OLG Nürnberg: Wegfall des Sicherungszwecks einer zur Vollstreckungsabwehr erbrachten Prozessbürgschaft
OLG Nürnberg, Urteil vom 5.3.2024 – 3 U 764/23
Volltext: BB-Online BBL2024-1282-1
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Amtliche Leitsätze
1. Für den Wegfall des Sicherungszwecks einer Prozessbürgschaft, die zur Vollstreckungsabwehr erbracht wird, ist darauf abzustellen, ob der Gläubiger der streitgegenständlichen Ansprüche durch die zeitweise Abwendung der Vollstreckung einen Schaden erlitten hat. Für einen derartigen, durch die Verzögerung bedingten Schadensersatzanspruch des Gläubigers trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast und ist der Zeitraum zwischen der Anordnung der Abwendungsbefugnis und der Rechtskraft der Entscheidung maßgeblich.
2. Bei einem titulierten Auskunftsanspruch ist für das Bestehen eines Verzögerungs-schadens darauf abzustellen, welchen Nachteil der Gläubiger infolge einer verspäteten Auskunft erleiden kann. Der Verzögerungsschaden bei einem Unterlassungstitel kann bei entsprechenden Darlegungen zum einen in der während des Vollstreckungsaufschubs zu zahlenden angemessenen und üblichen Lizenzgebühr und zum anderen in der – auf der (zeitweisen) Nichtvollstreckung des Unterlassungstitels beruhenden – Er-höhung eines Marktverwirrungsschadens bestehen.
MarkenG § 19 Abs. 5¸BGB § 371¸ ZPO § 109, § 711
Sachverhalt
A.
Die Parteien streiten um die Herausgabe einer Bankbürgschaftsurkunde, die von der in einem zwischen den Parteien mit umgekehrtem Rubrum geführten markenrechtlichen Rechtsstreit (im Folgenden: Vorprozess) unterlegenen Klägerin zur Vollstreckungsabwehr erbracht wurde.
I. In dem Vorprozess hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth u.a. die hiesige Klägerin mit Urteil vom 07.08.2019 (Az.: 4 HK O 9464/15) wie folgt verurteilt:
I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es […] zu unterlassen,
1. im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung ihres auf die Entwicklung, industrielle Fertigung, Service und Vertrieb von Antriebstechnik gerichteten Unternehmens die Bezeichnung „h. GmbH“ und/oder „H. A. GmbH“ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen;
2. im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „h.“ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, um unter diesem Kennzeichen Waren und Dienstleistungen für die Entwicklung, industrielle Fertigung, Service und Vertrieb von Antriebstechnik anzubieten, zu bewerben und/oder anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen.
II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es […] zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Internetdomain „h[…].de“ zu benutzen und/oder benutzen zu lassen […].
III. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden verurteilt, der Klägerin seit dem 22.03.2006 darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer I. begangen haben, und zwar über die erzielten Umsätze, welche unter der streitgegenständlichen Bezeichnung gemäß Ziffer I. begangen wurden, sowie über die Art und Menge der gemäß Ziffer I. hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und Dienstleistungen, über die für diese Waren und Dienstleistungen bezahlte Preise, sowie über die gewerblichen Abnehmer dieser Waren und Dienstleistungen gemäß Ziffer I. Zum Beleg und Nachweis dieser Auskünfte sind geeignete Unterlagen wie Bestellungen, Rechnungen, Lieferscheine vorzulegen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser ausgehend von den in Ziffer 1. beschriebenen Handlungen seit dem 22.03.2006 bereits entstanden ist oder künftighin noch entstehen wird.
V. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die sich in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Gegenstände zu vernichten, die gemäß Ziffer I. gekennzeichnet sind.
VI. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die gemäß Ziffer I. gekennzeichneten Waren und/oder hergestellten und vertriebenen Produkte zurückzurufen und endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen.
VII. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in die Löschung des Bestandteils „h.“ in ihrer im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB […] eingetragenen Firma „h. GmbH Antriebstechnik und Service“ einzuwilligen.
VIII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.948,90 € zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.10.2015 zu bezahlen.
