BGH: Wasserpreise Gießen – Gewinnabschöpfung oder Rückerstattungsanordnung bei Kartellverstoß im Ermessen der Kartellbehörde
BGH, Beschluss vom 14.2.2023 – KVZ 38/20
ECLI:DE:BGH:2023:140223BKVZ38.20.0
Volltext: BB-Online BBL2023-1794-3
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Amtliche Leitsätze
a) Ob die Kartellbehörde den durch einen Kartellverstoß erwirtschafteten Vorteil überhaupt und, wenn ja, nach § 34 Abs. 1 GWB abschöpft oder aber im Wege der Rückerstattungsanordnung nach § 32 Abs. 2a GWB vorgeht, steht grundsätzlich in ihrem pflichtgemäßen Aufgreif- und Verfolgungsermessen, wobei sie allerdings dem der Rückerstattung zugrundeliegenden Gesetzeszweck, einen wirksamen Rechtsgüterschutz für die Geschädigten zu gewährleisten, hinreichend Rechnung zu tragen hat.
b) Die Befugnis der Kartellbehörden zum Erlass einer Rückerstattungsanordnung nach § 32 Abs. 2a GWB besteht unabhängig davon, ob gleichzeitig auch eine Untersagungsverfügung erlassen wird oder erlassen werden könnte.
c) Bei der Bestimmung des Abschöpfungszeitraums im Sinne des § 34 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall ist die Kartellbehörde – mit Ausnahme der Ausschlussfrist nach § 34 Abs. 5 Satz 1, 1. Fall und der Verjährungsfrist gemäß § 35 Abs. 5 Satz 2, 3 GWB – an keinen bestimmten Zeitraum gebunden; sie hat den Abschöpfungszeitraum unter Berücksichtigung der Zwecke der Vorteilsabschöpfung und der Art sowie des Umfangs der Vorteile, die zu den unterschiedlichen in Betracht kommenden Zeiträumen angefallen sind, nach pflichtgemäßen Er- messen zu bestimmen.
d) Eine im Kartellverwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung kann nach§56 Abs. 8 GWB, § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG im Beschwerdeverfahren nur dann geheilt werden, wenn sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 7 C 5/14, NVwZ-RR 2016, 449 Rn. 17).
e) Eine dem Betroffenen obliegende Mitwirkungspflicht darf bei Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB nach § 75 Abs. 1 GWB im Beschwerdeverfahren nicht dazu führen, dass sie im Ergebnis eine gesetzlich nicht vorgesehene Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bewirkt (Fortführung von BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 – KVR 77/13, BGHZ 206, 229 Rn. 58 [BB 2015, 2369] – Wasserpreise Calw II).
GWB § 19 Abs. 2 Nr. 2, § 32 Abs. 2a, § 34 Abs. 1, § 56 Abs. 8, § 75 Abs. 1
Sachverhalt
A. Die Betroffene war von 2002 bis zu ihrer Rekommunalisierung am 1. Januar 2011 für die öffentliche Trinkwasserversorgung des Stadtgebiets Gießen zuständig. Sämtliche Anteile an der Betroffenen, einer Aktiengesellschaft, werden von der Stadt Gießen gehalten.
Im Mai 2002 hat das hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung als Landeskartellbehörde (nachfolgend: Landeskartellbehörde) gegen die Betroffene ein Verfahren wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Wasserpreise eingeleitet. Mit Verfügung vom 23. Dezember 2015 hat sie der Betroffenen, gestützt auf § 34 GWB, aufgegeben, einen Betrag in Höhe von 17,944 Mio. € an die Behörde herauszugeben und festgestellt, dass die von der Betroffenen verlangten Wasserentgelte in den Jahren 2006 bis 2010 insoweit missbräuchlich überhöht gewesen seien, als die Erlöse in diesem Zeitraum 5,63 Mio. € überstiegen hätten.
Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht die angefochtene Verfügung unter Abweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise aufgehoben und der Betroffenen aufgegeben, den durch missbräuchlich überhöhte Wasserpreise erlangten Vorteil in Höhe von 8,669 Mio. € an die Landeskartellbehörde auszukehren. Zudem hat es festgestellt, dass die Trinkwasserpreise der Betroffenen in den Jahren 2006 bis 2010 insoweit missbräuchlich überhöht waren, als die Erlöse in diesem Zeitraum 7.286.200 € überstiegen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Landeskartellbehörde entgegentritt.
Aus den Gründen
4 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
5 I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6 Die angegriffene Verfügung sei formell und materiell rechtmäßig. Die Landeskartellbehörde habe zutreffend festgestellt, dass die Betroffene auf dem relevanten Markt für die Trinkwasserversorgung im Stadtgebiet Gießen schuldhaft ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung (nachfolgend: GWB 2005) missbraucht habe, indem sie höhere Entgelte gefordert habe, als sie sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätten. Der dadurch erlangte Vorteil könne nach § 34 Abs. 1 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung für einen Fünfjahreszeitraum abgeschöpft werden. Die Anordnung der Vorteilsabschöpfung sei nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Landeskartellbehörde stattdessen von der Möglichkeit hätte Gebrauch machen müssen, die Rückerstattung der überhöhten Preise an die Kunden gemäß § 32 Abs. 2a GWB anzuordnen.
7 Die Landeskartellbehörde habe für die Berechnung des Abschöpfungsbetrages allerdings einen zu hohen Erlös der Betroffenen zugrunde gelegt. Statt der ermittelten 2,65 €/m3 sei ein Wert von lediglich 2,10 €/m3 anzusetzen, weshalb der Umfang der angeordneten Erlösabschöpfung entsprechend zu reduzieren gewesen sei. Im Übrigen sei die Berechnungsmethode der Landeskartellbehörde, insbesondere die Auswahl der 14 Vergleichsunternehmen sowie der Ansatz von Zu- und Abschlägen, nicht zu beanstanden. Insbesondere habe es keiner Zu- und Abschläge zugunsten der Betroffenen wegen besonderer topographischer Bedingungen im Versorgungsgebiet bedurft.
8 II. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand. Die angefochtene Verfügung erweist sich zwar als formell rechtmäßig (dazu 1.). Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, die Betroffene habe im festgestellten Umfang missbräuchlich überhöhte Preise verlangt (dazu 2.).
9 1. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die angefochtene Verfügung der Landeskartellbehörde sei formell rechtmäßig. Weder leide sie wegen der im Verwaltungsverfahren unterlassenen Anhörung an einem Verfahrensmangel (dazu nachfolgend a), noch wirke sich die im Verwaltungsverfahren verweigerte Akteneinsicht oder die fehlende Dokumentation der Behördenvorgänge zwischen dem 3. Dezember 2013 und dem Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung am 23. Dezember 2015 auf deren Rechtmäßigkeit aus (dazu nachfolgend b).
10 a) Die im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung der Betroffenen ist im Beschwerdeverfahren nach § 56 Abs. 4 GWB 2005 (jetzt § 56 Abs. 8 GWB), § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden.
11 aa) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Landeskartellbehörde habe die im Verwaltungsverfahren im Widerspruch zu § 56 Abs. 1 GWB unterlassene Anhörung im gerichtlichen Verfahren ordnungsgemäß nachgeholt, ein etwaiger Verfahrensfehler sei jedenfalls im Beschwerdeverfahren nach § 56 Abs. 4 GWB in der bis zur 10. GWB-Novelle geltenden Fassung in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG geheilt worden. Die Landeskartellbehörde habe die Ausführungen der Betroffenen erkennbar zum Anlass genommen, die von ihr erlassene Verfügung kritisch, unvoreingenommen und ergebnisoffen zu prüfen. Sie habe sich in ihren Schriftsätzen mit den Argumenten der Betroffenen umfassend auseinandergesetzt. So habe sie beispielsweise die Einwendungen der Betroffenen zum Anlass genommen, die Zu- und Abschläge unter bestimmten Gesichtspunkten neu zu berechnen. Der Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HVwVfG sei nicht zu entnehmen, dass Vorsatz, Rechtsmissbrauch oder ein Organisationsverschulden der Behörde einer Heilung entgegenstünden. Die Landeskartellbehörde habe jedenfalls nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt.
12 bb) Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
13 (1) Maßgeblich sind allerdings die (gleichlautenden) Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes. § 56 Abs. 4 GWB in der bis zur 10. GWB-Novelle geltenden Fassung verwies - ebenso wie § 56 Abs. 8 GWB - für die Zwecke der Anwendung der Heilungsvorschriften allein auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, so dass auch eine Landeskartellbehörde dieses Gesetz und nicht das Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden hat (vgl. Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 12. August 2004, BT-Drucks. 15/3640, S. 63; Bracher in Frankfurter Kommentar, § 56 GWB, Stand 2023, Rn. 35). Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG unter anderem dann unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird.
14 (2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei einer unterbliebenen Anhörung eine Heilung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG im gerichtlichen Verfahren nur insoweit eintreten, als sie nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt wird und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht; dementsprechend genügen Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren "als solche" zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG nicht (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 C 5/14, NVwZ-RR 2016, 449 Rn. 17, mwN; ähnlich Beschluss vom 18. April 2017 - 9 B 54/16, juris Rn. 4). Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt nach dieser Rechtsprechung vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (BVerwG, NVwZ-RR 2016, 449 Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 30. März 2021 - 1 C 41/20, BVerwGE 172, 125 Rn. 19; s.a. Schneider in Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL [August 2022], § 28 Rn. 84 und § 45 Rn. 93; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl., § 45 Rn. 70). Daraus folgt, dass jedenfalls dann, wenn sich aus den (Verfahrens-)Vorschriften des jeweiligen Fachrechts nichts anderes ergibt, die Heilung im gerichtlichen Verfahren im Grundsatz nicht von der Erfüllung formeller Voraussetzungen abhängt. Vielmehr richtet sich der Eintritt der Heilungswirkung nach der inhaltlichen Qualität der Vorgänge während des gerichtlichen Verfahrens, wobei maßgeblich auf die Art der Reaktion der Behörde abzustellen ist. Diese Grundsätze gelten auch für das kartellverwaltungsrechtliche Verfahren (so bereits OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - VI-Kart 1/15 (V), juris Rn. 58 - Vollzugsverbot; Quellmalz in LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl., § 56 GWB Rn. 24; Vorster in Bacher/Hempel/Wagner-von Papp, BeckOK-KartR, 8. Ed. [1.4.2023], § 56 GWB Rn. 69; Engelsing in MünchKommWettbewR, 4. Aufl. § 56 GWB Rn. 63; strenger K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 56 GWB Rn. 27), das an die Anhörung des Betroffenen nach § 56 Abs. 1 keine formellen Anforderungen stellt (vgl. dazu die durch die 10. GWB-Novelle aus Klarstellungsgründen eingefügte Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 3, BT-Drucks. 19/23492, S. 110).
15 (3) Auf Grundlage der von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die für die Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geltenden Voraussetzungen erfüllt, weil die Landeskartellbehörde die Stellungnahmen der Betroffenen im gerichtlichen Verfahren zum Anlass genommen hat, die eigene Entscheidung - nach außen erkennbar - zu überdenken.
16 (4) Ein etwaiges - im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellendes - vorsätzliches Handeln der Kartellbehörde oder ein ihr zurechenbares Organisationsverschulden stehen einer Heilung ebenfalls nicht entgegen (BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 - B 2 U 6/07 R, NZS 2009, 347 Rn. 15; a.A. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 15/01 R, juris Rn. 48). Weder der Wortlaut noch die Systematik oder die Entstehungsgeschichte des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG liefern einen Anhaltspunkt dafür, dass die Nachholung der Anhörung nur unter derart einschränkenden Voraussetzungen zulässig wäre. Mit der Formulierung, der Verfahrensfehler sei unbeachtlich, "wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird", geht das Gesetz vielmehr von einer im Grundsatz uneingeschränkten Heilungsmöglichkeit und davon aus, dass den rechtsstaatlichen Erfordernissen Genüge getan ist, wenn der Betroffene (spätestens bis zum Abschluss der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz) überhaupt angehört wird (vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 65 f.; BT-Drucks. 13/3995, S. 8; BT-Drucks. 14/9000, S. 34). Vorbehaltlich einer weiteren Einschränkung der Heilungsmöglichkeiten aus spezialgesetzlichen Normen des Fachrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1982 - 2 C 59/81, NJW 1983, 2516, [juris Rn. 18]) zieht § 45 Abs. 1 VwVfG die Grenze der Heilbarkeit ausdrücklich dort, wo sich aus dem Verfahrensfehler die Nichtigkeit des Verwaltungsakts nach § 44 VwVfG ergibt. Andernfalls verbliebe für eine Heilung eines Verfahrensfehlers wegen einer zunächst unterbliebenen Anhörung kaum ein Anwendungsbereich, weil die Ausschlusstatbestände von Vorsatz und Organisationsverschulden den größten Teil der in Frage kommenden Fallgestaltungen erfassen; die Absicht des Gesetzgebers, auch bei Anhörungsmängeln grundsätzlich eine Heilungsmöglichkeit zu eröffnen, würde daher weitestgehend verfehlt (BSG, NZS 2009, 347 Rn. 15).
