OLG Frankfurt: Weisungsunabhängigkeit des Vorstands - Heilungsvoraussetzungen bei zunächst unzulässiger Vertretung der AG
OLG Frankfurt, Urteil vom 17.8.2011 - 13 U 100/10
Leitsätze
1. Der unternehmerische Ermessensspielraum des AG-Vorstandes erlaubt ein Handeln gegen die Interessen eines (Haupt-)Aktionärs der AG.
2. Erklärt im Laufe des Prozesses der AG gegen einen vormaligen Vorstand des Aufsichtsrats, er - der Aufsichtsrat - trete in den Prozess ein und genehmige die bisherige Prozessführung durch den Vorstand, ist der Vertretungsmangel geheilt.
Sachverhalt
I.
Die Klägerin berühmt sich gegenüber dem Beklagten, ihrem früheren (Mit)-Vorstand und Mitgesellschafter, vor dem Hintergrund, dass dieser in Kenntnis seiner alsbaldigen Abberufung als Vorstand am 27. Juli 2006 - die Abberufung des Beklagten erfolgte am 28. Juli 2006 - noch einen Beratungsvertrag mit einem externen Dienstleister mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2007 abschloss, eines auf § 93 Aktiengesetz gestützten Schadensersatzanspruchs.
Mit am 01. Juni 2010 verkündetem Urteil (Bl. 297 ff. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Vorsitzende der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main den Beklagten antragsgemäß zu einer Schadensersatzleistung in Höhe von € 281.034,28 nebst Zinsen verurteilt. In den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils wird unter anderem ausgeführt, der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, weil er den verfahrensgegenständlichen Beratungsvertrag im Alleingang, ohne vorherige „informelle Rücksprache mit dem Aufsichtsrat zu nehmen", abgeschlossen habe, wozu er aufgrund der besonderen Situation im Unternehmen verpflichtet gewesen wäre. Dem Beklagten hätte klar sein müssen, dass aufgrund der Veränderungen in der Struktur der Gesellschafter eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister nicht die Zustimmung des neuen Mehrheitsaktionärs finden würde, der den Aufsichtsrat dominiere. Dem Beklagten, der selbst mit dem externen Dienstleister versucht habe, die Mehrheit der Aktien zu bekommen, sei bekannt gewesen, dass seine Abberufung als Vorstandsmitglied unmittelbar bevor gestanden habe und der neue Vorstand einen Vertrag mit dem Externen sofort kündigen würde, was dieser selbst in seiner persönlichen Erklärung vom 03. August 2006 eingeräumt habe. Dem Beklagten sei es letztlich auch verwehrt, sein Verhalten damit zu rechtfertigen, dass er durch den Abschluss des hier zur Beurteilung anstehenden Vertrages eine dem Unternehmen angekündigte schädliche Pressemitteilung verhindert habe, wozu er von dem Aufsichtsrat angehalten worden sei. Nach den Vorgaben des Aufsichtsrates habe der Beklagte presserechtliche und wettbewerbsrechtliche Schritte prüfen sollen, nicht aber zur Unterbindung der angekündigten Pressemitteilung einen Vertrag schließen dürfen. Der Beklagte habe durch den Vertragsabschluss kurz vor seiner Abberufung als Vorstandsmitglied der Klägerin, sprichwörtlich ausgedrückt, „ein Kuckucksei ins Nest gelegt". Der Beklagte habe damit sein Interesse als Gesellschafter, der mit dem Versuch gescheitert sei, eine Mehrheitsbeteiligung zu erwerben, über seine Pflichten als Vorstand gestellt, der die Gesamtinteressen der Gesellschaft zu berücksichtigen habe.
Gegen das vorstehende und ihm am 04. Juli 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit bei Gericht am 23. Juli 2010 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 06. September 2010 mit bei Gericht am 06. September 2010 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Beklagte hält vorab seine Einrede aufrecht, die Klage sei vor dem Hintergrund unzulässig, dass in der Klageschrift verlautbart werde, die Klägerin werde durch ihren Vorstand vertreten und es sei nicht ausreichend, wenn später der Aufsichtsrat erkläre, er billige die erhobene Klage.
