EuGH: Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen
EuGH, Urteil vom 22.6.2017 – C 49/16, Unibet International Ltd. gegen Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Hivatala
ECLI:EU:C:2017:491
Volltext: BB-ONLINE BBL2017-1537-1
unter www.betriebs-berater.de
Tenor
1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, entgegensteht, wenn sie Vorschriften enthält, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren, oder wenn sie Vorschriften vorsieht, die nicht diskriminierend sind, aber nicht transparent angewandt werden oder in einer Weise gehandhabt werden, die die Bewerbung bestimmter Bieter verhindert oder erschwert, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Unibet International Ltd. (im Folgenden: Unibet), einer maltesischen Gesellschaft, und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Hivatala (Zentrale nationale Steuer- und Zollverwaltung Ungarns, im Folgenden: ungarische Steuerbehörde) über Entscheidungen Letzterer, mit denen die zeitweilige Sperrung des Zugangs zu den unter den Domain-Namen hu.unibet.com und hul.unibet.com erreichbaren Websites von Unibet angeordnet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Ungarisches Recht
Rechtslage am 25. Juni 2014
– Gesetz über die Veranstaltung von Glücksspielen
3 § 1 des Szerencsejáték szervezéséről szóló 1991. évi XXXIV. törvény (Gesetz Nr. XXXIV von 1991 über die Veranstaltung von Glücksspielen) in der am 25. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: Glücksspielgesetz) bestimmte in seinen Abs. 3 bis 5:
„(3) Tätigkeiten der Veranstaltung von Glücksspielen im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. i des Koncesszióról szóló 1991. évi XVI. törvény (Gesetz Nr. XVI von 1991 über die Konzession; im Folgenden: Konzessionsgesetz) sind
…
e) die Veranstaltung von Online-Glücksspielen,
…
(4) Tätigkeiten der Veranstaltung von Glücksspielen, bei denen die Teilnahme von ungarischem Hoheitsgebiet aus durch Telekommunikationsmittel und ‑systeme möglich ist, dürfen nur nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes ausgeübt werden.
(5) Für die Veröffentlichung von Angeboten zur Teilnahme an einem über Telekommunikationsmittel und ‑systeme veranstalteten Glücksspiel ist eine Erlaubnis der staatlichen Steuerbehörde erforderlich. Finanzinstitute und Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen dürfen weder an der Veröffentlichung oder Annahme von Angeboten zur Teilnahme an einem unerlaubten Glücksspiel mitwirken noch technische Unterstützung dafür leisten.“
4 § 2 Abs. 2a und 3 dieses Gesetzes sah vor:
„(2a) Die Erbringung von Online-Glücksspieldienstleistungen bedarf der Erlaubnis durch die staatliche Steuerbehörde. Online-Glücksspieldienstleistungen fallen in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, wenn
a) das Online-Glücksspiel im ungarischen Hoheitsgebiet veranstaltet wird oder
b) der Empfänger der Dienstleistung im ungarischen Hoheitsgebiet am Online-Glücksspiel teilnimmt oder
c) die Dienstleistung an Empfänger im ungarischen Hoheitsgebiet gerichtet ist, insbesondere, wenn die Dienstleistung auf Ungarisch zugänglich ist oder im ungarischen Hoheitsgebiet beworben wird.
(3) Die staatliche Steuerbehörde erteilt die Erlaubnis demjenigen, der die notwendigen persönlichen, sachlichen und wirtschaftlichen Anforderungen an eine sichere und sachgemäße Durchführung des Glücksspiels erfüllt.“
5 In § 3 des Gesetzes hieß es:
„(1) Die Veranstaltung von nicht liberalisierten Glücksspielen
a) kann von einer zu 100 % im Eigentum des ungarischen Staates stehenden und zur regelmäßigen Veranstaltung von Glücksspielen gegründeten Handelsgesellschaft (im Folgenden: staatlicher Spielveranstalter), von einer im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehenden Handelsgesellschaft oder von einem Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, durchgeführt werden;
b) der Staat kann das Recht zur Ausübung dieser Tätigkeit durch Konzessionsvertrag zeitweilig auf eine andere Person übertragen.
…“
6 § 4 des Glücksspielgesetzes bestimmte in seinen Abs. 1 und 6:
„(1) Der Abschluss eines Konzessionsvertrags erfolgt aufgrund öffentlicher Ausschreibung durch den Minister nach § 5 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes.