17 (5) Ob eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen ist, wenn die Behörde die Anhörung rechtsmissbräuchlich vereitelt, und deswegen begründete Zweifel daran bestehen, dass die Anhörung ihre gesetzlichen Zwecke und rechtsstaatliche Funktion noch erfüllen kann, braucht nicht entschieden zu werden.
18 (a) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts handelte die Landeskartellbehörde nicht rechtsmissbräuchlich. Das Beschwerdegericht hat dabei in den Blick genommen, dass die Landeskartellbehörde der Betroffenen zwar versichert hat, eine Preissenkungsverfügung nicht ohne ein umfassendes Anhörungsschreiben zu erlassen. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass dies der Betroffenen keine besondere Rechtsposition verschafft habe, weil die Behörde nach § 56 GWB ohnehin zur Anhörung vor Erlass einer Anordnung verpflichtet gewesen sei. Darüber hinaus hat das Beschwerdegericht in Rechnung gestellt, dass die Mitteilung der Kartellbehörde zu einem Zeitpunkt erfolgte, als noch nicht absehbar gewesen sei, dass der Eintritt eines materiell rechtswidrigen Zustands wegen Fristablaufs drohen würde.
19 (b) Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 - 4 C 4/99, BVerwGE 111, 162 [juris Rn. 31]) und findet auch im Verwaltungsverfahrensrecht Anwendung (BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2019 - 4 B 28/18, juris Rn. 7 f.). Ob ein bestimmtes Verhalten unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich ist, erfordert eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls, die nach § 76 Abs. 1 GWB dem Tatgericht vorbehalten ist. Dieses entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese tatrichterliche Überzeugungsbildung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht, aktenwidrige Tatsachen annimmt oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2022 - 8 B 41/21, juris Rn. 2 mwN).
20 Solche Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie setzt stattdessen ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht der Versicherung der Landeskartellbehörde, keine Preissenkungsverfügung ohne umfassendes vorheriges Anhörungsschreiben zu erlassen, keine gesonderte rechtliche Qualität beigemessen hat, weil die Behörde dazu ohnehin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 GWB verpflichtet war. Die Wirkungen einer Zusicherung nach § 38 Abs. 1 VwVfG entstehen nur dann, wenn sie auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, nicht aber, wenn die Behörde die Durchführung einer Verfahrenshandlung zusagt. Selbst wenn sich aus dem Schreiben der Landeskartellbehörde aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (dazu Schröder in Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL [August 2022], § 38 Rn. 109) ein Vertrauenstatbestand ergeben sollte, lässt sich daraus im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren nachgeholte Anhörung kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Landeskartellbehörde ableiten, das es ihr verwehren würde, sich im gerichtlichen Verfahren auf die Heilungswirkung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG zu berufen. Soweit die Anhörung ordnungsgemäß nachgeholt und der Verfahrensfehler geheilt worden ist, konnte das Vertrauen der Betroffenen darauf, dass ihre Einwände zur Kenntnis genommen und erwogen werden, schon nicht enttäuscht werden, weil die Anhörung auch im Beschwerdeverfahren ihren Zweck erfüllt hat. Angesichts dessen und im Hinblick auf den drohenden Fristablauf hat das Beschwerdegericht mit Recht angenommen, dass dem Handeln der Landeskartellbehörde, mit dem sie sich über ihre eigene Ankündigung hinweggesetzt hat, kein solches Gewicht zukommt, das es rechtfertigen würde, von einer formellen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Behörde bei drohendem Fristablauf nicht auf die Entbehrlichkeit der Anhörung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG berufen kann, wenn die Zeitnot auf einem Organisationsverschulden der Behörde beruht. Dies schließt eine Heilung des Verfahrensfehlers wegen unterbliebener Anhörung bei deren funktionsgerechter Nachholung nach der Systematik des Gesetzes nicht aus.
21 (6) Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (im Folgenden: RsprEinhG) ist nicht veranlasst.
22 (a) Das wäre nur dann der Fall, wenn ein Oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage - im Anwendungsbereich derselben oder in ihrem Wortlaut aber im Wesentlichen und in ihrem Regelungsinhalt gänzlich übereinstimmenden und deswegen nach denselben Prinzipien auszulegenden Rechtsvorschrift (GmS-OGB, Beschlüsse vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72, BGHZ 60, 392 [juris Rn. 6]; vom 30. April 1979 - GmS-OGB 1/78, BGHZ 75, 340 [juris Rn. 16]; vom 12. März 1987 - GmS-OGB 6/86, BGHZ 100, 277 [juris Rn. 13]) - von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will und die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich ist (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2022, 1207 [juris Rn. 11]; GmS-OGB, Beschlüsse vom 24. Oktober 1983 - GmS-OGB 1/83, BGHZ 88, 353, 357; vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, BGHZ 91, 111, 114; BFH, Beschluss vom 9. November 1976 - GmS-OGB 2/75, BFHE 121, 1, 2).
23 (b) Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesozialgerichts im Hinblick auf die Auslegung des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X besteht nicht. Für das kartellverwaltungsrechtliche Verfahren sind die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblichen Grundsätze anzuwenden. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat bislang keinen Anlass für eine Vorlage an den GmS-OGB zur Auslegung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG gesehen.
24 Zwar setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der mit § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG wortgleichen Vorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X die Nachholung der fehlenden Anhörung während des Gerichtsverfahrens voraus, dass die Behörde dem Betroffenen in einem "mehr oder minder förmlichen" Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und zudem im Anschluss zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (näher BSG, Urteile vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R, juris Rn. 15; vom 20. Dezember 2012 - B 10 LW 2/11 R, juris Rn. 39; vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R, BSGE 122, 25 Rn. 19 f.; zur Notwendigkeit des durch die Behörde selbst durchzuführenden Anhörungsverfahrens mit zumindest formloser Entscheidung über das Festhalten an ihrer Entscheidung, BSG, Urteil vom 6. April 2006 - B 7a AL 64/05 R, juris Rn. 15). Eine Divergenz im Sinne des § 2 RsprEinhG ergibt sich daraus aber nicht, weil der Gesetzgeber der Anhörung im sozialrechtlichen Verfahren eine größere Bedeutung beigemessen hat als im allgemeinen Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Februar 1992 - GS 1/89, BSGE 70, 133 [juris Rn. 14]; BT-Drucks. 8/4022, S. 82: "im Verfahren der Sozialverwaltung"; s. § 24 Abs. 2 SGB X, dazu BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R; BSGE 108, 289 [juris Rn. 20 mwN], und § 42 Satz 2 SGB X, dazu BSG, Beschluss vom 19. Februar 1992 - GS 1/89, BSGE 70, 133 [juris Rn. 14]; Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R; BSGE 108, 289 [juris Rn. 20]).
25 (c) Eine Vorlagepflicht an den GemSOB besteht auch nicht im Hinblick auf weitere Einschränkungen der Heilungsmöglichkeit von Verfahrensfehlern bei einer im Verwaltungsverfahren unterbliebenen Anhörung, die sich aus vereinzelt gebliebener Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergeben. Zwar ist nach der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts Voraussetzung für die Heilung eines Verfahrensfehlers gemäß § 41 Abs. 1 SGB X, dass der Verwaltungsträger diesen Verfahrensfehler nicht vorsätzlich, rechtsmissbräuchlich oder durch Organisationsverschulden begangen hat, weil die verfassungsrechtliche Bindung des Verwaltungsträgers an das Recht aus § 24 Abs. 1 SGB X eine "Heilung" bei gewolltem Rechtsbruch ausschließe (BSG, Urteile vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 15/01 R, juris Rn. 48; vom 31. Oktober 2002 - B 4 RA 43/01 R, juris Rn. 18; vom 23. August 2005 - B 4 RA 29/04 R, juris Rn. 27). Dieser Rechtssatz war in den genannten Entscheidungen des 4. Senats des Bundessozialgerichts jedoch nicht tragend (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 - B 2 U 7/07 R, NZS 2009, 347 Rn. 18), so dass eine Vorlagepflicht nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG ebenso wenig begründet wird, wie sich der 2. Senat des Bundessozialgerichts zu einer Anrufung des Großen Senats des Bundessozialgerichts nach § 41 Abs. 2 SGG gezwungen sah.
26 b) Die angefochtene Verfügung ist zudem weder mit Blick auf die im Verwaltungsverfahren nicht gewährte Akteinsicht noch wegen der fehlenden Dokumentation bestimmter Behördenvorgänge formell rechtswidrig.
27 Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass etwaige Verfahrensfehler im Hinblick auf die von der Betroffenen im Verwaltungsverfahren begehrte Akteneinsicht geheilt worden sind. Das gelte sowohl für die Unterlagen, die bei der Akteneinsicht am 23. April 2013 zunächst nicht Bestandteil der Akte waren, und für die nicht in der Akte befindliche Verfügung als auch im Hinblick darauf, dass die Akte keine Unterlagen über die Korrespondenz mit den von der Landeskartellbehörde zur Erarbeitung der Verfügung beauftragten Rechtsanwälten enthält, die die Vorgänge nach dem 3. Dezember 2013 bis zum Erlass der Verfügung am 23. Dezember 2015 dokumentieren. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
28 aa) § 29 VwVfG verpflichtet die Behörde, den am Verfahren Beteiligten Akteneinsicht zu gewähren. Darüber hinaus folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass Behörden zur Aktenführung verpflichtet sind. Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält; das macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1983 - 2 BvR 244, 310/83, NJW 1983, 2135; BVerwG, Beschluss vom 16. März 1988 - 1 B 153/87, NVwZ 1988, 621 [juris Rn. 10]). Die Dokumentation soll den Geschehensablauf so, wie er sich ereignet hat, in jeder Hinsicht nachprüfbar festhalten (BVerwG, NVwZ 1988, 621, [juris Rn. 11]). Dementsprechend sind in den Verwaltungsvorgang alle nach dem jeweiligen formellen und materiellen Recht wesentlichen Vorgänge aufzunehmen, die für die behördliche Willensbildung und Entscheidungsfindung in dem konkreten Verwaltungsverfahren ab dessen Beginn bis zu seinem Abschluss von Bedeutung sind, auch wenn sie sich letztlich nicht als entscheidungserheblich erweisen (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7/19, NVwZ 2023, 423, Rn. 39). Die Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Dokumentation in den Akten dient der Sicherung rechtsstaatlich gesetzmäßigen Verwaltungshandelns und liegt zugleich im Interesse des Einzelnen (BVerwG, NVwZ 1988, 621 [juris Rn. 11]; NVwZ 2023, 423 Rn. 39).
29 bb) Eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Akteneinsicht kann in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt werden. Diese Bestimmung ist weit auszulegen und erfasst alle Verfahrenshandlungen, deren vornehmlicher Zweck darin besteht, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 1983 - 1 C 13/81, NVwZ 1984, 578, 579), was für die Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht nach § 29 VwVfG zutrifft (Schneider in Bunte, KartellR, 14. Aufl. § 56 GWB Rn. 31; Engelsing in MünchKommWettbewR, 4. Aufl., § 56 GWB Rn. 63). Auch eine verfahrensfehlerhaft unvollständig geführte Akte begründet für sich genommen nicht die formelle Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung, die auf Grundlage des nur unzureichend dokumentierten Vorgangs getroffen wird. Zwar kann ein Beteiligter durch eine den Anforderungen der Grundsätze von Aktenwahrheit und -vollständigkeit nicht genügende Aktenführung an der Aufklärung von aus seiner Sicht günstigen entscheidungserheblichen Tatsachen gehindert sein. Die Kartellgerichte sind aber ebenso wie die Verwaltungsgerichte von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (§ 73 GWB, § 86 VwGO), so dass eine mangelhafte Aktenführung der Behörde im gerichtlichen Verfahren ausgeglichen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 30 - E.ON/Eschwege). Lassen sich Umstände infolge unzureichender behördlicher Dokumentation nicht aufklären, trägt die Verwaltung die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen sie ihr günstige Rechtsfolgen herleiten will. Dies gilt auch für Tatsachen, die für den Betroffenen günstig sind; bei einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Aktenführung kann nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung von einer Umkehr der Beweislast auszugehen sein, da ein der Behörde gegenüberstehender Beteiligter keinen Einfluss auf die Aktenführung hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07, BVerwGE 131, 171 Rn. 41; vom 26. Januar 2022 - 6 A 7/19, NVwZ 2023, 423 Rn. 42).
