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Wirtschaftsrecht
22.08.2013
Wirtschaftsrecht
BGH: Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen-Union - Calciumcarbid-Kartell

BGH, Beschluss vom 9.7.2013 - KZR 15/12


Amtliche Leitsätze


Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV folgende die Auslegung des Unionsrechts betreffenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:


1. Muss die Kommission in einer Entscheidung, mit der sie wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängt, auch eine abschließende Regelung zu der Frage treffen, in welchem Verhältnis die Geldbuße intern auf die einzelnen Gesamtschuldner aufzuteilen ist?


2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:


2a. Ist eine Entscheidung der Kommission, die keine ausdrückliche Anordnung zur Verteilung im Innenverhältnis enthält, dahin auszulegen, dass die Geldbuße intern von allen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zu tragen ist?


2b. Für den Fall, dass Frage 2a zu verneinen ist:


Kann die Entscheidungslücke, die entsteht, wenn die Kommission die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis nicht regelt, durch die Gerichte der Mitgliedstaaten geschlossen werden, ohne dass es einer ergänzenden Entscheidung der Kommission bedarf?


3. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen oder Frage 2b zu bejahen ist:


Enthält das Unionsrecht Vorgaben zu der Frage, wie die Geldbuße im Innenverhältnis auf die Gesamtschuldner zu verteilen ist?


4. Für den Fall, dass Frage 1 oder Frage 3 zu bejahen ist:


Kann ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise gezahlt hat, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen, bevor eine rechtskräftige Entscheidung über ein gegen die Festsetzung der Geldbuße eingelegtes Rechtsmittel ergangen ist?


Art 101 Abs 1 AEUV, Art 267 Abs 1 AEUV, Art 267 Abs 3 AEUV, EGV 1/2003 Art 23


Tenor


Das Verfahren wird ausgesetzt.


Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV folgende die Auslegung des Unionsrechts betreffenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:


1. Muss die Kommission in einer Entscheidung, mit der sie wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängt, auch eine abschließende Regelung zu der Frage treffen, in welchem Verhältnis die Geldbuße intern auf die einzelnen Gesamtschuldner aufzuteilen ist?


2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:


a) Ist eine Entscheidung der Kommission, die keine ausdrückliche Anordnung zur Verteilung im Innenverhältnis enthält, dahin auszulegen, dass die Geldbuße intern von allen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zu tragen ist?


b) Für den Fall, dass Frage 2 a zu verneinen ist:


Kann die Entscheidungslücke, die entsteht, wenn die Kommission die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis nicht regelt, durch die Gerichte der Mitgliedstaaten geschlossen werden, ohne dass es einer ergänzenden Entscheidung der Kommission bedarf?


3. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen oder Frage 2 b zu bejahen ist:


Enthält das Unionsrecht Vorgaben zu der Frage, wie die Geldbuße im Innenverhältnis auf die Gesamtschuldner zu verteilen ist?


4. Für den Fall, dass Frage 1 oder Frage 3 zu bejahen ist:


Kann ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise gezahlt hat, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen, bevor eine rechtskräftige Entscheidung über ein gegen die Festsetzung der Geldbuße eingelegtes Rechtsmittel ergangen ist?


Aus den Gründen


I.


1


Die Klägerin verlangt von den beiden Beklagten internen Ausgleich nach Zahlung einer Geldbuße, die die Europäische Kommission gegen alle drei Parteien als Gesamtschuldner verhängt hat.



2


Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2, die damals unter Arques Beteiligungsgesellschaft mbH firmierte. Mit Kaufvertrag vom 30. August 2004 erwarb die Beklagte zu 2 sämtliche Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1, die damals unter SKW Stahl-Technik Verwaltungs-GmbH firmierte, sowie sämtliche Kommanditanteile an der SKW Stahl-Technik GmbH & Co. KG (nachfolgend: Kommanditgesellschaft), deren alleinige Komplementärin die Beklagte zu 1 war. Zum 31. Dezember 2004 trat die Beklagte zu 2 aus der Kommanditgesellschaft aus. Deren Vermögen ging dadurch ohne Liquidation auf die Beklagte zu 1 über.



3


Zum 25. Mai 2006 wurde die Beklagte zu 2 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Klägerin veräußerte in der Folgezeit ihre Anteile. Am 30. November 2006 hielt sie noch eine Beteiligung von 57%, zum 22. Juli 2007 schied sie vollständig aus.



4


Seit dem 22. April 2004 nahmen Beschäftigte der Beklagten zu 1 und der Kommanditgesellschaft an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und seit dem 14. Juli 2005 an Absprachen zum Vertrieb von Magnesiumgranulat teil.



5


Mit Entscheidung vom 22. Juli 2009 verhängte die Europäische Kommission (COMP/39.396, K(2009) 5791 endg - Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und die Gasindustrien) gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Millionen Euro wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens. Als Tatzeitraum stellte sie für die Beklagte zu 1 die Zeit von 22. April 2004 bis 16. Januar 2007 und für die Klägerin sowie die Beklagte zu 2 die Zeit von 30. August 2004 bis 16. Januar 2007 fest. Über die gegen diese Entscheidungen erhobenen Nichtigkeitsklagen der Klägerin (T-395/09, ABl. C 297 vom 5. Dezember 2009, S. 27 f.) und der Beklagten (T-384/09, ebenda S. 23 f.) hat das Gericht der Europäischen Union noch nicht entschieden.