…
(6) Gemäß § 10/C Abs. 2 des Konzessionsgesetzes kann der Minister mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter im Sinne des vorliegenden Gesetzes einen Konzessionsvertrag auch ohne öffentliche Ausschreibung abschließen.“
7 § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes sah vor:
„Bei einer öffentlichen Ausschreibung gemäß § 5 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes kann der Minister den Konzessionsvertrag mit dem Zuschlagsempfänger abschließen.“
8 § 29/D des Gesetzes lautete:
„Die im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehende Handelsgesellschaft bzw. der Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a sowie die Konzessionsgesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. b müssen über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 200 000 000 ungarischen Forint [(HUF) (etwa 620 000 Euro)] verfügen.“
9 § 36 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes bestimmte:
„Die staatliche Steuerbehörde übt die behördliche Aufsicht über die Veranstaltung von Glücksspielen aus. Hierzu überprüft sie regelmäßig, ob die Tätigkeit unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, der Erlaubnisse und des Spielplans erfolgt.“
10 § 36/G Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes sah vor:
„(1) Die staatliche Steuerbehörde ordnet eine zeitweilige Zugriffssperre für über elektronische Kommunikationsnetze veröffentlichte Daten (im Folgenden im Sinne dieses Untertitels: elektronische Daten) an, deren Zugänglichmachung oder Veröffentlichung eine verbotene Veranstaltung von Glücksspielen darstellt.
(2) Die zeitweilige Zugriffssperre hindert zeitweilig am Zugang zu den elektronischen Daten. Die staatliche Steuerbehörde ordnet die zeitweilige Zugriffssperre für elektronische Daten für 90 Tage an.
…“
11 § 37 Nr. 30 des Gesetzes lautete:
„Zuverlässiger Glücksspielveranstalter ist ein Glücksspielveranstalter, der als transparente Organisation im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Nemzeti vagyonról szóló 2011. évi CXCVI. törvény (Gesetz Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen) gilt und
a) seinen Erklärungs- und Zahlungspflichten hinsichtlich sämtlicher bei der staatlichen Steuerbehörde registrierter öffentlicher Abgaben von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] nachgekommen und mit der Erfüllung solcher Pflichten nie mehr als 90 Tage in Rückstand geraten ist,
b) über dessen Bankkonten die Steuerbehörde niemals die Beschlagnahme in Höhe eines Betrags von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] angeordnet hat und gegen den im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit nie ein Vollstreckungsverfahren über einen Betrag von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] eingeleitet wurde,
c) bei seiner Tätigkeit bzw. im Zusammenhang damit keine Rechtsverletzung begangen hat, die im Einzelfall mit einem Bußgeld von mehr als 5 000 000 [HUF (etwa 15 500 Euro)] bewehrt ist,
d) mindestens zehn Jahre in Ungarn Glücksspiele veranstaltet hat,
e) alle Regeln bezüglich der Feststellung der Identität der Spieler und der damit verbundenen Datenverwaltung beachtet hat, sofern er dazu verpflichtet war.“
– Konzessionsgesetz
12 § 4 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes bestimmte:
„Der Staat bzw. die Kommunalverwaltung dürfen – mit Ausnahme einer Vertragsverlängerung gemäß § 12 Abs. 3 des Gesetzes Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen sowie eines Vertragsabschlusses gemäß § 10/C des vorliegenden Gesetzes – Konzessionsverträge nur im Rahmen einer Ausschreibung schließen. Die Ausschreibung ist öffentlich, sofern nicht Interessen der Landesverteidigung oder der nationalen Sicherheit eine geschlossene Ausschreibung erforderlich machen.
…“
13 § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes sah vor:
„Der zuständige Fachminister ist berechtigt, im Einvernehmen mit dem für die Aufsicht über das staatliche Vermögen verantwortlichen Minister den Konzessionsvertrag im Namen des Staates auszuschreiben, zu vergeben und zu schließen.
…“
14 § 10/C Abs. 1 bis 6 des Gesetzes lautete:
„(1) Ein Konzessionsvertrag kann auch nach Maßgabe dieses Paragrafen mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter im Sinne des sektorspezifischen Gesetzes geschlossen werden.
(2) Der Fachminister kann von der öffentlichen Ausschreibung einer Konzession Abstand nehmen, wenn der Konzessionsvertrag auch mit einem zuverlässigen Glücksspielveranstalter geschlossen werden kann.