In der Sache wiederholt der Beklagte seine bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente und trägt im Kern vor, ihm sei schon deshalb keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil der von ihm namens der Klägerin abgeschlossene Vertrag nicht der Zustimmung durch den Aufsichtsrat bedurft hätte. Die Frage, wann und unter welchen Umständen er als Vorstand abberufen werden würde, sei damals rein spekulativer Natur gewesen. Dass ihm die beabsichtigte sofortige Entpflichtung als Vorstand nicht bekannt gewesen sei, werde aus seiner Sicht dadurch belegt, dass er namens der Klägerin gegenüber dem späteren Haupt- und Alleinaktionär der Klägerin noch am 24. Juli 2006 - also nur 4 Tage vor seiner Abberufung - eine einstweilige Verfügung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens des späteren Alleinaktionärs der Klägerin beantragt habe.
Der Beklagte trägt vor, der klägerseits geltend gemachte Schaden sei letztlich aufgrund einer eigenen Entschließung der Klägerin eingetreten, die sich entschieden habe, den von ihm namens der Klägerin abgeschlossenen Vertrag nicht zu erfüllen, weshalb sie später durch den Externen auf Schadensersatz verklagt und zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der hiesigen Klageforderung verurteilt worden sei. Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang fehlerhaft eine Unterbrechung der Kausalkette verneint und nicht beachtet, das der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt die Weigerung der Klägerin, den Beratungsvertrag zu erfüllen, als rechtswidrig erachtet habe. Rechtsfehlerhaft werde der Aufsichtsrat von dem Gericht des ersten Rechtszuges offensichtlich als ein dem Vorstand übergeordnetes Gesellschaftsorgan angesehen, was indessen in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung in § 76 Aktiengesetz stehe. Letztlich weise er, der Beklagte, noch darauf hin, dass selbst klägerseits die fachliche Kompetenz des von ihm beauftragen externen Dienstleisters nicht in Frage gestellt werde.
Die weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens ergeben sich aus dem Inhalt der Berufungsbegründungsschrift (Bl. 351 ff. d.A.), auf welche verwiesen wird.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 01. Juli 2010 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, die keinen neuen Sachvortrag hält, verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt ihrerseits die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente und bewertet den weitgehend unstreitigen Sachverhalt aus ihrer Sicht. Die Klägerin meint, der Beklagte habe durch die Übernahme der Mehrheitsbeteiligung durch ihren späteren Alleingesellschafter mit seiner Abberufung als Vorstand rechnen müssen und hätte nicht mehr im Alleingang ohne Rücksprache den streitgegenständlichen Vertrag schließen dürfen. Auch meint sie, die Klägerin, dass der Vertrag im Hinblick auf die Regelungen im Vorstandsanstellungsvertrag ohnehin der Zustimmung durch ihren Aufsichtsrat bedurft hätte.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 09. November 2010 (Bl. 370 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin bereits mit seiner Ladungsverfügung vom 12. April 2011 (Bl. 410 d. A.) darauf hingewiesen, das das angefochtene Urteil nach Aktenstand nicht bestätigt werden könne. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat sehr eingehend die Rechtsfragen, wie sie sich aus seiner Sicht darstellen, mit den Parteien und ihren Vertretern erörtert.
Der Beklagte hat den im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2011 auf Anraten des Senats geschlossenen Prozessvergleich fristwahrend widerrufen.
Aus den Gründen
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist sachlich begründet, weil dem Beklagten - unabhängig von jeder moralischen Bewertung - jedenfalls kein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 93 Aktiengesetz vorgeworfen werden kann, weshalb wie erkannt zu entscheiden war.