6


Die Klägerin zahlte auf die Geldbuße und angefallene Zinsen insgesamt 6.798.012,49 Euro. Die Beklagten stellten der Kommission Bankgarantien in Höhe von insgesamt 6,7 Millionen Euro.



7


Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin - soweit noch von Bedeutung - von den Beklagten als Gesamtschuldner die vollständige Erstattung des von ihr gezahlten Betrags nebst Verzugszinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner weiter. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagten jeweils zur Zahlung eines Drittels der Klagesumme zu verurteilen.




II.



8


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:



9


Der Innenausgleich der Geldbuße unterliege - aufgrund konkludenter Rechtswahl und im Übrigen wegen Erwägungsgrund 30 zur Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - deutschem Recht. Danach sei die Klage unabhängig vom Ausgang der Nichtigkeitsklagen unbegründet, weil die Klägerin verpflichtet sei, die Geldbuße im Innenverhältnis allein zu tragen. Die Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verpflichtet seien, komme in der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zum Tragen. Es entspreche vielmehr der Billigkeit, denjenigen Gesamtschuldner zu belasten, dem die wirtschaftlichen Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten zugeflossen seien. Dies sei hier die Klägerin. Etwaige Erlöse aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten seien entweder an sie ausgeschüttet worden oder hätten den Wert ihrer Geschäftsanteile beeinflusst. Ob das Kartell tatsächlich eine Rendite erzielt habe, sei unerheblich. Auf Verursachungs- oder Verschuldensbeiträge komme es nicht an. Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil die Belastung mit der Geldbuße kein vom Schutzbereich der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen erfasster Schaden sei und dem Vorbringen der Klägerin auch keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu entnehmen sei.




III.



10


Vor einer Entscheidung über die Revision der Klägerin ist das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.



11


Für den Erfolg der Revision ist maßgebend, ob der Klägerin Ausgleichsansprüche gegen die Beklagten zustehen. Dies hängt davon ab, ob die Entscheidung über Grund und Höhe solcher Ausgleichsansprüche bei der Kommission liegt und wie zu verfahren ist, wenn die Kommission es versäumt hat, eine solche Entscheidung zu treffen. Diese Fragen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht geklärt. Ihre Beantwortung ist auch nicht offenkundig.



12


1. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass die Kommission bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine Geldbuße gegen mehrere natürliche oder juristische Personen als Gesamtschuldner verhängen darf, wenn diese als ein Unternehmen anzusehen sind.



13


a) Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Dies gilt auch dann, wenn sie rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird. Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einzustehen. Da Geldbußen aber nur gegen einen Rechtsträger festgesetzt werden können, muss die Zuwiderhandlung eindeutig einer (juristischen) Person zugerechnet werden (EuGH, Urteil vom 10. September 2009 - C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237 Rn. 57 = WuW/E EU-R 1639 - Akzo Nobel).



14


Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist einer Muttergesellschaft das Verhalten einer unmittelbaren oder mittelbaren (dazu EuGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - C-90/09 P, WuW/E EU-R 1899 Rn. 86 ff. - General Química) Tochtergesellschaft zuzurechnen, wenn diese trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden. Eine persönliche Beteiligung von Organen oder Mitarbeitern der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung muss dafür nicht nachgewiesen werden. Denn in einem solchen Fall sind Mutter- und Tochtergesellschaft Teil derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden deshalb ein Unternehmen im obengenannten Sinn (EuGH, Slg. 2009, I-8237 Rn. 58 f. - Akzo Nobel). Hält eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft, streitet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine widerlegliche Vermutung dafür, dass sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (EuGH, Slg. 2009, I-8237 Rn. 60 - Akzo Nobel; WuW/E EU-R 1899 Rn. 39 f., 50 ff. - General Química).



15


Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Kommission die Haftung für die Zahlung der gegen die Tochteruntergesellschaft verhängten Geldbuße der Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin zuweisen (EuGH, Slg. 2009, I8237 Rn. 61 - Akzo Nobel). Darin liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine verschuldensunabhängige, sondern eine auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit beruhende Haftung der Obergesellschaft (EuGH ebenda Rn. 77; Urteil vom 19. Juli 2012 - C-628/10 P, WuW/E EUR 2532 Rn. 42 ff. - Alliance One; zustimmend Köhler, WRP 2011, 277, 282; kritisch de Bronett, EWS 2012, 113 ff.; Kling, WRP 2010, 506, 510).



