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Wirtschaftsrecht
19.09.2024
Wirtschaftsrecht
EuGH: Verwalter alternativer Investmentfonds (AIF) – Vergütungspolitik und -praxis

EuGH, Urteil vom 29.7.2024 – C-174/23, HJ, IK, LM gegen Twenty First Capital SAS

ECLI:EU:C:2024:654

Volltext: BB-Online BBL2024-2177-2

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1.  Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, von Verwaltern alternativer Investmentfonds (AIF), die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach dieser Richtlinie ausübten, zu verlangen, dass sie den sich aus Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die Vergütungspolitik und ‑praxis ab dem Zeitpunkt des Erhalts der Zulassung in vollem Umfang nachkommen, sofern sie binnen eines Jahres ab dem 22. Juli 2013 einen Antrag auf Zulassung gestellt haben.

2. Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 ist dahin auszulegen, dass die Wendung „ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“ bedeutet, dass Verwalter von AIF, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten ausübten, keine Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie ernstlich zu gefährden.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung  von Art. 13 und Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. 2011, L 174, S. 1).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen HJ, IK und LM auf der einen Seite und der Twenty First Capital SAS (im Folgenden: TFC) auf der anderen Seite über die Erfüllung eines Vertrags, der von TFC zu zahlende Vergütungen vorsieht.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Der 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/61 lautet:

„Um den potenziell schädlichen Auswirkungen schlecht gestalteter Vergütungsstrukturen auf ein solides Risikomanagement und auf die Kontrolle des risikobereiten Verhaltens von Einzelpersonen entgegenzuwirken, sollten die [Verwalter alternativer Investmentfonds (AIF) – alternative investment funds managers, im Folgenden: AIFM] ausdrücklich dazu verpflichtet werden, für diejenigen Kategorien von Mitarbeitern, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf die Risikoprofile der von ihnen verwalteten AIF auswirkt, eine Vergütungspolitik und ‑praxis festzulegen und anzuwenden, die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement in Einklang steht. Zu diesen Mitarbeiterkategorien sollten mindestens die Geschäftsleitung, Risikoträger und Mitarbeiter mit Kontrollfunktionen sowie alle Mitarbeiter gehören, die eine Gesamtvergütung erhalten, aufgrund derer sie sich in derselben Einkommensstufe befinden wie die Geschäftsleitung und Risikoträger.“

 

4          Art. 1 („Gegenstand“) dieser Richtlinie bestimmt:

„In dieser Richtlinie werden Vorschriften für die Zulassung, die laufende Tätigkeit und die Transparenz der [AIFM] festgelegt, die [AIF] in der [Europäischen] Union verwalten und/oder vertreiben.“

 

5          Nach Art. 4 („Definitionen“) Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „AIFM“ für die Zwecke dieser Richtlinie „jede juristische Person, deren reguläre Geschäftstätigkeit darin besteht, einen oder mehrere AIF zu verwalten“.

 

6          Art. 6 („Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit als AIFM“) in Kapitel II („Zulassung von AIFM“) der Richtlinie 2011/61 bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass AIFM nur dann AIF verwalten dürfen, wenn sie gemäß dieser Richtlinie zugelassen wurden.

Gemäß dieser Richtlinie zugelassene AIFM müssen die in dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen für eine Zulassung jederzeit einhalten.“

 

7          Art. 7 („Antrag auf Zulassung“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass AIFM bei den zuständigen Behörden ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Zulassung beantragen.

(2) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein AIFM, der eine Zulassung beantragt, den zuständigen Behörden seines Herkunftsmitgliedstaats Folgendes betreffend diesen AIFM vorlegt:

d) Angaben über die Vergütungspolitik und ‑praxis gemäß Artikel 13,

…“

 

8          Art. 8 („Zulassungsvoraussetzungen“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des AIFM erteilen keine Zulassung bevor nicht folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Sie sind davon überzeugt, dass der AIFM zur Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen in der Lage ist.

