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Wirtschaftsrecht
09.04.2015
Wirtschaftsrecht
OLG Stuttgart: Vorgaben für die Herabsetzung der Vorstandsvergütung wegen Verschlechterung der Lage der AG

OLG Stuttgart, Urteil vom 1.10.2014 — 20 U 3/13, n. rkr., Revision eingelegt, Az. BGH: II ZR 296/14

Amtliche Leitsätze

1. Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 2 AktG setzt eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ der Herabsetzung voraus.

2. Bei einem Ermessensausfall ist der Herabsetzungsbeschluss unwirksam. Unter diesen Umständen scheidet auch eine Bestimmung der angemessenen Höhe der Vergütung durch das Gericht aus.

3. Die angemessene Höhe der Vergütung richtet sich nicht vorrangig nach dem weiteren Nutzen der Vorstandstätigkeit für die Gesellschaft, sondern zugleich nach den berechtigten Interessen des Vorstands. Sie orientiert sich regelmäßig an der Vergütung, die ein vergleichbares Unternehmen für die Neuanstellung eines Vorstandsmitglieds aufwenden müsste

AktG § 87 Abs. 2

Sachverhalt

I. Die Parteien streiten um ausstehende Vergütungsansprüche aus einem Anstellungsvertrag als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, der X AG (im Folgenden „Schuldnerin“), über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die Schuldnerin war im Frühjahr des Jahres 2011 durch formwechselnde Umwandlung aus der X ... ... ... GmbH entstanden, um durch den Rechtsformwechsel einen Börsengang vorzubereiten. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug 3.000.000,00 €. Im Jahr 2009 betrug der Umsatz der X ... ... ... GmbH ca. 46 Mio. Euro und im Jahr 2010 ca. 85 Mio. Euro bei einem Gewinn von ca. 2 Mio. bzw. 3,4 Mio. Euro. Der Kläger war seit dem 01.07.2010 Geschäftsführer der GmbH und dort vor allem für den Finanzbereich zuständig gewesen. Mit der Umwandlung wurde der Kläger am 14.04.2011 zum Vorstand der Schuldnerin als CFO (Chief Financial Officer) ernannt unter gleichzeitigem Abschluss eines Anstellungsvertrages

In diesem Anstellungsvertrag vom 14.04.2011, der bis zum 31.12.2012 fest abgeschlossen war, war unter § 3 ein Jahresbruttogehalt von 188.000,00 € (monatlich 15.666,67 €) zuzüglich der Übernahme von Beiträgen zur betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von monatlich 1.000,00 € sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung vereinbart (vgl. Anlage K1, Bl. 18 ff. d. A.). Zudem sollte der Kläger - neben einer unentgeltlichen Aktienoption für den Fall einer Kapitalerhöhung - eine jährliche variable Vergütung in Höhe von 1,5 Prozent des Betriebsergebnisses nach Steuern erhalten. Überdies war der Abschluss einer Unfall- und einer D & O-Versicherung durch die Schuldnerin sowie in     § 7 Abs. 2 des Vertrages die Überlassung eines Dienstwagens vorgesehen. Entsprechend schloss die Schuldnerin (noch als GmbH) mit dem Kläger einen „Vertrag über die Kraftfahrzeugnutzung“, in dessen § 10 für den Fall der vorzeitigen Zurückforderung des Fahrzeuges durch die Schuldnerin eine Ersatzpflicht für die entgangene Nutzungsmöglichkeit vorgesehen war (vgl. Anlage K 2, Bl. 26 d. A.).

Nachdem die Schuldnerin im Laufe des Jahres 2011 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und die finanzierenden Banken sich für eine Umbesetzung in der Position des Finanzvorstandes eingesetzt hatten, wurde der Kläger durch den Aufsichtsrat am 31.12.2011 als Vorstand der Schuldnerin abberufen und widerruflich unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge von seinen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag freigestellt (vgl. Anlage K 3, Bl. 28 d. A., und K 4, Bl. 30 d. A.). Ab Januar 2012 leistete die Schuldnerin keine weiteren Gehaltszahlungen an den Kläger.

Unter dem 03.02.2012 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. Anlage B 1, Bl. 56 ff. d. A.). Mit Beschluss vom 06.02.2012 bestellte das Amtsgericht T. den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Mit Schreiben vom 07.03.2012 forderte der Beklagte den Aufsichtsrat der Schuldnerin auf, die Vergütung der Vorstände ab Insolvenzeröffnung auf den „Maximalbetrag“ pro Vorstand von 2.500,00 € zu begrenzen (vgl. Anlage K 5, Bl. 31 d. A.). Am 15.03.2012 befasste sich der Aufsichtsrat der Schuldnerin unter TOP 1 mit dem Schreiben des Beklagten. Im Protokoll der außerordentlichen Sitzung heißt es dazu (vgl. Anlage K 6, Bl. 32 d. A.):

zu TOP 1

Der Aufsichtsrat erörterte den Inhalt des Schreibens des vorläufigen Insolvenzverwalters J. S. vom 7. März 2012 und fasste einstimmig den folgenden Beschluss:

Der Aufsichtsrat beschließt die Bezüge aller Vorstandsmitglieder auf EUR 2.500.- ab Insolvenzeröffnung herabzusetzen.“

Mit Beschluss des Amtsgerichts T. vom 30.03.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (vgl. Anlage K 7, Bl. 33 f. d. A.). Mit Schreiben vom 30.03.2012, dem Kläger zugegangen am 31.03.2012, kündigte der Beklagte den Anstellungsvertrag zum 30.06.2012 (vgl. Anlage K 9, Bl. 36 d. A.). Daneben teilte er dem Kläger in einem weiteren Schreiben vom 10.04.2012 mit, dass er den Kläger „höchst vorsorglich“ unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche freistelle, und forderte diesen auf, sich arbeitslos zu melden (vgl. Anlage K 10, Bl. 37 d. A.).

