R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
08.09.2011
Wirtschaftsrecht
Thüringer Oberlandesgericht: Verwendung des Begriffs „Fahrzeugwerk" als Zusatz zur Ortsangabe in attributiver Form

OLG Thüringen, Beschluss vom 29.08.2011 - 6 W 162/11

Leitsatz

Der informierte Durchschnittsverbraucher erwartet, dass es sich bei einem "Fahrzeugwerk" um ein großes Unternehmen handelt, das andere Fahrzeugunternehmen wirtschaftlich deutlich überragt. Als Zusatz zur Ortsangabe in attributiver Form erwartet der informierte Durchschnittsverbraucher, dass das "Fahrzeugwerk" eine führende Stellung gerade in dieser Region in Anspruch nimmt.

sachverhalt

I.

Mit Antrag vom 5.10.2010 (Unterschrift des Geschäftsführers beglaubigt am 15.10.2011), eingegangen beim Registergericht am 15.11.2010, meldete die Antragstellerin zur Eintragung in das Handelsregister u.a. an:

„Die Eintragung der Firma: ... S...er Fahrzeugwerke GmbH."

Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf Blatt 2 ff. des Sonderbandes der Registerakten Bezug genommen.

Die IHK Südthüringen erhob in ihrer Stellungnahme vom 22.2.2011 folgende Bedenken gegen die angemeldete Firmenbezeichnung: Die Buchstabenkombination ... könne mit der Buchstabenkombination der ...-S... GmbH verwechselt werden. Die Firmierung mit „S...er Fahrzeugwerke" erwecke eine führende Stellung des Unternehmens in der Branche am Ort; die Verwendung des Ortsnamens „S..." sei möglich, aber nicht in adjektivischer Form. Die Bezeichnung „Werke" sei nicht berechtigt, da nur ein Werk bestehe. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf Bl. 10 f. der Registerakten Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 24.2.2011 wies das Registergericht den Notar der Antragstellerin darauf hin, dass die Anmeldung derzeit nicht vollzogen werden könne. Das Registergericht fügte eine Abschrift der Stellungnahme der IHK Südthüringen bei. Dieser Stellungnahme schließe sich das Registergericht an. Gegen die Verfügung vom 24.2.2011, zugestellt am 28.2.2011, richtet sich die am 23.3.2011 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin.

Das Registergericht hat durch Beschluss vom 30.3.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 21.4.2011 begründet die Antragstellerin ihre Beschwerde wie folgt: Es bestehe keine Verwechslungsgefahr; die geplante Firmierung unterscheide sich in erheblicher Weise von der Firma „...-S... GmbH". Eine Irreführungsgefahr liege ebenfalls nicht vor. Für die Verwendung „S...er" sei eine führende oder besondere Stellung der Gesellschaft an dem in der Firma genannten Ort nicht notwendig. Entgegen der Stellungnahme der IHK Südthüringen sei auch die Bezeichnung „Werke" berechtigt. Sie sei aber bereit, den Gesellschaftsvertrag von „Werke" in „Werk" zu ändern. Wegen der weiteren Beschwerdebegründung wird Bezug genommen auf Bl. 18 ff. der Registerakten.

aus den gründen

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft (§§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. §§ 63, 64 FamFG). Das Thüringer Oberlandesgericht ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b, 23a Abs. 2 Nr. 3 GVG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 374 Nr. 1 FamFG zuständig.