Die Zulassung gilt in allen Mitgliedstaaten.“

 

9          Art. 12 („Allgemeine Grundsätze“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass AIFM stets:

a) ihrer Tätigkeit ehrlich, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und redlich nachgehen;

e) alle auf die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit anwendbaren regulatorischen Anforderungen erfüllen, um das beste Interesse der von ihnen verwalteten AIF oder der Anleger dieser AIF und die Integrität des Marktes zu fördern;

…“

 

10        Art. 13 („Vergütung“) der Richtlinie 2011/61, der zu deren Kapitel III („Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit der AIFM“) gehört, sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten verpflichten die AIFM dazu, für alle Kategorien von Mitarbeitern einschließlich der Führungskräfte, Risikoträger und Mitarbeiter mit Kontrollfunktionen und aller Mitarbeiter, die eine Gesamtvergütung erhalten, aufgrund derer sie sich in derselben Einkommensstufe befinden wie die Führungskräfte und Risikoträger, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf die Risikoprofile der AIFM oder auf die Risikoprofile der von ihnen verwalteten AIF auswirkt, eine Vergütungspolitik und ‑praxis festzulegen, die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist und nicht zur Übernahme von Risiken ermutig[t], die nicht mit dem Risikoprofil, den Vertragsbedingungen oder der Satzung der von ihnen verwalteten AIF vereinbar sind.

Die AIFM legen die Vergütungspolitik und ‑praxis gemäß Anhang II fest.

(2) Die [Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)] stellt sicher, dass Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik existieren, die Anhang II entsprechen. …“

 

11        Art. 61 („Übergangsbestimmung“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach dieser Richtlinie ausüben, ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen und stellen binnen eines Jahres nach Ablauf dieser Frist einen Antrag auf Zulassung.“

 

12        Art. 66 („Umsetzung“) der Richtlinie sieht vor:

„(1) Bis zum 22. Juli 2013 erlassen und veröffentlichen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der [Europäischen] Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit und fügen eine Tabelle mit den Entsprechungen zwischen der Richtlinie und diesen innerstaatlichen Vorschriften bei.

(2) Die Mitgliedstaaten wenden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften gemäß Absatz 1 ab dem 22. Juli 2013 an.

…“

 

13        Gemäß ihrem Art. 70 trat die Richtlinie 2011/61 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, die am 1. Juli 2011 erfolgte, in Kraft.

 

Französisches Recht

14        Die Richtlinie 2011/61 wurde durch die am 28. Juli 2013 in Kraft getretene Ordonnance no 2013‑676 du 25 juillet 2013 modifiant le cadre juridique de la gestion d’actifs (Ordonnance Nr. 2013‑676 vom 25. Juli 2013 zur Änderung des Rechtsrahmens für die Vermögensverwaltung) (JORF vom 27. Juli 2013, Text Nr. 9), mit der in den Code monétaire et financier (Gesetzbuch über das Währungs- und Finanzwesen) u. a. Art. L. 533‑22‑2 eingeführt wurde, der die Bestimmungen von Art. 13 dieser Richtlinie übernimmt, in französisches Recht umgesetzt.

 

15        Die Ordonnance Nr. 2013‑676 enthält in ihrem Art. 33 Abs. I eine Übergangsbestimmung mit folgendem Wortlaut:

„Verwaltungsgesellschaften, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der vorliegenden Ordonnance Tätigkeiten ausüben, die den darin enthaltenen Bestimmungen entsprechen, beantragen vor dem 22. Juli 2014 ihre Zulassung als Vermögensverwaltungsgesellschaft im Sinne von Art. L. 532‑9 des Code monétaire et financier in der Fassung dieser Ordonnance.“

 

16        Die Erläuterung zum Décret n° 2013‑687, du 25 juillet 2013, pris pour l’application de l’ordonnance n° 2013‑676, du 25 juillet 2013, modifiant le cadre juridique de la gestion d’actifs (Dekret Nr. 2013-687 vom 25. Juli 2013 zur Umsetzung der Ordonnance Nr. 2013‑676 vom 25. Juli 2013 zur Änderung des Rechtsrahmens für die Vermögensverwaltung) (JORF vom 30. Juli 2013, Text Nr. 3) enthält folgenden Hinweis: „Inkrafttreten: Verwaltungsgesellschaften, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Dekrets Tätigkeiten ausüben, die den in diesem Dekret genannten Bestimmungen entsprechen, ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um seinen Bestimmungen nachzukommen, und reichen spätestens bis zum 22. Juli 2014 einen entsprechenden Zulassungsantrag ein …“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 

17        Im März 2014 übertrug die von HJ gegründete Gesellschaft R Participations mit den Gesellschaftern LM und IK im Wege der Veräußerung des Geschäftsbetriebs drei Organismen für gemeinsame Anlagen, die auf Investitionen in Schwellenländern ausgerichtet waren, an die Gesellschaft T. HJ wurde Angestellter bei der Gesellschaft T.