Die von der hiesigen Klägerin gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 02.07.2020 zurückgewiesen (Az. 3 U 3465/19). Ziffer 3. dieses Beschlusses lautete:
Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 260.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die von der hiesigen Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 09.03.2021 zurück (Az. I ZR 130/20).
Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth bewirkte die hiesige Klägerin Sicherheitsleistung durch eine Bankbürgschaft der Rbk […] vom 07.08.2020 über 260.000,00 €. Mit Erklärung vom 05.01.2023 ermächtigte die Rbk […] die Klägerin im eigenen Namen Klage auf Rückgabe der Bankbürgschaftsurkunde zu erheben.
Der in Ziffer VIII. des Urteils aus dem Vorprozess titulierte Zahlungsanspruchs ist erfüllt. Gleiches gilt für Ziffer VII. des Ausgangsurteils, da die hiesige Klägerin umfirmierte. Mit Schreiben vom 19.05.2021 (Anlage K 5) und 22.06.2021 (Anlage K 6) erteilte die Klägerin Auskünfte.
II. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die auf Herausgabe dieser Bankbürgschaftsurkunde gerichtete Klage mit Urteil vom 10.03.2023 – einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a, § 251a Abs. 2 ZPO – ab. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass die Klagepartei die Rückgabe der Sicherheit nicht verlangen könne, da der in Ziffer III. des Ausgangsurteils titulierte Auskunftsanspruch noch nicht erfüllt worden und deshalb der Sicherungszweck der Bürgschaft nicht entfallen sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung.
Sie beantragt,
Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.03.2023 verurteilt, die Bürgschaftsurkunde über die Prozessbürgschaft Nr. […] der Rbk […] vom 06.08.2020 betreffend das Verfahren 3 U 3465/19 (Anlage A), an die Rbk […] herauszugeben.
Zur Begründung führt die Klägerin insbesondere aus, dass die vom Landgericht getroffene Entscheidung nach Lage der Akten gegen § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verstoße. Auch sei der Sicherungszweck der Bürgschaft entfallen, da der Auskunftsanspruch durch die Schreiben der Klägerin vom 19.05.2021 und vom 22.06.2021 vollständig erfüllt worden sei. Der Unterlassungstenor habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Das Landgericht habe durch unzulässige Interpretation den Auskunftsanspruch in unzulässiger Weise auf markenrechtliche Benutzungshandlungen ausgedehnt, welche weder von dem in Bezug genommenen Unterlassungstenor noch von dem Tatbestand des Ausgangsurteils umfasst sind.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Zur Begründung führt die Beklagte insbesondere aus, dass eine vollständige Erfüllung und Befriedigung der titulierten Ansprüche nicht eingetreten sei, sodass der Sicherungszweck der streitgegenständlichen Prozessbürgschaft nicht entfallen sei. Es seien auch weiterhin erhebliche Verstöße gegen das rechtskräftige Unterlassungsgebot gegeben.
Der Senat erteilte mit Verfügung vom 17.01.2024 ausführliche rechtliche Hinweise. Dazu nahm die Beklagte mit zwei Schriftsätzen vom 27.02.2024 Stellung. Am 19.02.2024 entschied der Senat, mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Aus den Gründen
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zwar leidet das landgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel (nachfolgend unter Ziffer I.). Die Klage auf Herausgabe der Bankbürgschaft ist jedoch zulässig (nachfolgend unter Ziffer II.) und begründet (nachfolgend unter Ziffer III.).
I.Das landgerichtliche Urteil leidet nicht an einem Verfahrensmangel. Insbesondere steht der getroffenen Entscheidung nach Lage der Akten nicht entgegen, dass die Beklagte einen Schriftsatz erst kurz vor der mündlichen Verhandlung einreichte, da die Vorschrift des § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur bei Säumnis des Beklagten zu beachten ist (Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 335 Rn. 4; MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, § 335 ZPO Rn. 11). Im Übrigen würde die Entscheidung des Erstgerichts nicht auf einem – unterstellten – Verstoß beruhen.
II. Die Klage ist zulässig.
1. Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde.