Am 10.04.2012 fasste der nunmehr neu zusammengesetzte Aufsichtsrat der Schuldnerin den Beschluss, den früheren Beschluss vom 15.03.2012 bezüglich der Reduzierung der Vorstandsvergütung rückwirkend aufzuheben (vgl. Anlage K 11, Bl. 38 d. A.).

Auf Aufforderung des Beklagten gab der Kläger am 23.04.2012 den ihm überlassenen Dienstwagen zurück. In den Monaten Januar bis März 2012 bezog der Kläger Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 12.642,97 €.

Der Beklagte verweigerte in der Folgezeit weitere Zahlungen an den Kläger unter Hinweis auf die reduzierten Vorstandsbezüge und fehlende Auskünfte des Klägers zu einer etwaigen anderweitigen Beschäftigung und dem Bezug von Arbeitslosengeld. Der Kläger meldete hierauf seine verbleibenden Gehaltsansprüche für die Monate Januar bis März 2012 sowie den Verfrühungsschaden für die Monate Juli bis Dezember 2012 zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte erkannte diese Forderungen nicht an.

Der Kläger hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, dass der Aufsichtsratsbeschluss vom 15.03.2012 bereits formell fehlerhaft und daher ihm gegenüber unwirksam sei, weil dem Beschluss die Ermessenserwägungen des Aufsichtsrates nicht entnommen werden könnten. Es seien auch keine Gründe für eine Reduzierung des Gehaltes des Klägers gegeben, da dieser zum Zeitpunkt des Beschlusses bereits abberufen und freigestellt gewesen sei. Überdies treffe den Kläger keine Verantwortung für die wirtschaftliche Schieflage der Schuldnerin. Da die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung über ausreichende Liquidität verfügt habe, sei die Reduzierung der Vorstandsgehälter auch nicht notwendig gewesen. Daneben sei der Beschluss nicht ausreichend bestimmt, da weder erkennbar sei, welche Vorstandsmitglieder von diesem betroffen seien, noch eine Klarstellung enthalten sei, ob es sich bei dem Betrag von 2.500,00 € um eine Brutto- oder Nettovergütung handele und wie dieser Betrag sich zu den übrigen Gehaltsbestandteilen verhalte. Insoweit hätten die beteiligten Aufsichtsratsmitglieder gegenüber dem Kläger angegeben, sie seien bei der Beschlussfassung davon ausgegangen, dass der Beschluss nur die amtierenden Vorstandsmitglieder betreffe. Schließlich sei der Beschluss durch den Aufsichtsrat am 10.04.2012 wieder aufgehoben worden. Neben dem Insolvenzgeld habe der Kläger an staatlichen Leistungen lediglich ab dem 01.07.2012 Arbeitslosengeld in Höhe von 2.040,00 € monatlich bezogen. Eine anderweitige Erwerbstätigkeit habe er im Jahr 2012 nicht ausgeübt.

Der Beklagte hat vor dem Landgericht vorgebracht, dass infolge der Krise der Schuldnerin und der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen für einer Herabsetzung der Vorstandsbezüge ohne weiteres gegeben seien, ohne dass es auf deren detaillierte Darlegung im Aufsichtsratsbeschluss ankomme. Da in dem Beschluss auf „alle Vorstandsmitglieder“ Bezug genommen werde und dieser einen eindeutigen Bruttogesamtbetrag von 2.500,00 € benenne, sei der Beschluss auch ausreichend bestimmt. Der Kläger habe bei der Schuldnerin während der Krise keine Aufgaben mehr wahrgenommen, so dass eine Gehaltsreduzierung auf null, jedenfalls aber auf 2.500,00 € angemessen gewesen sei. Sämtliche operativen Vorstandsaufgaben bei der Schuldnerin seien ab Insolvenzeröffnung durch den Beklagten wahrgenommen worden. Da der Kläger den Bezug von Arbeitslosengeld und die Nichtaufnahme einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nicht ausreichend nachgewiesen habe, stünde dem Beklagten zudem ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Soweit die Parteien zwischenzeitlich zudem über die Rechtmäßigkeit der Anmeldung der Klägers zur Sozialversicherung durch den Beklagten gestritten hatten, hat das Landgericht den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 16.04.2013 an das Sozialgericht T. verwiesen (vgl. Bl. 205 f. d. A.).

