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Wirtschaftsrecht
24.03.2010
Wirtschaftsrecht
LG Düsseldorf: Vorstandsanstellungsvertrag - Bemessung der erfolgsorientierten Vergütung "nach dem Gewinn vor Steuern"

LG Düsseldorf, Urteil vom 6.11.2009 - 39 O 92/08

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Zahlung der erfolgsorientierten Vergütung für den Kläger für das Jahr 2007 sowie die Rückzahlung eines vom Kläger bei der Beklagten in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits.

Der Kläger war seit dem 1.9.2006 bis zu seiner fristlosen Kündigung durch die Beklagte im März 2008 Vorstandsmitglied der Beklagten. Der Dienstvertrag (Bl. 4 ff. GA) enthält in § 6 Abs. 1 und 4 mit Wirkung zum 1.1.2007 auszugsweise folgende Regelungen zur Vergütung:

"(1) Das Vorstandsmitglied erhält eine Festvergütung, eine erfolgsorientierte Vergütung sowie Nebenleistungen. ...

Darüber hinaus wird dem Vorstandsmitglied eine erfolgsorientierte Vergütung gezahlt, die abhängig ist vom Gewinn vor Steuern (GvSt).

Voraussetzung für eine Zahlung ist mindestens ein Gewinn vor Steuern von mehr als 70 Mio. Euro.

Ihre Zahlung folgt entsprechend den vom Hauptausschuss des Verwaltungsrats der a unter dem 21.8.2006 festgelegten Modalitäten.

Zahlungstermin ist der 30.4. des Folgejahres (erstmals am 30.4.2008 für das Geschäftsjahr 2007)."

Im Protokoll der erwähnten Sitzung des Hauptausschusses vom 21.8.2006 (Bl. 196 GA) heißt es auszugsweise:

"Nach eingehender Diskussion ... beschloss der Hauptausschuss die Anwendung der ... in der Anlage zum Protokoll zusammengefassten Gesamtvergütung mit Wirkung vom 1.1.2007 an ... Eine erste Anwendung der Tantiemeregelung soll für das Jahr 2007 erfolgen, zahlbar in 2008 nach Feststellung des Gewinns vor Steuern für 2007 durch den Verwaltungsrat. ...".

Gemäß der Anlage zum vorerwähnten Protokoll (Bl. 197 GA) ist die erfolgsabhängige Vergütung für Vorstandsmitglieder zu ermitteln nach der Formel 3,5 x GvSt über 70 Mio. Euro

700.

Hinsichtlich der übrigen Mitarbeiter besteht bei der Beklagten eine ab 1.1.2007 gültige Dienstvereinbarung Leistungsanreize (K 5, K 6), wonach die Mitarbeiter der Beklagten am Erfolg der a beteiligt werden sollten. In der Präambel heißt es dazu auszugsweise:

"Die A macht den Erfolg des Instituts an der Kennzahl Gewinn vor Steuern fest. Dabei definiert sie Erfolg ab einem Gewinn vor Steuern von 70 Mio. €. ...

Die vorgenannten Kriterien werden auch bei Vorständen und außertariflichen Angestellten angewandt. ....".

Unter anderem sollte dem Vorstand zusätzlich zu den tariflichen Leistungen ein Budget zur Vergütung stehen, mit dem Erfolg und Anstrengungen von Mitarbeitern honoriert wurden. Gemäß Ziffer 2.2 des freiwilligen Teils der Dienstvereinbarung sollte die Zahlung abhängig vom Erfolg der A ab einem Gewinn von 70 Mio. Euro einsetzen, der ohne das Auflösen stiller Reserven erreicht wurde. Die Höhe des Budgets war nach dem erreichten Gewinn vor Steuern gestaffelt und betrug bei einem Gewinn vor Steuern zwischen 90 und 100 Mio. Euro 2,5 Mio. Euro.