1. Vorab ist festzustellen, dass die Berufung nicht etwa des Umstandes willen begründet ist, dass die Klage unzulässig ist. Die Klägerin wird - nunmehr - ordnungsgemäß vertreten. Richtig ist, dass in der Klageschrift vom 25. Mai 2009 verlautbart wird, die Klägerin werde durch ihren Vorstand vertreten. Nach § 78 AktG wird eine Aktiengesellschaft auch regelmäßig durch ihren Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Nach § 112 AktG vertritt aber der Aufsichtsrat der Gesellschaft die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern. Schon seit vielen Jahren ist gesicherter Erkenntnisstand in der Rechtsprechung, dass diese Vertretungsregelung unabhängig davon gilt, ob das Vorstandsmitglied wirksam bestellt wurde und ob es noch amtiert oder nicht (vgl. u.v.a. Urteile des II. Zivilsenats des BGH vom 09.10.1986 zu Aktenzeichen II ZR 284/05 = NJW 1987, 254, und vom 26.06.1995 zu Aktenzeichen II ZR 122/94 = NJW 1995, 2559; Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl. 2010, Rn. 2 zu § 112; Fleischer-Kort, Handbuch des Vorstandsrechts, § 2 Tz. 25 S. 49).
Die Klägerin hat vorgetragen und zunächst nur durch die Erklärung der beiden Vorstandsmitglieder Dr. A und B vom 17./18.09.2009 (Bl. 93 und 94 d. A.) auch belegt, das der Aufsichtsrat „mit der Erhebung dieser Schadensersatzklage von Anfang an einverstanden gewesen" sei. Indem die beiden Aufsichtsratmitglieder erklären, dass der Aufsichtsrat in den Prozess eintrete und die bisherige Prozessführung durch den Vorstand genehmige, ist eine ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin in diesem Verfahren festzustellen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich in seinem Urteil vom 16. Februar 2009 zu Aktenzeichen II ZR 482/07 (WM 2009, 717) erneut klargestellt, dass bei Vertretung einer Aktiengesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied durch den Vorstand zwar eine Heilung des Vertretungsmangels nicht durch eine Rubrumsberichtigung eintreten könne, aber der Aufsichtsrat die Prozessführung des nicht vertretungsberechtigten Vertreters - Vorstand - genehmigen und als gesetzlicher Vertreter in den Prozess eintreten könne. So verhält es sich hier. Der Aufsichtsrat der Klägerin hat die Prozessführung durch den Vorstand genehmigt und ist in den Prozess eingetreten.
2. Entgegen den rechtlichen Erwägungen des Gerichts des ersten Rechtszuges und in Widerspruch zu der klägerseits vertretenen Rechtsauffassung meint der Senat, dass weder der unstreitige Sachverhalt noch der darüber hinausgehende klägerseits behauptete Sachverhalt - sichere Kenntnis des Beklagten von seiner alsbaldigen Abberufung als Vorstand - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Aktiengesetz erfüllt.
Es ist der Vorstand, der gemäß §§ 76 f. AktG eigenverantwortlich die Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben einer Aktiengesellschaft wahrnimmt; er ist deshalb im Grundsatz weisungsfrei (vgl. Frodermann/Schäfer im Handbuch des Aktienrechts, 8. Aufl. 2009, S. 325). Diese gesetzliche Grundsatzentscheidung belegt, dass die Struktur der Aktiengesellschaft nicht mit der einer GmbH verglichen werden kann und der Vorstand im Regelfall gerade und im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer n i c h t von den Weisungen der Gesellschafter abhängig ist, soweit nicht § 82 Abs. 2 AktG eingreift, wonach der Vorstand im Innenverhältnis verpflichtet ist, die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft, die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen worden sind. Selbst Satzungsklauseln dürfen nicht den Bereich eigenverantwortlicher Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand einschränken (vgl. Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, München 2006, § 2 Tz. 17 S. 48).
