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Wirtschaftsrecht
26.07.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Stuttgart: Verwertung eines an eine Bank sicherungsübereignetes Kfz durch Insolvenzverwalter

OLG Stuttgart, Urteil vom 26.06.2012 - 6 U 45/12


Leitsatz


Der Insolvenzverwalter, der ein an eine Bank sicherungsübereignetes Fahrzeug nach § 166 Abs. 1 InsO verwerten will, kann zu diesem Zweck von dieser die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen.




Aus den §§ 166 ff. InsO, 241 Abs. 2 BGB ergibt sich insoweit eine Pflicht des absonderungsberechtigten Gläubigers, an der Verwertung durch den Insolvenzverwalter mitzuwirken, wenn diese ansonsten erschwert wäre.


Sachverhalt


A. I. Der Kläger begehrt die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II eines an die Beklagte sicherungsübereigneten Fahrzeugs.


Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des A.... W.... (im Folgenden: Insolvenzschuldner), über das mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 01.10.2011 (K 1) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.


Der Insolvenzschuldner schloss mit der Beklagten im Jahre 2009 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Pkw M.... .... ..... Das Fahrzeug wurde der Beklagten sicherungsübereignet. Hierzu wurde ihr die Zulassungsbescheinigung Teil II übergeben.


Mit Schreiben vom 31.10.2011 zeigte der Kläger der Beklagten seine Verwertungsabsicht hinsichtlich des Fahrzeugs an und bat sie um Übersendung des „Kraftfahrzeugsbriefs" (K 4). Die Beklagte, die den Darlehensvertrag mit dem Insolvenzschuldner bereits mit Schreiben vom 16.08.2011 (B 8) gekündigt hatte, meldete mit Schreiben vom 02.11.2011 ihre Forderung aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 21.428,46 € an und sagte die Übersendung der Zulassungsbescheinigung Teil II nach Zahlungseingang zu (K 5). Eine nochmalige Aufforderung des Klägers zur Herausgabe der Bescheinigung mit Schreiben vom 14.11.2011 (K 6) blieb erfolglos.


II. Der Kläger hat die Auffassung vertreten,


der geltend gemachte Herausgabeanspruch ergebe sich als Nebenpflicht aus der Sicherungsabrede der Beklagten mit dem Insolvenzschuldner und aus § 166 InsO sowie aus § 242 BGB.


Die Beklagte sei nicht berechtigt, die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II vom Eingang des Verwertungserlöses abhängig zu machen. Die Insolvenzordnung sehe erst die Verwertung, dann die Auskehrung des Erlöses vor. Eine Verwertung ohne Zulassungsbescheinigung sei nur erschwert und mit erheblichen Abschlägen beim Kaufpreis möglich, da ein Käufer gefunden werden müsse, der sich auf eine Kaufpreiszahlung in Vorleistung einlasse. Er sei nicht verpflichtet, sich auf eine Treuhandvereinbarung mit der Beklagten oder einem Käufer einzulassen.


Die Beklagte hat vorgetragen,


Grund für ihre Vorgehensweise sei, dass sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Sicherheitenverwertung durch Insolvenzverwalter gemacht habe, die es versäumt hätten, den Verwertungserlös unverzüglich abzurechnen und an sie auszukehren. Sie sei nicht vorleistungspflichtig. Ein Herausgabeanspruch des Klägers bestehe gegen sie als Sicherungseigentümerin nicht. Der Kläger bedürfe der Zulassungsbescheinigung Teil II zur Verwertung des Fahrzeugs nicht. Er könne schließlich mit dem Erwerber eine Vereinbarung treffen, wonach der Kaufpreis, soweit er ihr zustehe, ihr auf direktem Wege überwiesen werde, und sie im Gegenzug erkläre, die Zulassungsbescheinigung II dann sofort auszuhändigen. Der Verkaufsvorgang könne auch über ein Treuhandkonto abgewickelt werden. Ferner sei eine Vereinbarung des Klägers mit ihr denkbar, nach der sie ihm die Bescheinigung zu treuen Händen mit der Maßgabe aushändige, dass er hierüber erst verfügen dürfe, wenn sichergestellt sei, dass sie den ihr zustehenden Verwertungserlös kurz danach erhalte.


III. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II.


Insbesondere bestehe ein solcher Anspruch nicht aus §§ 241, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Sicherungsabrede zwischen dem Insolvenzschuldner und der Beklagten bzw. dem aus der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters resultierenden gesetzlichen Schuldverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB.