16


b) Im Ausgangsfall hat die Kommission in Anwendung dieser Grundsätze gegen die Parteien als Gesamtschuldner eine Geldbuße verhängt. Die Haftung der Beklagten zu 2 hat sie auf den Umstand gestützt, dass diese im Tatzeitraum sämtliche Anteile an der Beklagten zu 1 gehalten hat. Die Haftung der Klägerin hat sie hinsichtlich des Zeitraums bis 30. November 2006 auf deren durch die Beklagte zu 2 vermittelte Alleininhaberschaft an der Beklagten zu 1 gestützt und für die Zeit danach auf Tatsachen, die ihrer Ansicht nach die Ausübung eines entscheidenden Einflusses aufgrund der verbliebenen Mehrheitsbeteiligung belegen (Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 2009 Rn. 226 f., 245 ff., 251 ff.; vgl. aber auch Rn. 250, 262). Die Wirkung dieser Entscheidung ist durch die dagegen erhobenen Nichtigkeitsklagen nicht aufgeschoben (Art. 278 Satz 1 AEUV, ex-Art. 242 EG; vgl. Hirsch, ZWeR 2003, 233, 248).



17


2. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Kommission dazu berechtigt und verpflichtet ist, die interne Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner zu regeln.



18


a) Nach der Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union löst eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängt, sämtliche Wirkungen aus, die von Rechts wegen an die rechtliche Regelung der Zahlung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht anknüpfen, und dies sowohl in den Beziehungen zwischen Gläubiger und Gesamtschuldnern als auch in den Beziehungen zwischen den Gesamtschuldnern untereinander (EuG, Urteile vom 3. März 2011 - T-117/07, Slg. 2011, II-633 Rn. 214 - Areva und T-122/07, Slg. 2011, II-793 Rn. 156 = WuW/E EU-R 1939 - Siemens Österreich).



19


Nach Auffassung dieses Gerichts können die Gesellschaften nicht frei darüber bestimmen, wie sie die Geldbuße untereinander aufteilen (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 214 - Areva). Die Aufteilung könne auch nicht den nationalen Gerichten überlassen werden (EuG, Slg. 2011, II-793 Rn. 156 f. - Siemens Österreich). Vielmehr sei allein die Kommission zur Entscheidung befugt. Eine Gesellschaft, die den gesamten Betrag der Geldbuße entrichtet habe, könne schon auf der Grundlage der Entscheidung der Kommission gegenüber den anderen Gesamtschuldnern Erstattung verlangen, und zwar gegen jeden in Höhe des von der Kommission bestimmten Anteils. Es sei davon auszugehen, dass die Kommission in Ermangelung einer gegenteiligen Angabe in der Entscheidung die Zuwiderhandlung, die zur Verhängung der Geldbuße geführt habe, allen Gesellschaften zu gleichen Teilen zurechne (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 215 - Areva; Slg. 2011, II-793 Rn. 158 - Siemens Österreich).



20


b) Wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Europäischen Union zuträfe, wäre im vorliegenden Verfahren die Revision hinsichtlich des auf vollständigen Ersatz der geleisteten Zahlung gerichteten Hauptantrags unbegründet. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf anteiligen Ausgleich wäre hinsichtlich desjenigen Teilbetrages begründet, der den von der Klägerin zu tragenden Anteil von einem Drittel übersteigt. Insoweit würde sich zusätzlich die Frage stellen, ob dieser Ausgleichsanspruch schon geltend gemacht werden kann, bevor die Entscheidung der Kommission bestandskräftig ist.



21


aa) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Revision auch insoweit zulässig, als die Klägerin hilfsweise begehrt, jede Beklagte zur Erstattung eines Teils der erbrachten Bußgeldzahlung zu verurteilen. Zwar ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz wegen der in § 559 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Beschränkung des Streitstoffs grundsätzlich unzulässig. Eine Beschränkung des Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) ist aber zulässig, wenn sie sich auf einen Sachverhalt stützt, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin stützt den hilfsweise geltend gemachten Anspruch nicht auf einen neuen Sachverhalt, sondern auf die vom Gericht der Europäischen Union vertretene Rechtsauffassung. Ihr Begehren, die Beklagten zu einer anteiligen Erstattung der erbrachten Zahlung zu verurteilen, ist damit im Verhältnis zu dem in erster Linie geltend gemachten Begehren nach vollständiger Erstattung kein Aliud, sondern ein schon vom ursprünglichen Antrag umfasstes Minus. Dass der rechtliche Gesichtspunkt, auf den der Anspruch auf anteilige Erstattung gestützt wird, im Berufungsverfahren nicht näher erörtert wurde, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.



22


bb) Die Beantwortung der unionsrechtlichen Fragen kann auch nicht wegen einer Rechtswahlvereinbarung der Parteien offenbleiben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Innenausgleich unterliege dem (einzelstaatlichen) deutschen Recht, weil sich die Parteien im Rechtsstreit darauf berufen und damit ihren Willen zum Ausdruck gebracht hätten, das streitige Rechtsverhältnis dieser Rechtsordnung zu unterwerfen. Diese Begründung vermag die Nichtanwendung von Unionsrecht nicht zu tragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die revisionsrechtlich nur eingeschränkt nachprüfbare (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - I ZR 12/06, NJW 2009, 1205 Rn. 18 f. mwN) Beurteilung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten sich im Laufe des Rechtsstreits konkludent auf die Anwendbarkeit des deutschen Rechts geeinigt, frei von Rechtsfehlern ist. Selbst wenn die Parteien eine solche Rechtswahlvereinbarung getroffen hätten, wäre lediglich die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen, nicht aber die Anwendung des Unionsrechts, das in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht ist (vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU-Recht, Stand August 2012, AEUV Art. 288 Rn. 101).