Mit Urteil vom 22.04.2013 hat das Landgericht der Klage im Umfang eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 7.500,00 € sowie hinsichtlich der Feststellung von Insolvenzforderungen von 38.510,40 € und 2.760,00 € stattgegeben, die Klage im Übrigen jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger lediglich bis einschließlich März 2012 die ungekürzten Gehaltsansprüche (abzüglich des erhaltenen Insolvenzgeldes) als Insolvenzforderung zustünden. Danach hätte dem Kläger aufgrund des wirksamen und hinreichend bestimmten Aufsichtsratsbeschlusses lediglich ein Anspruch auf Zahlung von monatlich 2.500,00 € zugestanden. Bei Auslegung des Aufsichtsratsbeschlusses sei davon auszugehen, dass die Aufsichtsräte sowohl die ehemaligen als auch die noch amtierenden Vorstände hätten erfassen wollen, da nur eine derartige Auslegung zu einer notwendigen Gleichbehandlung sämtlicher Vorstandsmitglieder führe. Auf den Beweisantritt des Klägers zu den Vorstellungen der Aufsichtsratsmitglieder komme es deshalb nicht an. Da der Beklagte als Insolvenzverwalter dem weiteren Aufsichtsratsbeschluss vom 10.04.2014 nicht zugestimmt habe, bleibe dieser ohne Wirkungen.

Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt er aus, dass die durch das Landgericht vorgenommene Auslegung des Aufsichtsratsbeschlusses vom 15.03.2012 anerkannten Auslegungsregeln widerspreche, wonach für die Erforschung des mutmaßlichen Willens kein Raum bleibe, soweit der tatsächliche Wille feststehe. Überdies fehle es auch an einem Interesse der Schuldnerin an der Reduzierung der Gehaltszahlungen im Insolvenzverfahren, da dem Beklagten aufgrund insolvenzrechtlicher Vorschriften die Möglichkeit offengestanden habe, sich von dem Dienstvertrag mit dem Kläger zu lösen und damit überwiegend nur Insolvenzforderungen zu begründen. In jedem Fall hätten dem Kläger über die Gehaltsansprüche hinaus die nachgewiesenen Aufwendungen für den Dienstwagen in Höhe von 553,07 € für April 2012 sowie die Ansprüche auf Nutzungsersatz zugestanden, da es sich insoweit um Schadenersatzansprüche und nicht um Gehaltsansprüche handele.

Der Kläger beantragt: Unter Abänderung des am 22.04.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Tübingen - Az. 20 O 48/12 - und Beibehaltung des dortigen Tenors Ziffer 2

1. wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger über den Betrag von EUR 7.500,00 hinaus weitere EUR 45.360,31 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2012 aus einem Betrag von EUR 17.650,95, seit dem 01.06.2012 aus einem Betrag in Höhe von 17.604,68 sowie seit dem 02.07.2012 aus einem Betrag in Höhe von 17.604,68 zu zahlen.

2. wird festgestellt, dass die am 15.03.2012 von dem Aufsichtsrat der X AG beschlossene Herabsetzung der Vorstandsgehälter auf EUR 2.500,00 dem Kläger gegenüber unwirksam ist.

3. wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere EUR 1.641,96 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

4. wird der Beklagte verurteilt, zur Insolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger eine Insolvenzforderung über EUR 2.760,00 hinaus in Höhe von weiteren EUR 90.628,08 zusteht.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 22.04.2013 - 20 O 48/12 - kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend legt er dar, dass nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte eine Reduzierung der Vorstandsgehälter selbst dann möglich sei, wenn von den Vorständen zur Überwindung einer Krise erhebliche Zusatzanstrengungen zu erwarten seien. Da der Kläger jedoch bereits freigestellt gewesen sei, sei die Reduzierung auf 2.500,00 € in jedem Fall angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, das Urteil des Landgerichts vom 22.04.2013 und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 17.12.2012 und 10.09.2014 Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, weil der durch den Aufsichtsrat der X AG am 15.03.2012 gefasste Beschluss über die Herabsetzung der Vorstandsvergütung dem Kläger gegenüber unwirksam ist.

1. Nach § 3 des Vorstandsvertrags vom 14.04.2011 stehen dem Kläger neben den Zuschüssen zu seiner Altersvorsorge sowie seiner Kranken- und Pflegeversicherung monatliche Bruttogehaltsansprüche in Höhe von 15.666,67 € zu. Hinzu kommt ein Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens bzw. ein entsprechender in § 10 des - auch nach Ernennung des Klägers zum Vorstand fortgeltenden - Kraftfahrzeugnutzungsvertrages normierter Ersatzanspruch bei vorzeitiger Rückgabe des Dienstwagens.

Entgegen dem landgerichtlichen Urteil ergibt sich aus dem Beschluss des Aufsichtsrates vom 15.03.2012 für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine dem Kläger gegenüber wirksame Herabsetzung seiner Vorstandsbezüge.

a. Die Unbeachtlichkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 15.03.2012 folgt allerdings - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - nicht bereits aus dem durch den neu besetzten Aufsichtsrat der Schuldnerin in seiner konstituierenden Sitzung am 10.04.2012 gefassten Beschluss, den vorherigen Beschluss zur Reduzierung der Vorstandsvergütungen wieder rückwirkend aufzuheben. Denn dieser zweite Beschluss bleibt mangels Zustimmung des Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin ohne Außenwirkung. Der Beklagte hat nämlich weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten die Genehmigung des Beschlusses vom 10.04.2012 erklärt. Insbesondere hat der Beklagte auch nach der Beschlussfassung weiterhin jegliche Zahlungen, gerade auch im Hinblick auf den geltend gemachten Aufwendungsersatz für den Dienstwagen, verweigert, so dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dass der Beklagte den Aufsichtsratsbeschluss vom 10.04.2012 gegen sich gelten lassen will.