Eine fehlende Mitwirkung der Beklagten an ihrer Obliegenheit, die bestmöglicher Verwertung des Klägers zu unterstützen, habe keinen unmittelbaren Rechtsnachteil des Klägers zur Folge. Zwar verringere sich bei einem verminderten Verwertungserlös auch der Kostenbeitrag der Beklagten; dies sei jedoch wegen der verhältnismäßig geringen Höhe der Feststellungs- und Verwertungskosten bestenfalls eine mittelbare Folge. Entsprechendes gelte für den Umstand, dass die Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers die gesicherte Forderung und damit die Belastung der Insolvenzmasse verringere.


Überdies sei die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II für die Veräußerung des Fahrzeugs nicht erforderlich. Der Käufer erwerbe von dem Insolvenzverwalter als Berechtigten, ohne dass es hierfür eines Gutglaubensschutzes bedürfe. Hinzu komme, dass der Erwerber unmittelbar nach Vollendung des Eigentumserwerbs an dem Fahrzeug analog § 952 BGB Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II werde und dieses Recht gegenüber der Beklagten durchsetzen könne.


Schließlich bleibe es dem Kläger unbenommen, mit der Beklagten eine Treuhandvereinbarung des Inhalts zu schließen, dass die Beklagte die Zulassungsbescheinigung Teil II an den Kläger treuhänderisch aushändige und dieser erst dann über sie verfügen dürfe, wenn die Verwertung abgeschlossen bzw. die Beklagte befriedigt sei. Außerdem könne der Kläger das Fahrzeug ohne weiteres zunächst selbst erwerben und die Bescheinigung sodann Zug-um-Zug gegen Befriedigung der Beklagten erlangen.


Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens, der in erster Instanz gestellten Anträge und weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird ergänzend auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.


IV. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II weiter.


Die Ansicht des Landgerichts, ein bei der Verwertung ohne Zulassungsbescheinigung Teil II möglicherweise geringerer Verwertungserlös sei zu vernachlässigen, sei falsch. Der Insolvenzschuldner habe ein Interesse daran, seine Schuldenlast klein zu halten. Im Übrigen trage ein möglichst hoher Kostenbeitrag der Massegläubiger zur Masse bei. Es sei daher nicht zutreffend, dass nur die Beklagte von einem verringerten Veräußerungserlös betroffen sei.


Er habe bereits in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Veräußerung ohne Zulassungsbescheinigung Teil II zu Einbußen beim Verkaufserlös führe. Das Landgericht verkenne, dass der Erwerber in der Lage sein wolle und müsse, über das Fahrzeug zu verfügen, wofür dieser die Zulassungsbescheinigung Teil II benötige.


Die Beklagte habe keine berechtigten Interessen, die den Einbehalt der Zulassungsbescheinigung Teil II rechtfertigten. Ihren Interessen werde durch die Bestimmungen der Insolvenzordnung ausreichend Rechnung getragen.


Der Kläger beantragt,


unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, den Fahrzeugbrief des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ....-.... ...., Fahrgestellnummer: .... ...., an ihn herauszugeben.


Die Beklagte beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Sie ist der Ansicht, dass sich ein Anspruch des Klägers weder aus der Sicherungsabrede noch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis ergebe. Ein solches werde auch nicht durch die §§ 166 ff. InsO begründet. Diese Vorschriften statuierten nämlich keinerlei Mitwirkungspflichten der absonderungsberechtigten Gläubiger, die eine Verwertung des Insolvenzverwalters lediglich zu dulden hätten, ohne zu einem aktiven Tun verpflichtet zu sein. § 166 Abs. 1 InsO erlege dem Insolvenzverwalter keine Verwertungspflicht auf, sondern räume ihm lediglich ein Wahlrecht zur Verwertung schuldnerfremden Vermögens ein. Im Rahmen dieser Wahlmöglichkeit müsse sich der Kläger überlegen, ob es im Interesse der Gläubigergesamtheit besser sei, dem absonderungsberechtigten Gläubiger die Verwertung zu überlassen oder aber selbst zu verwerten. Wenn er der Meinung sei, ohne Zulassungsbescheinigung Teil II ließe sich das Fahrzeug nicht günstig verwerten, was bestritten bleibe, müsse er eben von einer eigenen Verwertung Abstand nehmen.


Ferner sei zu berücksichtigen, dass ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nur an denjenigen Gegenständen bestehe, die er in Besitz habe. Er könne nicht die Herausgabe von Gegenständen verlangen, die im Besitz Dritter seien, um diese zu verwerten.