(3) Um die Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen ausüben zu können, unterbreitet der zuverlässige Glücksspielveranstalter ein Angebot. Darin gibt er die Standorte der von ihm geplanten Einheiten im Sinne des [Glücksspielgesetzes] an und verpflichtet sich, für jede von ihnen eine jährliche Konzessionsabgabe abzuführen, die mindestens dem Zweifachen der im jeweils geltenden Haushaltsgesetz festgelegten Konzessionsabgabe entspricht.
(4) Der Fachminister entscheidet über die Annahme des Angebots innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des schriftlichen Angebots des zuverlässigen Glücksspielveranstalters. Im Fall der Annahme des Angebots schließt er innerhalb von 30 Tagen einen Konzessionsvertrag mit dem Bieter.
(5) Der Konzessionsinhaber darf aufgrund eines nach diesem Paragrafen geschlossenen Konzessionsvertrags höchstens fünf Einheiten betreiben.
(6) Im Übrigen gelten für den Konzessionsvertrag und den Konzessionsinhaber die Bestimmungen dieses Gesetzes und des [Glücksspielgesetzes].
…“
15 § 11 Abs. 1 des Konzessionsgesetzes bestimmte:
„Erfolgt der Abschluss des Konzessionsvertrags nicht gemäß § 10/C, darf die im Namen des Staates bzw. der Kommunalverwaltung handelnde Person oder Einrichtung nur mit dem Bieter einen Vertrag schließen, dem der Zuschlag erteilt worden ist. Den Zuschlag erhält, wer gegenüber dem Staat bzw. der Kommunalverwaltung das insgesamt günstigste der Ausschreibung entsprechende Angebot abgegeben hat.
…“
16 In § 21 Abs. 1 dieses Gesetzes hieß es:
„Ist für die Ausübung einer konzessionspflichtigen Tätigkeit aufgrund einer besonderen Rechtsnorm eine behördliche Erlaubnis erforderlich, kann die Konzessionsgesellschaft ihrer Tätigkeit nur nachgehen, wenn sie eine solche Erlaubnis besitzt.
…“
– Rechtslage am 29. August 2014
Geänderte Fassung des Glücksspielgesetzes
17 § 3 des Glücksspielgesetzes in der am 29. August 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: geändertes Glücksspielgesetz) sah in seinem Abs. 3 vor:
„Zur Veranstaltung von Zahlenlotterien und von Wetten – mit Ausnahme von Pferdewetten, Online-Glücksspielen und Buchmacherwetten – ist ausschließlich der staatliche Spielveranstalter berechtigt.“
18 § 29/D Abs. 1 und 2 des geänderten Gesetzes lautete:
„(1) Die im ausschließlichen Eigentum des staatlichen Spielveranstalters stehende Handelsgesellschaft bzw. der Wirtschaftsteilnehmer, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a, die Konzessionsgesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. b sowie der zuverlässige Glücksspielveranstalter müssen über ein gezeichnetes Kapital von wenigstens 50 000 000 [HUF (etwa 155 000 Euro)] verfügen.
(2) Die in Abs. 1 angesprochene Konzessionsgesellschaft kann – unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 1 des [Konzessionsgesetzes in der am 29. August 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: geändertes Konzessionsgesetz)] – auch als im Ausland niedergelassene Handelsgesellschaft tätig sein.
…“
19 § 37 Nr. 31 des geänderten Glücksspielgesetzes bestimmte:
„Für die Zwecke der Veranstaltung von Online-Glücksspielen ist zuverlässiger Glücksspielveranstalter der Glücksspielveranstalter, der als transparente Organisation im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes Nr. CXCVI von 2011 über das Nationalvermögen gilt und
a) seinen Erklärungs- und Zahlungspflichten hinsichtlich sämtlicher bei der staatlichen Steuerbehörde oder der Steuerbehörde des Staates, in dem er niedergelassen ist oder der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, registrierter öffentlicher Abgaben von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] nachgekommen und mit der Erfüllung solcher Pflichten nie mehr als 90 Tage in Rückstand geraten ist,
b) über dessen Bankkonten die Steuerbehörde des Staates, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, niemals die Beschlagnahme in Höhe eines Betrags von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] angeordnet hat und gegen den im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, nie ein Vollstreckungsverfahren über einen Betrag von mehr als 500 000 [HUF (etwa 1 550 Euro)] eingeleitet wurde,
c) bei seiner Tätigkeit bzw. im Zusammenhang damit in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, keine Rechtsverletzung begangen hat, die im Einzelfall mit einem Bußgeld von mehr als 5 000 000 [HUF (etwa 15 500 Euro)] bewehrt ist,
d) mindestens drei Jahre in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, Glücksspiele veranstaltet hat,
e) alle Regeln bezüglich der Feststellung der Identität der Spieler und der damit verbundenen Datenverwaltung in dem Staat, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, beachtet hat, sofern er dazu verpflichtet war.