 

18        Um die Übernahme dieses Geschäfts durch die Gesellschaft TFC zu organisieren, schloss HJ am 5. Juni 2014 mit dieser Gesellschaft einen Vertrag, in dem diese sich verpflichtete, ihn einzustellen, und am 27. Juni 2014 einen Kooperationsvertrag, der verschiedene Vergütungen zugunsten von HJ, IK und LM vorsah (im Folgenden: Kooperationsvertrag).

 

19        Am 24. Oktober 2014 übertrug die Gesellschaft T einen Teil ihres Geschäftsbetriebs, einschließlich der in Rn. 17 des vorliegenden Urteils genannten drei auf Investitionen in Schwellenländern ausgerichteten Organismen für gemeinsame Anlagen, an die Gesellschaft TFC.

 

20        Am 11. Dezember 2014 trat HJ der Gesellschaft TFC als Vorstandsmitglied, Generaldirektor und zweiter Geschäftsführer dieser Gesellschaft bei.

 

21        Am 24. Dezember 2015 und am 6. Januar 2016 erhoben HJ und IK Klage gegen die Gesellschaft TFC auf Erfüllung des Kooperationsvertrags und auf Zahlung von Schadensersatz. LM nahm als Streithelfer an dem Verfahren teil. Die Gesellschaft TFC beantragte im Wege der Widerklage, den Kooperationsvertrag für nichtig zu erklären.

 

22        Das Tribunal de grande instance de Paris (Großinstanzgericht Paris, Frankreich) erklärte mit Urteil vom 10. Januar 2019 den Kooperationsvertrag mit der Begründung für nichtig, dass die in diesem Vertrag vereinbarten Vergütungen gegen Art. L. 533‑22‑2 des Code monétaire et financier (Gesetzbuch über das Währungs- und Finanzwesen) verstießen, nachdem es festgestellt hatte, dass die Gesellschaft TFC mindestens einen AIF betreibe, und wies die Anträge von HJ, IK und LM auf Erfüllung des Vertrags und auf Zahlung von Schadensersatz im Zusammenhang mit dessen Nichterfüllung zurück.

 

23        Mit am 8. Februar 2021 ergangenem Urteil bestätigte die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) dieses Urteil.

 

24        HJ, IK und LM legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), dem vorlegenden Gericht, ein.

 

25        Das vorlegende Gericht führt aus, die Kläger des Ausgangsverfahrens machten geltend, aus Art. 33 Abs. I der Ordonnance Nr. 2013-676, ausgelegt im Licht von Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61, ergebe sich, dass die AIFM über eine Frist von einem Jahr ab dem 22. Juli 2013, dem Stichtag für die Umsetzung dieser Richtlinie, verfügt hätten, um die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Regeln über die Vergütungspraxis von AIF einzuhalten und einen Antrag auf Zulassung zu stellen. Da die Gesellschaft TFC ihre Zulassung erst am 18. August 2014 erhalten habe, seien diese Regeln zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kooperationsvertrag geschlossen worden sei, am 27. Juni 2014, nicht auf sie anwendbar gewesen und hätten nur für die von ihr im Jahr 2016 für das Jahr 2015 gezahlten variablen Vergütungen gegolten. Hilfsweise machten die Kläger geltend, dass diese Vorschriften jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kooperationsvertrags nicht verbindlich gewesen seien.

 

26        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens zur Stützung ihrer Deutung auf drei Dokumente beriefen.

 

27        Erstens beriefen sich die Kläger des Ausgangsverfahrens auf ein von der Kommission in englischer Sprache erstelltes Dokument mit dem Titel „AIFMD Q&As from the European Commission“ (AIFM-Richtlinie Fragen & Antworten der Europäischen Kommission), aus dem hervorgehe, dass „während der einjährigen Übergangszeit erwartet [wird], dass die AIFM die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen, um den Anforderungen des nationalen Gesetzes zur Umsetzung der [Richtlinie 2011/61] gerecht zu werden. Die Verpflichtung, eine Zulassung zu beantragen … ist rechtlich bindend, kann jedoch innerhalb der Frist von einem Jahr ab dem Inkrafttreten der Richtlinie erfüllt werden. Im Hinblick auf die weiteren Anforderungen der [Richtlinie 2011/61] (wie z. B. … die Vergütung …) muss ein AIFM, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der [Richtlinie 2011/61] tätig ist, während des Übergangszeitraums alle Maßnahmen ergreifen (d. h. die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen), um der [Richtlinie 2011/61] bei allen nach dem Inkrafttreten der Richtlinie (22. Juli 2013) ausgeübten Aktivitäten zu entsprechen. Nach diesem Übergangszeitraum sind alle Verpflichtungen, die sich aus der [Richtlinie 2011/61] ergeben, rechtlich bindend.“