23


cc) Die Klageforderung kann auch nicht auf einen von der Ausgleichspflicht im Innenverhältnis unabhängigen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz gestützt werden.



24


(1) Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten scheiden schon deshalb aus, weil das Kartellverbot nicht dem Zweck dient, einzelne Organisationseinheiten eines Unternehmens, das gegen Art. 101 AEUV verstößt, vor der Belastung mit einer Geldbuße zu schützen. Ansprüche dieser Art sind zur effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union (dazu EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn. 60, 91 ff. = WuW/E EU-R 1107 - Manfredi; Urteil vom 20. September 2001 - C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn. 25 ff. = WuW/E EU-R 479 - Courage; BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 34, 37, 61 f. - ORWI) weder notwendig noch förderlich.



25


Sofern die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis durch das Unionsrecht abschließend geregelt sein sollte, käme die Anwendung einzelstaatlicher Vorschriften, die aufgrund von Schadensersatzansprüchen zu einer abweichenden Verteilung führen, ohnehin nicht in Betracht.



26


Sofern das Unionsrecht keine abschließenden Regelungen enthält, kann einer effektiven Durchsetzung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln bei Anwendbarkeit deutschen Rechts schon durch § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Rechnung getragen werden. Die genannte Vorschrift sieht grundsätzlich eine Aufteilung nach Köpfen vor. Sie gebietet aber eine davon abweichende Verteilung, soweit etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer Vereinbarung der Beteiligten, aus sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen, aus besonderen gesetzlichen Regeln oder aus den Umständen des Einzelfalles ergeben. Insbesondere ist auch der Rechtsgedanke des § 254 Abs. 1 BGB heranzuziehen, wonach sich die Aufteilung danach richtet, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maße sie ein Verschulden trifft (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 Rn. 9; Beschluss vom 9. Juni 2008 - II ZR 268/07, NJW-RR 2009, 49 Rn. 2; Urteil vom 9. März 1965 - VI ZR 218/63, BGHZ 43, 178, 187). Diese Regelung ermöglicht es, eine gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße sachgerecht auf die einzelnen Schuldner zu verteilen. Ein ergänzender kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch eines Gesamtschuldners ist angesichts dessen zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht erforderlich. Unabhängig davon könnte der Schuldner auch einem solchen Anspruch gemäß § 254 BGB den Einwand der Mitverursachung entgegenhalten, so dass sich jedenfalls unter diesem Aspekt keine andere Aufteilung ergäbe als bei Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.



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(2) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus § 826 BGB sind für das Rechtsverhältnis zur Beklagten zu 1 schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil sie nur gegen die Beklagte zu 2 gerichtet sind.



28


Unabhängig davon wäre auch ein solcher Anspruch ausgeschlossen, sofern das Unionsrecht die interne Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner abschließend regeln würde. Sofern das Unionsrecht Raum für die Anwendung einzelstaatlicher Vorschriften lässt, könnte ein Anspruch aus § 826 BGB jedenfalls insoweit nicht zu einer abweichenden Verteilung führen, als die Umstände, die einem Ausgleichsanspruch der Klägerin nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenstehen, auch dem Ersatzanspruch aus § 826 BGB entgegengehalten werden können. Dies gilt insbesondere für den bereits erwähnten Einwand der Mitverursachung (§ 254 Abs. 1 BGB).



29


c) Die danach entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht hinreichend geklärt. Gegen die oben dargestellte Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union sind Bedenken erhoben worden, die nach Einschätzung des Senats nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind.



30


aa) Die Kommission hat das Urteil in der Sache Siemens Österreich angefochten (C-231/11 P). Sie macht geltend, ihre Befugnisse beträfen allein das Außenverhältnis, also die Verhängung von Geldbußen und gegebenenfalls die Bestimmung der gesamtschuldnerischen Haftung der Adressaten. Insoweit seien auch den Befugnissen der Unionsgerichte Grenzen gesetzt. Das aus der Festsetzung gesamtschuldnerischer Haftung resultierende Innenverhältnis der Gesamtschuldner einschließlich möglicher Regressansprüche unterliege dem Recht der Mitgliedstaaten (ABl. C 204 vom 9. Juli 2011, S. 17; ebenso Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 26. September 2002 - C-196/99 P, Slg. 2003, I-11005 Rn. 118 Fn. 21 - Aristrain).