Zur Berechnung der erfolgsabhängigen Vergütung gemäß der Dienstvereinbarung schlug der Zentralbereich Personal mit Vermerk vom 21.1.2008 (Bl. 240 GA) eine Ausschüttung für 2,5 Mio. Euro entsprechend einem Gewinn vor Steuern bis 100.000,-- Euro vor, weil unter "personalpolitischen Aspekten" "aus Gründen der Kontinuität die bilanzgestaltenden Maßnahmen im Abschluss bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage (Gewinn vor Steuern) gemäß der Dienstvereinbarung nicht herangezogen werden" sollten. Der Vorstand stimmte dem in der Vorstandssitzung vom 22.1.2008 (Bl. 239 GA) sowie in den Sitzungen vom 4.3.2008 und 18.03.2008 (K 4, K 7) zu. Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Verwaltungsrats der Beklagten vom 1.4.2008 (K 2) wurde vom Vorstandsmitglied C zum Stand der Jahresabschlussarbeiten berichtet, bei denen unter anderem "die interne Ergebnisgröße von 92,4 Mio. Euro" abgeleitet wurde, die "bedeutsam für die zur Ausschüttung kommende Erfolgsvergütung" sei.

Der Verwaltungsrat der Beklagten stellte in den Sitzungen vom 25.4.2008 und 26.6.2008 (K 3/K 8) für 1997 einen Jahresabschluss mit einem Bilanzgewinn von 66.917.662,18 Euro (Bl. 198 ff. GA) fest. Laut Gewinn- und Verlustrechnung (Bl. 201 GA) betrug das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit 74.104.478,69 Euro, woraus sich nach Abzug der Steuern der festgestellte Bilanzgewinn ergab.

Die Beklagte zahlte ihren Mitarbeitern sowie den nicht entlassenen Mitgliedern des Vorstands eine erfolgsorientierte Vergütung auf der Basis eines Gewinns vor Steuern in der im Vermerk vom 21.01.2008 vorgeschlagenen Größenordnung aus. Dagegen zahlte sie dem Kläger sowie dem ebenfalls entlassenen Vorstandsmitglied d zunächst keine erfolgsabhängige Vergütung aus. Am 27.02.2009 schrieb sie dem Kläger als erfolgsorientierte Vergütung 14.559,52 Euro, nämlich 20.522,38 Euro abzüglich abgeführter Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag auf seinem bei ihr geführten Privatgirokonto Nr. y gut.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten seit 2002 das Privatgirokonto Nr. y, für das ihm die Beklagte einen Dispositionskredit in Höhe von 90.000,-- Euro einräumte. Während seiner Vorstandstätigkeit für die Beklagte wurde sein Gehalt auf das Konto überwiesen; seit seiner Kündigung verzeichnete das Konto keine regelmäßigen Eingänge mehr. Der Kläger schöpfte den Kontokorrentkredit nahezu aus; per 30.6.2008 betrug die Kreditinanspruchnahme 89.902,36 Euro. Den Parteien gelang aus Gründen, die zwischen ihnen streitig sind, keine Einigung über eine Umschuldung oder ratenweisen Rückzahlung des Dispositionskredits. Die Beklagte kündigte den Dispositionskredit mit Schreiben vom 27.6.2008 (Bl. 66 GA) "äußerst vorsorglich nochmals" und forderte den Kläger zur Rückzahlung der Kreditinanspruchnahme bis spätestens zum 4.7.2008 auf. Der Kläger kam dem nicht nach.

Der Kläger errechnet eine erfolgsabhängige Vergütung in Höhe von 112.000,-- Euro brutto, von der er zuletzt einen Betrag von 105.000,-- Euro brutto abzüglich der von der Beklagten durch Gutschrift des Nettobetrages und Abführung der Steuer gezahlten erfolgsabhängigen Vergütung von 20.522,38 Euro brutto geltend macht. Er behauptet, der für die Berechnung der erfolgsorientierten Vergütung maßgebliche Gewinn vor Steuern für das Jahr 2007 habe 92,4 Mio. Euro betragen. Auf dieser Grundlage sei die erfolgsorientierte Vergütung an die Vorstandsmitglieder, die nicht entlassen worden seien, ausgezahlt worden.

Zur Ermittlung der Bezugsgröße für die erfolgsorientierte Vergütung, nämlich des Gewinns vor Steuern, trägt der Kläger vor, der Begriff des Gewinns vor Steuern sei nicht legal definiert. Im internen Zahlenwerk der Beklagten werde dieser Begriff mehrfach mit Variationen verwendet. In einer Aufstellung, die der Vorsitzende des Bilanzprüfungsausschusses mit Schreiben vom 20.2.2008 versandt habe, sei in der Schlusszeile ein Gewinn vor Steuern III von 96,0 Mio. Euro ausgewiesen worden.