 

28        Zweitens beriefen sich die Kläger des Ausgangsverfahrens auf eine von der ESMA veröffentlichte „Liste von Fragen/Antworten zur [Richtlinie 2011/61]“, in der es heiße:

„… Sobald ein Unternehmen eine AIF‑Zulassung erhalten hat, unterliegt es den Vergütungsregeln der [Richtlinie 2011/61] und den Vergütungsleitlinien. Folglich sollen die einschlägigen Vorschriften ab dem Zeitpunkt der Zulassung zu gelten beginnen.

Was jedoch die Regeln für die variable Vergütung betrifft …, so sollen die AIFM diese Regeln bei der Berechnung der Zahlungen für neue Zuerkennungen variabler Vergütungen an ihre identifizierten Mitarbeiter (wie in den Vergütungsleitlinien definiert) für die Leistungszeiträume nach demjenigen, in dem sie zugelassen worden sind, anwenden. Folglich soll das variable Vergütungssystem für AIFM nur auf vollständige Leistungszeiträume und auf den ersten vollständigen Leistungszeitraum nach der Zulassung des AIFM angewendet werden.

Zum Beispiel: … Für einen AIFM, der bereits AIF verwaltet, deren Geschäftsjahr am 31. Dezember endet, und der vor dem 22. Juli 2014 einen Zulassungsantrag stellt und nach diesem Datum eine Zulassung erhält (auch wenn die Zulassung nach dem 31. Dezember 2014 erteilt wird), sollen die Vorschriften der [Richtlinie 2011/61] über variable Vergütungen auf die Berechnung der Zahlungen für das Geschäftsjahr 2015 angewendet werden.“

 

29        Drittens beriefen sich die Kläger des Ausgangsverfahrens auf einen „Guide AIFM – Rémunération“ (AIFM-Leitfaden – Vergütung), der von der Autorité des marchés financiers (Finanzmarktaufsichtsbehörde, Frankreich) (AMF), der französischen Behörde, die für den Schutz der in Finanzprodukte investierten Ersparnisse, die Information der Anleger und das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte zuständig sei, veröffentlicht worden sei. Dieser Leitfaden sehe vor:

„Gemäß Art. 61 Abs. 1 der [Richtlinie 2011/61] verfügen die am 22. Juli 2013 bestehenden Verwaltungsgesellschaften über eine Frist von einem Jahr bis zum 22. Juli 2014, um den Verpflichtungen aus der [Richtlinie 2011/61] nachzukommen und bei ihrer zuständigen Behörde einen Antrag auf Zulassung zu stellen.

Es können also drei Fälle eintreten:

–  Verwaltungsgesellschaften, die ihre AIFM-Zulassung zwischen dem 22. Juli 2013 und dem 31. Dezember 2013 erhalten: Die im Positionspapier zu den AIFM-Vergütungen vorgesehenen Maßnahmen in Bezug auf Vergütungen gelten für das Geschäftsjahr 2014 (für variable Vergütungen, die im Jahr 2015 ausgezahlt werden);

–  Verwaltungsgesellschaften, die ihre AIFM-Zulassung erst zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 22. Juli 2014 erhalten: Die im Positionspapier zu den AIFM-Vergütungen vorgesehenen Maßnahmen in Bezug auf Vergütungen gelten für das Geschäftsjahr 2015 für variable Vergütungen, die im Jahr 2016 ausgezahlt werden;

–  danach gilt für neue Verwaltungsgesellschaften, die ihre AIFM-Zulassung im Jahr N nach dem 22. Juli 2014 erhalten, die gleiche Systematik: Das erste Geschäftsjahr, das für die Anwendung der im Positionspapier zu den AIFM-Vergütungen vorgesehenen Maßnahmen herangezogen wird, ist das Geschäftsjahr N+1 für die im Jahr N+2 ausgezahlten variablen Vergütungen.“

 