Zwar ist eine Klage auf Rückgabe der Sicherheit mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, solange der Sicherungsgeber davon ausgehen kann, mittels des Verfahrens gemäß § 109 ZPO sein Rechtsschutzziel erreichen zu können (BGH, Urteil vom 24.02.1994 – IX ZR 120/93, NJW 1994, 1351, juris-Rn. 10). Die sicherheitsleistende Partei kann jedoch ohne weiteres die Einwilligung des Prozessgegners in die Rückgabe im Klagewege verlangen, wenn nach dem Verhalten des Gegners anzunehmen ist, dass dieser es auf eine Entscheidung durch Urteil ankommen lassen will (BGH, Urteil vom 20.11.1978 – VIII ZR 243/77, NJW 1979, 417, juris-Rn. 11).
Im vorliegenden Fall ist das Verfahren nach § 109 ZPO ersichtlich nicht zielführend, weil sich die Beklagte zum einen darauf beruft, dass der Auskunftsanspruch nicht vollständig erfüllt worden und deshalb der Sicherungszweck nicht entfallen sei. Zum anderen reklamiert die Beklagte die Sicherheit weiterhin für sich und hat sogar die Rbk mehrfach zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags aufgefordert. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht davon ausgehen, mittels des Verfahrens nach § 109 ZPO ihr Rechtsschutzziel erreichen zu können.
2. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt.
Zwar steht bei Wegfall des Sicherungszwecks entsprechend § 371 BGB der Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde dem Bürgen zu (BGH, Urteil vom 14.07.2004 – XII ZR 352/00, NJW 2004, 3553, juris-Rn. 25; OLG Koblenz, Urteil vom 13.10.2020 – 3 U 773/20, juris-Rn. 70). Die Klägerin kann diesen Anspruch jedoch gerichtlich geltend machen, da sie von der Bürgin – der Rbk – zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ermächtigt wurde. Die gewillkürte Prozessstandschaft ist auch zulässig, da die prozessführende Klägerin ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung hat. Dieses ergibt sich bereits daraus, dass nach dem unbestrittenem Vortrag der Klägerin die Bank ihr Avalzinsen für einen Betrag von 260.000,00 € berechnet, solange die Prozessbürgschaft nicht zurückgegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.1989 – IX ZR 182/87, NJW 1989, 1482, juris-Rn. 47).
Vor dem Hintergrund der Ermächtigung durch die Rbk muss der Senat nicht entscheiden, ob die Klägerin deshalb klagebefugt ist, weil Streit über die Ansprüche auf die Sicherheit besteht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 03.02.1971 – VIII ZR 94/69, NJW 1971, 701).
III. Die Klage ist auch begründet, da der Sicherungszweck der streitgegenständlichen Prozessbürgschaft entfallen und diese daher an die Rbk nach § 371 BGB analog herauszugeben ist.
1. In rechtlicher Hinsicht geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:
a) Die Rückgabe einer Sicherheit kann dann verlangt werden, wenn der Anlass zur Sicherheitsleistung weggefallen ist, also aus der Durchsetzung der vorläufigen Maßregel kein Schaden mehr erwachsen kann (MüKoBGB/Habersack, 9. Aufl. 2024, § 765 BGB Rn. 131).
Wird eine Prozessbürgschaft – wie hier – auf Veranlassung des erstinstanzlich unterlegenen Schuldners zur Vollstreckungsabwehr erbracht, besteht ihr Sicherungszweck in der Sicherung der durch den Titel geschaffenen und nunmehr aufgeschobenen Vollstreckungsbefugnis des Titelgläubigers. Sie soll einen angemessenen Ausgleich für den Verzicht des Gläubigers auf die ihm eigentlich gestattete vorläufige Vollstreckung darstellen und die Vollstreckungsbefugnis, die er durch das Urteil erlangt hat, das heißt die Realisierbarkeit der titulierten Ansprüche sichern (BGH, Urteil vom 11.11.2014 – XI ZR 265/13, NJW 2015, 351, BGHZ 203, 162, Rn. 25). Die Abwendungssicherheit dient somit der Absicherung möglicher Ansprüche der Gegenpartei im Zusammenhang mit dem mit einem Vollstreckungsaufschub unter Umständen für den Gläubiger verbundenen Schaden (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 108 Rn. 2). Auch der Umfang der Haftung ergibt sich aus einem aus dem gewährten Vollstreckungsaufschub entstandenen Schaden (Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 108 Rn. 17).