30 cc) Nach diesen Grundsätzen ist das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die unvollständige Dokumentation des Behördenhandelns den Bestand der Verfügung nicht berührt.
31 (1) Von den Dokumenten, die bei der ersten Akteneinsicht der Betroffenen am 23. April 2013 nicht in der Akte enthalten waren, hat die Betroffene noch im Verwaltungsverfahren durch die Akteneinsicht vom 13. November 2013 und von der Verfügung durch deren Zustellung Kenntnis erlangt.
32 (2) Das Beschwerdegericht ist im Hinblick auf die in der Akte nicht enthaltene Korrespondenz mit den beauftragten Rechtsanwälten in Erfüllung seiner Amtsermittlungspflicht der Frage nachgegangen, ob die Landeskartellbehörde die Entscheidung über die Vorteilsabschöpfung dem Grund und der Höhe nach selbständig und in eigener Verantwortung getroffen hat, nachdem das von der Betroffenen in Zweifel gezogen worden ist. Auf Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat es sich davon überzeugen können, dass die Landeskartellbehörde die maßgeblichen Entscheidungen selbst getroffen hat. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Landeskartellbehörde die Korrespondenz mit den sie beratenden Rechtsanwälten nicht vorgelegt hat. Diese tatrichterliche Würdigung greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Sie rügt auch nicht, dass das Beschwerdegericht von ihr gehaltenes Vorbringen übergangen hat. Solches zeigt sie schon nicht auf. Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang, die Landeskartellbehörde habe sich im Beschwerdeverfahren über die Verfügungen des Beschwerdegerichts vom 29. Mai und 17. Dezember 2018 zur Offenlegung "entsprechender" Unterlagen hinweggesetzt. Auch damit legt sie keinen Verfahrensfehler des Beschwerdegerichts dar.
33 Ungeachtet dessen sind die vorbereitenden Entwürfe und Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung jedenfalls bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nach § 29 VwVfG von der Akteneinsicht ausgenommen (vgl. Schneider in Bunte, KartellR, 14. Aufl. § 56 GWB Rn. 31; s. nunmehr § 56 Abs. 4 Satz 2 GWB, wonach Einsicht in diese Aktenteile generell nicht gewährt wird). Zu diesen Vorarbeiten zählt auch die Korrespondenz mit einem von der Kartellbehörde beauftragten Rechtsanwalt, sofern dieser - in gesetzlich zulässiger Weise - für die vorbereitenden Arbeiten an der Entscheidung zu Rate gezogen worden ist und soweit die Korrespondenz im Zusammenhang mit den die Entscheidung vorbereitenden Arbeiten steht. Die Einsicht in die Vorakten der Kartellbehörde kann nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GWB in der bis zur 10. GWB-Novelle geltenden Fassung (jetzt § 70 Abs. 2 Satz 1 GWB) nur mit deren Zustimmung erfolgen. Diese Zustimmung hat die Landeskartellbehörde im Beschwerdeverfahren verweigert, woran das Beschwerdegericht im Grundsatz gebunden war (BGHZ 178, 285 Rn. 32 - E.ON/Eschwege). Ob das Beschwerdegericht in einem formalisierten Zwischenverfahren in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB in der bis zur 10. GWB-Novelle geltenden Fassung die Offenlegung dieser Aktenbestandteile hat anordnen können, kann offen bleiben. Jedenfalls ist es - nachdem die Behörde der Aufforderung zur Offenlegung entgegengetreten ist - unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ersichtlich davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt waren, weil andere Möglichkeiten der Sachaufklärung gegeben waren. Aus diesem Grund hat es an der Anordnung zur Offenlegung nicht mehr festgehalten und stattdessen Zeugenbeweis zur Frage erhoben, ob die Landeskartellbehörde die angefochtene Verfügung selbst getroffen hat.
34 (3) Soweit die Betroffene allgemein geltend macht, es sei durchaus möglich, dass sich in der ordnungsgemäß geführten Akte Unterlagen befunden hätten, die Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung eröffnen würden, die aber aus dem Inhalt der Akte nicht hervorgingen, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Eine nur mögliche, aber spekulativ bleibende Auffindbarkeit ihren Standpunkt stützender Inhalte vermag die formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung nicht zu begründen.
35 2. Das Beschwerdegericht hat allerdings - soweit es die Beschwerde zurückgewiesen hat - nicht frei von Rechtsfehlern angenommen, die auf § 34 Abs. 1 GWB gestützte Abschöpfungsverfügung sei in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig.
36 Nach § 34 Abs. 1 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden, im wesentlichen unveränderten Fassung kann die Kartellbehörde, wenn ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen bestimmte Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Artikel 101 oder 102 AEUV oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstoßen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils anordnen und dem Unternehmen die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags auferlegen. Gemäß § 34 Abs. 5 GWB 2005 kann die Vorteilsabschöpfung nur innerhalb einer Frist von bis zu fünf Jahren seit Beendigung der Zuwiderhandlung und längstens für einen Zeitraum von fünf Jahren angeordnet werden. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zutreffend die von der Landeskartellbehörde getroffene Wahl der Ermächtigungsgrundlage ebenso wie den von ihr festgelegten Abschöpfungszeitraum gebilligt (dazu nachfolgend a). Nicht völlig frei von Rechtsfehlern erweist sich jedoch die Feststellung des Beschwerdegerichts, die Betroffene habe missbräuchlich überhöhte Preise im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 verlangt (dazu nachfolgend b).
37 a) Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler unbeanstandet gelassen, dass die Landeskartellbehörde eine Vorteilsabschöpfung nach § 34 Abs. 1 GWB und nicht eine Rückerstattung erwirtschafteter Vorteile - nach § 32 Abs. 2a GWB bzw. nach der wegen des Fehlens einer Übergangsregelung hier zeitlich anwendbaren Vorschrift des § 32 Abs. 2 GWB 2005 - angeordnet hat. Die Betroffene ist in ihren subjektiven Rechten nicht verletzt.
38 aa) Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Entscheidung der Landeskartellbehörde, statt einer Rückerstattung nach § 32 Abs. 2a GWB eine Vorteilabschöpfung nach § 34 Abs. 1 GWB anzuordnen, sei ermessensfehlerfrei ergangen. Einerseits sei in der Literatur umstritten, ob ohne eine Abstellungsverfügung, die hier wegen der mit der Rekommunalisierung eingetretenen Beendigung der Zuwiderhandlung nicht mehr habe erlassen werden können, eine Rückerstattungsanordnung nach § 32 Abs. 2a GWB in Betracht komme. Andererseits habe sie eine Abschöpfung des Vermögensvorteils für erforderlich gehalten. Das hält rechtlicher Überprüfung nur im Ergebnis stand.
39 bb) Nach § 34 Abs. 2 GWB in der seit dem 30. Juni 2013 geltenden Fassung scheidet die Anordnung einer Vorteilsabschöpfung aus, wenn und soweit der Vorteil bereits durch Schadensersatzleistungen (Nr. 1) oder Rückerstattung (Nr. 4) abgeschöpft ist. Nur insofern ist die Vorteilsabschöpfung subsidiär (vgl. Begründung des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 15/3640, S. 55), weil es Ziel der Regelung ist, eine mehrfache Abschöpfung durch den Wettbewerbsverstoß erlangter Vorteile zu verhindern (Roth in Frankfurter Kommentar, § 34 Rn. 31). Nichts anderes gilt für das Verhältnis von § 34 Abs. 1 GWB zum hier zeitlich anwendbaren § 32 Abs. 2 GWB 2005, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kartellbehörden bis zum Inkrafttreten des § 32 Abs. 2a GWB zum Erlass von Rückerstattungsanordnungen ermächtigte (BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2008 - KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538 Rn. 16 - Stadtwerke Uelzen; vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, juris Rn. 21 f. - Wasserpreise Calw). Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass die Kartellbehörde stets die in der Vorschrift genannten Befugnisse zur Anordnung der Rückerstattung des durch den schuldhaften Wettbewerbsverstoß erlangten Vorteils vorrangig vor § 34 Abs. 1 GWB anzuwenden hätte, soweit der Vorteil noch beim Betroffenen verblieben ist. Vielmehr stehen die Rückerstattung von Vorteilen und die Vorteilsabschöpfung nach § 34 GWB, soweit der Vorteil bei dem betroffenen Unternehmen noch vorhanden ist, im Ausgangspunkt gleichrangig nebeneinander. Ob die Kartellbehörde einen solchen Vorteil überhaupt und, wenn ja, nach § 34 Abs. 1 GWB abschöpft oder aber im Wege der Rückerstattungsanordnung vorgeht, steht damit grundsätzlich in ihrem pflichtgemäßen Aufgreif- und Verfolgungsermessen (vgl. Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 12. August 2004, BT-Drucks. 15/3640, S. 36; Nothdurft in Festschrift Bornkamm, S. 247, 265), wobei die Kartellbehörde allerdings dem der Rückerstattung zugrundeliegenden Gesetzeszweck, einen wirksamen Rechtsgüterschutz für die Geschädigten zu gewährleisten (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, juris Rn. 21 f. - Wasserpreise Calw, zu § 32 Abs. 2 GWB; s. a. Begründung 8. GWB-Novelle, BT-Drucks. 17/9852, S. 26 f.), hinreichend Rechnung zu tragen hat.
40 cc) Es kann offen bleiben, ob die Landeskartellbehörde ihr Ermessen - wie das Beschwerdegericht angenommen hat - fehlerfrei ausgeübt hat, indem sie von der Befugnis zur Vorteilsabschöpfung nach § 34 Abs. 1 GWB Gebrauch gemacht hat. Rechtlich geschützte Interessen der Betroffenen sind dadurch jedenfalls nicht berührt.
41 (1) Die Landeskartellbehörde hat sich rechtlich gebunden gesehen und gemeint, eine Rückerstattungsanordnung nach § 32 Abs. 2a GWB scheide aus, weil diese nur gemeinsam mit einer Abstellungsverfügung ergehen könne. Wegen der Rekommunalisierung des Betriebs der Betroffenen komme eine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 GWB für die Zukunft jedoch nicht mehr in Betracht; eine Beeinträchtigung dauere weder an noch drohe Wiederholungsgefahr. Das trifft jedoch nicht zu. § 32 Abs. 2 GWB gestattet ebenso wie § 32 Abs. 2a GWB den Erlass einer isolierten Rückerstattungsanordnung. Sie kann alleiniger Inhalt einer auf dieses Ziel gerichteten Abstellungsverfügung sein.
42 Gemäß § 32 Abs. 2 GWB kann die Kartellbehörde dem Unternehmen alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Dazu gehörte bereits vor Einführung des § 32 Abs. 2a GWB die Anordnung, überhöhte Preise an die Kunden zurückzuerstatten (BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2008 - KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538 Rn. 16 - Stadtwerke Uelzen; vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, juris Rn. 21 f. - Wasserpreise Calw; so bereits Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., GWB § 32 Rn. 32 ff.). Die Rückerstattungsanordnung stellt sich danach als eine besondere Form der Abstellungsverfügung dar, mit der zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsgüterschutzes bestimmte Folgen des Verstoßes beseitigt werden. Der Gesetzgeber der 8. GWB-Novelle hat mit der Einführung der Vorschrift des § 32 Abs. 2a GWB die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Befugnis gesetzlich abgesichert und "klargestellt, dass die Kartellbehörden im Rahmen einer Abstellungsverfügung die Möglichkeit haben, eine Rückerstattung [...] anzuordnen" (Begründung 8. GWB-Novelle, BT-Drucks. 17/9852, S. 26 f.). Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass es sich bei der Rückerstattungsanordnung der Sache nach um eine Beseitigung einer geschehenen, aber noch gegenwärtigen Beeinträchtigung handelt (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, Rn. 22 - Wasserpreise Calw, mit Verweis auf Urteil vom 2. Juli 1996 - KZR 31/95, BGHZ 133, 177, 180 ff. - Kraft-Wärme-Kopplung). Die Wendung "in der Abstellungsverfügung" in § 32 Abs. 2a GWB verweist lediglich auf den ursprünglichen systematischen Zusammenhang mit § 32 Abs. 2 GWB. Aus den Motiven des Gesetzgebers ergeben sich indes keine Hinweise darauf, dass die Befugnis der Kartellbehörden zum Erlass einer solchen Anordnung nur dann besteht, wenn gleichzeitig auch eine Untersagungsverfügung erlassen wird oder erlassen werden könnte. Dem steht auch entgegen, dass es sich bei der Rückerstattung von Vorteilen um eine selbständige Folge einer Zuwiderhandlung handelt, die nach der Intention des Gesetzgebers im Wesentlichen der Kompensation der geschädigten Verbraucher dient (vgl. BT-Drucks. 17/9852, S. 27).