30        Das vorlegende Gericht legt dar, dass die Gesellschaft TFC der Ansicht sei, dass die Bestimmungen des Art. L. 533‑22‑2 des Code monétaire et financier (Gesetzbuch über das Währungs- und Finanzwesen) am Tag des Abschlusses des Kooperationsvertrags, dem 27. Juni 2014, anwendbar gewesen seien, da die Ordonnance Nr. 2013‑676, die diese Bestimmung eingeführt habe, zwar ein zeitlich versetztes Inkrafttreten bestimmter Umsetzungsbestimmungen vorsehe, dies jedoch nicht für die Bestimmungen gelte, die die Marktteilnehmer verpflichteten, eine Vergütungspraxis und ‑politik für die Geschäftsführer von AIF‑Verwaltungsgesellschaften einzuführen, die „mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar“ sei. Die Gesellschaft TFC mache ferner geltend, dass, selbst wenn den AIFM eine Frist eingeräumt worden wäre, um den neuen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61 zu entsprechen, sie innerhalb dieser Frist keinen Vertrag abschließen dürften, der eine Vergütung vorsehe, die gegen Art. 13 der Richtlinie verstoße, da Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie verlange, dass sie „alle erforderlichen Maßnahmen [ergreifen], um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“.

 

31        Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das von der Kommission stammende in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannte Dokument offenbar eine einjährige Übergangszeit bis zum 21. Juli 2014 einräume, dass vor diesem Datum von den AIFM lediglich erwartet werde, dass sie sich nach besten Kräften bemühten, die Anforderungen des nationalen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61 zu erfüllen, und dass erst nach diesem Datum alle sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen rechtsverbindlich geworden seien. Nach dieser Deutung wären weder das Datum des Zulassungsantrags noch das Datum des Erhalts der Zulassung relevant.

 

32        Aus der Deutung der ESMA und der AMF scheine hingegen hervorzugehen, dass ein AIFM den Vorschriften der Richtlinie 2011/61 über die Vergütungspraxis erst ab dem Zeitpunkt der Zulassung unterliege, während er vor der Zulassung nicht diesen Regeln unterworfen sei. Nach dieser Deutung würden die genannten Regeln überdies erst ab dem Beginn des auf die Zulassung folgenden Geschäftsjahrs gelten.

 

33        Das vorlegende Gericht stellt fest, dass sich bei der Lektüre von Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 keine der vorgeschlagenen Auslegungen „offensichtlich“ aufdränge, zumal eine andere Auslegung denkbar sei, bei der danach unterschieden werde, ob die Vergütung vor oder nach der Umsetzung der Richtlinie 2011/61 in nationales Recht vereinbart worden sei. Im ersten Fall könnte angenommen werden, dass es schwierig sei, vom AIFM zu verlangen, eine Vergütung, die zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung gegen keine Vorschrift verstoßen habe, sofort in Frage zu stellen, und dass von ihm während einer Übergangszeit höchstens gefordert werden könne, dass er sich nach besten Kräften bemühe, die neuen Anforderungen in Bezug auf die Vergütung zu erfüllen. Im zweiten Fall wäre es denkbar, dass das Inkrafttreten des nationalen Textes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61 dem AIFM sofort verbiete, für die Zukunft Vergütungen zu vereinbaren, die gegen die Regeln der bereits in Kraft getretenen Richtlinie verstießen.

 

34        Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

1. a)     Sind die Art. 13 und Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 dahin auszulegen, dass AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach dieser Richtlinie ausüben, die Anforderungen in Bezug auf die Vergütungspolitik und ‑praxis erfüllen müssen:

i) nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der genannten Richtlinie,

ii) zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht,

iii) ab dem Ablauf der in Art. 61 Abs. 1 festgelegten Frist von einem Jahr, die am 21. Juli 2014 endete, oder

iv) ab dem Erhalt der Zulassung als Verwalter gemäß dieser Richtlinie?

b) Hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, ob die Vergütung, die der AIFM einem Angestellten oder einem Geschäftsführer zahlt, vereinbart wurde vor oder nach:

i) dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2011/61;

ii) dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61 in nationales Recht;

iii) dem Ablauf der in Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 festgelegten Frist am 21. Juli 2014;

iv) dem Datum, an dem der AIFM seine Zulassung erhalten hat?

2. Angenommen, aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass der AIFM nach der Umsetzung der Richtlinie 2011/61 in nationales Recht innerhalb einer bestimmten Frist nur verpflichtet ist, sich nach besten Kräften um die Einhaltung der auf dieser Richtlinie beruhenden nationalen Rechtsvorschriften zu bemühen, erfüllt er diese Verpflichtung, wenn er während dieser Frist zu Vergütungsbedingungen, die nicht den Anforderungen der nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 13 der Richtlinie 2011/61 entsprechen, einen Angestellten einstellt oder einen Geschäftsführer ernennt?

 

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

35        In ihren schriftlichen Erklärungen stellen die Kläger des Ausgangsverfahrens, wenn auch implizit, die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Frage, wobei sie geltend machen, dass der Ausgangsrechtsstreit nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2011/61 falle.