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Registergericht hat die am 15.11.2010 zur Eintragung angemeldete Firma „... S...er Fahrzeugwerke GmbH" zu Recht beanstandet.

a) Die Verwendung des Begriffs „Fahrzeugwerke" bzw. - was die Antragstellerin auch in Betracht gezogen hat - „Fahrzeugwerk" verstößt gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB, wonach die Firma keine Angaben enthalten darf, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB wird im Verfahren vor dem Registergericht die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Zur Irreführung geeignet im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB sind solche Angaben, die bei einem Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen hervorrufen können. Ob eine Eignung zur Irreführung gegeben ist, ist vom Standpunkt der beteiligten Verkehrskreise, z. B. Käuferschaft, branchenkundige Kaufleute, Lieferanten und Kreditgeber, zu beurteilen. Als Maßstab in § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB dient - objektiviert - die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises bei verständiger Würdigung. Maßgebend ist also auf den „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher" abzustellen. Die Irreführungseignung ist daher in der Regel normativ festzustellen (Senatsbeschluss vom 22.6.2010, Az. 6 W 30/10, juris Rn. 11; OLG München, Beschluss vom 28.4.2010, Az. 31 Wx 117/09, juris Rn. 14).

Der Verkehr verbindet mit dem Begriff „Werk" in der Regel die Vorstellung von einem Betrieb der industriellen Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung. Der informierte Durchschnittverbraucher erwartet nach Auffassung des Senats noch immer - außer in bestimmten Kombinationen wie Presswerk, Sägewerk, Marmorwerk, Betonwerk, Schotterwerk - ein großes Unternehmen (MünchKommHGB/Heidinger, 3. Aufl., § 18 Rn. 136 f.). Er versteht darunter einen industriellen Großbetrieb, der den Durchschnitt seiner Branche hinsichtlich seines Betriebs- und Anlagevermögens, seiner Zahl der Beschäftigten, seiner Betriebsräume und seiner Umsätze deutlich überragt (Ammon/Ries in Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 60; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 18 Rn. 29; Roth in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 18 Rn. 12e; einschränkend: Ensthaler/Steitz, GK-HGB, 7. Aufl., § 18 Rn. 26: Einzelfallbeurteilung; weiter einschränkend Oetker/Schlingloff, HGB, 2. Aufl., § 18 Rn. 34: Irreführung nur, wenn mit der Verwendung des Begriffs eine besondere Kompetenz werblich hervorgehoben werden soll, obwohl der Geschäftsbetrieb an sich klein und unbedeutend ist).

Bei der hier verwendeten Kombination von „Werk" mit „Fahrzeug" handelt es sich auch nicht um eine Kombination, bei der der Verkehr ausnahmsweise nicht ein großes Unternehmen erwarten würde. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in dieser Kombination erwartet der informierte Durchschnittsverbraucher, dass es sich bei dem Fahrzeugwerk um ein großes Unternehmen handelt, das andere Fahrzeugunternehmen wirtschaftlich deutlich überragt. Dass ein Fahrzeug in einem industriellen Großbetrieb hergestellt wird, ist für den informierten Durchschnittsverbraucher auch wesentlich i. S. des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB, weil die Größe des Unternehmens ein Indiz für wirtschaftlichen Erfolg, Qualität des Fahrzeugs und eine hohe Zufriedenheit der Verbraucher sein kann.

Bei Anwendung dieses Maßstabs kann die Angabe „Fahrzeugwerke" bzw. „Fahrzeugwerk" in der hier zur Eintragung angemeldeten Firma bei einem informierten Durchschnittsverbraucher Fehlvorstellungen hervorrufen, denn die Antragstellerin ist nicht ein großes und bedeutendes Unternehmen, sondern befindet sich erst in der Gründungsphase.

b) Auch die Verwendung der Ortsangabe „S...er" in der zur Eintragung angemeldeten Firma verstößt gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB.