b) Der Schaden, den der Gläubiger infolge des Vollstreckungsaufschubs erleiden kann, ist unterschiedlich, je nachdem, ob die Erfüllung des Hauptanspruchs nebst Zinsen und Kosten gefährdet erscheint oder ob nur mit einem Verzögerungsschaden zu rechnen ist (MüKoZPO/Schulz, a.a.O. § 108 Rn. 59). Kann die Erfüllung der Hauptforderung durch den Vollstreckungsaufschub nicht gefährdet werden, so bleibt das Erfüllungsinteresse für die Festsetzung der Sicherheit – und damit auch für die Frage des Wegfalls des Sicherungszwecks – ohne Bedeutung. Dies gilt insbesondere dort, wo die Verurteilung keinen betragsmäßig fixierten Inhalt hat, also bei Verurteilungen zur Auskunft und Unterlassung. Die Nichterfüllung dieser Ansprüche kann nicht durch den späteren Zugriff auf die Sicherheit ausgeglichen werden (Wieczorek/Schütze/Hess, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 711 Rn. 5).
aa) Bei einem titulierten Auskunftsanspruch ist für die Frage des Wegfalls des Sicherungszwecks maßgeblich darauf abzustellen, welchen Nachteil der Gläubiger infolge einer verspäteten Auskunft erleiden kann (BeckOK ZPO/Jaspersen, 49. Ed. 01.07.2023, § 108 ZPO Rn. 4.1); die Erfüllung des eigentlichen Auskunftsanspruchs als solche kann durch eine Sicherheitsleistung nicht gewährleistet werden (MüKoZPO/Schulz, a.a.O. § 108 Rn. 12).
bb) Bei einem Unterlassungstitel ist ebenfalls nur der durch den Aufschub der Vollstreckung bedingte Schadensersatzanspruch entscheidend. Die Nichterfüllung der titulierten Unterlassungsverpflichtungen kann nicht durch den späteren Zugriff auf die Sicherheit ausgeglichen werden; andernfalls könnte der Sicherungseber niemals die Rückgabe einer Sicherheit verlangen, da ein zukünftiger Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot immer im Raum steht.
Für den daher maßgeblichen Verzugsschaden kann bei entsprechenden Darlegungen zum einen auf die Höhe des objektiven Werts der angemaßten Benutzungsberechtigung während des Vollstreckungsaufschubs, der in der für diesen Zeitraum zu zahlenden angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2021 – I ZR 20/21, GRUR 2022, 82 Rn. 13 – Layher), abgestellt werden. Denn die Dauer der Verletzungshandlung kann ein wertbildender Faktor für die Höhe des Lizenzsatzes sein (BGH a.a.O. Rn. 14 – Layher).
Zum anderen kann der Verzugsschaden in der Darlegung der – auf der (zeitweisen) Nichtvollstreckung des Unterlassungstitels beruhenden – Erhöhung eines Marktverwirrungsschadens bestehen. Dabei kann der Marktverwirrungsschaden einerseits im Rahmen der konkreten Schadensberechnung, zum Beispiel beim Ersatz entstandener Marktentwirrungskosten, und andererseits bei der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 29.07.2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 Rn. 29 – BTK).
c) Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass für den Wegfall des Sicherungszwecks der im Vorprozess geleisteten Prozessbürgschaft darauf abzustellen ist, ob die Beklagte als Gläubigerin der streitgegenständlichen Ansprüche durch die zeitweise Abwendung der vorläufigen Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth einen Schaden erlitten hat. Dabei kann insbesondere bei den im Urteil vom 07.08.2019 erfolgten Verurteilungen zur Auskunft und Unterlassung nicht auf die Nichterfüllung dieser Ansprüche selbst abgestellt werden, sondern nur auf einen durch die Verzögerung bedingten Schadensersatzanspruch der Beklagten. Es ist daher zu prüfen, ob die Beklagte einen Nachteil infolge einer verspäteten Auskunft oder einen Schaden wegen des Aufschubs der Vollstreckung des Unterlassungstitels erlitten hat. Maßgeblich für diesen Verzögerungsschaden ist der Zeitraum zwischen der Entscheidung des Senats vom 02.07.2020, in welcher die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO angeordnet wurde, und dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2021, mit welchem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und damit eine Vollstreckung ungeachtet der Sicherheitsleistung ermöglicht wurde.
