigung des Schuldners als Rechtsträger führt und das schuldnerische Unternehmen nicht sonst - etwa nach einer übertragenden Sanierung - fortgeführt wird.

24        In gleicher Weise berührt das Insolvenzverfahren schutzwürdige Interessen der Insolvenzgläubiger, der Massegläubiger und von Aus- und Absonderungsberechtigten. Hier ist zu berücksichtigen, inwieweit ein bestimmtes Geheimhaltungsinteresse oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bereits durch eine Anonymisierung ausreichend geschützt wird und ob im Einzelfall die Interessen dieser Gläubiger eine weitergehende Schwärzung erfordern. Für den Insolvenzverwalter und für Mitglieder des Gläubigerausschusses ist bei ihren berechtigten Interessen insbesondere in die Abwägung einzustellen, ob eine Veröffentlichung in Grundrechte eingreift. In all diesen Punkten ist das Insolvenzverfahren wesentlich anders gelagert als ein Zivilprozess.

25        (c) Weiter zutreffend nimmt das Oberlandesgericht an, dass dem Grundsatz der Öffentlichkeit im Rahmen der erforderlichen Abwägung, in welchem Umfang schützenswerte Interessen der Beteiligten Schwärzungen erfordern oder einer Veröffentlichung der Entscheidung des Insolvenzgerichts entgegenstehen, kein besonderes Gewicht zukommt. Während im Zivilverfahren der leitende Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen und Urteilsverkündungen (§§ 169, 173 GVG) eine weitere Grundlage der Publikationspflicht darstellt und maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Abwägung der Interessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017, aaO Rn. 16, 18), liegt dies im Insolvenzverfahren anders.

26        Das Insolvenzverfahren ist ein nur fakultativ öffentliches Verfahren. Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes sind grundsätzlich anwendbar (vgl. Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 4 Rn. 4; Uhlenbruck/Pape, InsO, 15. Aufl., § 4 Rn. 40). Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 InsO können Entscheidungen des Insolvenzgerichts jedoch stets ohne mündliche Verhandlung ergehen. Damit greift der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung nach § 169 GVG angesichts einer nur fakultativen Mündlichkeit allenfalls dann ein, wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt wird (vgl. Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 5 Rn. 56 f; ders., aaO, 2009, Einleitung Rn. 56; FK-InsO/Schmerbach, 9. Aufl., § 4 Rn. 24; HK-InsO/Sternal, 10. Aufl., § 4 Rn. 27; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 4 Rn. 5). Im Streitfall hat das Insolvenzgericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen.

27        (d) Rechtsfehlerhaft ist schließlich die Annahme des Oberlandesgerichts, dass im Streitfall der Präsident des Amtsgerichts die Überlassung einer anonymisierten und in Auszügen geschwärzten Abschrift der Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise verweigert habe. Dies ist nur möglich, wenn eine Veröffentlichung der Entscheidung - wenn auch nur in Teilen oder mit in erheblichem Umfang geschwärzten Abschnitten - durch das Gericht selbst ausgeschlossen ist. Der Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts enthält insoweit weder ausreichende Feststellungen noch eine ermessensfehlerfreie Begründung.

28        Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Oberlandesgericht an, dass die rechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten des Insolvenzverfahrens dazu führen können, dass die Überlassung einer Abschrift und damit eine Veröffentlichung der Entscheidung des Insolvenzgerichts verweigert wird. Dies kommt angesichts des nur fakultativ öffentlichen Insolvenzverfahrens unter gegenüber der Rechtslage im Zivilprozess erleichterten Voraussetzungen in Betracht. Eine Veröffentlichung ist ausgeschlossen, wenn die Abwägung ergibt, dass die Rechte der Beteiligten eine Schwärzung der gesamten Ausführungen der Entscheidung erfordern.

29        Betrifft die Schwärzung nur Teile der Entscheidung, kann die Herausgabe gleichwohl insgesamt verweigert werden, wenn die erforderlichen Schwärzungen dazu führen, dass die Entscheidung in den verbleibenden Teilen nicht mehr aus sich heraus verständlich ist, die Schwärzungen sinnentstellend sind oder die verbleibenden Teile den Inhalt der getroffenen Entscheidung verfälschen oder inhaltsleer sind. Eine Veröffentlichung hat schließlich zu unterbleiben, wenn die veröffentlichungsfähigen Teile aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch missverständlich werden. Denn die Pflicht zur Veröffentlichung von gerichtlichen Entscheidungen soll die Öffentlichkeit in die Lage versetzen, die Rechtsanwendung durch Gerichte zu erfahren; dieses Ziel wird verfehlt, wenn die auszugsweise Veröffentlichung Inhalt und Sinn der getroffenen Entscheidung unzutreffend wiedergibt.

