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Wirtschaftsrecht
11.04.2013
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt: Vorsatzanfechtung gegenüber kontoführender Bank bei Einziehung fälliger Zins- und Tilgungsraten

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.02.2013 - 3 U 122/12


Leitsatz


Zahlungsaufträgen (Überweisungen oder - wie hier - Lastschriften), mit denen fällige Zins- und Tilgungsleistungen von einem gedeckten Konto an die kontoführende Bank erbracht werden sollen, ist ein Wille zur Gläubigerbenachteiligung nicht schon deshalb zu entnehmen, weil für einen bestimmten, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, Zahlungsunfähigkeit der Kontoinhaberin und Auftraggeberin droht.


§ 133 Abs 1 InsO


Sachverhalt


I.


Der Kläger nimmt die beklagte Bank als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A ... (nachfolgend: Schuldnerin) in Anspruch.


Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.


Das Landgericht hat der Klage aus §§ 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO stattgegeben. Es hat angenommen, die Schuldnerin habe, indem sie es unterlassen habe, der Lastschrift der Beklagten vom 16.06.2006 zu widersprechen, willentlich eine Ursache dafür gesetzt, dass die Beklagte den vom Girokonto der Schuldnerin eingezogenen Betrag habe behalten können. Die Schuldnerin habe damit eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO vorgenommen. Es sei zu vermuten, dass die Schuldnerin dabei mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Der Benachteiligungsvorsatz sei gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt habe. Diese Vermutung sei weder deshalb widerlegt, weil fällige Darlehenszinsen getilgt worden seien, noch deshalb, weil der Schuldnerin keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gedroht hätten, weil sie wegen der noch fließenden Fördermittel alle Forderungen habe bedienen können und sie noch nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes sei schon deshalb zu vermuten, weil die Schuldnerin die drohende Zahlungsunfähigkeit gekannt habe. Denn im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen - Juni 2006 - habe bereits festgestanden, dass nach Einstellung der Grundförderung - nach den tatbestandlichen Feststellungen sollte dies am 28.02.2007 der Fall sein - Zahlungsunfähigkeit eintreten würde. Bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei kongruenter Deckung nicht erforderlich, um die Vermutung auszulösen.


Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte rügt, das Landgericht habe zu Unrecht die Tatsache für unerheblich erachtet, dass die Schuldnerin alle Forderungen aller Gläubiger bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 29.09.2006 bedient habe. Bei einer kongruenten Deckung, wie sie hier im Hinblick auf die Einziehung der üblichen, fälligen Darlehensraten vorgelegen habe, seien erhöhte Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes zu stellen. Eine Anfechtung komme nur in Betracht, wenn es dem Schuldner bei der Rechtshandlung weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten, als auf die Entziehung von Zugriffsobjekten zu Lasten der Gläubiger angenommen sei. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit führe bei kongruenten Zahlungen jedenfalls vor Stellung eines Insolvenzantrags nicht dazu, dass ein Benachteiligungsvorsatz zu vermuten sei.


Die Beklagte beantragt,


das am 04.04.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.


Der Kläger meint, die Berufungsbegründung der Beklagten setze sich nicht hinreichend damit auseinander, dass das Landgericht sowohl die drohende Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung als tragende Erwägung für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und der entsprechenden Kenntnis der Beklagten festgestellt habe. Die Kenntnis der Beklagten von der Überschuldung der Schuldnerin habe zugleich die drohende Zahlungsunfähigkeit nahegelegt.


Die erstinstanzliche Entscheidung bewege sich auf der Basis der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO eine Umkehr der Beweislast bewirke. Anhand der vorgelegten Unterlagen habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise die Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin festgestellt und mit Hilfserwägungen die Kenntnis zudem darauf gestützt, dass die Beklagte Kenntnis von den Jahresabschlüssen der Schuldnerin für die Jahre 2003 und 2004 gehabt habe. Dass die Beklagte von der Existenz anderer Gläubiger gewusst habe, ergebe sich schon aus dem Umstand, dass die Schuldnerin gewerblich tätig gewesen sei.


Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Aus den Gründen


II.


Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Landgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, im Streitfall lägen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO vor.


Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO in der hier allein in Betracht kommenden ersten Handlungsalternative sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Letzteres kann hinsichtlich der streitgegenständlichen Lastschriften nicht festgestellt werden.


Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Lastschriften der Beklagten vom 16.06.2006 zugleich Rechtshandlungen der Schuldnerin begründeten, weil es die Schuldnerin unterlassen hatte, diesen Lastschriften zu widersprechen. Damit hatte die Schuldnerin die Lastschriften genehmigt.


Die Genehmigungen von Lastschriften im Rahmen einer offenen Kreditlinie haben auch infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO bewirkt(zur Gläubigerbenachteiligung durch Genehmigung von Lastschriften vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 19). Denn sie haben das Aktivvermögen der Schuldnerin verringert; auf solche Weise wird regelmäßig der Zugriff der Gläubiger im allgemeinen beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2002, IX ZR 115/99, WM 2002, 561, zit. nach juris, Rn. 8 m.w.Nw.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das haftende Vermögen eines Schuldners nicht mehr ausreicht, um alle seine Gläubiger voll zu befriedigen, wovon grundsätzlich bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung auszugehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2002, IX ZR 115/99, WM 2002, 561, zit. nach juris, Rn. 9 + 13).


Dass die Masse am 16.06.2006 nicht ausreichte, um die - fälligen und zukünftig fällig werdenden - Forderungen aller Gläubiger zu befriedigen, hat die Klägerin durch Vorlage des Testats der mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2005 beauftragten B mbH, ..., vom 29.06.2006 (Anlage K 7, Bl. 154 ff., 156 d.A.) hinreichend konkret dargelegt. Zwar hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung bestritten, dass die Klägerin zum 31.12.2005 im Sinne des § 19 InsO überschuldet gewesen sei. Dennoch haben die Lastschriften nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand zumindest eine mittelbare objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt, die für § 133 Abs. 1 InsO genügt (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.1989, IX ZR 222/88, WM 1989, 965, zit. nach juris, Rn. 9; BGH, Urt. v. 07.02.2002, IX ZR 115/99, WM 2002, 561, zit. nach juris, Rn. 9 m.w.Nw.; BGH, Urt. v. 13.05.2004, WM 2004, 1587, zit. nach juris, Rn. 11). Dass diese erst künftig eintreten würde, steht der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung ebenfalls nicht entgegen; die Gläubigerbenachteiligung setzt nicht voraus, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger vorhanden sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.08.2009, IX ZR 159/06, WM 2009, 1943, zit. nach juris, Rn. 5).


Ohne die am 16.06.2006 (zum Zwecke der Befriedigung fälliger Darlehensrückzahlungsforderungen der Beklagten) erfolgten Lastschriften hätten sich die Befriedigungsmöglichkeiten der (späteren) Insolvenzgläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 27.05.2003, IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, zit. nach juris, Rn. 14; BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 19), weil die der Gläubigergesamtheit zur Befriedigung zur Verfügung stehende Masse bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.01.2007 um


231.886,28 € reicher gewesen wäre. Die Gläubigerbefriedigung mit Mitteln eines zuvor eingeräumten und vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits stellt nicht lediglich einen masseneutralen Gläubigertausch dar, sondern bewirkt eine Gläubigerbenachteiligung (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 20 m.w.Nw.).


Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass die notwendige Feststellung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Vorsatzanfechtung durch Beweisanzeichen erleichtert sein kann. Es hat zu Recht dem Umstand, dass die Schuldnerin ihre drohende Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Lastschriften gekannt habe, besondere Bedeutung beigemessen und angenommen, dieser könne eine Vermutung für den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin begründen. Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners darstellt, wenn sie dem Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung bekannt war (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2006, IX ZR 158/05, BGHZ 167, 190, zit. nach juris, Rn. 19; BGH, Urt. v. 29.11.2007, IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 ff., zit. nach juris, Rn. 32; BGH, Urt. v. 05.03.2009, IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98, zit. nach juris, Rn. 10; BGH, Urt. v. 13.08.2009, IX ZR 159/06, WM 2009, 1943, zit. nach juris, Rn. 8; BGH, Urt. v. 22.11.2012, IX ZR 62/10, zit. nach juris, Rn. 7; BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 23).