43 (2) Die Betroffene ist durch die Wahl der Ermächtigungsgrundlage in ihrem subjektiven-öffentlichen Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht verletzt. Die Betroffene muss sowohl bei der Vorteilsabschöpfung nach § 34 GWB als auch bei der Rückerstattung nach § 32 Abs. 2a GWB den erlangten wirtschaftlichen Vorteil abführen: im einen Fall an die Behörde, im anderen Fall an ihre Kunden. Da die Anordnung der Rückerstattung nach § 32 Abs. 2a GWB im Interesse der geschädigten Verbraucher liegt, sind lediglich deren Rechte durch die von der Landeskartellbehörde ausgeübte Befugnis berührt. Eigene schutzwürdige Interessen macht die Betroffene schon nicht geltend, zumal sie selbst im Verwaltungsverfahren die von der Landeskartellbehörde beabsichtigte Rückerstattungsanordnung unter Hinweis auf die oben dargelegte Streitfrage als rechtswidrig beanstandet hatte. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführt hat, durch eine Rückerstattung eine stärkere Kundenbindung erreichen zu können, legt sie damit kein schutzwürdiges Interesse dar, das die Landeskartellbehörde bei der Wahl der Ermächtigungsgrundlage zugunsten der Betroffenen zu berücksichtigen hatte. Der Betroffenen stand und steht es jederzeit frei, die gewünschte Kundenbindung durch Rückzahlung etwaiger durch einen Verstoß erlangter Vorteile zu erreichen. Eine solche Rückzahlung ist bei der Bemessung der Vorteile nach § 34 Abs. 2 Satz 1 GWB anzurechnen, zudem hat die Kartellbehörde gemäß Satz 2 den abgeführten Geldbetrag im Umfang der nach Erlass der Verfügung an die Kunden geleisteten Zahlungen zurückzuerstatten. Das zeigt, dass die Betroffene durch die von der Landeskartellbehörde getroffene Wahl der Ermächtigungsgrundlage nicht beschwert ist.
44 (3) Angesichts dessen braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die Landeskartellbehörde - wie das Beschwerdegericht gemeint hat - schon wegen der umstrittenen, höchstrichterlich bislang ungeklärten Rechtsfrage nach der Zulässigkeit einer isolierten Vorteilsabschöpfung, für den Erlass einer Abschöpfungsverfügung entscheiden durfte, ob diese Erwägungen in der angegriffenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gekommen sind und die Landeskartellbehörde ihre Ermessenserwägungen im Beschwerdeverfahren in dem vom Beschwerdegericht angenommenen Sinn und in einem gemäß § 114 Satz 2 VwGO zulässigen Umfang ergänzt hat.
45 b) Das Beschwerdegericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Landeskartellbehörde die Abschöpfung auf den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2010 beziehen durfte.
46 aa) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass der Abschöpfungszeitraum fünf Jahre vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Preismissbrauchs beginne. Die Zuwiderhandlung sei mit der Rekommunalisierung der Wasserversorgung zum 1. Januar 2011 beendet worden, weshalb der durch den Preishöhenmissbrauch erlangte wirtschaftliche Vorteil im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2010 habe abgeschöpft werden können.
47 bb) Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, war der Abschöpfungszeitraum nicht auf den Zeitraum von fünf Jahren vor Erlass der Verfügung festzulegen. Gemäß § 34 Abs. 5 Satz 1 GWB 2005 kann die Kartellbehörde die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils nur innerhalb einer Frist von bis zu fünf Jahren seit Beendigung der Zuwiderhandlung und längstens für einen Zeitraum von fünf Jahren anordnen. Zu der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang ungeklärten Frage, wie der in der Vorschrift genannte materielle Abschöpfungszeitraum zu berechnen ist, werden in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.
48 (1) Nach einer Ansicht soll der Fünfjahreszeitraum mit Beendigung des Verstoßes enden (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 34 GWB Rn. 38). Nach anderer Auffassung ist die Kartellbehörde auf die Abschöpfung derjenigen Vorteile beschränkt, die in den letzten fünf Jahren vor der Anordnung angefallen sind, ohne dass es auf eine Beendigung des Verstoßes ankommen soll (Funke in LMRKM, KartR, 4. Aufl., § 34 GWB Rn. 6). Nach wiederum anderer Auffassung ist der Fünfjahreszeitraum von dem Zeitpunkt an zu berechnen, in dem die Zuwiderhandlung noch zu einem letzten wirtschaftlichen Vorteil geführt hat (W.-H. Roth in Frankfurter Kommentar, 94. Lieferung (2019), § 34 Rn. 43; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl., § 34 Rn. 9).
49 (2) Keine dieser Auffassungen trifft zu. Vielmehr räumt § 34 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall GWB der Kartellbehörde ein Ermessen ein, das nach dem Zweck der Vorschrift davon geleitet wird, eine möglichst umfassende Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils zu gewährleisten. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann die Vorteilsabschöpfung längstens für "einen Zeitraum" von fünf Jahren angeordnet werden. Dass lässt bereits erkennen, dass der Gesetzgeber sich einer Konkretisierung des festzusetzenden Zeitraums enthalten hat. Den Gesetzesmaterialien zur 7. GWB-Novelle, mit der die bis dahin geltende Mehrerlösabschöpfung zu einem Instrument der Abschöpfung des gesamten, durch einen Kartellverstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteils erweitert und grundlegend neu geregelt worden ist, lassen sich keine näheren Hinweise dazu entnehmen, wie sich der materielle Abschöpfungszeitraum berechnet (vgl. Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 12. August 2004, BT-Drucks. 15/3640, S. 55). Das lässt ebenfalls darauf schließen, dass der Gesetzgeber keine Notwendigkeit gesehen hat, die Kartellbehörden bei der Bestimmung dieses Zeitraums einzuschränken, sondern stattdessen den Behörden einen Ermessenspielraum einräumen wollte. Das wird dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber der 9. GWB-Novelle im Zuge der Evaluierung der Vorschrift zu erkennen gegeben hat, dass es sich bei dem Abschöpfungszeitraum nach § 35 Abs. 5 Satz 1 um einen zusammenhängenden Zeitraum von fünf Jahren handeln muss, und zudem hervorgehoben hat, dass es in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt ist, "diesen Zeitraum näher zu verorten", weil wirtschaftliche Vorteile naturgemäß je nach Zuwiderhandlung und Marktsituation in unterschiedlichen Zeiträumen, mitunter auch erst nach Beendigung der Zuwiderhandlung, anfielen (Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. November 2016, BT-Drucks. 18/10207, S. 68). Daraus folgt, dass die Kartellbehörde - mit Ausnahme der Ausschlussfrist nach § 34 Abs. 5 Satz 1, 1. Fall und der Verjährungsfrist gemäß § 35 Abs. 5 Satz 2, 3 GWB - an keinen bestimmten Zeitraum gebunden ist, sondern vielmehr den Abschöpfungszeitraum unter Berücksichtigung der Zwecke der Vorteilsabschöpfung und der Art sowie des Umfangs der Vorteile, die zu den unterschiedlichen in Betracht kommenden Zeiträumen angefallen sind, nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmen kann. Der Zweck der Vorschrift, eine möglichst vollständige Abschöpfung der durch den Wettbewerbsverstoß erlangten Vorteile zu erreichen, wirkt dabei ermessenleitend.
50 Mit diesen Vorgaben ist unvereinbar, den Abschöpfungszeitraum ausschließlich von dem Zeitpunkt an zu berechnen, in dem die letzten Vorteile angefallen sind. Damit wäre nicht sichergestellt, dass die Kartellbehörde den durch den Verstoß erlangten Vorteil insbesondere dann umfassend abschöpfen kann, wenn die größeren Vorteile in einem anderen Zeitraum erlangt worden sind. Im Widerspruch zum Gesetzeszweck ebenso wie zum Bedürfnis nach einer praktikablen Handhabung der Befugnisnorm stünde es auch, wenn die Kartellbehörde den Fünfjahreszeitraum vom Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zurückrechnen müsste. Dies führte in Anbetracht eines typischerweise erheblichen und sich dynamisch entwickelnden Ermittlungsaufwands und der Notwendigkeit, vor Erlass der Verfügung dem betroffenen Unternehmen rechtliches Gehör zu gewähren, zu keinen sachgerechten Ergebnissen. Weder könnte die Kartellbehörde den Stichtag für den Abschöpfungszeitraum zuverlässig bestimmen, noch würde verhindert werden, dass betroffene Unternehmen durch taktisches Verhalten das Verwaltungsverfahren in die Länge ziehen und versucht wären, den Abschöpfungszeitraum zu ihren Gunsten zeitlich zu verlagern.
51 (3) Danach ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Festlegung des Abschöpfungszeitraums durch die Landeskartellbehörde gebilligt hat. Diese hat für die Abschöpfung zutreffend den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 31. Dezember 2010 bestimmt und ist dabei davon ausgegangen, dass durch den festgesetzten Abschöpfungsbetrag sichergestellt sei, dass die Betroffene für ihren Kartellverstoß nicht dadurch belohnt werde, dass sie den erworbenen wirtschaftlichen Vorteil behalten dürfe. Die Verfügung stelle daher den Zustand wieder her, der ohne die Forderung von missbräuchlich überhöhten Wasserpreisen bestanden hätte. Das lässt erkennen, dass sich die Behörde zutreffend von dem Gesetzeszweck hat leiten lassen, eine möglichst vollständige Abschöpfung des durch den Missbrauch erlangten Vorteils sicherzustellen.
52 Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Abschöpfungszeitraum habe sich auf die fünf Jahre nach der Rekommunalisierung und die in diesem Zeitraum noch angefallenen Zins- und Liquiditätsvorteile der Betroffenen erstrecken müssen. Ob es sich bei solchen Vorteilen, die erst nach Beendigung der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit angefallen sind, um wirtschaftliche Vorteile im Sinne des § 34 Abs. 1 GWB handelt, braucht nicht entschieden zu werden. Aus dem Gesetzeszweck folgt für den vorliegenden Sachverhalt, dass jedenfalls eine Abschöpfung nur mittelbarer Vorteile in Form von Zins- und Liquiditätsvorteilen, die aus den unmittelbaren Vorteilen - d.h. den vereinnahmten missbräuchlich überhöhten Wasserpreisen - gezogen werden und die regelmäßig geringer ausfallen als die unmittelbaren Vorteile in Gestalt der Summe der überhöhten Entgeltanteile, nicht zu einer der gesetzgeberischen Intention entsprechenden möglichst vollständigen Abschöpfung der erlangten Erlöse führen würde. Dass die von der Betroffenen geltend gemachten Zins- und Liquiditätsvorteile höher waren als die unmittelbaren Vorteile, hat die Betroffene nicht behauptet; das ist auch nicht ersichtlich, nachdem die Betroffene die Wasserversorgung rekommunalisiert hat. Sie hat lediglich ohne jede Konkretisierung in allgemeiner Weise vorgebracht, dass Zins- und Liquiditätsgewinne angefallen seien. Weitergehendes, vom Beschwerdegericht übergangenes Vorbringen zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Vor diesem Hintergrund bestand weder die Notwendigkeit, den geltend gemachten, von der Betroffenen aber nicht näher dargelegten mittelbaren Vorteilen nachzugehen, noch auf Grundlage des vom Gesetzeszweck intendierten Ermessens weiter zu begründen, weshalb die Behörde diese mittelbaren Vorteile nicht zum Gegenstand der Abschöpfung gemacht hat. Vielmehr versteht sich das Ergebnis von selbst und bedarf die Verfügung keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 - 8 C 30/01, BVerwGE 116, 332 Rn. 37). Insofern reichen die Erwägungen der Landeskartellbehörde für die Annahme einer ordnungsgemäßen Ausübung ihres Ermessens.
53 c) Nicht ohne Rechtsfehler ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, die Betroffene habe missbräuchlich überhöhte Preise im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 (jetzt § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB) verlangt. Nach dieser Vorschrift ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dann gegeben, wenn das marktbeherrschende Unternehmen Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Das Beschwerdegericht hat zwar sowohl die von der Landeskartellbehörde zugrunde gelegte Vergleichsmarktmethode (dazu nachfolgend aa) als auch die Auswahl der Vergleichsunternehmen (dazu nachfolgend bb) mit Recht unbeanstandet gelassen. Jedoch erweist sich die Zu- und Abschlagsrechnung in einem entscheidenden Punkt als rechtsfehlerhaft (dazu nachfolgend cc).