Besitzt oder besaß der Glücksspielveranstalter in mehreren Staaten eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen, muss die Erfüllung der in den Buchst. a bis e geregelten Voraussetzungen nur für einen Staat und nur im Hinblick auf diesen Staat nachgewiesen werden.“
– Geänderte Fassung des Konzessionsgesetzes
20 § 10/C Abs. 3a des geänderten Konzessionsgesetzes sah vor:
„Auf die Abgabe von Angeboten betreffend die Veranstaltung von Online-Glücksspielen ist Abs. 3 mit folgenden Maßgaben anzuwenden:
a) Zur Abgabe eines Angebots sind ausschließlich zuverlässige Veranstalter im Sinne von § 37 Nr. 31 des [geänderten Glücksspielgesetzes] berechtigt;
b) in dem Angebot ist für jede Glücksspielart eine jährliche Konzessionsabgabe anzugeben, die in der Höhe mindestens der im Haushaltsgesetz für die Spielart festgelegten Referenzabgabe entspricht;
c) wer ein Angebot abgibt, ohne in Ungarn niedergelassen zu sein oder eine ungarische Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen zu besitzen, fügt dem Angebot eine Bescheinigung der Behörden des Staates seiner Niederlassung oder des Staates, der die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt hat, aus der hervorgeht, dass er die in § 37 Nr. 31 des [geänderten Glücksspielgesetzes] geregelten Voraussetzungen erfüllt, mit einer beglaubigten Übersetzung ins Ungarische bei.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
21 Unibet ist eine in Malta niedergelassene Gesellschaft, die u. a. Online-Glücksspiele veranstaltet. Hierfür besitzt sie von den Behörden mehrerer Mitgliedstaaten erteilte Erlaubnisse. Im Anschluss an im Sommer 2014 durchgeführte Prüfungen des Inhalts der von Unibet in ungarischer Sprache betriebenen und unter den Domain-Namen hu.unibet.com und hul.unibet.com aufrufbaren Websites stellte die ungarische Steuerbehörde fest, dass über diese Websites Inhalte zugänglich waren, die Glücksspiele im Sinne des ungarischen Glücksspielrechts darstellten, Unibet aber nicht über die in Ungarn erforderliche Erlaubnis verfügte.
22 Auf diesen Verstoß hin erließ die ungarische Steuerbehörde zwei Entscheidungen, mit denen sie zuerst die zeitweilige Sperrung des Zugangs zu den Websites von Unibet von Ungarn aus anordnete und dieser sodann eine Geldbuße auferlegte.
23 Unibet focht diese Entscheidungen beim Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) an und begründete dies damit, dass die ungarische Regelung, auf deren Grundlage die Entscheidungen ergangen seien, gegen Art. 56 AEUV verstoße. In Anbetracht der in dieser Regelung festgelegten Voraussetzungen könne sie in der Praxis keine Konzession erhalten, die aber eine Vorbedingung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen darstelle. Ihr sei der Abschluss eines Konzessionsvertrags sowohl nach dem einen als auch nach dem anderen Verfahren, das in der nationalen Regelung vorgesehen sei, unmöglich gemacht worden.
24 Zum einen sei keine öffentliche Ausschreibung zur Konzessionsvergabe durch den Wirtschaftsminister erfolgt, womit ihr dieses erste Verfahren nicht offengestanden habe. Was zum anderen das zweite Verfahren betreffe, bei dem ihr die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Konzessionsvertrags – der „zuverlässigen“ Wirtschaftsteilnehmern im Sinne des ungarischen Rechts vorbehalten sei – beim Minister hätte möglich sein müssen, so sei sie zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Entscheidung zur Angebotsabgabe nicht berechtigt gewesen, da sie die gesetzlichen Kriterien nicht erfüllt habe, um als „zuverlässiger“ Glücksspielveranstalter im Sinne des innerstaatlichen Rechts zu gelten. Außerdem habe sie, als die zweite Entscheidung ergangen sei, aufgrund des Zeitpunkts, an dem die Regelung zur Änderung der Definition des „zuverlässigen“ Glücksspielveranstalters in Kraft getreten sei, noch nicht genug Zeit gehabt, um ein detailliertes Angebot zu erstellen.