Dabei kann offen bleiben, ob für Entscheidungen nach § 87 Abs. 2 AktG (und für deren Aufhebung als actus contrarius) nach Insolvenzeröffnung weiterhin formal der Aufsichtsrat der Gesellschaft zuständig bleibt (vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 185) oder ob diese Zuständigkeit als Teil des Verdrängungsbereichs ebenfalls auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 30). Denn selbst im Falle der fortwirkenden Zuständigkeit des Aufsichtsrates hätte ein entsprechender Beschluss wegen § 80 Abs. 1 InsO jedenfalls der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedurft, weil die Auswirkungen des Beschlusses unmittelbar die Insolvenzmasse betreffen, so dass jedenfalls ein Fall der Kompetenzüberschneidung zwischen Aufsichtsrat und Insolvenzverwalter gegeben ist (vgl. Ott/Vuia in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 111 u. 112; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 264 Rn. 10 f.).

b. Gleichwohl kann der Beklagte die geltend gemachte Reduzierung der Vorstandsbezüge nicht auf den Aufsichtsratsbeschluss vom 15.03.2012 stützen, weil dieser jedenfalls dem Kläger gegenüber unwirksam ist.

aa. Zwar ist der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 2 AktG vorliegend grundsätzlich eröffnet, weil sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Bezüge so verschlechtert hatte, dass die Weitergewährung der vereinbarten Bezüge unbillig für die Gesellschaft und eine Herabsetzung der Vorstandsgehälter auf „die angemessene Höhe“ somit möglich war. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 15.03.2012 war die X AG bereits insolvenzreif. Insoweit hat das Insolvenzgericht zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 30.03.2012 sowohl das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin als auch deren Überschuldung angenommen, so dass diese Insolvenztatbestände auch zum 15.03.2012 bereits erfüllt waren. Ausweislich der Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31.07.2009, durch welches § 87 Abs. 2 AktG neu gefasst und inhaltlich verschärft wurde, ist bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes für das Insolvenzverfahren ohne weiteres von einer entsprechenden Verschlechterung der Lage der Gesellschaft und der daraus resultierenden Unbilligkeit der Fortzahlung der ungekürzten Bezüge des Vorstandes auszugehen (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 25; Bürgers/Israel in Heidelberger Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2014, § 87 Rn. 14). Bei Abschluss des Vorstandsanstellungsvertrages am 14.04.2011 war die zukünftige negative wirtschaftliche Entwicklung der Schuldnerin zudem unstreitig noch nicht absehbar, so dass es sich auch um eine nachträgliche Veränderung im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG handelt.

bb. Nach der im Jahr 2009 erfolgten Neufassung des § 87 Abs. 2 AktG „soll“ der Aufsichtsrat bei Vorliegen der obigen Voraussetzungen die Bezüge des Vorstandes auf das in der konkreten Situation angemessene Niveau herabsetzen. Bei Ausübung dieses gesetzlichen Sonderrechts zur einseitigen Vertragsanpassung hat der Aufsichtsrat damit sowohl hinsichtlich des „Ob“ der Herabsetzung als auch des „Wie“ der konkreten Absenkung das ihm insoweit zukommende Ermessen fehlerfrei auszuüben. Eine derartige nachvollziehbare und von sachfremden Erwägungen freie Ermessensausübung des Aufsichtsrats hat der Beklagte jedoch nicht dargetan, so dass der Beschluss vom 15.03.2012 bereits aus diesem Grund dem Kläger gegenüber unwirksam ist.

(1) Zwar begegnet die grundsätzliche Entscheidung zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage der Schuldnerin im März 2012 keinen Bedenken, weil auch der Kläger durch seine Vorstandstätigkeit einen Verantwortungsbeitrag zur späteren Krise der Gesellschaft geleistet hat. Unter diesen Umständen gibt § 87 Abs. 2 AktG als Regelfall eine Verpflichtung zur Herabsetzung der Vergütung des entsprechenden Vorstandsmitglieds vor, von der bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nur bei Vorliegen besonderer Umstände Abstand genommen werden kann (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 99; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 66). Die Ursachen des wirtschaftlichen Niedergangs der Schuldnerin, insbesondere die Vereinbarung langfristiger Abnahmeverpflichtungen zu später nicht mehr am Markt realisierbaren Preisen, fallen aber auch in die Amtszeit des Klägers und sind damit von diesem objektiv mitverursacht (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6), obgleich zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Insolvenz der Schuldnerin nicht allein oder ganz überwiegend auf wirtschaftlichen Fehlentscheidungen des Klägers als Finanzvorstand beruht. Eine darüber hinausgehende Pflichtwidrigkeit des Handelns des betroffenen Vorstandes setzt § 87 Abs. 2 AktG hingegen nicht voraus (vgl. Koch WM 2010, 49, 55). Mithin erscheint es nicht unbillig, auch dem Kläger eine Finanzierungsverantwortung für die Schuldnerin durch anteiligen Verzicht auf seine Gehaltsansprüche aufzuerlegen.

(2) Der Aufsichtsrat hätte bei seiner Entscheidung nach § 87 Abs. 2 AktG aber zugleich nachvollziehbare und von sachfremden Gesichtspunkten freie Erwägungen zur künftigen Höhe der abgesenkten Bezüge anstellen müssen, was der sich auf die wirksame Herabsetzung berufende Beklagte darzulegen und beweisen hat (vgl. Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 54 mwN).