Die mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2006 bestätigte Einstellung der Anschlussförderung zum 28.02.2007 begründete, auch insoweit ist dem Landgericht zu folgen, die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO). Der Ablauf der Berlinförderung drohte für den 28.02.2007. Zu diesem Zeitpunkt würde die Schuldnerin voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein, ihre sämtlichen fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.


Dass die zum 28.02.2007 drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am 16.06.2006 bekannt war, folgt schon aus den Ausführungen unter Ziffer 2. des Berichts der Geschäftsführung der Schuldnerin für das Geschäftsjahr 2003 (Anlage K 9, Bl. 208 d.A.).


Dort wird über den vom Berliner Senat am 04.02.2003 getroffenen Beschluss berichtet, die Anschlussförderung der von der Schuldnerin errichteten Wohnungen einzustellen. Weiter heißt es dort im 2. Absatz:


„Das bedeutet, dass die Gesellschaft nach Ablauf der Grundförderung, dem 28.02.2007, eine Förderung mehr erhält. Die Gesellschaft wäre, wie alle anderen betroffenen Gesellschaften, ohne öffentliche Förderung in kürzester Zeit nicht mehr kapitaldienstfähig und innerhalb eines absehbaren Zeitraums nach Ablauf der Grundförderung wäre die Insolvenz der Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit kaum zu vermeiden."


Eine inhaltsgleiche Berichterstattung findet sich auch in Ziffer 2. des Berichts der Geschäftsführung der Schuldnerin für das Beteiligungsjahr 2004 (Anlage K 10, Bl. 227 d.A.).


Ob dem Landgericht aber auch in der Beurteilung gefolgt werden kann, dass das durch die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit begründete Beweisanzeichen nicht durch Sanierungsbemühungen der Schuldnerin nicht entkräftet worden sei, erscheint zweifelhaft. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass die bloße Hoffnung auf eine Sanierung nicht geeignet sei, die Vermutung des Benachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin ausräumen. Es hat aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die Schuldnerin mit bloßer Hoffnung begnügt, sondern Bemühungen zur Erarbeitung eines Sanierungskonzepts und zu dessen Umsetzung entfaltet hat. Im Zuge dessen hat sie die C GmbH, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, mit der Erarbeitung eines Sanierungsvorschlags beauftragt, der am 22.08.2006 fertiggestellt war und als Anlage 8 zur Klageschrift (Bl. 185 - 207 d.A.) vorgelegt worden ist. Dies hat auch das Landgericht gesehen und daher auf S. 7 der Entscheidungsgründe (Bl. 835 d.A.) die Schlüssigkeit der im Sanierungskonzept der C GmbH gemachten Berechnungen unterstellt. Woraus es dann aber abgeleitet hat, dass keine begründete Hoffnung bestanden habe, dass die konzeptionierten Zuschüsse der Kommanditisten von diesen auch geleistet werden würden, bleibt offen.


Es kann aber im Ergebnis offen bleiben, ob die erstinstanzlichen Feststellungen zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Entscheidung des Senats zugrunde gelegt werden können oder Zweifel an deren Vollständigkeit und Richtigkeit begründet sind.


Die subjektiven Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 13.08.2009, IX 159/06, WM 2009, 1943, zit nach juris, Rn. 8; BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 28). Insbesondere darf er die Beweisanzeichen nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung anwenden (vgl. BGH, Urt. v. 13.08.2009, IX 159/06, WM 2009, 1943, zit nach juris, Rn. 8). Dies hat das Landgericht jedenfalls bei der Feststellung der subjektiven Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung, soweit sie in der Person der Beklagten vorgelegen haben müssen, nicht hinreichend beachtet. Insoweit sind seine Feststellungen unvollständig und vom Senat durch eigene Feststellungen zu ergänzen.


§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO verlangt nicht nur den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern darüber hinaus, dass der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.