Schließlich sei sie im Falle einer Masseunzulänglichkeit auch nicht hinreichend durch den Zinsanspruch nach § 169 InsO oder Ansprüche nach § 168 Abs. 2 InsO geschützt, wenn der Insolvenzverwalter Gegenstände veräußere, ohne sicherzustellen, dass der Kaufpreis auch tatsächlich fließe.


Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.


Aus den Gründen


B. Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II des an die Beklagte sicherungsübereigneten Fahrzeugs zu. Soweit in dem Berufungsantrag des Klägers von „Fahrzeugbrief" die Rede ist, ist offensichtlich die Zulassungsbescheinigung Teil II gemeint, was im Urteilstenor berücksichtigt ist.


I. Der Herausgabeanspruch des Klägers ergibt sich aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis mit der Beklagten aus §§ 166 ff. InsO, 241 Abs. 1 BGB. Ob daneben noch ein weiterer Anspruch des Klägers aus der Sicherungsabrede zwischen dem Insolvenzschuldner und der Beklagten besteht, kann dahingestellt bleiben.


1. Die §§ 166 ff InsO begründen ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Gläubiger.


a) § 166 Abs. 1 InsO weist das Verwertungsrecht an beweglichen Gegenständen, an welchen ein Absonderungsrecht besteht, zwingend dem Insolvenzverwalter zu, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. Durch die Zuweisung des Verwertungsrechts an den Insolvenzverwalter entsteht zwischen diesem und dem absonderungsberechtigten Gläubiger ein gesetzliches Schuldverhältnis. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Paragrafen, die dem Insolvenzverwalter verschiedene Pflichten auferlegen und dem Gläubiger Rechte einräumen, so u.a. die Pflicht des Insolvenzverwalters zur Unterrichtung des Gläubigers über die Verwertung (§ 167 InsO), zur Mitteilung der Veräußerungsabsicht und zur Berücksichtigung einer ihm von dem Gläubiger mitgeteilten Möglichkeit einer günstigeren Verwertung (§ 168 InsO) sowie den Zinsanspruch des Gläubigers nach § 169 InsO.


b) Die Voraussetzungen eines Verwertungsrechts des Klägers als Insolvenzverwalter sind vorliegend erfüllt.


Der Kläger ist in Besitz eines Fahrzeugs des Typs M.... .... ...., welches der Beklagten sicherungsübereignet worden ist. Die Sicherungsübereignung begründet nach § 51 Nr. 1 InsO ein Absonderungsrecht an dem Fahrzeug. Dass sich die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht bei dem Kläger, sondern bei der Beklagten befindet, steht einem Verwertungsrecht des Klägers nicht entgegen. Denn an der Zulassungsbescheinigung kann nach § 952 BGB kein selbstständiges Eigentums- oder Absonderungsrecht begründet werden (Bassenge in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 952, Rn. 6, 7). Der von der Beklagten herangezogene Vergleich mit einem Fahrzeug in Besitz eines Insolvenzverwalters, dessen Reifen sich bei einem Dritten befinden, ist nicht tragfähig. An Fahrzeugreifen als nicht wesentlichen Bestandteilen eines Fahrzeugs (§ 93 BGB) können im Unterschied zu der Zulassungsbescheinigung besondere Rechte bestehen.


Die Voraussetzungen des § 166 Abs. 3 InsO, wonach bestimmte Gegenstände von dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters ausgenommen sind, sind vorliegend nicht gegeben.


2. Aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis ergibt sich eine Pflicht des absonderungsberechtigten Gläubigers zur Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II.


a) Zwar statuieren die §§ 166 ff InsO zumindest ausdrücklich keine Pflichten der absonderungsberechtigten Gläubiger. Dies schließt die Annahme solcher Pflichten, insbesondere von Mitwirkungspflichten jedoch nicht aus. Pflichten der Gläubiger können sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben, wonach ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass sie auf Schuldverhältnisse jeglicher Art, somit auch gesetzliche Schuldverhältnisse anwendbar ist. Im Einzelfall kann das Schuldverhältnis auch eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers begründen (Grüneberg in Palandt, aaO, § 242, Rn. 32). Letztlich stellt auch die Beklagte nicht in Abrede, dass ihr als absonderungsberechtigter Gläubigerin Pflichten obliegen und sie nach § 166 InsO zumindest zur Duldung der Verwertung seitens des Insolvenzverwalters verpflichtet ist.