Dabei ist nach dem Vorbringen des Beklagten bereits nicht erkennbar, dass sich der Aufsichtsrat der Schuldnerin bei seiner Entscheidung am 15.03.2012 überhaupt des ihm eingeräumten Ermessens bewusst war und konkrete Ermessenserwägungen bei der Festlegung des Gehaltsniveaus von 2.500,00 € angestellt hätte. Vielmehr geht der Senat insoweit von einem Ermessensausfall aus, weil der Aufsichtsrat erkennbar allein die Aufforderung des Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter vom 07.03.2012 umsetzen wollte, ohne eigene Erwägungen zur Angemessenheit der reduzierten Vergütung anzustellen. Dies folgt schon aus dem Aufsichtsratsprotokoll, in dem es zum Tagesordnungspunkt 1 wörtlich heißt: Der Aufsichtsrat erörterte den Inhalt des Schreibens des vorläufigen Insolvenzverwalters J. S. vom 7. März 2012 und fasste einstimmig den folgenden Beschluss: Der Aufsichtsrat beschließt die Bezüge aller Vorstandsmitglieder auf EUR 2.500.- ab Insolvenzeröffnung herabzusetzen.“

Damit lassen sich weder dem Protokoll noch dem sonstigen Parteivorbringen Hinweise auf einen eigenen Abwägungsprozess des Aufsichtsrates entnehmen. Hiermit stimmt auch überein, dass die Gehaltsreduzierung auf 2.500,00 € gegenüber dem Kläger und den noch amtierenden Vorstandsmitgliedern inhaltlich zu keinem Zeitpunkt näher begründet wurde.

(3) Im Übrigen fehlt es auch sonst an Anhaltspunkten dafür, dass der beschlossene Betrag von 2.500,00 € das Ergebnis eines vertretbaren Abwägungsprozesses gewesen sein könnte.

Dies gilt ungeachtet der in der Literatur umstrittenen Frage, ob dem Aufsichtsrat hinsichtlich der angemessenen Höhe der neu festzusetzenden Bezüge ein gewisser Ermessenspielraum zukommt (vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 74; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438) oder ob man aufgrund der Eingriffstiefe für den betroffenen Vorstand lediglich eine ganz bestimmte Entscheidung als angemessen ansehen will (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 27), wobei aus Sicht des Senats die Nähe des § 87 Abs. 2 AktG zur Vergütungsregelung des § 87 Abs. 1 AktG dafür spricht, dass auch im Falle der Herabsetzung nicht nur eine ganz bestimmte Vorstandsvergütung als angemessen anzusehen ist, sondern sich die „angemessene Höhe“ der Bezüge im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG stets in einem nicht trennscharf abgrenzbaren Bereich noch angemessener Entscheidungen bewegt (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10). Insoweit wäre auch - entgegen dem Landgericht - allein in der Tatsache einer etwaigen Ungleichbehandlung zwischen amtierenden und ausgeschiedenen Vorständen nicht per se eine pflichtwidrige Ermessensausübung zu sehen, soweit sich diese Differenzierung nachvollziehbar begründen lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003 - 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 19; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 98; Diller NZG 2009, 1006, 1008).

In jedem Fall ist es nach Auffassung des Senats ermessensfehlerhaft, bei der Neufestsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat mit dem Beklagten ausschließlich auf die weiterhin durch den betroffenen Vorstand zu erbringende Tätigkeit und deren weiteren Nutzen für die Gesellschaft abzustellen. Zwar schließt die Neufassung des § 87 Abs. 2 AktG seit dem Jahr 2009 auch Eingriffe in die Rechtspositionen ausgeschiedener Vorstände nicht aus, was aus § 87 Abs. 2 S. 2 AktG folgt. Indes enthebt das bloße Ausscheiden - und damit die fehlende weitere Produktivität des früheren Vorstandes für die Gesellschaft - den Aufsichtsrat nicht von der Notwendigkeit einer Ermessensabwägung, in welcher Höhe die Bezüge für den ausgeschiedenen Vorstand weiterhin angemessen sind. Würde man hierbei mit dem Beklagten allein auf den weiteren Nutzen der Tätigkeit des jeweiligen Vorstandes für die Gesellschaft abstellen, könnten die Bezüge ausgeschiedener Vorstände im Falle einer ernsthaften Krise und insbesondere nach Insolvenzeröffnung stets ohne weiteres sogar bis auf null abgesenkt werden (vgl. aber offenbar in diese Richtung argumentierend Göcke/Greubel ZIP 2009, 2086, 2089). Ein solches Ergebnis würde im deutlichen Widerspruch zur Gesetzesbegründung stehen, wonach die amtierenden und ggf. früheren Vorstände aufgrund ihrer (nachwirkenden) Organpflichten einen eigenen Finanzierungsbeitrag zum Fortbestand der Gesellschaft leisten, nicht jedoch vollständig auf ihre Gehaltsansprüche zum Wohle der sonstigen Gläubiger verzichten sollen (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 97; Weller NZG 2010, 7, 10 f.). Zudem würden bei einer derartigen Abwägung die berechtigten Interessen des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes, welches regelmäßig auf die fortlaufenden Bezüge als Erwerbseinkommen angewiesen sein wird, vollkommen unberücksichtigt bleiben und einseitig auf die Interessenlage der übrigen Gesellschaftsgläubiger abgestellt.