54 aa) Das Beschwerdegericht hat den methodischen Ansatz der Landeskartellbehörde rechtsfehlerfrei gebilligt.
55 (1) § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 setzt die Ermittlung des hypothetischen Wettbewerbspreises voraus, wofür den Kartellbehörden und -gerichten unterschiedliche Methoden zur Wahl stehen. Dazu zählt die Vergleichsmarktmethode, bei der ein Preishöhenmissbrauch anhand der Preisentwicklung auf kartellfreien Vergleichsmärkten bestimmt wird (vgl. zur Mehrerlösabschöpfung: BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - KRB 12/07, BGHSt 52, 1 Rn. 13, 19 - Papiergroßhandel; vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 78 - Grauzementkartell I). Bei der Anwendung dieser Methode sind in einem ersten Schritt die Märkte zu bestimmen, die mit dem relevanten Markt im Wesentlichen vergleichbar sind und deren Besonderheiten und strukturelle Unterschiede gegenüber dem für die Missbrauchsaufsicht relevanten Markt in einem zweiten Schritt durch entsprechende Zu- oder Abschläge nach Möglichkeit ausgeglichen werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1976 - KVR 2/76, BGHZ 68, 23, 33 - Valium; vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WuW/E BGH 2103, 2104 - Favorit; ferner BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 5/10, WuW/E DE-R 3145 Rn. 18 - Entega II zu § 19 Abs. 4 Nr. 3 a.F. GWB). Bei der danach vorzunehmenden Ermittlung des hypothetischen Marktpreises steht den Kartellbehörden ein methodischer Spielraum zu (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 - KVR 77/13, BGHZ 206, 229 Rn. 22 ff. - Wasserpreise Calw II).
56 (2) Das Beschwerdegericht hat den von der Landeskartellbehörde gewählten Ansatz gebilligt, für die Ermittlung des hypothetischen Wettbewerbspreises die Vergleichsmarktmethode zugrunde zu legen, obwohl damit aufgrund der von regionalen Leitungsmonopolen geprägten relevanten Märkte nur Monopolpreise ermittelt werden können. Das ist frei von Rechtsfehlern (BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 - KVR 7/85, GRUR 1987, 310, 311 - Glockenheide; vom 28. Juni 2005 - KVR 17/04, WuW/E DE-R 1513, 1517 - Stadtwerke Mainz; vgl. zu § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 6 C 36/08, NVwZ 2010, 1356, 1358 f.; Wolf in MünchKommWettbR, 4. Aufl. 2022, § 19 GWB Rn. 93) und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht beanstandet.
57 bb) Das Beschwerdegericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, die Landeskartellbehörde habe den Kreis der Vergleichsunternehmen in Übereinstimmung mit § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 bestimmt.
58 (1) An die Vergleichbarkeit der nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 maßgeblichen Märkte sind grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Allerdings dürfen - insbesondere für den Fall, dass als Vergleichsmaterial lediglich die (Wettbewerbs-)Preise eines einzelnen Vergleichsunternehmens herangezogen werden (BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 - KVR 7/85, WRP 1987, 311 [juris Rn. 16 ff.] - Glockenheide; vom 28. Juni 2005 - KVR 17/04, BGHZ 163, 282 Rn. 24 - Stadtwerke Mainz) - die Unterschiede nicht so erheblich sein, dass sich Zu- oder Abschläge von einem solchen Ausmaß ergeben, dass sich die ermittelten hypothetischen Wettbewerbspreise im Ergebnis nicht mehr auf konkrete Vergleichszahlen stützen, sondern durch das Übergewicht der auf reinen Schätzungen beruhenden Zu- oder Abschläge sowie der dem betroffenen Unternehmen zusätzlich zuzubilligenden Bandbreite zu einem letztlich nur noch fiktiven Wettbewerbspreis ohne sachliche Grundlage führen (BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 1980 - KVR 3/79, GRUR 1980, 742, 745 - Valium II; vom 28. Juni 2005 - KVR 17/04, BGHZ 163, 282 Rn. 26 - Stadtwerke Mainz).
59 Werden bei einer Vergleichsbetrachtung zur Feststellung eines Preishöhenmissbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 Monopolbetriebe miteinander verglichen, so müssen die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen vergleichbar und daher - wie auch § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB fordert - gleichartig sein. Ebenso wie bei § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB der Auswahl der Unternehmen nur die Funktion zukommt, eine grobe Sichtung unter den als Vergleichsunternehmen in Betracht kommenden Versorgungsunternehmen zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 4/94, BGHZ 129, 37, 46 f. - Weiterverteiler), sind auch bei der Preismissbrauchskontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 an die Vergleichbarkeit der Unternehmen und Märkte, die in den Vergleich einbezogen worden sind, keine zu hohen Anforderungen zu stellen. In beiden Fällen geht es darum zu entscheiden, ob zwei oder mehrere Unternehmen so gleichartig sind, dass zwischen ihnen hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine wesentlichen Unterschiede bestehen, die aus Sicht der Abnehmer gemäß der Zielsetzung einer möglichst sicheren und preiswürdigen Versorgung mit Trinkwasser von vornherein eine deutlich unterschiedliche Beurteilung der Preisgestaltung rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - KVR 66/08, BGHZ 184, 168 Rn. 29 - Wasserpreise Wetzlar). Muss die Kartellbehörde bei der allgemeinen Missbrauchskontrolle - anders als bei § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB - auch eine fehlende sachliche Rechtfertigung der Preisunterschiede beweisen, besteht im Hinblick auf die gleichgerichteten Ziele der Vorschriften, missbräuchlich überhöhte Preise in vermachteten Märkten zu verhindern, erst recht kein Bedürfnis, an die Auswahl der Vergleichsunternehmen strengere Anforderungen als bei der besonderen Missbrauchskontrolle zu stellen. Danach kommt es bei der Ermittlung der geeigneten Vergleichsunternehmen nicht auf eine umfassende Feststellung aller maßgeblichen Strukturdaten an. In der Wasserwirtschaft kommt - anders als bei der Strom- und Gasversorgung - der Vertriebssituation allerdings eine erhebliche Bedeutung zu, weil die Vertriebskosten dort einen höheren Anteil an den Gesamtkosten ausmachen (BGHZ 184, 168 Rn. 29 f. - Wasserpreise Wetzlar).
60 (2) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht nach diesen Grundsätzen die von der Landeskartellbehörde vorgenommene Auswahl der 14 Vergleichsunternehmen unbeanstandet gelassen.
61 (a) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, die für die Anwendung der Missbrauchsaufsicht nach § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB geltenden Maßstäbe beanspruchten auch für die Ermittlung eines Preishöhenmissbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 Geltung. Insbesondere komme dem Merkmal der Vergleichbarkeit nur die Funktion zu, eine grobe Sichtung unter den in Betracht kommenden Versorgungsunternehmen zu ermöglichen. Nur wenn sich die Unternehmen schon auf erste Sicht so signifikant unterschieden, dass sich ihre Einordnung als vergleichbar von vornherein verbiete, sei es dem betroffenen Unternehmen nicht zumutbar nachzuweisen, dass seine höheren Preise durch besondere Umstände gerechtfertigt seien. Umgekehrt lasse nicht all das, was die besonderen Umstände ausmache, bereits die Vergleichbarkeit entfallen. Daher seien zwei Unternehmen jedenfalls dann vergleichbar, wenn zwischen ihnen hinsichtlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine wesentlichen Unterschiede bestünden, die aus der Sicht der Abnehmer gemäß der Zielsetzung einer möglichst sicheren und preiswürdigen Versorgung mit Trinkwasser von vornherein eine deutlich unterschiedliche Beurteilung der Preisgestaltung rechtfertigten. Dabei komme es nicht auf eine umfassende Feststellung aller maßgeblichen Strukturdaten an. Vielmehr könne die Kartellbehörde aus allen möglichen Vergleichskriterien nach billigem Ermessen eine Auswahl treffen. Auf dieser Grundlage seien die von der Landeskartellbehörde herangezogenen 14 Unternehmen vergleichbar. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
62 (b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, bedurfte es keiner weitergehenden Begründung für die Auswahl der jeweiligen Vergleichsunternehmen. Die Landeskartellbehörde hat unter Berücksichtigung verschiedener Strukturparameter ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie die betrachteten Unternehmen als mit der Betroffenen vergleichbar erachtete. Dabei hat sie die Versorgungsdichte, den Anteil von Haushalts- und Kleinkunden, die Anzahl der versorgten Einwohner, die nutzbare Abgabe von Trinkwasser und die Abnehmerdichte in den Blick genommen. Auf dieser Grundlage ist die Landeskartellbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die herangezogenen Unternehmen mit der Betroffenen sehr gut vergleichbar seien. Weder liegt eine willkürliche Auswahlentscheidung vor, noch zeigt die Rechtsbeschwerde eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf.
63 (c) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, die Landeskartellbehörde - und mit ihr das Beschwerdegericht - habe nur vier weitere Vergleichsparameter berücksichtigt, zeigt sie ebenfalls keine Rechtsfehler auf. Eine allgemeine Aussage, ob eine bestimmte Anzahl von Parametern für einen verlässlichen Vergleich zwischen unterschiedlichen Unternehmen erforderlich ist, kann aufgrund der Vielfalt der zu beurteilenden Sachverhalte, anders als die Rechtsbeschwerde meint, schon im Ausgangspunkt nicht getroffen werden. Die Rechtsbeschwerde lässt zudem nicht erkennen, aus welchen Gründen die Heranziehung weiterer Strukturparameter angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls geboten gewesen wäre und wie sich dies auf den vorzunehmenden Vergleich ausgewirkt hätte. Der allgemeine Hinweis, dass das Beschwerdegericht die nach Auffassung der Betroffenen fehlende Berücksichtigung des Kriteriums "Gesamterträge Wassersparte" unbeanstandet gelassen hat, genügt dafür nicht. Das Beschwerdegericht hat in diesem Zusammenhang ohne Rechtsfehler angenommen, das Kriterium der Gesamterträge zähle nicht zu den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Vergleich besonders bedeutsamen Kriterien, die Rückschlüsse auf die Vertriebskosten erlaubten (BGHZ 184, 168 Rn. 32 - Wasserpreise Wetzlar). Zudem hat es zutreffend darauf abgestellt, dass die von der Landeskartellbehörde berücksichtigten Kriterien "direktversorgte Einwohner" und "nutzbare Wasserabgabe" ebenfalls Rückschlüsse auf die Unternehmensgröße zuließen. Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde insoweit nicht auf.