Die Verwendung einer Ortsangabe in - wie hier - attributiver Form ist für sich allein (noch) nicht zur Irreführung geeignet. Geographische Zusätze, insbesondere Ortsangaben werden ohne Rücksicht auf ihre Stellung in der Firma zunächst als Hinweis auf den Sitz im Tätigkeitsbereich des betreffenden Unternehmens verstanden (Senatsbeschluss vom 30.4.1996, Az. 6 W 63/96, Rpfleger 1996, 462-463, juris Rn. 7: bereits zu § 18 HGB a.F.). Auch mit einer Verwendung der Ortsangabe in attributiver Form verbindet der informierte Durchschnittsverbraucher grundsätzlich nicht mehr die - mit dem Erscheinungsbild der modernen Wettbewerbswirtschaft im Widerspruch stehende - Vorstellung, das so firmierende Unternehmen sei das einzige oder einzige bedeutende Unternehmen dieser Art in der Region (OLG München, Beschluss vom 28.4.2010, aaO, juris Rn. 20; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3.7.2003, Az. 8 W 425/02, juris Rn. 32; MünchKommHGB/Heidinger, aaO, § 18 Rn. 151; Oetker/Schlingloff, aaO, § 18 Rn. 38; offen gelassen OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 10.1.2005, Az. 20 W 106/04, FGPrax 2005, 133-134, juris Rn. 6). Eine solche Verwendung bringt die Inanspruchnahme einer führenden Stellung aber weit stärker zum Ausdruck als eine nachgestellte Ortsangabe (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.2000, Az. 8 W 153/99, juris Rn. 19; vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 26.5.2010, Az. 13 W 342/10, juris, Rn. 6; KG, Beschluss vom 11.9.2007, Az. 1 W 81/07, juris Rn. 7). Sie ist eher als die bloß substantivische Wiedergabe einer geographischen Bezeichnung geeignet, als Inanspruchnahme einer Sonderstellung zu wirken (BGH, Urteil vom 19.10.1989, Az. I ZR 193/87, BB 1989, 2349-2350, NJW-RR 1990, 228-229, juris Rn. 7: zu § 18 HGB a.F.).

Ob die Verwendung einer Ortsangabe in attributiver Form ersichtlich geeignet ist, über die Größe und Bedeutung des Unternehmens irrezuführen, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.2000, aaO, juris Rn. 19; Hopt in Baumbach/Hopt, aaO, § 18 Rn. 23). Sie ist zur Irreführung geeignet, wenn im konkreten Fall zusätzliche Angaben in die Firma aufgenommen werden, die eine Alleinstellung oder eine besondere Bedeutung des Unternehmens nahelegen (OLG München, Beschluss vom 28.4.2010, aaO, juris Rn. 20; Hopt in Baumbach/Hopt, aaO, § 18 Rn. 23). Dies ist hier durch die zusätzliche Angabe „Fahrzeugwerke" der Fall. Der informierte Durchschnittsverbraucher erwartet nach Auffassung des Senats aus den oben genannten Gründen, dass es sich bei dem „Fahrzeugwerk" um ein Unternehmen handelt, das kleinere Fahrzeugunternehmen wirtschaftlich deutlich überragt. Als Zusatz zur Ortsangabe in attributiver Form („S...er") erwartet der informierte Durchschnittsverbraucher hier, dass das „Fahrzeugwerk" eine führende Stellung gerade in der Region S... in Anspruch nimmt. Es wird suggeriert, dass es sich um „die" S...er Fahrzeugwerke bzw. „das" S...er Fahrzeugwerk handelt. Eine solche Stellung hat die Antragstellerin, die sich in der Gründungsphase befindet, aber nicht inne.

c) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Firma „... S...er Fahrzeugwerke GmbH" nicht gegen § 30 Abs. 1 HGB verstößt. Nach dieser Vorschrift muss sich jede neue Firma von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Gegenstand der Beurteilung ist der volle Firmenwortlaut, so wie er in das Handelsregister eingetragen ist bzw. eingetragen werden soll (Oetker/Schlingloff, aaO, § 30 Rn. 9). Eine Verwechslungsgefahr mit der Firma „...-S... GmbH" ist hier ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Registergerichts ist hier nicht zu beurteilen, ob sich „..." von „..." unterscheidet, sondern vielmehr, ob sich „... S...er Fahrzeugwerke GmbH" von „...-S... GmbH" unterscheidet. Dies ist ohne Weiteres zu bejahen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

stats