Aufgrund des mit der Neubestimmung der Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 2 AktG verbundenen erheblichen Eingriffs in den Anstellungsvertrag und damit in den Grundsatz der Vertragstreue („pacta sunt servanda“) ist diese Vorschrift insgesamt restriktiv unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen auch ausgeschiedener Vorstandsmitglieder auszulegen und darf nicht zu übermäßigen Kürzungen der Vorstandsgehälter herangezogen werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003 - 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 60; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 94 u. 104; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 24; Diller NZG 2009, 1006, 1007; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 689). Insbesondere ist es nicht zu rechtfertigen, den Vorständen ein Sonderopfer abzuverlangen, welches diese im Ergebnis unter das Gehalt leitender Angestellter des Unternehmens - die keine Gehaltskürzung nach § 87 Abs. 2 AktG zu befürchten haben - absinken lassen würde (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003 - 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 74; Koch WM 2010, 49, 57). Erwägenswert erscheint es demgegenüber, auf der Grundlage der konkreten Finanzsituation der Gesellschaft zu bestimmen, zu welchen Konditionen ein neu anzustellendes Vorstandsmitglied gewonnen werden bzw. ein neuer Anstellungsvertrag ausgehandelt werden könnte (vgl. Diller NZG 2009, 1006, 1007). Hierbei würde das angemessene Gehaltsniveau im Rahmen einer typisierten Vergleichsbetrachtung anhand der Kriterien des § 87 Abs. 1 AktG zu ermitteln sein (vgl. BT-Drs. 16/12278 S. 6; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 71; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 689; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438).

Vorliegend sind jedenfalls keine tragfähigen Erwägungen erkennbar, die eine Reduzierung des Vorstandsgehaltes des Klägers in dem durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 15.03.2012  vorgenommenen Umfang - ungeachtet dessen unbestimmten Inhaltes - gerechtfertigt erscheinen ließe. Berücksichtigt man allein das Bruttogehalt ohne Zusatzvergütungen, so stellt die Reduzierung von 15.666,67 € auf 2.500,00 € eine Herabsetzung des vertraglich vereinbarten Grundgehaltes um ca. 84 Prozent dar. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach § 3 Abs. 2 des Vorstandsvertrages zusätzlich ein variabler Vergütungsanteil zustand, der durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin nicht zum Tragen kam, so dass der Kläger hierdurch ohnehin bereits eine Gehaltseinbuße erlitten und einen Teil zur weiteren Finanzierung der Gesellschaft beigetragen hat (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 87 Rn. 27; Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 94; Bürgers/Israel in Heidelberger Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2014, § 87 Rn. 14; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 689).

(4) Daneben sprechen nach Auffassung des Senats auch systematische Gründe gegen eine Anwendung des § 87 Abs. 2 AktG nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedenfalls soweit der Insolvenzverwalter von der in § 113 InsO eingeräumten Möglichkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages des Vorstandsmitglieds Gebrauch macht. Denn die Insolvenzordnung enthält bereits ein abgestuftes System, um einen Interessenausgleich zwischen den Organmitgliedern und den übrigen Gesellschaftsgläubigern herbeizuführen, indem § 113 InsO es dem Insolvenzverwalter gestattet, den bestehenden Anstellungsvertrag mit einer Frist von maximal drei Monaten ordentlich zu kündigen. Dem verbleibenden Verfrühungsschaden, der nach § 87 Abs. 3 AktG ohnehin auf zwei Jahre begrenzt ist, kommt dabei ebenso wie rückständigen Gehaltsansprüchen lediglich der Rang einer einfachen Insolvenzforderung zu. Somit wird die Insolvenzmasse allein mit den Gehaltsansprüchen aus der Zeit zwischen Insolvenzeröffnung und Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung, mithin mit maximal drei Monatsgehältern, als Masseforderungen belastet. Weitergehende Begrenzungen der Vorstandsvergütung werden von der Insolvenzordnung dagegen nicht für notwendig erachtet. Es erscheint daher nicht interessengerecht, eine darüber hinausgehende umfassende Gehaltskürzung nunmehr über den Umweg des § 87 Abs. 2 AktG zuzulassen (vgl. Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 185; Göcke/Greubel ZIP 2009, 2086, 2087). Zudem bliebe bei einem derartigen Verständnis der Vorschrift ungeklärt, weshalb im Falle der Insolvenz allein der (ausgeschiedene) Vorstand einer Aktiengesellschaft und nicht zugleich der Geschäftsführer einer insolventen GmbH ein derartiges Sonderopfer erbringen müsste, weil die Vorschrift des § 87 Abs. 2 AktG als Sonderrecht der Aktiengesellschaft nicht analog auf andere Körperschaften angewendet werden kann (vgl. BT-Drs. 16/13433 S. 10; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 219; Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, 315 Rn. 86; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 11 Rn. 127; Annuß/Theusinger BB 2009, 2434, 2438; aA OLG Köln, Beschluss vom 06.11.2007 - 18 U 131/07, zitiert nach BeckOnline).

cc. Neben dem Ermessensausfall des Aufsichtsrates ist der Beschluss vom 15.03.2012 gegenüber dem Kläger auch deswegen unwirksam, weil der Beschluss nicht ausreichend bestimmt ist, da er weder den betroffenen Personenkreis noch die Höhe der herabgesetzten Vorstandsbezüge erkennen lässt (vgl. Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 102; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 296; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 133 Rn. 39).