 

36        Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom 14. Juli 2022, Volkswagen, C‑134/20, EU:C:2022:571, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. Januar 2024, Nárokuj, C‑755/22, EU:C:2024:10, Rn. 17).

 

37        Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

38        Vorliegend beziehen sich die gestellten Fragen auf die Auslegung der Richtlinie 2011/61. Darüber hinaus geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, der von den Klägern des Ausgangsverfahrens bestritten wird, vom erstinstanzlichen Gericht und vom Berufungsgericht festgestellt wurde, und das vorlegende Gericht hat klargestellt, dass eine Antwort auf diese Fragen erforderlich sei, um ihm den Erlass seiner Entscheidung zu ermöglichen. Schließlich enthält die Vorlageentscheidung alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die eine zweckdienliche Beantwortung dieser Fragen ermöglichen.

 

39        Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

40        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ab welchem Zeitpunkt die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, von AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach der Richtlinie 2011/61 ausübten, die Einhaltung der sich aus Art. 13 dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die Vergütungspolitik und ‑praxis zu verlangen.

 

41        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 von den Mitgliedstaaten verlangt, die AIFM dazu zu verpflichten, für bestimmte Kategorien von Mitarbeitern eine Vergütungspolitik und ‑praxis festzulegen, die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist und nicht zur Übernahme von Risiken ermutigt, die nicht mit dem Risikoprofil, den Vertragsbedingungen oder der Satzung der von ihnen verwalteten AIF vereinbar sind.

 

42        Art. 66 dieser Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis zum 22. Juli 2013 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen und veröffentlichen, um dieser Richtlinie nachzukommen, und dass sie diese Vorschriften ab diesem Zeitpunkt anwenden.

 

43        Art. 61 („Übergangsbestimmung“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 bestimmt, dass AIFM, die ihre Tätigkeiten vor dem 22. Juli 2013 ausübten, „alle erforderlichen Maßnahmen [ergreifen], um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen und … binnen eines Jahres nach Ablauf dieser Frist einen Antrag auf Zulassung [stellen]“.

 

44        Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, dass die Richtlinie 2011/61 den Mitgliedstaaten nicht die Verpflichtung auferlegt, zu verlangen, dass diese Kategorie von AIFM Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie ab dem 22. Juli 2013 einhält.

 

45        Der Wortlaut von Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 erlaubt es jedoch für sich genommen nicht, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die in Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen, in ihrer Umsetzung in nationales Recht, für diese AIFM verbindlich geworden sind, da es nach diesem Wortlaut entweder der Zeitpunkt des Ablaufs der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist von einem Jahr ab dem 22. Juli 2013 oder der Zeitpunkt des Erhalts der Zulassung als AIFM, auf die in der Bestimmung verwiesen wird, sein könnte.

 

46        Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, sowie die Zwecke und Ziele, die mit dem Rechtsakt, zu dem sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen sind (Urteil vom 7. März 2024, IAB Europe, C‑604/22, EU:C:2024:214, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

47        Was den Zusammenhang betrifft, in dem Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 steht, sind, da diese Bestimmung eine Frist von einem Jahr ab dem 22. Juli 2013 für die Stellung eines Zulassungsantrags durch die betreffenden AIFM vorsieht, u. a. die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Zulassung zu berücksichtigen, die sich insbesondere in den Art. 6 bis 8 der Richtlinie finden.

 

48        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 sieht zum einen vor, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass AIFM nur dann AIF verwalten dürfen, wenn sie gemäß dieser Richtlinie zugelassen wurden, und zum anderen, dass gemäß dieser Richtlinie zugelassene AIFM die in dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen für eine Zulassung jederzeit einhalten müssen.

 

49        Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/61 bestimmt, dass zu den Angaben, die die AIFM den zuständigen Behörden für die Erteilung der Zulassung zur Verfügung stellen müssen, u. a. Angaben über die Vergütungspolitik und ‑praxis gemäß Art. 13 dieser Richtlinie gehören.

 

50        Schließlich geht aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/61 hervor, dass die beantragte Zulassung nur erteilt wird, wenn die zuständigen Behörden davon überzeugt sind, dass der betreffende AIFM zur Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen in der Lage ist.