Entsprechendes ergebe sich aus einem Vermerk des damaligen Personalchefs vom 21.1.2008, über den in der Vorstandssitzung vom 22.1.2008 ein Beschluss herbeigeführt worden sei. Nach diesem Vorschlag sei der Gewinn vor Steuern auf 110,2 Mio. Euro festzusetzen. Einem entsprechenden Schreiben des damaligen Vorstandsvorsitzenden d vom 22.1.2008 habe der damalige e als Vorsitzender des Verwaltungsrats zugestimmt. Darüber hinaus habe es in Bezug auf die Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung sämtlicher damaliger Vorstandsmitglieder der Beklagten eine Abstimmung zwischen dem damaligen Vorsitzenden des Hauptausschusses, dem verstorbenen e und dem damaligen Vorstandsvorsitzenden d gegeben, die darin bestanden habe, dass der sich aus den Jahresabschlusszahlen ergebende Betrag des Gewinns vor Steuern durch unterschiedliche Faktoren bedingt unterschiedlich dargestellt werden könne. Um eine einheitliche Behandlung aller Dienstverpflichtungen der Beklagten sicherzustellen, sei ein einheitlicher Betrag bestimmt worden, der auf 92,4 Mio. Euro fixiert worden sei. Dieser Betrag sei später durch den Verwaltungsrat der Beklagten bestätigt worden.

Die Berechnungsgröße für die erfolgsorientierte Vergütung der Mitarbeiter sei nach der Dienstvereinbarung auch auf die Vorstandsmitglieder anzuwenden. Die Beklagte habe Rückstellungen in Höhe der erfolgsabhängigen Vergütung nach der genannten Bezugsgröße gebildet und in der Bilanz berücksichtigt.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens beruft sich der Kläger auf den Arglisteinwand: Die Beklagte habe sich nämlich durch die unberechtigte Kündigung des Dienstvertrages aus der Verpflichtung entzogen, seine Vergütungsansprüche zu erfüllen, so dass die Einnahmen ausgeblieben seien. Außerdem sei der Saldo angesichts fehlerhafter und nicht den vertraglichen Absprachen entsprechender Zinsberechnung fehlerhaft.

Der Kläger hat zunächst im Wege des Urkundenprozesses die Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung in Höhe von 105.000,-- Euro eingeklagt. Nach Abstandnahme vom Urkundenprozess und teilweiser Zahlung einer erfolgsabhängigen Vergütung durch Verrechnung auf dem Girokonto beantragt er nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 105.000,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2008 abzüglich durch Verrechnung am 27.02.2009 gezahlter 20.522,38 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt sie nach geringfügiger Rücknahme,  den Kläger zu verurteilen, an sie 75.006,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 13,25 % vom 01. bis zum 4.7.2008 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.7.2008 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beziffert die dem Kläger zustehende erfolgsabhängige Vergütung ausgehend von einem Gewinn vor Steuern in Höhe von 74.104.478,69 Euro (Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit gemäß Zeile 19 der Gewinn- und Verlustrechnung zum Jahresabschluss 2007) auf 20.522,38 Euro brutto und nach Abzug der gesetzlichen Abgaben auf 14.559,52 Euro netto entsprechend der Gutschrift am 27.2.2009. Sie macht geltend, die maßgebliche Größe für den Gewinn vor Steuern, nach dem die erfolgsorientierte Vergütung zu bemessen sei, sei das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit in der Gewinn- und Verlustrechnung ihres vom Verwaltungsrat festgestellten Jahresabschlusses für das Jahr 2007. Die für die Vergütung der anderen Mitarbeiter zugrunde gelegte Bezugsgröße gelte nicht für Vorstandsmitglieder. Soweit an die nicht entlassenen Vorstandsmitglieder eine erfolgsabhängige Vergütung auf der Basis der Bezugsgröße für die sonstigen Mitarbeiter gezahlt worden sei, sei dies entgegen der Weisung an den Leiter der Personalabteilung, dass keinerlei Tantiemezahlungen an Vorstandsmitglieder erfolgen dürften, geschehen. Die entsprechenden Zahlungen seien inzwischen rückabgewickelt worden. Für die Feststellung der Vergütung des Vorstands sei allein der Hauptausschuss des Verwaltungsrats der Beklagten zuständig, der keinen Beschluss über eine Bezugsgröße von 92,4 Mio. Euro für die Berechnung der Tantiemen des Vorstands gefasst habe.