Der Aufsichtsrat ist, was klägerseits in diesem Verfahren möglicherweise verkannt wird, kein Geschäftsführungsorgan; die Geschäftsführung ist, wie oben ausgeführt, allein Sache des Vorstandes. Die Überwachung der Geschäftsführung ist Sache des Aufsichtsrates, während Grundsatzentscheidungen Sache der Hauptversammlung sind (vgl. Fleischer-Kort, Handbuch des Vorstandsrechts, a.a.O. § 2 Tz. 78 S. 63). Dies bedingt, dass Maßnahmen der Geschäftsführung nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden dürfen. Der historische Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die weitgehend zwingende Kompetenzverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen der Aktiengesellschaft auch für die sogenannte kleine Aktiengesellschaft beizubehalten, weil eine stärkere Trennung von Geschäftsführung und Anteilseigner rechtspolitisch gewollt ist (vgl. Bommert im Handbuch der kleinen AG, 5. Aufl. 2008, S. 152). Das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat ist im wesentlichen dadurch geprägt, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt und überwacht; hinzu kommt die Berichtspflicht des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG.
Im Aktiengesetz wird in § 93, der insoweit eine Doppelfunktion hat, als er sowohl ein Pflichtenquelle ist als auch den Verschuldensmaßstab beschreibt, die Verletzung einer organschaftlichen Pflicht sanktioniert, weshalb es eines normwidrigen Verhaltens bedarf (Frodermann/Schäfer, a.a.O. S. 375). In der Literatur wird der Pflichtenkreis des Vorstandes im allgemeinen dahingehend beschrieben, das die Mitglieder des Vorstandes die Pflicht haben, im Rahmen von Gesetz und Ordnung den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Maßgeblich ist danach, wie ein pflichtbewusster, selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu handeln hat (Hüffer, Aktiengesetz a.a.O. Rn. 4 zu § 93). Der für die organschaftliche Haftung vorgegebene Sorgfaltsmaßstab entspricht funktional §§ 276 BGB, 347 HGB. Bezugspunkt ist die Gesellschaft und nicht der Aktionär, sei er auch der Haupt- oder sogar Alleinaktionär.
Der bereits in Bezug genommene § 82 AktG verpflichtet die Vorstandsmitglieder, die aktienrechtliche Kompetenzverteilung zu wahren (Fleischer in Spindler/Stilz, Aktiengesetz, München 2007, Rn. 20 zu § 93). Dass der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen habe, verstehe sich von selbst, meinte der historische Gesetzgeber bei der Novellierung des Aktienrechts 1965 (vgl. BegrRegE S. 97, zitiert bei Fleischer a.a.O. Rn. 23 zu § 76). In einer Auswertung der neueren Kommentarliteratur und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes meint Fleischer, dass Aktionäre (Kapital), Arbeitnehmer (Arbeit) und die Öffentlichkeit (Gemeinwohl) als maßgebliche Interessenträger angesehen werden; als verbindliches Mindestziel werde allein die Vorstandspflicht anerkannt, für den Bestand und die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens zu sorgen (Rn. 27 zu § 76), wobei senatsseits nicht übersehen wird, dass sich auch in Deutschland in der Literatur verstärkt Stimmen äußern, die in Anlehnung an die angelsächsische Shareholder Primacy Norm für einen Vorrang der Aktionärsinteressen eintreten. Gesicherter Erkenntnisstand heute ist indessen nur, dass der Vorstand bei seinen Entscheidungen dem Shareholder Value Gedanken Rechnung tragen darf.
Soweit das Verhalten des Beklagten unter die gesetzliche Norm des § 93 AktG zu subsumieren ist, muss letztlich auch noch gesehen werden, dass es das Recht des Vorstandes ist, Entscheidungen nach eigenem Ermessen zu treffen (vgl. hierzu auch das instruktive Urteil des BGH vom 07.03.1994 zu Aktenzeichen II ZR 52/93, zitiert nach JURIS). Nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung steht dem Vorstand ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu, der auch die Gefahr von Fehleinschätzungen und Fehlbeurteilungen einschließt („Business Judgement Rule").
Gemessen an den vorstehend skizzierten gesetzlichen Vorgaben kann in dem Abschluss des Beratungsvertrages mit dem externen Dienstleister am 27. Juli 2003 keine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung gesehen werden.