64 (d) Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, die Landeskartellbehörde habe den Metermengenwert zu Recht als ein wesentliches Kriterium für die Ermittlung der Vergleichsunternehmen herangezogen. Der Metermengenwert gibt an, wie viele Kubikmeter Wasser pro Meter Leitungsnetz geliefert werden (BGHZ 184, 168 Rn. 32 - Wasserpreise Wetzlar) und setzt damit die nutzbare Wasserabgabe in Relation zur Gesamtlänge des Netzes. Das Kriterium des Metermengenwertes gibt damit Auskunft über die vorhandene Versorgungsdichte, die wesentlichen Einfluss auf die Kostenstruktur eines Netzbetreibers hat. Bei einer höheren Abgabemenge pro Meter des Leitungsnetzes (und damit einem hohen Metermengenwert) ist die Versorgung in der Tendenz kostengünstiger als bei einer niedrigeren Menge (und damit einem niedrigeren Metermengenwert). Diese Bedeutung des Metermengenwertes und seine Eignung als Indiz für die Kostenstruktur eines Wasserversorgungsunternehmens ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 184, 168 Rn. 46 - Wasserpreise Wetzlar; vgl. zur Stromwirtschaft: BGHZ 163, 280, 292 - Stadtwerke Mainz; s.a. BKartA, Wasserbericht, S. 56 ff.) und in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 - VI-2 Kart 4/12 (V), NZKart 2014, 237 Rn. 117 - Berliner Wasserbetriebe) anerkannt, seine Berücksichtigung entspricht der kartellbehördlichen Praxis (vgl. BKartA, Wasserbericht, S. 56, s.a. OLG Düsseldorf, NZKart 2014, 237 Rn. 116 - Berliner Wasserbetriebe). Das Beschwerdegericht hat sich im Übrigen mit den im Beschwerdeverfahren von der Betroffenen erhobenen und mit der Rechtsbeschwerde wiederholten methodischen Einwänden gegen die Berücksichtigung des Metermengenwertes auseinandergesetzt und ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, diese Einwände stünden der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei diesem Wert um ein geeignetes Vergleichskriterium handele, weil sie den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Metermengenwert und Kostenstruktur nicht in Frage stellten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
65 Das Beschwerdegericht hat weiter mit Recht angeführt, dies gelte auch dann, wenn keine lineare Abhängigkeit zwischen Metermengenwert und Verteilkosten festgestellt werden könne und sich die Verteilkosten einzelner Vergleichsunternehmen trotz ähnlichen Metermengenwertes unterschieden (s.a. BKartA, Wasserbericht, S. 52). Auch das stellt den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Metermengenwert und Kostenstruktur nicht in Frage, weil Abweichungen auch auf anderweitige strukturelle Unterschiede zurückzuführen sein können (BGHZ 184, 168 Rn. 46 - Wasserpreise Wetzlar). Das Beschwerdegericht hat zudem hervorgehoben, dass sich die von der Betroffenen als geeignet vorgelegte Vergleichsberechnung ebenfalls auf den Metermengenwert stütze. Weiter hat das Beschwerdegericht ausgeführt, die Landeskartellbehörde habe die methodischen Unsicherheiten, die mit dem Metermengenwert verbunden seien, dadurch ausgeglichen, dass sie Unterschiede bei diesem Wert nur zu einem Drittel in die Zu- und Abschlagsrechnung eingestellt habe. Insoweit zeigt die Rechtsbeschwerde keine Rechtsfehler oder übergangenes Vorbringen auf. Schließlich hat sich die Landeskartellbehörde bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit nicht allein auf den Metermengenwert gestützt, sondern ist davon ausgegangen, dass auch die weiteren Kriterien die gute Vergleichbarkeit der zum Vergleich herangezogenen Unternehmen belegten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
66 (e) Soweit die Rechtsbeschwerde die Vergleichbarkeit der in den Blick genommenen Vergleichsunternehmen unter Hinweis auf die Spannbreite bei den von der Landeskartellbehörde herangezogenen einzelnen Strukturwerten beanstandet, setzt sie - ohne Rechtsfehler aufzuzeigen - lediglich ihre Würdigung an die Stelle derjenigen des Beschwerdegerichts. Zudem verkennt sie, dass an die Vergleichbarkeit der Unternehmen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen und bestehende strukturelle Unterschiede durch den Ansatz von Zu- und Abschlägen ausgeglichen werden können. Zweck der Auswahl einer bestimmten Zahl von Vergleichsmärkten oder -unternehmen ist es, diejenigen Märkte und Unternehmen zu identifizieren, die aufgrund der Markt- und Unternehmensstrukturen jedenfalls so ähnlich sind, dass auch erhebliche (strukturelle) Unterschiede im weiteren Verlauf der Vergleichsbetrachtung durch Zu- und Abschläge auszugleichen sind, ohne dass die Vergleichsbetrachtung der Preise überwiegend durch Zu- und Abschläge bestimmt wird (oben Rn. 58). Aus diesem Grund bedarf es für die Auswahl der Vergleichsunternehmen keiner Angabe bestimmter Spannbreiten. Die Eignung der getroffenen Auswahl wird sich daher regelmäßig nur in einer Zusammenschau mit Umfang und Qualität der vorgenommenen Abschläge bewerten lassen. Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass die von der Landeskartellbehörde vorgenommene und vom Beschwerdegericht gebilligte Vergleichsbetrachtung der Preise in unverhältnismäßigem Umfang von Zu- und Abschlägen bestimmt worden ist.
67 (f) Ebenfalls keinen Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde auf, soweit das Beschwerdegericht angenommen hat, die Berücksichtigung der Stadtwerke F. in der Vergleichsbetrachtung könne nicht mit dem Hinweis verneint werden, diese hätten im Betrachtungszeitraum auf Grundlage von künstlich niedrigen Wasserpreisen nicht kostendeckend gewirtschaftet und notwendige Investitionen in ihr Netz unterlassen, was sich aus den konstanten und massiven Preiserhöhungen unmittelbar nach dem von der Landeskartellbehörde betrachteten Zeitraum ergebe. Das Beschwerdegericht ist den möglichen Ursachen für die angeführte Preissteigerung nachgegangen, hat sich ausführlich mit den Einwänden der Betroffenen auseinandergesetzt und im Ergebnis keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass sich die Preiserhöhungen auf einen besonderen Nachholeffekt im Hinblick auf erforderliche Investitionen oder eine fehlende Kostendeckung im Betrachtungszeitraum zurückführen ließen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen lässt die Rechtsbeschwerde vermissen. Sie macht lediglich allgemein geltend, ein klar erkennbarer, von der allgemeinen Preisentwicklung im relevanten Bereich abweichender Preisanstieg im Anschluss an den von der Kartellbehörde betrachteten Zeitraum zeige bereits auf erste Sicht, dass die im Betrachtungszeitraum verlangten Preise des Vergleichsunternehmens nicht repräsentativ und als Vergleichsmaßstab ungeeignet seien.
68 Damit vermag sie Rechtsfehler nicht aufzuzeigen. Grundsätzlich ist der Vergleich zwischen den von den betrachteten Unternehmen geforderten Preisen auf den maßgeblichen Verstoßzeitraum beschränkt. Das schließt es allerdings nicht aus, im Einzelfall besondere Entwicklungen zu berücksichtigen, die vor oder nach dem Betrachtungszeitraum stattgefunden haben. Dabei ist jedoch die Netz-erneuerungsrate, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, kein zur Erklärung eines punktuellen Preisanstiegs geeignetes Kriterium, weil es angesichts der Lebensdauer eines Netzes und den daraus folgenden langen Investitionszyklen in der Wasserwirtschaft keine zuverlässigen Aussagen über die Angemessenheit der im Betrachtungszeitraum geforderten Preise liefert, wenn nicht die Netzerneuerungsraten über den Lebenszyklus der Netze verglichen und in Verhältnis zu den geforderten Preisen gesetzt werden. Jedenfalls aber rügt die Rechtsbeschwerde nicht, dass das Beschwerdegericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat. Sie zeigt auch kein vom Beschwerdegericht übergangenes Vorbringen auf, das Anlass zu weiterer Sachverhaltsermittlung gegeben hätte.
69 (g) Ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Beschwerdegerichts, die Stadtwerke M. seien mit der Betroffenen vergleichbar, auch wenn diese Stadtwerke in den Jahren 2007 bis 2009 einen Verlust erlitten hätten. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, eine Kostenunterdeckung in einem solch kurzen Zeitraum stehe der Berücksichtigung dieses Unternehmens nicht entgegen. Wegen der in der Wasserwirtschaft gegebenen langen Nutzungsdauer der Netzanlagen sei die Vergleichbarkeit mindestens auf Grundlage des auf den gesamten Betrachtungszeitraum bezogenen durchschnittlichen Jahresüberschusses zu ermitteln. Im Übrigen habe die Landeskartellbehörde den in den Jahren 2007 bis 2009 zu verzeichnenden Verlust durch Zuschläge auf die Vergleichspreise berücksichtigt. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass die Landeskartellbehörde auf Grundlage des betrachteten fünfjährigen Vergleichszeitraums die Erlöse der Betroffenen im Jahr 2009 abgeschöpft hat. Mit der auf das Jahr 2009 beschränkten Erlösabschöpfung hat die Landeskartellbehörde lediglich zugunsten der Betroffenen den niedrigsten Vergleichswert zugrunde gelegt. Das schließt es nicht aus, Vergleichsunternehmen zu berücksichtigen, die in diesem Jahr einen Verlust aufweisen, sofern die Behörde dem bei der Bewertung des gesamten Betrachtungszeitraums durch Zu- oder Abschläge Rechnung trägt. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, der vom Beschwerdegericht in den Blick genommene Jahresabschluss berücksichtige nicht die kalkulatorischen Kosten wie Zinsen und Abschreibungen und lasse daher keine Rückschlüsse auf eine durchschnittliche Kostendeckung im gesamten Betrachtungszeitraum zu, vermag die Rechtsbeschwerde damit ebenfalls nicht durchzudringen. Sie zeigt schon kein dahingehendes Vorbringen in der Tatsacheninstanz auf.
70 cc) Das Beschwerdegericht hat jedoch die Zu- und Abschlagsrechnung der Landeskartellbehörde rechtsfehlerhaft unbeanstandet gelassen.
71 (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB stehen Unterschiede in der Marktstruktur einer Wertung als Vergleichsmarkt grundsätzlich nicht entgegen, ihnen ist allerdings durch entsprechende Zu- und Abschläge Rechnung zu tragen. Dabei sind insbesondere solche Kostenfaktoren in den Blick zu nehmen, die auch jedes andere Unternehmen in der Situation des betroffenen vorfinden würde, nicht beeinflussen könnte und seiner Kalkulation zugrunde legen müsste (BGHZ 163, 282 Rn. 27 - Stadtwerke Mainz; BGHZ 184, 168 Rn. 42 - Wasserpreise Wetzlar). Dazu zählen unter anderem ungünstige strukturelle Gegebenheiten des Versorgungsgebiets. Die durch solche Faktoren verursachten Preisunterschiede sind deshalb hinzunehmen. Dagegen haben individuelle, allein auf eine unternehmerische Entschließung oder auf die Struktur des betroffenen Versorgungsunternehmens zurückgehende Umstände außer Betracht zu bleiben, weil ein Bestandsschutz für unternehmensindividuelle, gegebenenfalls monopolbedingte Ineffizienzen oder Preisüberhöhungstendenzen nicht anzuerkennen ist (BGHZ 163, 282 Rn. 27 - Stadtwerke Mainz; BGHZ 184, 168 Rn. 42 - Wasserpreise Wetzlar).
72 Bei dem Ansatz der Zu- und Abschläge sind, soweit dies ohne unzumutbaren Aufwand möglich ist, die tatsächlichen Verhältnisse zu klären. Scheidet dies nach den konkreten Verhältnissen aus, ist in begrenztem Umfang auch eine Schätzung zulässig; sie darf aber nicht zu einem wettbewerbsanalogen Preis führen, der überwiegend auf geschätzten Zu- und Abschlägen beruht (BGHZ 76, 142, 150 - Valium II; BGHZ 163, 282 Rn. 26 - Stadtwerke Mainz). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der Frage, ob der Preis des betroffenen Unternehmens missbräuchlich erhöht ist, Sicherheits- und Erheblichkeitszuschläge vorzunehmen. Im Hinblick auf den Erheblichkeitszuschlag kann, wenn der sachliche Markt - wie hier - von einer Monopolsituation geprägt ist, unter Umständen ein Missbrauch schon bei einem geringeren Zuschlag anzunehmen sein als unter normalen Marktgegebenheiten (BGHZ 163, 282, 296 - Stadtwerke Mainz; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 5/10, WuW/E DE-R 3145 Rn. 32 - Entega II; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, juris Rn. 27 - Wasserpreise Calw).
73 Die Bemessung sämtlicher Zu- und Abschläge ist Sache des Tatrichters, der dabei die Umstände des konkreten Falls zu bewerten hat (BGHZ 68, 23, 33 - Valium; BGH, Beschluss vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WuW/E BGH 2103, 2104 - Favorit; BGHZ 163, 282 Rn. 33 - Stadtwerke Mainz; WuW/E DE-R 3145 Rn. 18 - Entega II, zu § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB 2005; BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 2/15, NZKart 2017, 198 Rn. 28 - Kabelkanalanlagen). Diese Würdigung unterliegt nach den allgemeinen Grundsätzen nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
74 (2) Danach hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei nicht beanstandet, dass die Landeskartellbehörde bei der Ab- und Zuschlagsrechnung die von der Betroffenen abweichenden Metermengenwerte der Vergleichsunternehmen berücksichtigt und die Vergleichspreise mit Zu- oder Abschlägen versehen hat. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, diese Verfahrensweise belaste die Betroffene doppelt, trifft das nicht zu. An die Auswahl der Vergleichsunternehmen sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, weshalb auch Unternehmen mit ungünstigeren Metermengenwerten als die Betroffene in den Kreis der zu betrachtenden Unternehmen aufgenommen werden können. Das bedeutet indes nicht, dass das Beschwerdegericht die ungünstigeren strukturellen Bedingungen bei den Vergleichsunternehmen nicht durch Abschläge auf deren Preis berücksichtigen dürfte. Ein Ausgleich derartiger struktureller Unterschiede ist vielmehr eine wesentliche Voraussetzung für den Vergleich zwischen den von den Unternehmen geforderten individuellen Preisen, weil es darum geht zu ermitteln, welche Preise jedes andere Unternehmen in der Situation des betroffenen unter den vorgefundenen und nicht beeinflussbaren Bedingungen fordern würde. Die Bestimmung eines Kreises von Vergleichsunternehmen bildet einen ersten Filter, der dazu dient diejenigen Unternehmen zu identifizieren, deren Markt- und Strukturbedingungen in einem solchen Ausmaß vergleichbar sind, dass die für die Vergleichsbetrachtung vorzunehmenden Zu- und Abschläge zum Ausgleich niemals zu vermeidender Unterschiede nicht so groß sind, dass die Missbrauchsgrenze überwiegend auf (geschätzten) Korrekturzuschlägen beruht (oben Rn. 72). Anderes lässt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 184, 168 Rn. 32 - Wasserpreis Wetzlar) nicht ableiten.