31


bb) In der deutschen Literatur und in Entscheidungen deutscher Instanzgerichte wird die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union unterschiedlich beurteilt. Einige Autoren sehen die gesamtschuldnerische Haftung als genuin unionsrechtliches autonomes Rechtsinstitut an. Dies ergebe sich daraus, dass diese Haftung aus dem Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV hergeleitet werde (Bueren, ZWeR 2011, 285, 302 f.; Kellerbauer/Weber, EuZW 2011, 666, 669; Kokott/Dittert, WuW 2012, 670, 681 f.). Ferner spreche der Grundsatz der Rechtssicherheit dafür, dass die Kommission auch für das Innenverhältnis eine Regelung treffe. Nach einer abweichenden Auffassung soll sich der interne Ausgleich unter den Gesamtschuldnern nach nationalem Recht richten (Köhler, WRP 2011, 277, 279; LG München I, WUW/E DE-R 3247, 3254) oder jedenfalls nicht der Entscheidung durch die Kommission unterliegen (Thomas, JZ 2011, 485, 494).



32


cc) Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Klärung der aufgeworfenen Frage durch den Gerichtshof.




33


d) Allerdings dürfte nicht zu bezweifeln sein, dass der Union die Kompetenz zusteht, abschließende Regelungen zur internen Verteilung einer gegen mehrere Personen als Gesamtschuldner verhängten Geldbuße zu treffen.



34


Gemäß Art. 103 Abs. 1 AEUV können zweckdienliche Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze geschaffen werden. Dazu zählen gemäß Art. 103 Abs. 2 Buchst. a AEUV insbesondere Vorschriften, welche die Beachtung der darin genannten Verbote durch die Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten bezwecken. Die Verhängung von Geldbußen bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere, unerlaubte Verhaltensweisen zu ahnden und künftigen Zuwiderhandlungen durch Abschreckung vorzubeugen (EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-413/08 P, Slg. 2010, I5406 Rn. 102 - Lafarge; Urteil vom 7. Juli 2007 - C-76/06 P, Slg. 2007, I-4443 Rn. 22 - Britannia Alloys & Chemicals). Diese Ziele können dadurch gefördert werden, dass die Kommission den einzelnen Gesamtschuldnern der Geldbuße bestimmte Haftungsanteile verbindlich zuweist und damit sicherstellt, dass die Geldbuße für jeden Gesamtschuldner eine wirksame und bleibende Sanktion darstellt.



35


e) Nicht hinreichend geklärt erscheint indes, ob die auf der Grundlage von Art. 83 EG (nunmehr Art. 103 AEUV) erlassene Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eine solche Entscheidungskompetenz der Kommission vorsieht.



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aa) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts kann allerdings nicht schon aus Erwägungsgrund 30 der Verordnung die sichere Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Auffassung des Gerichts der Europäischen Union unzutreffend ist. Nach diesem Erwägungsgrund erfolgt die Zahlung der Geldbuße durch eines oder mehrere Mitglieder einer Vereinigung unbeschadet der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die einen Rückgriff auf andere Mitglieder der Vereinigung zur Erstattung des gezahlten Betrages ermöglichen. Dies betrifft indes lediglich Geldbußen, die gegen Unternehmensvereinigungen verhängt werden, und die für diesen Fall in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung vorgesehene Ausfallhaftung. Zwar spricht einiges dafür, dass der in Erwägungsgrund 30 zum Ausdruck gekommene Regelungsgedanke auch auf die hier zu beurteilende Konstellation der Verhängung einer Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner übertragbar ist. Angesichts des Umstandes, dass der Gerichtshof die gesamtschuldnerische Haftung aus dem autonomen Unternehmensbegriff des Art. 101 AEUV hergeleitet hat, ist indes nicht auszuschließen, dass auch der interne Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern ausschließlich dem Unionsrecht unterliegt und dass die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung vorgesehene Befugnis zur Verhängung von Geldbußen auch eine Ermächtigung und Verpflichtung zur Regelung des Innenverhältnisses umfasst.



37


bb) Gegen die Auffassung des Gerichts der Europäischen Union könnte sprechen, dass es für die Kommission in der Regel mit höherem Ermittlungsaufwand verbunden sein dürfte, wenn sie auch die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis abschließend regeln müsste.



38


Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs führt die Verhängung einer Geldbuße gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner zu einer Verringerung des Ermittlungsaufwandes für die Kommission. Diese braucht eine persönliche Beteiligung von Vertretern der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung nicht nachzuweisen. Vielmehr genügt der Nachweis, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält (EuGH - Akzo Nobel Rn. 59 f.; General Química Rn. 39 f.). Die Kommission ist zudem nicht verpflichtet, vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Zurechnung der Zuwiderhandlung zur Muttergesellschaft erfüllt sind, weil ansonsten die Ermittlungen der Kommission erheblich erschwert würden (EuGH, Urteil vom 24. September 2009 - C-125/07 P, Slg. 2009, I-8681 Rn. 82 = WuW/E EU-R 1633 - Erste Group Bank; anderer Auffassung wohl Generalanwältin Stix-Hackl - Aristrain Rn. 114 ff.).