 

51        Aus diesen Bestimmungen ergibt sich erstens, dass für die Ausübung der Tätigkeit eines AIFM eine Zulassung erforderlich ist, zweitens, dass diese Zulassung nur erteilt wird, wenn die zuständigen Behörden aufgrund der Angaben, die ihnen der betreffende AIFM in seinem Antrag auf Zulassung übermittelt hat, davon überzeugt sind, dass dieser in der Lage ist, den Verpflichtungen aus der Richtlinie 2011/61 nachzukommen, und drittens, dass der AIFM nach Erteilung der Zulassung verpflichtet ist, diesen Verpflichtungen, einschließlich der sich aus Art. 13 dieser Richtlinie ergebenden, jederzeit nachzukommen. Daraus folgt, dass der Zeitpunkt der Zulassung im Rahmen der Richtlinie 2011/61 von zentraler Bedeutung ist.

 

52        Da Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 ausdrücklich vorsieht, dass AIFM, die bereits vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten gemäß dieser Richtlinie ausübten, binnen eines Jahres ab diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Zulassung stellen, ist somit davon auszugehen, dass diese Bestimmung im Licht der Art. 6 bis 8 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass diese AIFM erst ab dem Zeitpunkt des Erhalts ihrer Zulassung verpflichtet waren, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen, insbesondere in Bezug auf ihre Vergütungspolitik und ‑praxis – in ihrer Umsetzung in nationales Recht –, in vollem Umfang zu erfüllen, sofern sie binnen eines Jahres ab dem 22. Juli 2013 einen Antrag auf Zulassung gestellt haben.

 

53        Diese Auslegung steht im Einklang mit den mit der Richtlinie 2011/61 verfolgten Zielen.

 

54        Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass diese Ziele, wie auch im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/61 bestätigt wird, darin bestehen, die Anleger zu schützen, insbesondere wenn ihre Interessen mit Blick sowohl auf das Risiko als auch die Nachhaltigkeit von Investitionsentscheidungen in Konflikt mit den Interessen von AIFM geraten können, und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Insbesondere soll die in der Richtlinie 2011/61 geregelte Vergütungspolitik und ‑praxis in diesem Zusammenhang einem soliden und wirksamen Risikomanagement förderlich sein und nicht zur Übernahme von Risiken ermutigen, die mit den Risikoprofilen, Vertragsbedingungen oder Satzungen der AIF nicht vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. August 2022, HOLD Alapkezelő, C‑352/20, EU:C:2022:606, Rn. 52 und 54).

 

55        Zwar gelten diese Ziele für die Tätigkeiten aller AIFM, doch ist auch darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2011/61 in Bezug auf AIFM, die bereits vor dem 22. Juli 2013 tätig waren, ausdrücklich eine Übergangszeit vorsieht, mit der diesen AIFM zusätzliche Zeit eingeräumt werden soll, damit sie den mit dieser Richtlinie eingeführten Anforderungen nachkommen können, indem sie „alle erforderlichen Maßnahmen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“, ergreifen.

 

56        In Bezug auf die etwaige Erheblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Vergütung vereinbart wurde, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine neue Rechtsnorm ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar ist, mit dem sie eingeführt wird, und dass sie zwar nicht auf unter dem alten Recht entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar ist, doch auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung findet. Etwas anderes gilt nur – und vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten –, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (Urteil vom 13. Juli 2023, Banco Santander [Bezugnahme auf einen offiziellen Index], C‑265/22, EU:C:2023:578, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

57        Vorliegend wurden zusammen mit der Neuregelung zum einen besondere Vorschriften getroffen, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln, nämlich Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61. Da der Kooperationsvertrag am 27. Juni 2014 geschlossen wurde, war zum anderen insoweit, als der Vertrag an dem Tag, an dem die Gesellschaft TFC ihre Zulassung erhielt, d. h. am 18. August 2014, immer noch in Kraft war und verschiedene Vergütungen zugunsten von HJ, IK und LM vorsah, unter dem Vorbehalt der durch das vorlegende Gericht vorzunehmenden Überprüfungen, die Rechtsposition nicht erworben und entfaltete weiterhin ihre Wirkungen.

 

58        Daraus folgt, dass der Zeitpunkt, zu dem die sich aus diesem Vertrag ergebende Vergütung vereinbart wurde, für die Beantwortung der ersten Frage unerheblich ist, zumal der Unionsgesetzgeber mit dem in Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 vorgesehenen Übergangszeitraum für AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach dieser Richtlinie ausübten, gerade die Möglichkeit vorgesehen hat, sich schrittweise an die Anforderungen dieser Richtlinie anzupassen.