d) Darlegungs- und beweisbelastet für den Wegfall des Sicherungszwecks ist grundsätzlich die Klagepartei. Die Beklagte trifft allerdings – worauf der Senat bereits ausdrücklich hinwies – eine sekundäre Darlegungslast, soweit sie einen durch die Bürgschaft abgesicherten Schaden geltend macht.
2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Bürgschaftsurkunde herauszugeben, da weder dargetan noch ersichtlich ist, dass der Anlass zur Sicherheitsleistung fortbesteht.
a) Hinsichtlich des in Ziffer VIII. des Ausgangsurteils titulierten Zahlungsanspruchs ist der Sicherungszweck der Bürgschaft entfallen, da die Klägerin diesen Anspruch unstreitig erfüllt hat. Unstreitig hat die hiesige Klägerin bereits umfirmiert, weshalb Ziffer VII. des Ausgangsurteils ebenfalls vollständig erfüllt ist.
b) Der Feststellungsausspruch in Ziffer IV. des Ausgangsurteils ist nicht sicherungsfähig, da er keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 704 Rn. 2). Entgegen der Auffassung der Beklagten sichert die Prozessbürgschaft insbesondere nicht die Erfüllung des festgestellten und sich aus der Auskunft eventuell ergebenden Schadensersatzanspruchs.
c) Hinsichtlich des Sicherungszwecks für die Unterlassungsansprüche in Ziffern I. und II. des Ausgangsurteils, des Auskunftsanspruchs in Ziffer III. des Ausgangsurteils sowie des Vernichtungs- und Rückrufanspruchs in Ziffern V. und VI. des Ausgangsurteils fehlt es an – im Rahmen der sekundären Darlegungslast notwendigen – Darlegungen der Beklagten zu einem durch die Bürgschaft abgesicherten Verzögerungsschaden. Darauf wies der Senat bereits ausdrücklich hin, ohne dass die Beklagte entsprechenden Vortrag erbrachte.
aa) In Bezug auf die Unterlassungsansprüche hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast keinen Schaden dargetan, der aufgrund der Abwendung der Zwangsvollstreckung durch die geleistete Sicherheit im Zeitraum vom 02.07.2020 bis zum 09.03.2021 entstanden ist.
Soweit die Beklagte vorträgt, dass die Klägerin aktuell gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoße, kann dies dahinstehen, da dies nicht geeignet ist, eine Eintrittspflicht der bürgenden Bank auszulösen. Die Beklagte kann seit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof am 09.03.2021 wieder aus dem (rechtskräftigen) landgerichtlichen Urteil vollstrecken, weshalb die Bürgschaft die Erfüllung der titulierten Unterlassungsansprüche in der Gegenwart nicht mehr absichert.
Es fehlt an Anknüpfungstatsachen, damit der Senat einen Aufschlag der angemessenen Vergütung unter Zugrundelegung einer fingierten Lizenzerteilung – auch unter Berücksichtigung eines Marktverwirrungsschadens – für den achtmonatigen Zeitraum vom 02.07.2020 bis zum 09.03.2021 schätzen kann. Dabei ist in Bezug auf die Verwendung des Zeichens „h.“ als Unternehmenskennzeichen ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits seit 23.08.1994 unter dieser Bezeichnung im Handelsregister eingetragen ist und der hier maßgebliche Zeitrahmen im Verhältnis zum Gesamtzeitraum nicht ins Gewicht fällt. Auch ist dem Senat nicht bekannt, nach welchen Kriterien die Beklagte ihren – im Übrigen durch den Feststellungstenor in Ziffer IV. des Ausgangsurteils abgesicherten – Schadensersatzanspruch beziffern würde. Soweit die Beklagte pauschal auf Zinsnachteile abstellt, legt sie damit keinen kausalen Verzugsschaden dar.
Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass ihr irgendwelche Marktentwirrungskosten, wie beispielsweise zusätzliche Werbe- und Aufklärungskosten zur Beseitigung der Marktverwirrung und Diskreditierung, entstanden seien und entstehen werden. Noch weniger ist ersichtlich, dass derartige Kosten gerade aufgrund einer Verlängerung der Verletzungshandlung um acht Monate angefallen wären.
bb) Gleiches gilt hinsichtlich des Auskunftsanspruchs. Es fehlt an Darlegungen, dass der Beklagten dadurch, dass die Auskunft erst nach Ablauf des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (vollständig) erteilt worden wäre, ein Schaden entstanden ist (weil beispielsweise aufgrund Zeitablaufs eine Auskunftserteilung nicht mehr möglich wäre). Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe mit den Schreiben vom 19.05.2021 und 22.06.2021 die Auskunft nicht vollständig erteilt – da keine Auskunft über die Art und Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und Dienstleistungen, über die für diese Waren und Dienstleistungen bezahlten Preise sowie über die gewerblichen Abnehmer dieser Waren und Dienstleistungen erteilt worden sei – ist für das Fortbestehen des Anlasses zur Sicherheitsleistung nicht ausreichend. Wie bereits dargelegt, sichert die streitgegenständliche Prozessbürgschaft nicht den Erfüllungsanspruch auf Erteilung einer Auskunft ab. Da das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.08.2019 seit 09.03.2021 rechtskräftig ist, kann die Klägerin aus diesem Urteil nunmehr die Vollstreckung betreiben.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist eine andere Beurteilung nicht deshalb veranlasst, weil eine vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig erteilte Auskunft zum Schadensersatz verpflichten würde (vgl. § 19 Abs. 5 MarkenG) und sich unter Umständen sogar Schadensersatzansprüche wegen lediglich leicht fahrlässig falscher oder unvollständiger Auskunft aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2012 – I ZR 162/11, GRUR 2013, 717 Rn. 52 – Covermount). Zwar können auch Nachforschungskosten einen ersatzfähigen Schaden darstellen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 14. Aufl. 2024, § 19 Rn. 115). Die Beklagte hat jedoch nicht dargetan, dass ihr derartige Kosten überhaupt entstanden seien. Vielmehr führt sie lediglich allgemein aus, dass aufgrund der unzureichenden Auskunft der Klägerin die Veranlassung bestünde, umfangreiche, zeitintensive wie auch kostenintensive Nachforschungen, u.a. durch Einschaltung und Beauftragung einer Wirtschaftsdetektei, anzustellen. Noch weniger existiert Sachvortrag dazu, dass der Vollstreckungsaufschub kausal für einen derartigen Schaden wäre.
cc) In Bezug auf den titulierten Vernichtungs- und Rückrufanspruch hat die Beklagte ebenfalls keinen Verzögerungsschaden, der einem Wegfall des Sicherungszwecks entgegenstünde, dargelegt. Es fehlt bereits am Vortrag, dass die Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom 19.05.2021 – wonach diese Ansprüche bereits vollständig erfüllt seien – unzutreffend sind. Jedenfalls ist ein durch die verzögerte Erfüllung bedingter Schadensersatzanspruch (weil beispielsweise ein Rückruf aufgrund des Vollstreckungsaufschubs nicht mehr durchführbar wäre) weder dargetan noch ersichtlich.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebietet die Fortbildung des Rechts eine Zulassung der Revision. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die der tatrichterlichen Würdigung des Senats zugrunde liegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Zudem kann der Senat nicht erkennen, dass der vorliegende Einzelfall wegen seiner Besonderheiten geeignet ist, generelle Maßstäbe herauszubilden.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47, § 48 GKG, § 3 ZPO. Der Streitwert der Herausgabeklage ist mit dem Wert der Bürgschaftsforderung in Höhe von 260.000,00 € anzusetzen, weil die Klägerin eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft seitens der Beklagten verhindern möchte (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.1993 – IX ZR 104/93, NJW-RR 1994, 758, juris-Rn. 1). In der Klageschrift führte die Klägerin unwidersprochen aus, dass die Beklagte die Bank mehrfach zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags in Höhe von 260.000,00 € aufgefordert hatte.