75 (3) Das Beschwerdegericht war auch - anders als die Rechtsbeschwerde meint - aus Rechtsgründen nicht gehalten, die Abnehmerdichte bei der Ab- und Zuschlagsrechnung zu berücksichtigen.
76 Es hat angenommen, die Abnehmerdichte, die die Länge des Leitungsnetzes in das Verhältnis zu der Anzahl von Hausanschlüssen setzt, berücksichtige nicht die durchgeleitete Wassermenge und weise daher geringere Erlösrelevanz auf, weshalb die Aussagekraft dieses Wertes fraglich sei. Daher sei es auch nicht zu beanstanden, dass die Landeskartellbehörde das Kriterium zwar bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen, nicht aber bei der Zu- und Abschlagsrechnung berücksichtigt habe. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar hat die Landeskartellbehörde die vom Beschwerdegericht akzeptierte Auswahl der Vergleichsunternehmen auch darauf gestützt, dass die Unternehmen in Bezug auf die Abnehmerdichte gut vergleichbar seien. Indes besteht keine Notwendigkeit oder gar ein Automatismus, jedes für die Wahl der Vergleichsunternehmen herangezogene Vergleichskriterium auch bei der Zu- und Abschlagsrechnung zu berücksichtigen. Weist ein solches Kriterium, das der Bestimmung der Versorgungsdichte dient, eine im Vergleich zu einem anderen, ebenfalls die Versorgungsdichte abbildenden Kriterium, hier dem Metermengenwert, eine geringere Erlösrelevanz auf (so auch OLG Düsseldorf, NZKart 2014, 237 [juris Rn. 125 ff.] - Berliner Wasserbetriebe), so ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn dieses Kriterium in die Zu- und Abschlagsrechnung nicht einfließt. Nichts anderes lässt sich der von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnehmen (BGHZ 184, 168 Rn. 32 - Wasserpreise Wetzlar). Daraus ergibt sich zwar, dass die Abnehmerdichte ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl der Vergleichsunternehmen bilden kann und dieser Wert auch Rückschlüsse auf die Vertriebskosten zulässt. Eine Rechtspflicht, in jedem Fall und unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls das Kriterium der Abnehmernehmerdichte bei der Zu- und Abschlagsrechnung zu berücksichtigen, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Das Beschwerdegericht hat sich mit den bereits im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwänden der Betroffenen eingehend auseinandergesetzt. Eine willkürliche, inkonsistente Handhabung der Vergleichsmarktmethode ergibt sich daraus nicht. Die Rechtsbeschwerde zeigt insoweit auch keinen übergangenen Sachvortrag auf, sondern unternimmt den im Rechtsbeschwerdeverfahren untauglichen Versuch, unter Hinweis auf ihre ungünstigere Abnehmerdichte lediglich eine abweichende Würdigung des Sachverhalts zu erreichen. Sie lässt - auch im Hinblick auf die vom Beschwerdegericht gebildeten Beispiele, wonach bei vergleichbarer Abnehmerdichte erheblich differierende Durchleitungsmengen auftreten können - nicht erkennen, warum der Abnehmerdichte im konkreten Fall gleichwohl eine dem Metermengenwert vergleichbare Erlösrelevanz zukommt. Stattdessen weist sie nur ganz allgemein darauf hin, dass ein ungünstigerer Wert bei der Abnehmerdichte darauf hindeute, dass ein Wasserversorgungsunternehmen für die Versorgung eines Haushaltsanschlusses längere oder zusätzliche Ortsnetzleitungen vorhalten müsse.
77 (4) Ebenfalls ohne durchgreifenden Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Art der Berechnung der Zu- und Abschläge. Sie will die Unterschiede bezüglich des Metermengenwertes auf die jeweiligen Vergleichsunternehmen bezogen wissen, während das Beschwerdegericht den Metermengenwert auf die Verteilkosten der Betroffenen bezogen hat. Das greift nicht durch. Die Zu- und Abschlagsrechnung dient dem Ausgleich bestehender Unterschiede zwischen unterschiedlichen Marktgegebenheiten zur Herstellung einer Vergleichbarkeit der jeweils geforderten Preise. Das Beschwerdegericht hat nachvollziehbar darauf verwiesen, dass aufgrund inhaltlicher Überschneidungen von Metermengenwert und sonstigen Strukturparametern eine doppelte Berücksichtigung von Strukturvor- oder Strukturnachteilen drohe, wenn die Unterschiede im Metermengenwert auf die Vergleichsunternehmen bezogen würden. Dass im hier gegebenen Einzelfall bei der Betroffenen keine Zu- oder Abschläge vorgenommen worden sind, stellt den gewählten und grundsätzlich nicht ungeeigneten methodischen Ansatz aber nicht in Frage.
78 (5) Rechtsfehlerfrei erweist sich weiterhin die Nichtberücksichtigung des von der Betroffenen geltend gemachten strukturbedingten Nachfragerückgangs.
79 (a) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein unerwartet starker Verbrauchsrückgang und der damit verbundene Rückgang der Umsatzerlöse rechtfertige die vergleichsweise hohen Preise der Betroffenen nicht. Diesem Umstand habe die Landeskartellbehörde bereits durch Berücksichtigung des Metermengenwerts Rechnung getragen. Die Betroffene weise trotz dieses Rückgangs den dritthöchsten Mengenwert aus. Habe sie trotz Verschlechterung der Absatzsituation im Verfügungszeitraum noch eine höhere Absatzmenge pro Netzleitungskilometer als die meisten der Vergleichsunternehmen zu verzeichnen, rechtfertige dies keine überhöhten Preise und erfordere daher auch keine Berücksichtigung dieses Umstands durch Bildung von Zu- und Abschlägen. Die Betroffene könne sich insbesondere nicht auf den Absatzrückgang durch Schließung eines in ihrem Versorgungsgebiets angesiedelten Stützpunkts der US-Armee berufen. Es sei nicht ersichtlich, dass dies zu einer Verschlechterung der Kostensituation geführt habe, was in der Folge durch höhere Preise hätte refinanziert werden müssen. Es sei lediglich eine - aufgrund der Versorgung einer hohen Zahl von Verbrauchern mit überdurchschnittlichem Trinkwasserverbrauch bei geringem Investitionsaufwand - besonders günstige Absatzsituation entfallen, ohne dass sich hieraus eine im Verhältnis zu den Vergleichsunternehmen besonders nachteilige Situation ergeben hätte. Weitere geltend gemachte Absatzrückgänge träfen die Vergleichsunternehmen gleichermaßen, so dass sich daraus keine Rechtfertigung höherer Preise ergebe.
80 (b) Diese Tatsachenwürdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar handelt es sich bei den demographischen Entwicklungen, die zu einem Rückgang des Wasserverbrauchs führen, im Grundsatz um eine strukturelle Besonderheit, die jedes Unternehmen treffen würde, das im Versorgungsgebiet tätig ist. Das Beschwerdegericht hat die von der Betroffenen geltend gemachten Umstände bezüglich des rückläufigen Wasserbrauchs jedoch umfassend gewürdigt und ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Entwicklung keine höheren Wasserpreise rechtfertige. Im Hinblick auf die Schließung des Depots der US-Armee ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht darin mit Blick auf die Vergleichsunternehmen und die jeweiligen Metermengenwerte nur eine Nivellierung einer zuvor bestehenden besonders günstigen Absatzsituation gesehen hat. Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, dass sich das Beschwerdegericht dabei davon hat leiten lassen, dass die Betroffene trotz des erheblich rückläufigen Wasserabsatzes einen der höchsten Metermengenwerte der Vergleichsunternehmen aufweist. Der Metermengenwert lässt, wie ausgeführt (oben Rn. 64 f.) Rückschlüsse auf die Kostenstruktur der betroffenen Unternehmen zu. Aus dem Vergleich der Metermengenwerte der Betroffenen mit denen der Vergleichsunternehmen konnte das Beschwerdegericht daher ohne Rechtsfehler erkennen, dass sich aufgrund des Absatzrückgangs keine gegenüber den Vergleichsunternehmen relevanten und durch Zu- und Abschläge auszugleichenden Nachteile ergeben haben. Soweit die Rechtsbeschwerde allgemein geltend macht, dass bei höherem Wasserverbrauch das Versorgungsnetz samt zugehöriger Anlagen auf die zusätzlichen Abgabemengen ausgelegt werden müsse, dies zu höheren Kosten beim Versorger führe und der Metermengenwert insoweit keine Aussage über die Dimensionierung der Netzleitung und die damit verbundenen Kosten treffe, zeigt die Rechtsbeschwerde kein übergangenes Vorbringen auf, aus dem sich ergibt, dass die Netzleitungen der Betroffenen tatsächlich zu groß dimensioniert sind. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist in diesem Zusammenhang auch die (statische) Betrachtung des Metermengenwertes des Jahres 2009 nicht zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat die nachteilige Entwicklung zugunsten der Betroffenen unterstellt und den Metermengenwert als Anhaltspunkt dafür herangezogen, dass die Versorgungsbedingungen nicht erheblich schlechter sind als die der Vergleichsunternehmen. Für diese Beurteilung war eine dynamische Betrachtung nicht erforderlich.
81 (6) Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann allerdings nicht verneint werden, dass die von der Betroffenen geltend gemachten topografischen Besonderheiten des Versorgungsgebiets bei der Zu- und Abschlagsberechnung zu berücksichtigen sind.
82 (a) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass die mit den topografischen und geologischen Verhältnissen eines Versorgungsgebiets verbundenen Kosten in der Zu- und Abschlagsrechnung zwar grundsätzlich zu berücksichtigen seien. Allerdings bedürfe es der Darlegung und des Nachweises, in welcher Höhe solche Mehrkosten anfallen, wie diese Mehrkosten in die verlangten Preise einflössen und dass insoweit keine Rationalisierungsreserven bestünden. Dabei dürften keine zu geringen Anforderungen an den Nachweis der Umstände gestellt werden, die einen ungünstigeren Preis rechtfertigen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass monopolistische Kostenüberhöhungstendenzen in die Beurteilung einflössen. Den sich daraus ergebenden Anforderungen an ihre Darlegungslast habe die Betroffene nicht entsprochen. Aus ihrer Aufstellung ergebe sich nicht, welche Mehrkosten aufgrund welcher konkreter topografischer Erschwernisse des Versorgungsgebiets ihr entstanden seien. Es lasse sich nicht erkennen, welche der genannten Aufwandspositionen einen Bezug zur Topografie hätten. Selbst wenn man einen Bezug zur Topographie unterstelle, fehlten Darlegungen der Betroffenen, dass einzelne oder sämtliche der Positionen bestimmte allein berücksichtigungsfähige Mehrkosten infolge bestimmter topografischer Umstände darstellten. Zwar habe die Betroffene vorgetragen, dass sich in ihrem Versorgungsgebiet verschiedene Einrichtungen befänden, die aufgrund ihrer Anzahl und ihres Umfangs indiziell für erschwerte topografische Verhältnisse sprechen könnten, wie etwa die Anzahl von Druckzonen, Zonentrennschiebern, Behältern (unter Angabe des Gesamtvolumens), Netzpumpen, Pumpwerken, und auf die bestehende Höhendifferenz im Versorgungsgebiet verwiesen. Dieses Vorbringen genüge jedoch nicht, da die Betroffene jedenfalls diesen Einrichtungen die durch sie verursachten Kosten hätte zuordnen, mithin die Kosten hinreichend aufschlüsseln müssen. Allein die von der Betroffenen vorgetragene Anzahl der Einrichtungen, das Volumen der Behälter und die im Gebiet vorhandenen Höhendifferenzen ermöglichten keine Rückschlüsse auf hierdurch entstehende Mehrkosten. Die Betroffene habe nicht einmal dargelegt, wie sich die topografischen Kennzahlen bei ihr aufwandsmäßig auswirkten. So sei unklar, in welchem Umfang bestimmte Wassermengen zur Überwindung bestimmter Höhendifferenzen nach oben gepumpt werden müssten oder umgekehrt nach unten flössen. Derartiges Vorbringen sei der Betroffenen aber unter Rückgriff auf ihre unternehmensbezogenen Daten möglich gewesen.