Mit der Widerklage verlangt die Beklagte die Rückzahlung des Dispositionskredits abzüglich des mit Wirkung zum 30.4.2008 gutgeschriebenen Nettobetrages für die erfolgsabhängige Vergütung. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 4.3.2009 (Bl. 142 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 8.9.2009 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage hat keinen Erfolg; die Widerklage ist in der zuletzt verfolgten Höhe begründet, denn der Kläger kann nur eine erfolgsabhängige Vergütung in Höhe von 20.522,38 Euro brutto/14.559,52 Euro netto verlangen, die durch Aufrechnung mit dem fälligen Anspruch auf Rückzahlung des Dispositionskredits erloschen ist, dessen Rest der Beklagten mit der Widerklage zuzusprechen ist.

I. Klage:

Der Kläger hat gemäß § 6 Abs. 4 seines Dienstvertrages in Verbindung mit dem Protokoll des Hauptausschusses vom 21.08.2006 einen Anspruch auf Zahlung einer erfolgsorientierten Vergütung in Höhe von 20.522,36 Euro brutto/14.559,52 Euro netto. Die erfolgsabhängige Vergütung ist nach § 6 Abs. 4 des Vertrages sowie den vom Hauptausschuss festgelegten Modalitäten nach dem Gewinn vor Steuern (GvSt) anhand der Formel GvSt über 70 Mio. Euro x 3,5 zu berechnen.

Bei dieser Berechnung ist ein Gewinn vor Steuern von 74.104.478,69 Euro anzusetzen, woraus sich der Betrag von 20.522,36 Euro brutto ergibt. Eine Grundlage für den Ansatz eines GvSt von 92,4 Mio. Euro besteht nicht.

Maßgeblich als Bezugsgröße ist nämlich der Gewinn vor Steuern, der dem festgestellten Jahresabschluss zu entnehmen ist. Unter einem Gewinn vor Steuern ist entsprechend dem allgemeinen Verständnis des Begriffs der Bilanzgewinn zuzüglich der Steuern, mithin das in Zeile 19 der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses ausgewiesene "Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit" in Höhe von 74.104.478,69 Euro zu verstehen.

Die Parteien haben den Begriff des Gewinns vor Steuern im Dienstvertrag bzw. dem Protokoll des Hauptausschusses nebst Anlagen nicht abweichend definiert. Dem Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses vom 21.8.2008 ist vielmehr zu entnehmen, dass der Betrag aus dem Jahresabschluss zu entnehmen sein soll, denn die Tantieme soll nach "Feststellung des Gewinns vor Steuern für 2007 durch den Verwaltungsrat" gezahlt werden. Auch in der Dienstvereinbarung Leistungsanreize (K 5/K 5) werden die erfolgsabhängigen Zahlungen für die Mitarbeiter vom Gewinn vor Steuern abhängig gemacht, der ebenfalls nicht näher definiert ist mit Ausnahme des Umstands, dass die Auflösung stiller Reserven aus dem Depot A nicht relevant sein soll.