Fakt ist, dass der Fonds ... stets durch einen von der Klägerin beauftragten Dritten und nicht durch eigene Angestellte gemanagt wurde. Bis zu seiner Kündigung im Juni 2005 war der spätere Alleinaktionär der Klägerin der „Berater" des Fonds. Danach wurde für den Fonds der externe Dienstleister tätig. Aus welchen Gründen auch immer sah auch er sich veranlasst, die Kündigung zu erklären. Die kurze Kündigungsfrist ist nicht ihm anzulasten, denn sein Beratungsvertrag sah eben nur eine vierwöchige Kündigungsfrist vor. Dass er in einer Übergangsphase, in der sich das Unternehmen damals befand (Change of Control), die (ordentliche) Kündigung erklärte, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Gerade in einer solchen Umbruchzeit ist es nachvollziehbar, wenn der Fondsmanager einen gesicherten Zeitrahmen für seine Tätigkeit, die von einer interessierten Öffentlichkeit beobachtet wird, haben will. Wenn es auch nicht von der Hand zu weisen ist, dass das Argument des mittelfristigen Zeithorizonts (siehe hierzu die beabsichtigte Presseerklärung) möglicherweise nur ein vorgeschobenes Argument gewesen sein könnte, kann die Berechtigung dieser Argumentation jedenfalls nicht ernsthaft bestritten werden.
Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass dem Beklagten bekannt war oder er zumindest fest damit rechnete, dass der spätere Alleinaktionär der Klägerin erneut an dem Fondsmanagement interessiert war, begründet dies für ihn keine Verpflichtung, mit diesem Aktionär Vertragsgespräche aufzunehmen, zumal aus der Sicht des Unternehmens, welche in rechtlicher Betrachtungsweise allein maßgeblich ist, erhebliche Bedenken bestanden, gerade mit dem späteren Alleinaktionär der Klägerin zusammen zu arbeiten, weil ganz offensichtlich Interessenkollisionen bestanden. Es war schließlich die Gründung einer Konkurrenzfirma, die damals Anlass zur Beendigung der Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und ihrem späteren Alleingesellschafter betreffend den streitgegenständlichen Fonds war. Die klägerseits durch den Vorstand in der Antragsschrift auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ihren späteren Alleingesellschafter vorgetragenen Argumente belegen aus Senatssicht nachhaltig, dass die Vorstandsentscheidung, den späteren Alleinaktionär gerade nicht mit dem Management des verfahrensgegenständlichen Fonds zu betrauen, objektiv nachvollziehbar und auch gerechtfertigt erscheint. Zu dem damaligen Zeitpunkt war die Klägerin noch ein unabhängiges und selbständig auf dem Markt agierendes Unternehmen und musste nicht Sonderinteressen eines Anteilseigners berücksichtigen. Dass heute die Klägerin eine hundertprozentige Tochter des vormals durch den späteren Alleinaktionär der Klägerin gegründeten Konkurrenzunternehmens ist, war ebenso wenig gesichert wie die spätere Alleinstellung des Aktionärs C. Der Beklagte hatte als Vorstand der Klägerin deren vermeintliche Interessen zu wahren und nicht die des Aktionärs C; die grundsätzliche Weisungsfreiheit des Vorstands bedingt, dass der Vorstand nicht einmal an Weisungen eines Großaktionärs gebunden ist (Hüffer a.a.O. Rn. 10 zu § 76). Gleichsam entlarvend ist, wenn die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung ausführt, dass es im Vorfeld des streitgegenständlichen Vertragsabschlusses zu erheblichen Kontroversen zwischen dem Beklagten und dem externen Anlageberater einerseits und ihrem Hauptaktionär andererseits gekommen sei und der externe Berater „unerwünscht" gewesen sei, was nur heißen kann, ihrem Hauptaktionär war der externe Dienstleister unerwünscht. Es gibt aber aufgrund der gesetzlichen Strukturvorgaben keine notwendige Interessenidentität zwischen dem Haupt- oder Großaktionär und dem Unternehmen selbst.