Der Berufung ist beizupflichten, dass der Beschluss bereits nicht hinreichend deutlich macht, ob er sich allein auf die noch amtierenden Vorstandsmitglieder oder auch auf den Kläger als ausgeschiedenen und freigestellten Vorstand bezieht. Die verwendete Formulierung „alle Vorstandsmitglieder“ lässt ihrem Wortlaut nach beide Deutungen zu. Während das Wort „alle“ für eine Einbeziehung auch ausgeschiedener Vorstände spricht, deutet die Verwendung des Wortes „Vorstandsmitglieder“ eher auf die amtierenden Vorstände hin, da nur diese zum Zeitpunkt des Beschlusses Mitglieder des Vorstandes waren. Dementsprechend liegt es nahe, dass auch der neu konstituierte Aufsichtsrat der Schuldnerin in seiner Sitzung vom 10.04.2012 davon ausging, dass der Beschluss vom 15.03.2012 nur die Vorstandsmitglieder B. und G. betreffe. So enthält das Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates vom 10.04.2012 neben der Feststellung, dass der Aufsichtsrat den ursprünglichen Beschluss für unklar halte, weiter unter TOP 2 lediglich den Passus, dass der Vorsitzende im Vorfeld der Beschlussfassung über die vertraglich vereinbarte Höhe der Vorstandsgehälter B. und G. informiert habe, das heißt über die damals noch amtierenden Vorstandsmitglieder und nicht den Kläger. Diese Unklarheiten lassen sich auch nicht durch Auslegung beseitigen. Jedenfalls hätte das Landgericht insoweit nicht das Beweisangebot des Klägers zur der Behauptung, die beteiligten Aufsichtsräte hätten sämtlich die Vorstellung besessen, der Beschluss beziehe sich ausschließlich auf den amtierenden Vorstand, übergehen und stattdessen auf den mutmaßlichen Willen der Aufsichtsräte - der im Zweifel auf einen wirksamen Beschluss gerichtet sei - abstellen dürfen. Denn soweit der wirkliche Wille der Beteiligten unzweifelhaft feststeht, ist für eine Auslegung der abgegebenen Erklärungen anhand des mutmaßlichen Parteiwillens kein Raum (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 8).

Bezüglich der konkreten Absenkung der Vorstandsbezüge kann dem Beschluss vom 15.03.2012 ebenfalls kein eindeutiger Sinngehalt entnommen werden. Denn angesichts der zahlreichen in dem Vorstandsvertrag vom 14.04.2011 enthaltenen Gehaltskomponenten, die neben dem Bruttogrundgehalt einen variablen Vergütungsanteil nebst Aktienoption, Zuschüsse zur Altersvorsorge und Kranken- bzw. Pflegeversicherung, den Abschluss von Versicherungsschutz sowie die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens umfassten, ist nicht erkennbar, ob die Neufestsetzung der Vorstandsbezüge auf 2.500,00 € lediglich das Grundgehalt erfassen oder zugleich sämtliche Gehaltskomponenten abdecken sollte.

c. Der Senat vermag auch keine eigene Entscheidung über die angemessene Reduzierung der Vorstandsbezüge zu treffen, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob die Regelung des § 87 Abs. 2 AktG ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB beinhaltet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2003 - 15 U 225/02 = NZG 2004, 141; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 20; Würdinger in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 51; Diller NZG 2009, 1006, 1007) oder die Vorschrift wertungsmäßig eher als typisierter Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzusehen ist (Mertens/Cahn in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2010, § 87 Rn. 94; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 60; Rieble in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 315 Rn. 218; Dauner-Lieb/Friedrich NZG 2010, 688, 691; Weller NZG 2010, 7, 8).

Denn eine Bestimmung der angemessenen Höhe der Vorstandsbezüge im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG durch den Senat würde eine nachprüfbare Ermessensentscheidung des Aufsichtsrates voraussetzen, an der es aus den dargelegten Gründen fehlt. Unter diesen Umständen müsste der Senat aber nicht nur eine bereits bestehende Abwägungsentscheidung überprüfen und gegebenenfalls auf das angemessene Niveau korrigieren, sondern eine eigene Erstentscheidung vornehmen, was der eindeutigen Zuweisung dieser Aufgabe an den Aufsichtsrat in § 87 Abs. 2 AktG widerspricht.

Im Übrigen fehlt es in Anbetracht des Beklagtenvorbingens auch an hinreichenden Anknüpfungstatsachen, um eine eigene Herabsetzungsentscheidung im Sinne des § 87 Abs. 2 AktG treffen zu können. Wie bereits ausgeführt, kann die angemessene Vergütung nämlich im Regelfall nur anhand einer wertenden Vergleichsbetrachtung im Sinne des § 87 Abs. 1 AktG vorgenommen werden. Dies setzt jedoch nähere Informationen zur Finanzkraft des Unternehmens, dem Lohnniveau und den Lohnsummen sowie der Mitarbeiterzahl und dem Gehaltsgefüge zwischen den einzelnen Hierarchieebenen voraus, ebenso wie Informationen zu den Vorstandsgehältern vergleichbarer Unternehmen. Derartige Umstände, die allein eine eigene Bewertung der Angemessenheit einer Reduzierung der Vorstandsbezüge des Klägers durch den Senat zuließen, hat die Beklagte indes nicht vorgetragen.