Der Kläger hat keine abweichende Vereinbarung zur Berechnung der ihm und/oder anderen Vorstandsmitgliedern zustehenden erfolgsorientierten Vergütung dargelegt. Verschiedenen vorgelegten Schriftstücken lässt sich allerdings die Vorstellung der jeweils für die Beklagte handelnden Person entnehmen, dass der für die erfolgsabhängige Vergütung maßgebliche Wert um Sondereinflüsse zu bereinigen ist. So wurde im Vermerk der OE 100 vom 21.1.2008 (Bl. 240 GA) für die erfolgsorientierte Vergütung der Mitarbeiter (nicht der Vorstandsmitglieder) vorgeschlagen, aus "personalpolitischen Aspekten" die "bilanzgestaltenden Maßnahmen" nicht für die Berechnung des Gewinns vor Steuern heranzuziehen. Dem ist der Vorstand in den Vorstandssitzungen vom 22.1.2008, 4.3.2008 und 18.3.2008 (Bl. 239, K 4, K 7) sowie im Schreiben des damaligen Vorstandsvorsitzenden d vom 22.1.2008 (Bl. 242 GA) mit Zustimmung des Verwaltungsratsvorsitzenden, des damaligen e gefolgt. Der in der Sitzung des Verwaltungsrats vom 1.4.2008 (K 2) vorgetragene Bericht zu den Jahresabschlussarbeiten erwähnte eine "interne Ergebnisgröße von 92,4 Mio." Euro, die "bedeutsam für die zur Ausschüttung kommende Erfolgsvergütung" sei. In der Gegenüberstellung verschiedener Bearbeitungsstände zum Jahresabschluss 2007 (K 9) wird zwischen Gewinn vor Steuern I, II, III, letzterer "nur intern" unterschieden. Der Kläger kann aber daraus nichts für die Berechnung seiner erfolgsorientierten Vergütung herleiten. Abgesehen davon, dass alle in den erwähnten Schriftstücken genannten Beträge nicht den endgültigen Stand des Jahresabschlusses wiedergeben, die konkrete Berechnung der "internen Ergebnisgröße" offen bleibt und sich die Ausführungen zum Teil ausdrücklich nur auf die Vergütung der Mitarbeiter (nicht der Vorstandsmitglieder) beziehen, handelt es sich dabei um eine mit dem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung des Klägers sowie der Dienstvereinbarung Leistungsanreize nicht zu vereinbarende unzutreffende Auslegung. Mit der Vereinbarung des Gewinns vor Steuern als maßgeblicher Größe haben die Parteien die erfolgsabhängige Vergütung von einem im Wirtschaftsleben verbreiteten Begriff abhängig gemacht, der nicht aus "personalpolitischen Gründen" beliebig verändert werden kann. Darüber hinaus kommt den Interpretationen während der Aufstellung des Jahresabschlusses keine Aussagekraft zu, weil sowohl die Dienstvereinbarung für die erfolgsabhängige Vergütung der Mitarbeiter als auch die Regelung zur Vergütung des Vorstandes erstmals für das Geschäftsjahr 2007 angewendet wurde. Ein Fehlverständnis der zuständigen Mitarbeiter der Beklagten nach Vertragsschluss führt nicht zu einer stillschweigenden Vertragsänderung, denn insoweit fehlte es dem für die Änderung der Vergütung der Vorstandsmitglieder allein zuständigen Hauptausschuss an einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein. Das gilt insbesondere für die Vergütung des Vorstands, die allein vom Verwaltungsrat bzw. dem Hauptausschuss festgelegt wird, der mithin auch über Vertragsänderungen zu entscheiden hat. Die Interpretation der "OE 100 (Zentralbereich Personal), des damaligen e und der den Jahresabschluss vorbereitenden Mitarbeiter können den Hauptausschuss mangels Vollmacht nicht binden.

Aus diesem Grund kann auch dahingestellt bleiben, ob in einem Gespräch zwischen dem damaligen Vorstandsvorsitzenden d und dem damaligen, inzwischen verstorbenen Vorsitzenden des Verwaltungsrates e ein Betrag von 92,2 Mio. Euro festgelegt wurde, um eine einheitliche Behandlung aller Dienstverpflichteten der Beklagten mit variablen Vergütungsbestandteilen zu erreichen, wie der Kläger behauptet. Hieraus ergibt sich keine wirksame Vereinbarung zugunsten der Vorstandsmitglieder, weil intern allein der Verwaltungsrat bzw. der Hauptausschuss der Beklagten für die Vergütung der Vorstandsmitglieder zuständig ist, wie dem Kläger bekannt war.