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Dieser Zielsetzung könnte es zuwiderlaufen, wenn die Kommission die Umstände ermitteln müsste, die für die Verteilung der verhängten Geldbuße im Innenverhältnis maßgeblich sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verteilung im Innenverhältnis davon abhängen sollte, inwieweit die einzelnen Gesellschaften zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und inwieweit ihnen ein Verschulden zur Last fällt. Dann hätte die Kommission im Ergebnis diejenigen Ermittlungen durchzuführen, von denen sie bei Verhängung einer Geldbuße gegen Gesamtschuldner gerade entlastet sein soll.



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Wenn solche Ermittlungen allein zum Zwecke der Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis vorzunehmen wären, könnte der dafür erforderliche Aufwand zudem schon deshalb als nicht gerechtfertigt anzusehen sein, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Aufteilung in den meisten Fällen gering sein dürften. Die als Gesamtschuldner haftenden Unternehmen gehören in der Regel einem einheitlichen Konzern an. Selbst wenn ihnen, wie das Gericht der Europäischen Union meint, Vereinbarungen über eine Erstattung von Bußgeldzahlungen verwehrt sind, dürften ihnen andere konzerninterne Instrumente zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, die aus der Geldbuße resultierende wirtschaftliche Belastung innerhalb des Konzerns nach ihren Vorstellungen zu verteilen. Zu Rechtsstreitigkeiten über die interne Aufteilung dürfte es nur in Ausnahmefällen kommen, etwa dann, wenn der Konzernverbund nach der Zuwiderhandlung und vor deren Ahndung aufgelöst wurde, wie dies im hier zu beurteilenden Fall geschehen ist.



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f) Ebenfalls nicht hinreichend geklärt erscheint die Frage, welche Wirkung einer Entscheidung der Kommission zukommt, die keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, wie die Geldbuße auf die einzelnen Gesamtschuldner zu verteilen ist.



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aa) Die bereits aufgezeigte Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union, mangels einer abweichenden Angabe sei davon auszugehen, dass die Kommission die verhängte Geldbuße den einzelnen Gesamtschuldnern zu gleichen Teilen zurechne, ist ebenfalls auf Kritik gestoßen. In der deutschen Literatur wird insbesondere eingewendet, aus einem bloßen Schweigen der Kommission könne nicht gefolgert werden, dass sie die Zahlungspflichten der betroffenen Gesellschaften auch im Innenverhältnis habe regeln wollen. Eine interne Verteilung nach Köpfen könne zudem im Einzelfall sachwidrig, in bestimmten Fällen sogar rechtswidrig sein (Bueren, ZWeR 2011, 285, 304, 310; Mäsch, GRUR-Prax 2012, 268; ähnlich Thomas, JZ 2011, 485, 494). In ähnlichem Sinne hat sich die Kommission geäußert (EuG, Slg. 2011, II-633 Rn. 42 - Areva; Rechtsmittel C-231/11 P, ABl. C 204 vom 9. Juli 2011, S. 17 f. - Siemens Österreich).



43


bb) Nach Auffassung des Senats ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union zumindest in diesem Punkt einer Überprüfung durch den Gerichtshof nicht standhalten wird. Wenn die Kommission in einer Entscheidung nicht zu allen regelungsbedürftigen Fragen Stellung genommen hat, kann nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres unterstellt werden, sie habe dennoch eine bestimmte Regelung treffen wollen. Eine nach dem Wortlaut der Entscheidung verbleibende Regelungslücke mag im Einzelfall geschlossen werden können, indem aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe oder aus sonstigen Umständen eine konkludente Regelung abgeleitet wird. Dies setzt aber voraus, dass ein entsprechender Regelungswille der Kommission feststellbar ist. Daran dürfte es im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb fehlen, weil die Kommission sich nicht für verpflichtet hält, die Verteilung von Geldbußen im Innenverhältnis zu regeln. Angesichts dessen spricht vieles dafür, dass eine Entscheidung der Kommission, die die Frage der internen Verteilung nicht regelt, obwohl diese der Regelung bedarf, als lückenhaft und damit als ergänzungsbedürftig anzusehen ist (ähnlich Bueren, ZWeR 2011, 285, 304).



44


g) Sollte der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Entscheidung der Kommission, die keine Regelung zur internen Verteilung der Geldbuße enthält, lückenhaft ist, stellt sich die weitere Frage, ob die Gerichte der Mitgliedstaaten befugt sind, diese Lücke ohne ergänzende Entscheidung der Kommission zu schließen.



45


Wenn eine Entscheidung der Kommission nicht zu allen regelungsbedürftigen Fragen eine Regelung enthält, erscheint es naheliegend, sie als rechtswidrig anzusehen. Dies hätte zur Folge, dass die Entscheidung jedenfalls auf das Rechtsmittel eines Betroffenen hin zu ergänzen wäre - sei es durch die Kommission, sei es durch das zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufene Unionsgericht. Andererseits erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine lückenhafte Entscheidung der Kommission Bestandskraft erlangt, ohne dass die Lücke geschlossen worden ist. Zumindest für solche Fälle könnte in Betracht kommen, dass das Gericht eines Mitgliedstaats die Entscheidung über die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis nachholt, wenn es mit einem Rechtsstreit über interne Ausgleichsansprüche befasst wird. Dies wiederum könnte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten auch in anderen Konstellationen über die interne Verteilung der Geldbuße zu entscheiden haben, wenn und solange eine Entscheidung der Kommission hierzu nicht ergangen ist.