25 Nach Ansicht der ungarischen Steuerbehörde verstößt die ungarische Regelung nicht gegen Art. 56 AEUV. Dass keine öffentliche Ausschreibung zur Konzessionsvergabe erfolgt sei, bedeute nicht, dass die ungarische Regelung unionsrechtswidrig sei, denn hätte eine solche öffentliche Ausschreibung stattgefunden, hätte Unibet ein Angebot abgeben können. Außerdem habe es Unibet zu dem Zeitpunkt, an dem die zweite Entscheidung ergangen sei, freigestanden, ihre Eigenschaft als „zuverlässiger“ Glücksspielveranstalter im Sinne des innerstaatlichen Rechts nachzuweisen, woraufhin sie beim Minister ein Angebot zum Abschluss eines Konzessionsvertrags hätte abgeben können. Zur Ergänzung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich der Online-Spiele werde auch noch eine Ministerialverordnung erlassen.
26 Da die zu erlassende Verordnung in den Geltungsbereich der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) falle, könne sie aber erst nach ihrer Notifizierung an die Europäische Kommission in Kraft treten. Im Übrigen könne, selbst wenn die ungarische Regelung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar wäre, nicht angenommen werden, dass Online-Glücksspiele im ungarischen Hoheitsgebiet ohne jede Erlaubnis oder Einschränkung veranstaltet werden könnten.
27 Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob mit Art. 56 AEUV in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung dieser Vorschrift im Glücksspielbereich eine nationale Regelung wie die ungarische in Einklang stehen kann, die auf dem Glücksspielmarkt keine Monopolsituation errichtet und den Veranstaltern die theoretische Möglichkeit des Eintritts auf den ungarischen Online-Glücksspielmarkt gewährleistet, ihnen aber, so wie sie tatsächlich gehandhabt wird, in der Praxis weiterhin die Möglichkeit vorenthält, ihre Dienstleistungen anzubieten.
28 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts gab es für Glücksspielveranstalter zu der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeit zwei Möglichkeiten, einen Konzessionsvertrag für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen zu schließen. Von der ersten Möglichkeit, d. h. der öffentlichen Ausschreibung durch den Wirtschaftsminister, habe dieser während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums keinen Gebrauch gemacht. Was die zweite Möglichkeit angehe, nämlich die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Konzessionsvertrags, so sei dazu nur berechtigt gewesen, wer als „zuverlässiger Glücksspielveranstalter“ im Sinne der am 25. Juni 2014 in Kraft befindlichen Rechtsvorschriften gegolten habe. Danach seien aber zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Entscheidung über die Sperrung der Unibet-Websites Wirtschaftsteilnehmer, die keine zehnjährige Dienstleistungshistorie in Ungarn hätten nachweisen können, nicht unter den Begriff des zuverlässigen Glücksspielveranstalters gefallen. Daher sei Unibet vom Online-Glücksspielmarkt ausgeschlossen gewesen. Außerdem sei Unibet aufgrund der Kürze der Zeit zwischen dem 15. Juli 2014, dem Zeitpunkt, zu dem die Definition des zuverlässigen Veranstalters durch Gesetz so geändert worden sei, dass sie davon gegebenenfalls hätte erfasst werden können, und dem 29. August 2014, dem Zeitpunkt des Erlasses der zweiten Entscheidung über die Sperrung ihrer Websites, daran gehindert gewesen, ein detailliert abgefasstes Angebot abzugeben.
29 Das vorlegende Gericht möchte somit in Erfahrung bringen, ob es im Hinblick auf Art. 56 AEUV gerechtfertigt sein kann, dass Glücksspielveranstalter in Ermangelung detaillierter Vorschriften hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die Erteilung von Erlaubnissen zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen in der Praxis vom Erlaubniserteilungsverfahren ausgeschlossen sind, während nach der nationalen Regelung die Erteilung von Erlaubnissen theoretisch möglich ist. Außerdem möchte es Aufschluss darüber, ob bei einem solchen Fehlen detaillierter technischer Vorschriften gleichwohl Verwaltungssanktionen gerechtfertigt sein können, die die zuständigen Behörden gegen Glücksspielveranstalter verhängen, welche die für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen erforderlichen Erlaubnisse in der Praxis nicht erhalten konnten.