Der verfahrensgegenständliche Fonds wurde stets von einem externen Berater gemanagt, weshalb mit der erneuten Beauftragung des Externen mit der Fondsleitung keine unternehmerische Richtlinie verletzt wurde. Zwar kann nicht verkannt werden, dass auch das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem externen Dritten nicht als unproblematisch bezeichnet werden kann und Interessenkonfliktpotentiale bestanden, aber der externe Berater hat nach Aktenstand den Fonds vor Abschluss des streitgegenständlichen Beratungsvertrages, welcher nunmehr dem Beklagten zum Vorwurf gemacht wird, stets ordnungsgemäß und beanstandungsfrei gemanagt. Die Klägerin hat auch in diesem Verfahren nicht einmal ansatzweise vorzutragen versucht und unter Beweis gestellt, dass der externe Berater für die Tätigkeit fachlich nicht geeignet gewesen sei.
Die von dem Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, bis zum 31. Juli 2006 einen neuen Fondsmanager zu bestellen, ist haftungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus der gebotenen ex ante Sicht durfte der Beklagte auch davon ausgehen, dass er mit dieser seiner Entscheidung die wohl verstandenen Interessen der Klägerin wahrte. Herr D - der externe Dritte - konnte aufgrund seiner bereits gemachten Erfahrungen in jenem speziellen Fonds als besonders geeignet angesehen werden, den Fonds weiter zu leiten, zumal gegen seine fachliche Kompetenz keine Einwände erhoben werden. Mit dem Vertragsabschluss konnte darüber hinaus auch eine für die Klägerin nachteilige Presseberichterstattung verhindert werden, was durchaus als ein beachtenswertes Motiv gewertet werden kann. Dass Herr D im Juli 2006 gegenüber der Klägerin eine starke Verhandlungsposition innehatte, weil er vorgab, eine vorbereitete und inhaltlich der Klägerin nachteilige Presseerklärung veröffentlichen zu wollen, macht sein Verhalten, wie der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt in seinem Berufungszurückweisungsbeschluss vom 09. Februar 2009 zu Aktenzeichen 17 U 303/08 (Schadensersatzprozess des externen Beraters gegen die Klägerin) zutreffend ausführte, nicht verwerflich und kann auch strafrechtlich nicht als Nötigung qualifiziert werden (vgl. Bl. 45 des Anlagenbandes).
Bei unternehmerischen Entscheidungen ist dem Vorstand ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen - sogenannte Business Judgement Rule - (Fleischer im Handbuch des Vorstandes a.a.O. § 7 Tz. 46 S. 255; Frodermann/Schäfer im Handbuch a.a.O. Kapitel 7 Tz. 209 S. 377; Urteil des BGH vom 21.04.1997 zu Aktenzeichen II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244 ff., 253). Dass Herr D während der angedachten Vertragslaufzeit seinen Beraterpflichten nicht hätte ordnungsgemäß nachkommen können, wird klägerseits nicht behauptet. Es wird auch nicht einmal ansatzweise vorgetragen, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung oder die Vertragslaufzeit branchenunüblich seien. Wenn die Klägerin vorträgt, „ein Telefonat hätte genügt" (vgl. Bl. 279 d. A.), um den Beklagten darüber in Kenntnis zu setzen, dass seitens der Klägerin der Vertrag nicht gewollt sei, so verkennt sie die Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft, denn es war nicht Sache des Aufsichtsrates oder im besonderen nicht ihres Großaktionärs C, darüber zu befinden, wer den hier verfahrensgegenständlichen Fonds in Zukunft leiten solle.
Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch ausgeführt, dass die persönliche Erklärung des Beklagten vom 03. August 2006 ebenfalls keine sachfremden und daher von dem ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht mehr gedeckte Erwägungen belegt.
Schließlich verfängt auch nicht das Argument der Klägerin, der am 27. Juli 2006 abgeschlossene Beratungsvertrag habe der Zustimmung durch ihren Aufsichtsrat bedurft.
Richtig ist, das der Vorstandsanstellungsvertrag des Beklagten (Bl. 1 Anlagenband) in § 2 Ziffer 3 i.V.m. dem Vertragsanhang einen Katalog von Rechtsgeschäften enthält, die der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen.