46


h) Falls die Gerichte der Mitgliedstaaten die Verteilung der Geldbuße auf die Gesamtschuldner in eigener Zuständigkeit zu beurteilen haben, stellt sich die Frage, ob das Unionsrecht hierzu inhaltliche Vorgaben enthält.



47


Für die Beantwortung dieser Frage dürften im Wesentlichen die bereits im Zusammenhang mit Frage 1 aufgezeigten Gesichtspunkte von Bedeutung sein. Nach Einschätzung des Senats erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Gerichtshof einerseits zu dem Ergebnis gelangt, die Kommission dürfe die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis den Gerichten der Mitgliedstaaten überlassen, andererseits aber die Auffassung vertreten wird, die materiellen Regeln oder zumindest die grundlegenden Leitlinien für die Verteilung seien dem Unionsrecht zu entnehmen. Dann würde sich für den Senat die Frage stellen, nach welchen Kriterien er die Verteilung der Geldbuße im Innenverhältnis vorzunehmen hat. Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 müsste er hierzu auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreifen. Diese bedürften näherer Klärung.



48


aa) Allgemeine Rechtsgrundsätze könnten möglicherweise unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleitet werden. Maßgebliche Bedeutung könnte dabei vor allem dem Grundsatz der schuldangemessenen Sanktionierung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zukommen (dazu Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., VO (EG) 1/2003, Art. 23 Rn. 138 mit weiteren Nachweisen).



49


Die Haftung des Unternehmens beruht auf dessen persönlicher Verantwortlichkeit und setzt nach Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Bei der Bemessung der Geldbuße sind gemäß Art. 23 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1/2003 sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere Umstände zu würdigen, welche die Schuld mindern oder erschweren (dazu insgesamt EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-389/10 P, WuW/E EU-R 2213 Rn. 58 ff., 122 ff. - KME; Nowak in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., VO 1/2003/EG, Art. 23 Rn. 36 mit weiteren Nachweisen).



50


Diese Grundsätze dürften auch die Ausgestaltung des internen Verhältnisses zwischen den eine wirtschaftliche Einheit bildenden Gesamtschuldnern prägen. Dem dürfte entgegen der vom Bundeskartellamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht entgegenstehen, dass die Kommission diese Kriterien bei der Auswahl der einzelnen Gesamtschuldner nicht heranzieht. Wie bereits oben in Randnummer 38 f. dargelegt wurde, wird die Kommission durch die Möglichkeit, eine Geldbuße gegen mehrere Personen als Gesamtschuldner zu verhängen, davon entlastet, die Verursachungsbeiträge einzelner Beteiligter innerhalb eines Unternehmens im Einzelnen zu ermitteln. Diese Zielsetzung wird nicht in Frage gestellt, wenn die einzelnen Verursachungsbeiträge in einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern vom Gericht eines Mitgliedstaats ermittelt werden, um die interne Verteilung der Geldbuße festzulegen. Es gehört gerade zu den typischen Wirkungen einer gesamtschuldnerischen Haftung, dass der Gläubiger davon enthoben ist, sich mit Umständen zu befassen, die nur für die interne Verteilung von Bedeutung sind. Dies hat in der Regel aber nicht zur Folge, dass diese Umstände auch in einem Rechtsstreit zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern unberücksichtigt bleiben dürfen oder müssen.



51


bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze dieses Inhalts können möglicherweise auch aus Regelungen hergeleitet werden, die allen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemeinsam sind (vgl. dazu etwa EuGH, Urteil vom 14. September 2010 - C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301 Rn. 69, 76 - Akzo Nobel; Urteil vom 18. Mai 1982 - C-155/79, Slg. 1982, 1575 Rn. 18 ff. - AM & S Europe).



52


Jedenfalls einige dem Senat zugängliche Rechtsordnungen sehen vor, dass sich die Verteilung einer gesetzlich oder sonst hoheitlich begründeten gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit im Innenverhältnis regelmäßig insbesondere danach richtet, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maße sie hierbei ein Verschulden trifft (vgl. zum deutschen Recht die oben in Rn. 26 zitierten Entscheidungen; zum französischen Recht Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 85 mit weiteren Nachweisen; zum spanischen Recht v. Bar/Santdiumenge, Deliktsrecht in Europa, Spanien, S. 34; zum englischen Recht Sec. 2 (1) Civil Liability (Contribution) Act 1978).