Die angeblich zwischen den Herren d und e getroffene Vereinbarung ist entgegen den Behauptungen des Klägers nicht vom Verwaltungsrat bestätigt worden. Soweit im Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 1.4.2008 ein Betrag von 92,4 Mio. Euro genannt ist, handelt es sich nicht um einen Beschluss des Verwaltungsrats, sondern lediglich um die Wiedergabe eines Berichts, zu dem der Verwaltungsrat nicht Stellung genommen hat. Ausweislich des Protokolls zur Sitzung des Verwaltungsrats vom 25.4.2008 (K 3) hat er sich in dieser Sitzung überhaupt nicht mit der Bezugsgröße für die erfolgsabhängige Vergütung von Mitarbeitern befasst. Ein Anspruch auf Berechnung der erfolgsorientierten Vergütung nach der gleichen Erfolgsgröße wie bei den nicht entlassenen Vorstandsmitgliedern oder sonstigen Mitarbeitern der Beklagten besteht nicht. Die Bemessung der erfolgsorientierten Vergütung bei sonstigen Mitarbeitern ist für die Ermittlung der Tantieme des Klägers nicht relevant. Zwar sollen nach der Präambel der Dienstvereinbarung Leistungsanreize die dort bestimmten Kriterien auch bei Vorstandsmitgliedern angewandt werden. Dabei handelt es sich hinsichtlich der Ermittlung der Tantieme von Vorstandsmitgliedern aber um eine unverbindliche Absichtserklärung, weil für die Vergütung des Vorstands der Hauptausschuss bzw. der Verwaltungsrat zuständig ist. Ob der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den beiden Vorstandsmitgliedern hat, deren erfolgsorientierte Vergütung nach einer Bezugsgröße von 92,4 Mio. Euro errechnet worden sein soll, mag dahinstehen. Die Beklagte hält an der Bezugsgröße nicht mehr fest und will die Zahlungen, die über den aus jetziger Sicht gerechtfertigten Betrag hinaus geflossen sind, rückabgewickelt haben. Dabei ist es unerheblich, ob die Rückabwicklung schon erfolgt ist, weil die Beklagte hierzu jedenfalls verpflichtet hat und entsprechende Ansprüche gegen die begünstigten Vorstandsmitglieder aus ungerechtfertigter Bereicherung hat.

Da mithin als Bezugsgröße von einem Gewinn vor Steuern von ca. 74,1 Mio. Euro auszugehen ist, hat der Kläger lediglich einen Anspruch auf Auszahlung einer Tantieme in Höhe von 14.559,52 Euro netto, der durch die Aufrechnung mit dem fälligen Anspruch auf Rückzahlung des Dispositionskredits (vgl. dazu die Ausführungen zu der Widerklage) erloschen ist.

II. Widerklage:

Die Beklagte hat einen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung der nach Aufrechnung mit dem Anspruch auf die erfolgsabhängige Vergütung noch offenen Betrag aus dem Dispositionskredit in Höhe von 75.006,66 Euro. Unstreitig hat der Kläger bei der Beklagten einen Kontokorrentkredit in Anspruch genommen, der per 30.6.2008 auf 89.902,36 Euro valutierte. Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens ist gemäß § 488 Abs. 3 BGB, 26 Nr. 1 und 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten durch die Kündigung mit Schreiben vom 27.6.2008 (Bl. 66 GA) fällig geworden. Dazu kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Dispositionskredits berechtigt war, da sie jedenfalls den Dispositionskredit gemäß § 26 Nr. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ordentlich kündigen durfte. Danach kann sowohl der Kunde als auch die a die gesamte Geschäftsbeziehung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wobei die a des berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung zu tragen hat und insbesondere nicht zur Unzeit kündigen darf. Selbst wenn die Beklagte danach dem Kläger eine angemessene Zahlungsfrist zu bewilligen hatte und die im Kündigungsschreiben gesetzte Frist zu kurz war, ist diese Frist jedenfalls inzwischen abgelaufen. Dasselbe gilt für die Kündigungsfrist von drei Monaten gemäß § 488 Abs. 3 BGB.

Dem Rückzahlungsanspruch steht nicht der vom Kläger erhobene Arglisteinwand entgegen. Der Umstand, dass die Beklagte durch die fristlose Kündigung des Dienstvertrages mit dem Kläger den Wegfall seiner Vergütungsansprüche und damit den Wegfall regelmäßiger Einnahmen zur Bedienung des Girokontos herbeigeführt hat, steht nicht der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs entgegen. Der Rechtsstreit, in dem die Rechtmäßigkeit der Kündigung geprüft wird, ist noch nicht entschieden.