Der verfahrensgegenständliche Vertrag ist unter keinen der 14 Punkte zu subsumieren. Weder handelt es sich um eine Investition (Ziffer 6) noch um einen Miet- oder Pachtvertrag (Ziffer 7) oder gar um die Einstellung eines leitenden Angestellten (Ziffer 8); denn der externe Berater stand gerade in keinem Angestelltenverhältnis zur Klägerin. Der hier zur Beurteilung anstehende Beratungsvertrag kann letztlich entgegen der klägerischen Rechtsauffassung auch nicht unter Ziffer 14 (Wortlaut: „sämtliche Geschäfte, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbereiches liegen") subsumiert werden, weil es gerade der Üblichkeit bei der Klägerin entsprach, die von ihr aufgelegten Fonds durch Externe managen zu lassen.
Vor dem vorbeschriebenen Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Entscheidung mehr darüber, ob der Katalog zustimmungsbedürftiger Rechtsgeschäfte überhaupt rechtswirksam vereinbart werden konnte, weil die Satzung der Klägerin hierfür keine Rechtsgrundlage bietet. Da die Voraussetzungen des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nicht geschaffen wurden, dürfte die Vertragsbestimmung, die einen strukturellen Eingriff in die gesetzliche Aufgabenverteilung der drei Organe einer Aktiengesellschaft darstellt, schwerlich als wirksam anzusehen sein.
Da der Senat bereits eine Pflichtwidrigkeit des Beklagten dem Grunde nach verneint, bedarf es keiner eingehenden Ausführung mehr zur geltend gemachten Schadenshöhe. Höchstvorsorglich sei jedoch ergänzend noch angemerkt: Der Klägerin kann ein ersatzfähiger Schaden nur dann entstanden sein, wenn ihre Weigerung, den Beratungsvertrag vom 27. Juli 2006 zu erfüllen, sich als eine wirtschaftlich angemessene und vernünftige Reaktion darstellt (vgl. hierzu Urteil des BGH von 04.07.1994 zu Aktenzeichen II ZR 126/93 = NJW 1995, 126 ff., 127). Nach den Ausführungen des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt in dem Vorprozess zwischen dem externen Berater und der Klägerin dürfte dies wohl eher zu verneinen als zu bejahen sein, weshalb selbst bei einer unterstellten Pflichtverletzung des Beklagten die vorliegende Klage der Klägerin mangels Kausalität zwischen Pflichtverletzung und hier geltend gemachtem Schaden kaum Aussicht auf Erfolg gehabt haben dürfte.
3. Ihr Begehren ist letztlich auch nicht, wie die Klägerin meint und worauf sie ausdrücklich in ihrem Schriftsatz vom 4. August 2011 hinweist, in einer Teilhöhe von nur € 50.000,00 im Hinblick auf die Regelungen in dem Vertragsaufhebungsvertrag vom 8. September 2006 begründet. In jener Vereinbarung wird zum einen verlautbart, dass das Dienstverhältnis zwischen den Prozessparteien einvernehmlich zum 30. September 2006 endet und der Beklagte auf die Geltendmachung von Tantiemeansprüchen für die Geschäftsjahre 2005 und 2006 verzichtet. § 12 des Vertrages hat u.a. nachstehenden Inhalt
Das Vorstandsmitglied (Hinweis: gemeint ist der Beklagte) verpflichtet sich auf freiwilliger Basis - unabhängig vom Bestehen etwaiger Schadensersatzansprüche, die ihm gegenüber aus seiner Vorstandstätigkeit geltend gemacht werden - zu einer Zahlung von höchstens € 50.000,00 (in Worten: Euro fünfzigtausend) an die Aktiengesellschaft (Hinweis: gemeint ist die Klägerin) - und zwar in Anrechnung auf etwaige Schadensersatzansprüche der Aktiengesellschaft -, für den Fall, dass es zu einem abschließenden außer- oder gerichtlichen Vergleich zwischen der Aktiengesellschaft und den Klägern (Hinweis: gemeint ist der externe Dienstleister und eine von ihm beherrschte Gesellschaft) kommt.