Im vorliegenden Fall erscheint es aber - dies hat das Landgericht verkannt - unter Würdigung sämtlicher tatsächlichen Umstände nicht gerechtfertigt, aus der Kenntnis der Beklagten davon, dass die Berlinförderung zum 28.02.2007 ablaufen würde und für diesen Zeitpunkt der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte, auf die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungswillen der Schuldnerin zu schließen. Insoweit greift die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugunsten der Beklagten ein, wonach bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch ein Kreditinstitut dessen rechtlicher Verpflichtung zur Ausführung von Zahlungsaufträgen des weiterhin verpflichtungs- und verfügungsbefugten Schuldners maßgebliche Bedeutung zukommt. Ein Zahlungsdienstleister darf gemäß § 675o Abs. 2 BGB die Ausführung eines Auftrages nicht ablehnen, wenn die vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt; dies gilt auch im Lastschriftverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2012, IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129, zit. nach juris, Rn. 23; BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 30). Daher ist Aufträgen im Rahmen des bankgeschäftlichen Zahlungsverkehrs regelmäßig ein Wille des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, für die Bank nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007, IX ZR 121/06, zit. nach juris, Rn. 37; BGH, Urt. v. 26.04.2012, IX ZR 74/11, zit. nach juris, Rn. 24; BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, zit. nach juris, Rn. 31).


Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte hier selbst durch die streitgegenständlichen Lastschriften vom 16.06.2006 als Gläubigerin begünstigt worden ist. Dieser Umstand allein ist nicht geeignet, die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu erfüllen. Vielmehr kann von der Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes bei der Ausführung von Lastschriftaufträgen nur dann ausgegangen werden, wenn die kontoführende Bank im Zuge der Verfolgung eigener Interessen in eine vom Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2013, IX ZR 11/12, BGHZ 193, 129, zit. nach juris, Rn. 31). In einem solchen Fall ist die kontoführende Bank nicht mehr nur als reine Zahlstelle anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2012, IX ZR 74/11, BGHZ 193, 129, zit. nach juris, Rn. 26). An einem derartigen kollusiven Zusammenwirken mit der Schuldnerin zum beiderseitigen Vorteil fehlte es hier aber, weil die Liquidität der Schuldnerin noch nicht konkret gefährdet war.


Der Bundesgerichtshof hat in seinem grundlegenden Urteil vom 26.04.2012 (BGHZ 193, 129, zit. nach juris, Rn. 27) beispielhaft nachfolgende Fallgestaltungen beschrieben, in denen eine Gläubigerbenachteiligung auf kollusives Zusammenwirken des Schuldners mit der Bank als Zahlungsmittler zurückgehen soll:


- ein zwischen dem Schuldner und dem Leistungsmittler mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Zwangslage des Schuldners abgestimmtes, einzelne Gläubiger begünstigendes Zahlungsverhalten;


- mangels insgesamt hinreichender Deckung befriedigt der Leistungsmittler in Absprache mit dem Schuldner bestimmte Gläubiger durch eine Zahlung;


- eine Bank führt bei unzureichender Deckung, ohne sich mit dem Schuldner ins Benehmen zu setzen, lediglich einzelne Zahlungsaufträge an von ihr bevorzugte Empfänger zum Zwecke einer selektiven Befriedigung aus;


- die Duldung einer Überschreitung der Kreditlinie durch eine Bank erfolgt allein deshalb, weil die Bank die Befriedigung eines bestimmten Zahlungsempfängers sicherstellen will;


- das Kreditinstitut missbraucht seine Funktion als Zahlstelle, indem es bei insgesamt nicht genügender Deckung eine Überweisung von einem Guthabenkonto des Schuldners auf ein bei dem Kreditinstitut geführtes Darlehenskonto zulässt, die in der Art einer Vorwegbefriedigung zur Verringerung eines dem Schuldner von der Bank gewährten Kredits führt.


Keine dieser Konstellationen ist vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat sich nicht anders als im normalen Giroverkehr verhalten sich, insbesondere nicht mit eigenem Benachteiligungswillen in die konkreten Zahlungsvorgänge eingeschaltet. Sie hat vielmehr im Rahmen des regelmäßigen Zahlungsverkehrs fällige Zins- und Tilgungsraten von einem Kontokorrentkonto der Schuldnerin innerhalb einer gewährten Kreditlinie abgebucht und damit die bislang zwischen ihr und der Schuldnerin übliche Abwicklung des Zahlungsverkehrs fortgesetzt.