Über die Duldung der Verwertung hinaus folgt aus §§ 166 ff InsO, 241 Abs. 2, 242 BGB eine Pflicht des Gläubigers, die Verwertung durch den Insolvenzverwalter weder zu verhindern noch zu erschweren und - soweit erforderlich - hieran mitzuwirken.


Mit der Übertragung des Verwertungsrechts an den besitzlosen Sicherheiten auf den Verwalter soll die Durchführung des Insolvenzverfahrens effizienter gestaltet werden. Die Fortführungs- und Sanierungschancen des Schuldnerunternehmens sollen dadurch verbessert werden, dass die Gläubiger das Vermögen des Schuldners durch Herausverlangen der Gegenstände nicht auseinanderreißen können, dass die Verwertung der Sache praktisch erleichtert, die Kostenbeteiligung der Gläubiger durchgesetzt und somit die Liquidität der Masse verbessert wird (Landferman in Kreft, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 166, §§ 4-7; Brinkmann in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 166, Rn. 1d). § 166 InsO wird demzufolge als Schutzgesetz zugunsten der Gläubigergesamtheit im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen (BGH v. 20.11.2003 - IX ZR 259/02, WM 2004, 39, juris, Rn. 18; Brinkmann in Uhlenbruck, a.a.O., Rn. 1a). Ein Verstoß gegen § 166 InsO durch den Gläubiger kann daher Schadensersatzansprüche auslösen (Brinkmann a.a.O.). Hieraus lässt sich umgekehrt die Pflicht des Gläubigers folgern, alles zu unterlassen, was eine Verwertung des Insolvenzverwalters erschwert.


Dieser Unterlassungsanspruch ist gleichsam die Kehrseite der Pflicht des Insolvenzverwalters zum Schadensersatz bzw. Ausgleich, wenn er bei der Verwertung die Interessen des Gläubigers verletzt. Beachtet der Insolvenzverwalter eine ihm von dem Gläubiger mitgeteilte günstigere Möglichkeit der Verwertung nicht und veräußert den Gegenstand unter Wert, ist er nach §§ 168 Abs. 2, 60 InsO zum Schadensersatz bzw. Ausgleich gegenüber dem Gläubiger verpflichtet (Brinkmann in Uhlenbruck, a.a.O., § 168 Rn. 15).


Soweit zur ordnungsgemäßen Verwertung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, erstarkt dieser Unterlassungsanspruch zum Mitwirkungsanspruch des Insolvenzverwalters.


b) So verhält es sich vorliegend. Der Kläger benötigt die Zulassungsbescheinigung Teil II zu einer ordnungsgemäßen Verwertung des Fahrzeugs. Ohne sie ist die Verwertung des Fahrzeugs durch ihn als Insolvenzverwalter erschwert.


Eine Erschwernis liegt schon darin, dass der Kläger seiner gesetzlichen Pflicht zur Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs samt dazugehöriger Zulassungsbescheinigung Teil II Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises (§§ 433, 320, 322 BGB) nicht nachkommen kann.


Die Beklagte verlangt, dass der Kläger mit etwaigen Erwerbern eine Vorleistungspflicht hinsichtlich der Kaufpreiszahlung vereinbart. Die von ihr vorgeschlagenen Modelle einer Abwicklung der Verwertung sehen nämlich vor, dass der Kaufpreis an den Kläger bzw. sie gezahlt wird, bevor die Zulassungsbescheinigung an den Käufer des Fahrzeugs herausgegeben wird. Diese Abwicklung weicht von dem gesetzlichen Leitbild des Kaufvertrages mit einem gleichzeitigen Leistungsaustausch zum Nachteil des Käufers ab. Sie birgt das Risiko, dass sich der Kreis der Kaufinteressenten reduziert oder aber diese Preisabschläge oder zusätzliche Sicherheiten von dem Kläger als Verkäufer verlangen. Dieses Risiko besteht gerade auch im Hinblick darauf, dass der Erwerber ohne Aushändigung der Zulassungsbescheinigung in seinen Möglichkeiten einer Weiterveräußerung des Fahrzeugs in Anbetracht der Legitimationswirkung der Urkunde - in der Regel scheidet ein gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs aus (Bassenge in Palandt, aaO, § 932, Rn. 13) - eingeschränkt ist. Zudem erfordert die von der Beklagten verlangte Vorgehensweise von dem Kläger Verhandlungen und besondere Vereinbarungen mit dem Kaufinteressenten über die Zahlungsweise und die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II. Damit ist ein Mehraufwand für den Kläger verbunden, der nach dem Zweck des § 166 Abs. 1 InsO, die Verwertung praktikabel zu gestalten und zu erleichtern, vermieden werden soll.