53


cc) Nicht ausgeschlossen erscheint es, die oben aufgezeigten Rechtsgrundsätze dahin zu verallgemeinern, dass die interne Verteilung der Geldbuße aufgrund einer Gesamtabwägung vorzunehmen ist, bei der insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Beteiligung der einzelnen Gesamtschuldner am wirtschaftlichen Erfolg der Zuwiderhandlung, ihre individuellen Verursachungsbeiträge und ihre individuellen Verschuldensanteile (vgl. Bueren, ZWeR 2011, 285, 303, 310; anderer Auffassung Köhler, WRP 2011, 277, 280 ff.), aber auch sonstige im Einzelfall relevante Umstände Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere könnte der von einem Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragende Anteil in entsprechender Anwendung von Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 4 Unterabs. 5 VO (EG) Nr. 1/2003 durch die dort vorgesehene umsatzbezogene Obergrenze beschränkt sein (siehe auch EuG, Urteil vom 15. Juni 2005 - T-71/03 Rn. 390 - Tokai Carbon).



54


i) Sofern das Unionsrecht Regelungen für die Verteilung der Geldbuße auf die einzelnen Gesamtschuldner enthält, stellt sich ferner die Frage, ob ein Gesamtschuldner, der die Geldbuße ganz oder teilweise zahlt, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner schon geltend machen kann, bevor die Entscheidung der Kommission bestandskräftig geworden ist.



55


aa) In der deutschen Literatur wird die Ansicht vertreten, einem Ausgleichsverlangen in diesem Stadium stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Der Ausgleichsberechtigte handle missbräuchlich, wenn er einerseits mit einer Nichtigkeitsklage geltend mache, er sei zur Zahlung einer Geldbuße nicht verpflichtet, andererseits aber Zahlungsansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner erhebe und diesen damit das Risiko seiner Insolvenz aufbürde. Ein Gesamtschuldner, der mehr als den im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Teil der Geldbuße gezahlt habe, könne bis zum Eintritt der Rechtskraft von den anderen Gesamtschuldner nur verlangen, ihn so zu stellen, dass ihm kein bleibender Nachteil erwachse. Dieser Anspruch könne namentlich durch Leistung einer Bankbürgschaft erfüllt werden (vgl. Köhler, WRP 2011, 277, 286).



56


bb) Diese Erwägungen vermögen nach Auffassung des Senats nicht vollständig zu überzeugen.



57


Eine Gesellschaft, gegen die als Gesamtschuldnerin eine Geldbuße verhängt worden ist, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, die Geldbuße schon vor Bestandskraft der Entscheidung zu bezahlen. Zwar besteht die Möglichkeit, eine Vollstreckung bis zur Bestandskraft durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Höhe des zu zahlenden Betrags aufgrund einer angeordneten Verzinsung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage erheblich ansteigt. Wenn ein Gesamtschuldner diesem Nachteil nicht ausgesetzt sein will, kann dies kaum als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.



58


Treuwidrig könnte es allerdings sein, wenn ein Gesamtschuldner auch einen im Innenverhältnis auf die übrigen Gesamtschuldner entfallenden Anteil der Geldbuße bezahlt, ohne diesen zuvor Gelegenheit zu geben, ihn hinsichtlich dieses Anteils vor einer späteren Inanspruchnahme einschließlich einer drohenden Belastung mit Zinsen abzusichern, indem jeder Gesamtschuldner den auf ihn entfallenden Teil der Geldbuße selbst bezahlt oder der Kommission wegen dieses Betrags zuzüglich der zu erwartenden Zinsen Sicherheit leistet. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten eine solche Leistung nur hinsichtlich der Hälfte der verhängten Geldbuße erbracht. Wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Europäischen Union zuträfe, hätten sie aber für zwei Drittel der Geldbuße eine Sicherheitsleistung erbringen müssen. Hinsichtlich des Differenzbetrages dürfte es kaum treuwidrig sein, dass sich die Klägerin für eine Zahlung statt für die Erbringung einer eigenen Sicherheitsleistung entschieden hat.




IV.



59


Der Senat hält es nicht für sachgerecht, den Rechtsstreit vor einer Vorlage an den Gerichtshof gemäß § 148 ZPO auszusetzen.



60


1. Eine Aussetzung des Rechtsstreits wegen des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittels in der Sache Siemens Österreich (C-231/11 P) ist entgegen der Ansicht der Revision ausgeschlossen. Jenes Verfahren betrifft kein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die hier zu treffende Entscheidung abhängt. Zwar kann eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO im Hinblick auf ein anhängiges Vorabentscheidungsverfahren erfolgen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405 mit weiteren Nachweisen; anderer Auffassung Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 148 Rn. 3b). Anders als bei einem Vorabentscheidungsverfahren wird der Gerichtshof aber in der Sache Siemens Österreich, welche die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission zum Gegenstand hat, nicht die Funktion wahrnehmen, über eine bestimmte, ihm vorgelegte klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden. Deshalb kommt eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 3/12, WM 2012, 2024 Rn. 22).



61


2. Ob eine Aussetzung im Hinblick auf die von den Parteien erhobenen Nichtigkeitsklagen zulässig wäre, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Eine solche Aussetzung wäre im vorliegenden Verfahren jedenfalls deshalb nicht sachgerecht, weil die Klägerin die Beklagten möglicherweise schon vor der endgültigen Entscheidung über diese Rechtsmittel auf Ausgleich in Anspruch nehmen kann und weil auch diese Frage der Klärung durch den Gerichtshof bedarf.

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