Nach dem Wortlaut der Vereinbarung wird der Betrag von maximal € 50.000,00 nur dann von dem Beklagten geschuldet, wenn die Klägerin sich im Vergleichswege mit dem externen Berater zu einer Zahlung in gleicher Höhe oder zu einer höheren Zahlung verpflichtet hätte. Unstreitig hat die Klägerin mit dem externen Berater keinen Vergleich geschlossen.
Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Entgegen der vorgetragenen klägerischen Rechtsauffassung kann im Hinblick auf die Verurteilung der Klägerin in dem Vorprozess zwischen ihr und dem externen Berater von keiner „Regelungslücke" im Vertrag zwischen den Prozessparteien ausgegangen werden, welche im Wege einer Erst-recht-Argumentation zu schließen wäre.
Eine Regelungslücke ist nämlich regelmäßig nur dann gegeben, wenn die Vertragsparteien an einen bestimmten regelungsbedürftigen Punkt nicht gedacht haben oder sie eine Regelung für nicht erforderlich hielten (vgl. u.v.a. Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, Rn. 3 zu § 157 mit Nachweisen). Von einem derartigen Sachverhalt kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine gerichtliche Auseinandersetzung im Raume stand. Der Externe hatte nämlich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung die Klägerin bereits unter Fristsetzung zur Vertragserfüllung aufgefordert gehabt.
Wird ein Streit durch Vergleich beigelegt, ist es für den Vergleichschließenden oftmals sehr schwierig zu regredieren, denn im Verhältnis zum Dritten kann es weiter streitig bleiben, ob überhaupt eine Zahlungspflicht für den Regredienten gegenüber der anderen Vergleichspartei bestand oder nicht. Ergeht ein rechtskräftiges Urteil, ist die Sach- und Rechtslage eine ganz andere; denn im Verhältnis der Prozessparteien steht die Zahlungspflicht fest. Hat die unterlegene Vertragspartei ihrerseits einen Anspruch gegen einen Dritten, dem sie in einem Prozess auch den Streit verkünden kann, so sind ihre Aussichten, erfolgreich einen Rückgriff nehmen zu können, ganz anders und viel günstiger zu beurteilen, als wenn es zu entsprechenden gerichtlichen Feststellungen infolge eines Vergleichs nicht kommt. Die in der Vereinbarung getroffene Regelung betreffend Zahlungspflicht des Beklagten ist nach Senatsauffassung vor diesem Hintergrund als abschließend zu bewerten.
Eine Regelungslücke liegt auch dann nicht vor, wenn sich eine eindeutige Regelung später aus der Sicht einer Partei als unbillig erweist (in diesem Sinne auch Palandt- Ellenberger a.a.O.)
Da nach Auffassung des Senats der Vertrag zwischen den Prozessparteien vom 8. September 2006 keine Regelungslücke enthält, welche im Sinne des Klagebegehrens geschlossen werden könnte, stellt sich entscheidungserheblich nicht die Frage, ob nicht der Vergleich überhaupt inhärent so zu verstehen ist, dass die von dem Beklagten eingegangene Zahlungsverpflichtung nur dann bestehen soll, wenn die Klägerin zum einen zum Schadensersatz verpflichtet ist u n d zum anderen sie den Schaden nicht selbst, sondern der Beklagte zu vertreten hat. Davon kann aber nach den vorstehenden Ausführungen schwerlich ausgegangen werden.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterliegt (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Revision war nicht zuzulassen weil die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die vorliegende Entscheidung des Senats beruht ausschließlich auf einer tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts unter Beachtung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts. Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen. Auch weicht der Senat von der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht ab.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Schuldnerschutzanordnung konnte gemäß §713 ZPO vorliegend nicht unterbleiben.
Zwar der Senat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen, aber § 544 ZPO eröffnet der Klägerin die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, die vorliegend auch nicht im Hinblick auf die Regelung in § 26 Ziffer 8 EGZPO i.d.F. des Artikel 9 des 2. JuMoG vom 22.12.2006 (Bundesgesetzblatt I 3416) unzulässig ist, weil die Urteilsbeschwer über € 20.000,00 liegt.