Mit der von der Beklagten vorgeschlagenen Vorgehensweise, die Zulassungsbescheinigung an den Erwerber auszuhändigen, wenn ihr der ihr zustehende Kaufpreisanteil direkt überwiesen wird, wäre auch das Risiko nicht ausgeräumt, dass die Beklagte bei Unstimmigkeiten über den ihr zustehenden Veräußerungserlös die Bescheinigung weiter einbehält und der Kläger deswegen Schadensersatzforderungen des Käufers ausgesetzt ist. Solche Unwägbarkeiten würden den Kläger jedoch in der Ausübung seines Verwertungsrechts einschränken.


Aus den vorgenannten Erwägungen ist bei einer Verwertung des Fahrzeugs durch den Insolvenzverwalter, ohne dass dieser in Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, von einer Erschwernis auszugehen, ohne dass es hierzu einer Beweisaufnahme bedarf.


c) Dem Argument der Beklagten, § 166 InsO räume dem Insolvenzverwalter nur ein Wahlrecht ein, selbst zu verwerten oder aber ihr die Verwertung zu überlassen, es bleibe ihm unbenommen, von letzterer Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn er meine, dass die Verwertung durch ihn selbst ohne Zulassungsbescheinigung erschwert sei, folgt der Senat nicht.


§ 166 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein Verwertungsrecht. Dieses Recht darf er ohne Einschränkung ausüben, wenn er davon Gebrauch macht.


Folgte man der Argumentation der Beklagten, könnte der Insolvenzverwalter selbst das Fahrzeug ohne Zulassungsbescheinigung nur mit den oben aufgezeigten Erschwernissen und Risiken veräußern. Wollte er diese Risiken vermeiden, wäre er gehalten, dem Gläubiger die Verwertung zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass dieser seiner Pflicht zur Abführung des Kostenbeitrages nachkommt. Der Gläubiger hätte es damit in der Hand, die Art der Verwertung durch den Insolvenzverwalter zu bestimmen, indem er die Zulassungsbescheinigung zurückhält und ihm dadurch die Veräußerung durch den Gläubiger aufzwingt. Das Recht des Insolvenzverwalters, die Art und Weise der Verwertung zu bestimmen (§ 168 Abs. 1 InsO), wäre eingeschränkt. Der Zweck des Gesetzes, die Liquidität der Masse durch einen raschen Einzug des Kostenbeitrags zu verbessern, würde verfehlt.


d) Es sind keine berechtigten Interessen der Beklagten ersichtlich, die einer Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II entgegenstehen.


Sie selbst darf das Fahrzeug nicht mehr verwerten, nachdem der Kläger von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, und benötigt die Zulassungsbescheinigung Teil II zu einer Veräußerung nicht mehr. Der ursprüngliche Zweck des Einbehalts der Urkunde, eine sicherungsabredewidrige Veräußerung des Fahrzeug durch den Schuldner zu verhindern, ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ebenfalls entfallen. Die Verwertung hat nun unter Wahrung ihrer Interessen durch den Kläger stattzufinden. Die ursprünglichen Interessen der Beklagten als Sicherungseigentümerin, die mit dem Besitz der Urkunde verbunden waren, sind somit entfallen.


Das gegenwärtige Interesse der Beklagten, den Fahrzeugbrief als Druckmittel zurückzubehalten, um eine unverzügliche Auskehr des Verwertungserlöses durch den Kläger zu erzwingen, ist nach §§ 166 ff. InsO nicht schutzwürdig. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO verpflichtet den Insolvenzverwalter zur unverzüglichen Erlösauskehr. Dem Interesse der Beklagten an einer raschen Auszahlung des Verwertungserlöses wird durch die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur laufenden Zinszahlung nach § 169 Satz 1 InsO Rechnung getragen. Die Zinszahlung soll nämlich ein Ausgleich dafür sein, dass der gesicherte Gläubiger wegen des Verlustes seines Einziehungsrechts im Interesse der Insolvenzmasse häufig geraume Zeit auf die ihm zustehenden Verwertungserlöse warten muss. Dementsprechend knüpft der regelmäßige Beginn der Verzinsungspflicht an den Berichtstermin an und endet mit der Auszahlung des Erlöses an den Absonderungsberechtigten. Hierdurch soll umfassend derjenige Nachteil des Gläubigers ersetzt werden, der diesem durch den Verlust des eigenen Verwertungsrechts entsteht. Hätte dieser selbst das Sicherungsgut verwertet, könnte er damit zugleich über den Erlös verfügen (BGH vom 20.02.2003 - XI ZR 81/02, WM 2003, 694, juris, Rdn. 48, 55). Durch die Verpflichtung des Klägers zur laufenden Zinszahlung ist somit das Interesse der Beklagten an unverzüglicher Erlösauskehr angemessen und ausreichend berücksichtigt. Hieraus folgt zugleich, dass sie den Kläger nicht auf den Abschluss von Treuhandabreden mit künftigen Erwerbern oder ihr selbst als Gläubigerin verweisen darf.