2. Mithin berechnen sich die Vergütungsansprüche des Klägers auch nach Insolvenzeröffnung aus dem unveränderten Anstellungsvertrag vom 14.04.2011, so dass ihm weiterhin das ungekürzte Bruttomonatsgehalt in Höhe von 15.666,67 € nebst Dienstwagen und Aufwendungsersatzanspruch zustand.

a. Bei den Gehaltsansprüchen ab Insolvenzeröffnung für die Monate April bis Juni 2012 handelt es sich nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO um Masseverbindlichkeiten, so dass der Kläger unmittelbar Zahlung von insgesamt 52.860,31 € vom Beklagten verlangen kann (vgl. Hefermehl in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2013, § 55 Rn. 171; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 87 Rn. 23). Der durch den Kläger vorgelegten Gehaltsberechnung (vgl. Bl. 9 d. A.) ist der Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten. Soweit der Beklagte in der Berufungsinstanz die für den Monat April 2012 bis zur Rückgabe des Fahrzeugs am 23.04.2012 geltend gemachten Aufwendungen für den Dienstwagen inhaltlich bestritten hat, hat der Kläger diese - ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieses nachträglichen Bestreitens in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 ZPO - durch Vorlage von Quittungskopien hinreichend nachgewiesen (vgl. Anlage K 23, Bl. 261 ff. d. A.). Nach dem Kraftfahrzeugnutzungsvertrag stand dem Kläger zudem ein Entschädigungsanspruch für den vorenthaltenen Dienstwagen zu, dessen Höhe der Beklagte nicht im Einzelnen bestritten hat.

Durch Vorlage des Arbeitslosengeldbescheides hat der Kläger nachgewiesen, dass er erst ab dem 01.07.2012 Lohnersatzleistungen bezogen hat. Indes ist der Anstellungsvertrag des Klägers aufgrund der ordentlichen Kündigung des Beklagten erst zum 30.06.2012 beendet worden (vgl. Anlage K 9, Bl. 36 d. A.). Entsprechend war der Kläger durch den Beklagten im Schreiben vom 10.04.2012 unter Anrechnung noch bestehender Urlaubsansprüche erneut freigestellt worden. Unter diesen Umständen standen dem Kläger vor dem 01.07.2012 ohnehin keine Lohnersatzansprüche zu, weil er sich bis 30.06.2012 in einem Dienstverhältnis befand.

Da nach § 3 Abs. 1 des Vorstandsvertrages die Vergütungsansprüche jeweils zum Ende des Monats fällig wurden, kann der Beklagte ab 02.05.2012, 01.06.2012 und 02.07.2012 nach den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in geltend gemachter Höhe verlangen. Aus den genannten Gründen kam dem Beklagten hinsichtlich der Bezüge für die Monate April bis Juni 2012 auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Insoweit musste sich der Beklagte mit der Auskunft des Klägers begnügen, keine anderweitigen Einkünfte erzielt zu haben (vgl. Richardi/Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 615 Rn. 179).

b. Überdies kann der Kläger infolge der ordentlichen Kündigung des Vorstandsvertrages zum 30.06.2012 gemäß § 113 InsO die ausstehenden Gehaltsansprüche vom 01.07.2012 bis zum vereinbarten Vertragsende am 31.12.2012 in Höhe von insgesamt 93.388,08 € als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden. Dem Ansatz eines monatlichen Schadens von 17.604,68 € ist der Beklagte im Einzelnen nicht entgegengetreten. Unter Abzug des monatlich bezogenen Arbeitslosengelds in Höhe von 2.040,00 € verbleiben damit pro Monat 15.564,68 €, insgesamt also 93.388,08 €.

c. Schließlich kann der Kläger als weiteren Verzugsschaden Ersatz der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.641,96 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangen. Zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Korrespondenz befand sich der Beklagte zuletzt mit Gehaltsansprüchen in Höhe von 52.860,31 € in Verzug, so dass dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren jedenfalls in der beantragten Höhe entstanden sind. Zudem steht die spätere anteilige Verrechnung des Gebührenanspruchs mit den gerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der vollständigen Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07 = NJW 2008, 1323). Da diese Kosten für die Verfolgung einer Masseforderung angefallen sind, handelt es sich bei dem entsprechenden Verzugsschaden ebenfalls um eine Masseverbindlichkeit.

Die Klageschrift ist dem Beklagten am 27.07.2012 zugestellt worden, so dass der Kläger ab 28.07.2012 Prozesszinsen nach § 291 BGB verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1990 - VII ZR 296/88 = NJW-RR 1990, 518).

3. Aufgrund der Unwirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 15.03.2012 hat der Kläger auch einen Anspruch auf die diesbezüglich begehrte Feststellung der Unwirksamkeit. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages ergibt sich - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - daraus, dass der Kläger aufgrund der weiteren Streitigkeiten zwischen den Parteien, insbesondere über die Rechtmäßigkeit der Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung, ein rechtliches Interesse an der durch die Zahlungsanträge nicht in Rechtskraft erwachsenden Feststellung der Unwirksamkeit vorweisen kann.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist den §§ 708 Nr. 10, 709, 711  ZPO entnommen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die zu entscheidenden Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Zwar sind einzelne Fragen der Auslegung der Vorschrift des § 87 Abs. 2 AktG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtstreits beruht aber allein auf den Besonderheiten des konkreten Falles, so dass dem Verfahren keine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung zukommt.

Bei der Bestimmung des Streitwertes war für die Anträge auf Feststellung zur Insolvenztabelle gemäß § 182 InsO entsprechend der Einschätzung des Beklagten zur voraussichtlichen Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren ein Wert von 20 Prozent der festzustellenden Forderungen anzusetzen.

 

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