Erweist sich die fristlose Kündigung des Dienstvertrages als berechtigt, war die fristlose Kündigung des Darlehensvertrages auf jeden Fall begründet, weil der Beklagten die Aufrechterhaltung des Dispositionskredits nicht mehr zumutbar war. Sollte die fristlose Kündigung des Dienstvertrages unwirksam sein, blieb jedenfalls das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages unberührt. Sie war dann zwar verpflichtet, auf die Belange des Klägers Rücksicht zu nehmen und ihm eine angemessene Frist zur Rückzahlung zu gewähren. Nachdem seit der Kündigung im Juni 2008 mehr als ein Jahr vergangen ist, ist diese Frist auf jeden Fall gewahrt.

Da im Saldo per 30.6.2008 noch nicht die Gutschrift der Tantieme berücksichtigt ist, ist der Saldo um den Nettobetrag der erfolgsabhängigen Vergütung sowie die darauf seit dem 30.4.2008 entfallenden Zinsen zu reduzieren, woraus sich nach der nicht angegriffenen Berechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 8.9.2009 der zuerkannte Betrag ergibt.

Die Entscheidung über die Zinsen beruht für den Zeitraum bis zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs (frühestens 4.7.2008) auf § 488 Abs. 2 BGB und danach auf § 288 Abs. 1 BGB. Unerheblich ist, ob der Rückzahlungsanspruch erst nach dem 5.7.2008 fällig wurde, die Beklagte mithin noch länger Vertragszinsen verlangen konnte, weil der Vertragszins höher ist als der Verzugszins, weshalb der Kläger durch den Ansatz des Verzugszinses begünstigt und nicht belastet wird. Weshalb die Zinsberechnung der Beklagten vertragswidrig sein soll, hat der Kläger nicht dargelegt. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269 Abs. 3, 709 ZPO. 63 Die Rücknahme der Widerklage in Höhe von 336,18 Euro hat nicht zu zusätzlichen Kosten geführt, die der Beklagten aufzuerlegen wären.

Das der Vorsitzenden übersandte Schreiben des x vom 15.9.2009 ist nicht berücksichtigt und kein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Zum einen enthält es keinen Parteivortrag, da es nicht von den Prozessbeteiligten stammt, zum anderen hat es keinen entscheidungserheblichen Inhalt.

BB-Kommentar

Simon Weppner, M.C.L. ist als Rechtsanwalt bei Kleiner Rechtsanwälte in Düsseldorf

AGB-rechtliche Kontrolle von Vorstandsverträgen

Problem

Die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf zeigt, dass selbst Vorstandsverträge häufig nicht ausreichend klar formulierte Regelungen enthalten, die insbesondere im Falle des (vorzeitigen) Ausscheidens eines Vorstandsmitglieds zu streitigen Auseinandersetzungen führen können. Das Überraschende an dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf ist, dass es an keiner Stelle auf die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB und die Auswirkungen einer AGB-rechtlichen Kontrolle auf die Auslegung der Vergütungsvereinbarung eingeht, obwohl dies im vorliegenden Fall nahe gelegen hätte.

Entscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hatte sich in seiner Entscheidung vom 6.11.2009 mit der Frage zu befassen, ob sich der im Vorstandsanstellungsvertrag des Klägers enthaltene Verweis auf den „Gewinn vor Steuern" für die Bemessung der variablen Vergütung auf den von der Beklagten in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Vorsteuergewinn in Höhe von 74,1 Mio. Euro oder auf die „interne Rechengröße" von 94,2 Mio. Euro bezieht. Das Gericht entschied, dass auf den niedrigeren „Gewinn vor Steuern" im Jahresabschluss abzustellen sei, da nach allgemeinem Verständnis unter dem Begriff „Gewinn vor Steuern" der Bilanzgewinn zuzüglich Steuern, mithin das in der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahresabschlusses ausgewiesene Ergebnis „Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit" in Höhe von 74,1 Mio. Euro zu verstehen sei und wies dementsprechend die Klage ab (BB 2009, [Randziffer 48 der Entscheidung]). Ob das Landgericht Düsseldorf die Klage auch bei Beachtung der §§ 305 ff. BGB abgewiesen hätte, erscheint fraglich.