 

59        Entgegen dem Vorbringen der Kläger des Ausgangsverfahrens in ihren schriftlichen Erklärungen steht diese Auslegung auch im Einklang mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der nach der Rechtsprechung der rückwirkenden Anwendung einer neuen Rechtsvorschrift, also der Anwendung auf einen vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Sachverhalt, entgegensteht und verlangt, dass jeder Sachverhalt normalerweise, soweit nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt ist, anhand der zu der entsprechenden Zeit geltenden Rechtsvorschriften beurteilt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2022, VYSOČINA WIND, C‑181/20, EU:C:2022:51, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem entspricht sie, wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, derjenigen der ESMA, die nach Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2011/61 sicherstellt, dass Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik bestehen, die Anhang II dieser Richtlinie entsprechen, und die in ihren in Rn. 28 des vorliegenden Urteils genannten öffentlich zugänglichen Informationen ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Vergütungsbestimmungen dieser Richtlinie und die entsprechenden Leitlinien für die AIFM ab dem Zeitpunkt gelten, zu dem sie ihre Zulassung erhalten haben.

 

60        Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, von AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten nach dieser Richtlinie ausübten, zu verlangen, dass sie den sich aus Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die Vergütungspolitik und ‑praxis ab dem Zeitpunkt des Erhalts der Zulassung in vollem Umfang nachkommen, sofern sie binnen eines Jahres ab dem 22. Juli 2013 einen Antrag auf Zulassung gestellt haben.

 

Zur zweiten Frage

61        In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob bei einem AIFM, der in der Zeit vom 22. Juli 2013 bis zum Zeitpunkt des Erhalts der Zulassung zu Vergütungsbedingungen, die nicht den Anforderungen der nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 13 der Richtlinie 2011/61 in nationales Recht entsprechen, einen Angestellten einstellt oder einen Geschäftsführer ernennt, davon ausgegangen werden kann, dass er alle erforderlichen Maßnahmen im Sinne von Art. 61 dieser Richtlinie ergreift, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen.

 

62        Das vorlegende Gericht möchte also im Wesentlichen wissen, welche Tragweite die in Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 enthaltene Wendung hat, wonach diese AIFM während des in dieser Bestimmung genannten Übergangszeitraums „alle erforderlichen Maßnahmen [ergreifen], um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“, was die in Art. 13 dieser Richtlinie genannte Vergütungspolitik und ‑praxis anbelangt.

 

63        Wie in Rn. 51 des vorliegenden Urteils zum einen festgestellt, wird eine Zulassung nur erteilt, wenn die zuständigen Behörden aufgrund der Angaben, die ihnen der betreffende AIFM in seinem Antrag auf Zulassung übermittelt hat, davon überzeugt sind, dass dieser in der Lage ist, den Verpflichtungen aus der Richtlinie 2011/61 nachzukommen. Zum Zeitpunkt der Zulassung müssen diese AIFM nämlich über Vergütungspolitiken und ‑praktiken verfügen, die mit den Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie, in ihrer Umsetzung in nationales Recht, im Einklang stehen. Außerdem ist dieser AIFM nach Erteilung der Zulassung verpflichtet, diesen Verpflichtungen, einschließlich der sich aus Art. 13 dieser Richtlinie ergebenden, jederzeit nachzukommen.

 

64        Zum anderen ergibt sich aus Rn. 58 des vorliegenden Urteils, dass der in Art. 61 der Richtlinie 2011/61 genannte Übergangszeitraum den betroffenen AIFM eine schrittweise Anpassung an die sich aus der Richtlinie 2011/61 ergebenden Anforderungen ermöglichen soll.

 

65        Um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2011/61 zu wahren, müssen die Mitgliedstaaten zwar während des in Art. 61 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Übergangszeitraums von einem Jahr dafür sorgen, dass AIFM, die bereits vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten gemäß der genannten Richtlinie ausübten, alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen, die Mitgliedstaaten müssen jedoch auch sicherstellen, dass diese AIFM keine Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Erzielung des durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisses ernstlich zu gefährden.

 

66        Daher ist die Wendung „ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“ im Sinne dieser Bestimmung dahin auszulegen, dass sie bedeutet, dass AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten ausübten, keine Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Verwirklichung des Ziels der Richtlinie 2011/61 ernstlich zu gefährden.

 

67        Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 61 Abs. 1 der Richtlinie 2011/61 dahin auszulegen ist, dass die Wendung „ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um dem aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Recht nachzukommen“ bedeutet, dass AIFM, die vor dem 22. Juli 2013 Tätigkeiten ausübten, keine Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie ernstlich zu gefährden.

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