Dafür, dass sich die Beklagte „vorweg" befriedigen wollte, gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Auf den bei der Beklagten geführten Konten der Schuldnerin war bis dato (am 16.06.2006) hinreichende Deckung vorhanden war, um sämtliche Zahlungsanweisungen der Schuldnerin auszuführen.


Die Beklagte musste am 16.06.2006 auch nicht davon ausgehen, dass die für 28.02.2007 drohende Zahlungsunfähigkeit sich zwingend realisieren müsse, insbesondere nicht mehr durch Auffangmaßnahmen bzw. Sanierungsbemühungen abgewendet werden könnte. Letzteres stand erst am 15.09.2006 fest, als die Gesellschafter der Schuldnerin das von der C GmbH erarbeitete Sanierungskonzept vom 22.08.2006 (Anlage K 8, Bl. 185 - 207 d.A.) ablehnten.


Wollte man hier von einer Vorwegbefriedigung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht ausgehen, entstünde zudem auch ein nicht auflösbarer Wertungswiderspruch zu § 18 InsO. Dieser berechtigt im Falle einer (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit nur den Schuldner, nicht aber Dritte, insbesondere nicht die Gläubigerbank, zur Stellung eines Insolvenzantrags.


Indem § 18 Abs. 2 InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit als Zustand definiert, in dem der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, verlangt er vom Schuldner eine Wahrscheinlichkeitsprognose. Das Wort „voraussichtlich" ist dabei auch so zu verstehen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein müsse als deren Vermeidung (vgl. Drukarczyk in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., Rn. 19 zu § 18 unter Hinweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf). Demgegenüber hat die Bank beim Einzug fälliger Forderungen von einem über hinreichende Deckung verfügenden Konto ihres Darlehensnehmers keinen Anlass, eine Wahrscheinlichkeitsprognose vorzunehmen.


Vor diesem Hintergrund kann es für die Kenntnis der Beklagten von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht allein auf die Kenntnis des Wegfalls der Fördergelder zu einem bestimmten - in der Zukunft liegenden Zeitpunkt - ankommen. Vielmehr ist für die Feststellung der Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit maßgeblich darauf abzustellen, ob es neben dem mit der umstrittenen Rechtshandlung zu befriedigenden Gläubiger noch weitere Gläubiger mit ungedeckten, fälligen Ansprüchen gibt (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 13.08.2009, IX ZR 159/06, WM 2009, 1943, zit. nach juris, Rn. 10). Zieht die Bank aber ihre fälligen Zins- und Tilgungsraten über ein Konto des Schuldners ein, das über eine offene und nicht ausgeschöpfte Kreditlinie verfügt, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für ein Zusammenwirken mit der Schuldnerin zum Nachteil anderer Gläubiger.


Dies verkennt der Kläger, wenn er sich auf S. 7/8 seines Schriftsatzes vom 30.01.2013 (Bl. 962/963 d.A.) auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in Rn. 14 seines Urteils vom 22.11.2012 (WM 2013, 88 ff, zit. nach juris) beruft. Dort hat der Bundesgerichtshof zwar bekräftigt, dass eine vom Schuldner erkannte nur drohende Zahlungsunfähigkeit ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sein könne. Er hat aber nachfolgend in Rn. 15 für die Feststellung, ob die Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt aller angefochtenen Zahlungen gedroht habe, darauf abgestellt, dass die Rechtsvorgängerin der beklagte Bank den Kredit prolongiert habe, um eine Umschuldung zu ermöglichen, dass die Schuldnerin aber bei einem Scheitern der Umschuldung nicht erkennbar in der Lage gewesen wäre, ihre sämtlichen fälligen Zahlungsverpflichtungen einschließlich des Darlehens der Beklagten innerhalb von drei Wochen zu mehr als 90% zu erfüllen.


Vorliegend war aber die Erfüllung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen durch die Schuldnerin während des Drei-Wochen-Zeitraums, der für die Abgrenzung einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2013, IX ZR 13/12, WM 2013, 180, zit. nach juris, Rn. 16) von der Zahlungsunfähigkeit maßgeblich ist, gesichert.


Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterliegt (§ 92 Abs. 1, Satz 1 ZPO).


Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO). Die Entscheidung beruht vielmehr auf einer Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und insbesondere auf der nach § 286 Abs. 1 ZPO gebotenen Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls.

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