Ausgehend von der Annahme, dass es sich auch im vorliegenden Fall bei der Vergütungsbestimmung im Anstellungsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt - auch in den anderen Vorstandsverträgen wurde ein zumindest vergleichbare Vergütungsvereinbarung getroffen geschlossen -, die nicht zur Disposition des Klägers standen, wäre vom Landgericht Düsseldorf zu prüfen gewesen, ob diese Regelung einer AGB-rechtlichen Kontrolle Stand hält. Anders als vom Landgericht Düsseldorf in den Entscheidungsgründen ausgeführt, wäre nach § 305c Abs. 2 BGB daher nicht zu fragen gewesen, ob ein von der Gewinn- und Verlustrechnung abweichender „Gewinn vor Steuern" zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurde (BB 2009, [Randziffer 51 der Entscheidung], sondern lediglich, ob die vom Kläger vorgetragene Auslegung der Vergütungsbestimmung vertretbar erscheint. Dabei wäre insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass die Beklagte, d.h. ihre Mitarbeiter zunächst selbst bei der Berechnung der variablen Vergütung von einem „Gewinn vor Steuern" in Höhe von 92,4 Mio. Euro ausgegangen sind. Der Grund hierfür dürfte sein, dass auch die variable Vergütung der übrigen Mitarbeiter auf dieser Basis ermittelt wurde. Die vom Kläger vorgetragene Auslegung der Vergütungsvereinbarung erscheint somit durchaus vertretbar, so dass auf die insoweit anwendbare Regelung des § 305c Abs. 2 BGB zumindest hätte eingegangen werden müssen, mit dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall wohl auf die „interne Rechengröße" von 92,4 Mio. Euro als Grundlage für die Bemessung der variablen Vergütung abzustellen gewesen wäre.

Praxisfolgen

Dass Vorstandsverträge der Kontrolle der §§ 305 ff. BGB unterliegen, ist heute unstrittig (vgl. BGH v. 29.5.1989, NJW 1989, 2683, 2684, Grüneberg, in: Palandt, 68. Aufl., 2009, § 310, Rn. 50). Ferner dürfte auch davon auszugehen sein, dass Vorstände, ebenso wie GmbH-Geschäftsführer, als Verbraucher gemäß § 13 BGB anzusehen sind (Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl., 2006, § 13, Rz. 49; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2345), so dass bei der rechtlichen Gestaltung von Vorstandsverträgen die §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB, die allgemeine Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB und § 305c BGB vollständig zu beachten sind. Anders als bei Arbeitsverträgen gemäß § 310 Abs. 4 BGB, sind bei der AGB-rechtlichen Kontrolle von Vorstandsverträgen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht zu berücksichtigen.

Dass in der Praxis, insbesondere bei Vorstandsanstellungsverträgen, die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB häufig übersehen wird - so auch im Fall des Landgerichts Düsseldorf - liegt sicherlich mit daran, dass Vorstandsanstellungsverträge nicht zu den typischen Anwendungsfeldern des AGB-Rechts gehören. Nichtsdestotrotz sind die Regelungen der §§ 305 ff. BGB auch dort zu beachten. Das gilt insbesondere für die bei einigen Aktiengesellschaften anstehenden Änderungen der Vergütungsstruktur in den Vorstandsverträgen nach Maßgabe der neuen gesetzgeberischen Vorgaben des § 87 Abs. 1 AktG.

Ferner veranschaulicht die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf, dass vermeintlich eindeutige Regelungen in Vorstandsverträgen, etwa durch die Bezugnahme auf Bilanzkennziffern, im Einzelfall doch zu Auslegungsproblemen führen können, wenn die Unternehmenspraxis Anlass für eine abweichende Interpretation gibt. Zu solchen Situationen mag es etwa auch dadurch kommen, dass sich die Aussagekraft und Maßgeblichkeit einzelner Bilanzkennziffern aufgrund nachträglicher Veränderungen der in dem Unternehmen angewandten Rechnungslegungsstandards ändert.

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