83 (b) Das erweist sich als nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar hat das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass topographische Besonderheiten eines Versorgungsgebiets bei der Vergleichsbetrachtung durch Zu- und Abschläge auszugleichen sind, weil es sich dabei um dem betroffenen Unternehmen nicht zurechenbare, strukturelle Umstände handelt, die jeder Anbieter im Versorgungsgebiet der Betroffenen vorfinden würde und nicht beeinflussen könnte (BGHZ 184, 168 Rn. 59 - Wasserpreise Wetzlar; s.a. BKartA, Wasserbericht, S. 60 f.). Ob derartige Besonderheiten bei der Zu- und Abschlagsrechnung zu berücksichtigen sind, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab und liegt damit weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet. Bei der Feststellung der maßgeblichen Umstände hat das Beschwerdegericht jedoch zu strenge Maßstäbe an die Mitwirkungslast der Betroffenen angelegt.
84 (aa) Die Tatsachenfeststellung im kartellbehördlichen Verwaltungsverfahren unterliegt gemäß § 57 Abs. 1 GWB dem Amtsermittlungsgrundsatz. Danach muss die Kartellbehörde wegen der ihr obliegenden Feststellungslast die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 feststellen. Gelingt ihr das nicht, kann sie weder eine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 GWB erlassen, noch eine Vorteilsabschöpfung vornehmen. Dem betroffenen Unternehmen obliegt allerdings nicht nur bei der Kostenkontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, WuW/E DE-R 3632 Rn. 17 ff. - Wasserpreise Calw; BGHZ 206, 229 Rn. 30 f., 58 - Wasserpreise Calw II), sondern auch bei der Prüfung der Frage, ob bestimmte Umstände höhere Preise rechtfertigen und daher nach Auffassung des betroffenen Unternehmens in die Zu- und Abschlagsrechnung Eingang finden sollen, eine Mitwirkungspflicht nach § 26 Abs. 2 VwVfG, die durch die Auskunftspflicht gemäß § 59 Abs. 1 GWB konkretisiert wird. Das betroffene Unternehmen hat der Kartellbehörde daher die Daten aus seinem Einwirkungsbereich zu übermitteln, die sich die Behörde nicht auf anderem zumutbarem Wege beschaffen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1999 - KVR 12/98, BGHZ 142, 239, 248 f. - Flugpreisspaltung; BGH, WuW/E DE-R 3632 Rn. 17 ff. - Wasserpreise Calw; BGHZ 206, 229 Rn. 30 f., 58 - Wasserpreise Calw II).
85 (bb) Entsprechende Grundsätze gelten auch im kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren (BGHZ 206, 229 Rn. 30 - Wasserpreise Calw II; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 - KVR 69/19, BGHZ 226, 67 Rn. 119 - Facebook, jeweils mwN). Nach § 75 Abs. 1 GWB hat das Beschwerdegericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Gleichwohl ist anerkannt, dass die danach bestehende gerichtliche Aufklärungspflicht dort ihre Grenze findet, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (BGHZ 206, 229 Rn. 59 - Wasserpreise Calw II; BGHZ 226, 67 Rn. 19 - Facebook), und dass eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen kann (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 9 C 11/11, BVerwGE 145, 354 Rn. 28, mwN).
86 Ungeachtet dessen entbindet die den Beteiligten auferlegte Mitwirkungspflicht das Beschwerdegericht grundsätzlich nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht. Unter Berücksichtigung der materiellen Beweislast ergeben sich im Hinblick auf die Reichweite der gerichtlichen Ermittlungspflicht allerdings Unterschiede zwischen der allgemeinen Preismissbrauchskontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 und der besonderen Preismissbrauchskontrolle nach § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Nicht nur bei der kostenbasierten Ermittlung eines Preismissbrauchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 (BGHZ 206, 229 Rn. 31 - Wasserpreise Calw II), sondern auch dann, wenn der Missbrauch auf Grundlage der Vergleichsmarktmethode festgestellt werden soll, bleibt es uneingeschränkt bei dem Grundsatz, dass die Behörde ebenso wie das Beschwerdegericht die (materielle) Beweislast für den Missbrauch trägt und nur in diesem Rahmen die unzureichende Mitwirkung des Unternehmens würdigen kann.
87 Zwar dürfen bei der Kontrolle missbräuchlicher Preise an die Darlegung der Umstände, die einen vergleichsweise höheren Preis rechtfertigen sollen, keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, weil nur auf diese Weise der Gefahr begegnet werden kann, dass monopolistische Kostenüberhöhungstendenzen in die Beurteilung einfließen. Das gilt nicht nur für die Rechtfertigung einer diskriminierenden Preisspaltung (vgl. BGHZ 142, 239, 249 - Flugpreisspaltung, zu § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB 2005), sondern auch für geltend gemachte Mehrkosten, die einem Unternehmen als Folge topografisch schwieriger Bedingungen seines Versorgungsgebiets erwachsen sollen (BGHZ 184, 168 Rn. 62 - Wasserpreise Wetzlar, zum jetzigen § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB). Allerdings darf die Mitwirkungslast bei Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB 2005 nicht in einer Weise gehandhabt werden, dass sie im Ergebnis zu einer - anders als bei § 31 Abs. 4 Nr. 2 GWB - gesetzlich nicht vorgesehenen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast (BGHZ 184, 168 Rn. 76 - Wasserpreise Wetzlar; BGHZ 206, 229 Rn. 58 - Wasserpreise Calw II) führt. Daher dürfen die Kartellbehörde oder das Beschwerdegericht die Erstellung von Kalkulationen, die das Unternehmen für den eigenen Geschäftsbetrieb typischerweise nicht vorhält, ebenso wenig verlangen wie sie dem betroffenen Unternehmen die Einholung eines Gutachtens aufgeben können (vgl. BGHZ 206, 229 Rn. 32 - Wasserpreise Calw II).
88 (cc) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht zu strenge Anforderungen an die Mitwirkungslast der Betroffenen gestellt. Diese hat ausführlich zu den topographischen Gegebenheiten im Versorgungsgebiet vorgetragen, die topographiebedingte Netzinfrastruktur erläutert und die für die Überwindung der topographischen Besonderheiten erforderlichen Kosten mit Hilfe einer Kostenstellenübersicht dargelegt. Insbesondere hat sie auf Grundlage der von der Landeskartellbehörde ermittelten Daten dargelegt, dass sie bei vielen "Topographie-Indikatoren" wie Höhendifferenz, Druckzonen, Zonentrennschieber, Behältern, Netzpumpen und Pumpwerken ungünstigere Werte als die meisten der von der Landeskartellbehörde betrachteten Vergleichsunternehmen zu verzeichnen hat. Sie hat zudem dargelegt, dass sämtliche dieser Anlagen zu ihren jeweiligen Bauzeitpunkten nach den "ingenieurtechnischen Regeln bedarfsgerecht geplant und lageoptimal in das Versorgungsgebiet eingebunden" worden seien. Soweit das Beschwerdegericht eine weitergehende objektgenaue Zuschlüsselung der durch die topographischen Besonderheiten verursachten Mehrkosten vermisst hat, fehlen Feststellungen dazu, dass eine solche weitergehende Kostenschlüsselung bei der Betroffenen überhaupt vorhanden war und hätte vorgelegt werden können. Ist das nicht der Fall, ist es - angesichts der von der Betroffenen vorgebrachten Anhaltspunkte für topographische Besonderheiten im Versorgungsgebiet - Sache des Beschwerdegerichts, auf Grundlage der von der Betroffenen mitgeteilten Daten eine nähere Kostenzuordnung durch Einholung weiterer geeigneter Auskünfte von der Betroffenen zu ermitteln, wobei es sich dazu der Mithilfe der Landeskartellbehörde hätte bedienen können (BGHZ 178, 285 Rn. 32 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGHZ 226, 67 Rn. 19 - Facebook). Wären derartige Ermittlungen ohne Erfolg geblieben, weil diese Daten gar nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand hätten ermittelt werden können, hätte das Beschwerdegericht vor dem Hintergrund der gesetzlich angeordneten materiellen Beweislast erwägen müssen, ob aufgrund der aufgezeigten Indizien topographiebedingte Mehrkosten zu schätzen und durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen sind, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass solche Mehrkosten bestehen.
89 III. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist danach aufzuheben, da sie sich nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig erweist (§ 80 Abs. 5 GWB). Der Senat kann auch nicht in der Sache entscheiden, weil sie zur Entscheidung nicht reif ist. Sie ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 80 Abs. 4 Nr. 2 GWB).
90 IV. Für das weitere Verfahren vor dem Beschwerdegericht weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
91 1. Das Beschwerdegericht wird nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch der Frage nachzugehen haben, inwieweit sich die - unstreitig - fehlerhafte Berechnung von Zu- und Abschlägen für die Wasserbeschaffung und den Verlustausgleich auf die Ermittlung des Vergleichspreises ausgewirkt hat.
92 Fehler bei der Zu- und Abschlagsberechnung für die Vergleichsunternehmen können Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die von der Betroffenen geforderten Preise missbräuchlich überhöht waren, weil dies eine wertende Betrachtung der Differenz zwischen den korrigierten Preisen der Vergleichsunternehmen und den Preisen des betroffenen Unternehmens erfordert. Das trifft auch im Hinblick auf die von der Betroffenen geltend gemachten möglichen Auswirkungen der genannten Fehler auf die Auswahl des für die Berechnung des Abschöpfungsbetrages maßgeblichen Unternehmens zu. Die Landeskartellbehörde hat die Wahl der Stadtwerke F. als Vergleichsmaßstab damit begründet, dass deren Erlöse in etwa dem arithmetischen Mittel aller Vergleichsunternehmen entsprächen. Wie die Betroffene zu Recht geltend macht, können die aufgezeigten Fehler bei der Zu- und Abschlagsrechnung Auswirkungen auf das arithmetische Mittel der Preise haben, welches auch das Beschwerdegericht im Anschluss an die Landeskartellbehörde als Grundlage für die Auswahl des für den Preisvergleich herangezogenen Vergleichsunternehmens genommen hat. Diesen Einwand wird das Beschwerdegericht nicht mit dem Hinweis entkräften können, derartige Fehler wirkten sich deshalb nicht zugunsten der Betroffenen aus, weil sie andere Unternehmen beträfen als dasjenige, mit dem die Landeskartellbehörde die Preise der Betroffenen für die Berechnung der Vorteilsabschöpfung verglichen hat. Insofern liegt der Sachverhalt anders als in der vom Beschwerdegericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der sich ein Fehler bei der Zu- und Abschlagsrechnung nicht auswirkte, weil die Kartellbehörde zugunsten der dortigen Betroffenen das teuerste der Vergleichsunternehmen der Vergleichsberechnung zugrunde gelegt hat (BGHZ 184, 168 Rn. 68 - Wasserpreise Wetzlar). Das Beschwerdegericht wird daher gegebenenfalls aufzuklären haben, ob und wie sich bei vollständiger Berücksichtigung der korrigierten Zu- und Abschlagsrechnung im konkreten Fall das arithmetische Mittel verändert, ob ein anderes Vergleichsunternehmen an Stelle der Stadtwerke F. für die Berechnung des Abschöpfungsbeitrags auszuwählen gewesen wäre und ob und in welcher Weise sich die vom Beschwerdegericht als fehlerhaft erkannten Abweichungen zugunsten der Betroffenen auswirken können.
93 2. Es wird - anders als die Betroffene meint - nicht zu beanstanden sein, dass sich das Beschwerdegericht im Anschluss an die Landeskartellbehörde bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Vorteils auf Strukturdaten aus dem Jahr 2009 und die Vergleichspreise aus dem Jahr 2010 gestützt hat. Wie der Verfügung der Landeskartellbehörde zu entnehmen ist, haben sich bei den Strukturdaten des Jahres 2009 keine wesentlichen Veränderungen zu den Jahren 2006 bis 2008 und zum Jahr 2010 ergeben. Die Rechtsbeschwerde bringt nichts Gegenteiliges vor. Den Vergleich der Trinkwasserpreise der Betroffenen mit denen der Vergleichsunternehmen hat die Landeskartellbehörde zugunsten der Betroffenen allein auf das Jahr 2010 beschränkt und damit der Sache nach einen weiteren Sicherheitsabschlag vorgenommen. Nach den Ausführungen der Landeskartellbehörde hätte sich der Preisabstand der von der Betroffenen geforderten Preise zu den Vergleichsunternehmen bei einer jahresscharfen Betrachtung noch vergrößert. Da die Kartellbehörde den abzuschöpfenden wirtschaftlichen Vorteil nach § 34 Abs. 4 GWB schätzen darf, sind diese Erwägungen, die im methodischen Ermessen der Behörde liegen, nicht zu beanstanden.