30 Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme in einem Kontext entgegensteht, in dem die Vorschriften eines Mitgliedstaats, wenn er die Vergabe einer Konzession ausschreibt oder ein Angebot zur Erlangung der Konzession annimmt, garantieren, dass ein Veranstalter, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt – einschließlich eines Veranstalters, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist –, theoretisch die Möglichkeit hat, die Konzession für die Erbringung von nicht liberalisierten Online-Glücksspieldienstleistungen entweder über eine öffentliche Ausschreibung oder durch die Abgabe eines Angebots zu erhalten, der in Rede stehende Mitgliedstaat aber in Wirklichkeit keine Ausschreibung zur Konzessionsvergabe vornimmt und der Dienstleistungserbringer in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, ein Angebot abzugeben, und die Behörden des Mitgliedstaats dessen ungeachtet feststellen, dass der Dienstleistungserbringer gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat, da er die Dienstleistung ohne eine konzessionsbasierte Erlaubnis erbracht hat, und gegen ihn die in den Rechtsvorschriften vorgesehene Verwaltungssanktion verhängen (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße bei wiederholtem Verstoß)?
2. Ist es mit Art. 56 AEUV vereinbar, dass ein Mitgliedstaat aus Sicht seines nationalen Rechts höherrangige Vorschriften einführt, die Online-Glücksspielveranstaltern die theoretische Möglichkeit bieten, grenzüberschreitend Online-Glücksspieldienstleistungen anzubieten, diese Veranstalter aber aufgrund des Fehlens nachrangiger innerstaatlicher Durchführungsbestimmungen die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Erlaubnisse von den Behörden tatsächlich nicht erhalten können?
3. Soweit das Gericht, das den Ausgangsrechtsstreit entscheidet, in Anbetracht der Antworten auf die vorstehenden Fragen feststellen sollte, dass die Maßnahme des Mitgliedstaats gegen Art. 56 AEUV verstößt: Handelt dieses Gericht unionsrechtskonform, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass sowohl die Feststellung des Verstoßes gegen Rechtsvorschriften wegen Erbringung der Dienstleistung ohne Erlaubnis in den Entscheidungen der Behörden des Mitgliedstaats als auch die wegen dieses Verstoßes verhängte Verwaltungssanktion (zeitweilige Zugangssperre und Geldbuße) mit Art. 56 AEUV unvereinbar sind?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
31 Mit seinen ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, nach dem Wirtschaftsteilnehmer einen Konzessionsvertrag schließen und auf dessen Grundlage eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspielen erhalten können, indem sie entweder an einer Ausschreibung des Wirtschaftsministers zur Konzessionsvergabe teilnehmen oder beim Minister ein Angebot zum Abschluss eines Konzessionsvertrags abgeben, wobei die letztgenannte Möglichkeit „zuverlässigen“ Glücksspielveranstaltern im Sinne des nationalen Rechts offensteht.
32 Art. 56 AEUV verlangt die Abschaffung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften, die die Veranstaltung von Glücksspielen ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbieten, eine Beschränkung des in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Somit ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 56 AEUV darstellt.
35 Zu prüfen ist, ob diese Beschränkung gleichwohl gerechtfertigt sein kann.
36 Zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen innerstaatlicher Maßnahmen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt wird, hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass sich die Ziele, die mit den im Spiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der betreffenden Dienstleistungen und allgemeiner der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Er hat auch hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können.
37 Ferner ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten, die die Veranstaltung von Glücksspielen betreffen, vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media Group, C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen, dass sich Ungarn allgemein auf Verbraucherschutzziele sowie Gefahren für die öffentliche Ordnung und Gesundheit beruft, um die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen zu rechtfertigen.
39 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Ziele zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels geeignet sein können. In seiner Rechtsprechung hat er nämlich eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt wie die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 46).