30        Der Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts berücksichtigt diese Maßstäbe nicht. Er stützt sich allein darauf, dass durch eine Anonymisierung weite Passagen des Beschlusses und damit gerade auch solche Passagen betroffen seien, aus denen sich das wissenschaftliche Interesse ergebe. Dies allein vermag eine vollständige Ablehnung der Erteilung einer Abschrift nicht zu rechtfertigen. Die vom Oberlandesgericht angestellten Erwägungen setzen an die Stelle der Ermessensentscheidung des Präsidenten des Amtsgerichts eine eigene Abwägungsentscheidung. Dies verstößt gegen § 28 Abs. 3 EGGVG.

31        (3) Diese Maßstäbe gelten ebenfalls für die im Streitfall begehrte Veröffentlichung der Vergütungsentscheidung.

32        (a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestimmen § 9 Abs. 1 InsO und § 64 Abs. 2 InsO nicht die Befugnisse der Gerichtsverwaltung, in welchem Umfang eine anonymisierte Abschrift einer Vergütungsentscheidung Dritten zu überlassen ist. Die Bestimmungen richten sich nicht an die Gerichtsverwaltung, sondern an das Insolvenzgericht. Dass der Beschluss über die Vergütung öffentlich bekannt zu machen ist, dient allein dazu, die für den Lauf der Rechtsmittelfrist bedeutsame Zustellung an die Verfahrensbeteiligten auf eine möglichst einfache und effektive Weise zu ersetzen (§ 9 Abs. 3 InsO; vgl. MünchKomm-InsO/Riedel, 4. Aufl., § 64 Rn. 19; Jaeger/Schilken, InsO, § 64 Rn. 15 ff). Hingegen ist es nicht Aufgabe der öffentlichen Bekanntmachung einer Vergütungsentscheidung, Dritten Kenntnis von Einzelheiten dieser Entscheidung zu verschaffen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 130). Dass die öffentliche Bekanntmachung die Unterrichtung der Allgemeinheit über die Insolvenz bezweckt (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl., § 9 Rn. 5), betrifft die für den allgemeinen Rechtsverkehr erheblichen Folgen eines Insolvenzverfahrens. Für Beschlüsse über die Vergütung des Insolvenzverwalters besteht kein Informationsinteresse des allgemeinen Rechtsverkehrs. Daher ist es unerheblich, ob die Veröffentlichung im Streitfall den gesetzlichen Anforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - IX ZB 65/16, ZIP 2018, 86 Rn. 10 f) genügte oder nicht.

33        (b) Hingegen stellt das Oberlandesgericht zu Unrecht in die Abwägung ein, ob die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Verwaltervergütung im Hinblick auf die Anwendung der Vorschriften über die Vergütung des Insolvenzverwalters Besonderheiten gegenüber anderen Vergütungsentscheidungen aufweist. Besteht ein öffentliches Interesse an der Überlassung einer anonymisierten Entscheidungsabschrift, kann dem grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, die Entscheidung sei als nicht veröffentlichungswürdig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017 - IV AR(VZ) 2/16, WM 2017, 948 Rn. 16).

34        (c) Dabei ist es eine Frage des Einzelfalls, in welchem Umfang bei der Veröffentlichung einer Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters die Ausführungen im Tenor, im Sachverhalt und in den Entscheidungsgründen zu schwärzen sind. Hierzu ist insbesondere zu prüfen, inwieweit die Veröffentlichung vergütungsrelevanter Umstände trotz Anonymisierung der Entscheidung schützenswerte Belange des Insolvenzverwalters beeinträchtigen kann. Letzteres wird in der Regel nicht der Fall sein, soweit die öffentliche Bekanntmachung der Vergütungsentscheidung nach § 64 Abs. 2 InsO Angaben enthalten hat. Ob dies im Streitfall dazu führt, dass eine Veröffentlichung der Vergütungsentscheidung insgesamt nicht zulässig ist und somit eine - auch auszugsweise - Überlassung der Entscheidung an Dritte gleichfalls ausscheidet, hat jedoch der Präsident des Amtsgerichts im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu entscheiden.

35        3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts und der Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts Frankfurt am Main sind aufzuheben. Der Präsident des Amtsgerichts Frankfurt am Main hat den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG).

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