Aus der Regelung des § 170 Abs. 2 InsO, der eine Erlösauskehr an den Gläubiger erst nach Verwertung und Kostenentnahme vorsieht, folgt zugleich, dass das Recht des Gläubigers auf raschen Erhalt des Erlöses gegenüber dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters und dem Kostenanspruch der Masse nachrangig ist.


Das Recht der Beklagten auf den Erlös aus der Verwertung des Fahrzeugs ist auch im Falle einer Masseunzulänglichkeit geschützt. Denn solange der Erlös in der Masse vorhanden ist, setzt sich das Absonderungsrecht an ihm fort (Kreft, aaO, § 50, Rn. 31). Somit greift auch der Einwand der Beklagten nicht, in diesem Fall müsse sie befürchten, leer auszugehen.


Bei Verfehlungen des Insolvenzverwalters bestehen Ansprüche der Beklagten nach §§ 60, 61 InsO und nach § 823 Abs. 2 in Verbindung mit den Bestimmungen des StGB. Auch in diesem Fall ist die Beklagte nicht schutzlos. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht in jedem Fall einer - rein theoretischen - Verfehlung eines Insolvenzverwalters erfüllt sind, und Sachverhalte denkbar sind, in denen ihr keine Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter zustehen, trifft dies zu. In solchen - wohl eher seltenen - Situationen verwirklicht sich ein allgemeines Risiko, das die Beklagte als absonderungsberechtigte Gläubigerin nach den Vorschriften der Insolvenzordnung zu tragen hat. Diese sehen eben die Verwertung durch den Insolvenzverwalter und - wie oben ausgeführt - in der Reihenfolge der Verteilung des Erlöses die Befriedigung des Gläubigers erst an letzter Stelle vor.


e) Aus der Schutzwirkung des § 166 Abs. 1 InsO zugunsten der Gläubigermehrheit ergibt sich, dass das Argument des Landgerichts, durch eine Einschränkung der Veräußerbarkeit des Fahrzeugs werde nur die Beklagte selbst in ihren eigenen Befriedigungschancen beeinträchtigt, fehlgeht. Durch eine Verwertung des Fahrzeugs unter Wert ist zugleich die Gläubigergesamtheit in ihren Interessen beeinträchtigt. Denn es kommt der Masse zugute, wenn Masseforderungen und Insolvenzforderungen möglichst vollständig erfüllt werden, da dadurch die Insolvenzmasse entlastet wird.


Aus dem Zweck des § 166 InsO, die Verwertung praktikabel zu gestalten und die Liquidität der Masse zu erhöhen, folgt, dass der Insolvenzverwalter - anders als es das Landgericht vertritt - nicht darauf verwiesen werden kann, das Fahrzeug zunächst selbst oder zu Lasten der Masse zu erwerben, um nach § 952 BGB die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung von der Beklagten verlangen zu können.


3. Der Beklagten steht auch kein Zurückbehaltungsrecht an der Zulassungsbescheinigung Teil II zu.


Auf das Recht der Beklagten auf Auskehr des Verwertungserlöses kann ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB nicht gestützt werden. Es fehlt insoweit an einem fälligen Anspruch der Beklagten gegen den Kläger. Nach § 170 Abs. 1 InsO sind nach der Verwertung einer beweglichen Sache aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstandes vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen. Die Vorschrift setzt damit zunächst die Verwertung des Gegenstandes und sodann die Berechnung und den Abzug der Kosten voraus. Erst als dritter Schritt erfolgt die Befriedung des absonderungsberechtigten Gläubigers. Hieraus ergibt sich, dass der Anspruch vor der Verwertung des Fahrzeugs nicht entsteht und fällig ist.


II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.


Nachdem höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob der Insolvenzverwalter von dem absonderungsberechtigten Gläubiger zur Verwertung eines Fahrzeugs die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen kann, bisher nicht ergangen ist und die Frage für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann, ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

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