40 Aus einer ständigen Rechtsprechung folgt jedoch, dass von den Mitgliedstaaten auferlegte Beschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen müssen und dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn die eingesetzten Mittel kohärent und systematisch sind (Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, EU:C:2007:133, Rn. 48 und 53, sowie vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C‑72/10 und C‑77/10, EU:C:2012:80, Rn. 63).
41 Damit eine solche Regelung gerechtfertigt sein kann, obwohl sie von einer Grundfreiheit abweicht, muss daher nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, so dass dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 2016, Ince, C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Außerdem müssen die öffentlichen Stellen, die die Konzessionen vergeben, das Transparenzgebot beachten. Auch wenn dieses Transparenzgebot, das gilt, wenn die betreffende Dienstleistungskonzession für ein Unternehmen von Interesse sein kann, das in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem diese Konzession erteilt wird, nicht unbedingt eine Ausschreibung vorschreibt, verpflichtet es so doch die konzessionserteilende Stelle, zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Dienstleistungskonzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2010, Engelmann, C‑64/08, EU:C:2010:506, Rn. 49 und 50).
43 Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (Urteil vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a., C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Was nun als Erstes eine nationale Regelung wie die am 25. Juni 2014 geltende betrifft, ist festzustellen, dass in einer Vorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der zuverlässige Glücksspielveranstalter während eines Zeitraums von mindestens zehn Jahren Glücksspiele im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats veranstaltet haben müssten, insoweit eine Ungleichbehandlung liegt, als sie die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Glücksspielveranstalter gegenüber den betroffenen inländischen Veranstaltern benachteiligt, die diese Voraussetzung leichter erfüllen können.
45 Eine solche unterschiedliche Behandlung kann nicht schlicht mit der Berufung auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt werden. In Ermangelung eines Grundes, weshalb es zur Erreichung der geltend gemachten Ziele erforderlich wäre, eine Tätigkeit der Veranstaltung von Glücksspielen im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats anstatt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgeübt zu haben, und zwar während eines Zeitraums von mindestens zehn Jahren, ist in einer solchen Vorschrift eine Diskriminierung und ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV zu sehen.
46 Was als Zweites eine nationale Regelung wie die am 29. August 2014 geltende anbelangt, so begründet die Verpflichtung, während eines Zeitraums von drei Jahren in einem Mitgliedstaat Glücksspiele veranstaltet zu haben, keinen Vorteil zugunsten der im Empfangsmitgliedstaat niedergelassenen Veranstalter und könnte durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt sein. Die Anwendung der fraglichen Vorschriften muss jedoch gegenüber allen Bietern transparent sein. So ist daran zu erinnern, dass das Transparenzgebot, das mit dem Gleichheitssatz einhergeht, im Wesentlichen gewährleisten soll, dass alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung über die Teilnahme an Ausschreibungen auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen treffen können und die Gefahr von Günstlingswirtschaft und Willkür seitens der Vergabestelle ausgeschlossen ist. Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert sind, so dass zum einen alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen dem Ermessen der konzessionserteilenden Stelle Grenzen gesetzt werden und diese tatsächlich überprüfen kann, ob die Gebote der Bieter die für das betreffende Verfahren geltenden Kriterien erfüllen (Urteil vom 4. Februar 2016, Ince, C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 87).
47 Dieses Erfordernis wird von einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht erfüllt, bei der nicht hinreichend genau bestimmt war, welche Bedingungen danach für die Ausübung der Befugnisse des Wirtschaftsministers anlässlich eines solchen Verfahrens galten und welche technischen Voraussetzungen von den Glücksspielveranstaltern bei Abgabe ihres Angebots zu erfüllen waren.
48 Demnach ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, mit der ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen errichtet wird, entgegensteht, wenn sie Vorschriften enthält, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren, oder wenn sie Vorschriften vorsieht, die nicht diskriminierend sind, aber nicht transparent angewandt werden oder in einer Weise gehandhabt werden, die die Bewerbung bestimmter Bieter verhindert oder erschwert, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
Zur dritten Frage
49 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
50 Insoweit genügt der Hinweis, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine beschränkende Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist (Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a., C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er Sanktionen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die wegen Verstoßes gegen nationale Rechtsvorschriften, mit denen ein System von Konzessionen und Erlaubnissen für die Veranstaltung von Glücksspielen errichtet wird, verhängt werden, falls sich herausstellt, dass solche nationalen Rechtsvorschriften gegen diesen Artikel verstoßen.
Kosten
52 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.