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Wirtschaftsrecht
19.01.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Nürnberg: Vertragliches Widerrufsrecht bei Verwendung einer Widerrufsbelehrung durch die Bank

OLG Nürnberg , Urteil  vom 10.01.2012 - Aktenzeichen 14 U 1314/11 (Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth vom 18.05.2011 )
Amtliche Leitsätze: 1. Verwendet eine Bank gegenüber einem Drittsicherungsgeber eine Widerrufsbelehrung, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, liegt darin die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts. 2. Auch die Vereinbarung eines Widerrufsrechts nach den für das gesetzliche Widerrufsrecht geltenden Vorschriften ist möglich, aber nicht generell anzunehmen. 3. Für zusammengehörige, wenn auch in getrennten Formularen niedergelegte Erklärungen eines Drittsicherungsgebers kann eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt werden. 4. Eine allgemein gehaltene Widerrufsbelehrung, die als Widerrufsfolgen die Verpflichtung zur Rückgewähr beiderseits empfangener Leistungen und zur Herausgabe ggf. gezogener Nutzungen nennt, kann von einem verständigen Drittsicherungsgeber nicht so verstanden werden, dass er im Widerrufsfall das - nicht ihm gewährte - Darlehen zurückzuzahlen habe.
  Amtliche Normenkette: BGB § 312; BGB § 355; BGB § 357; BGB § 360;
Gründe: 
I. Die klagende Sparkasse macht Ansprüche aus einer von der Beklagten unterzeichneten Verpflichtungserklärung geltend. 
Die Beklagte unterzeichnete als Alleineigentümerin des Grundstücks H. S. Nr. ... in R. zur Sicherung von Darlehen, die die Klägerin ihrem Ehemann gewährte, folgende Schriftstücke, wobei Formulare der Klägerin verwendet wurden: 
- Unter dem 30.5.2007 eine Abtretung des Rückgewähranspruchs hinsichtlich einer Grundschuld, die auf dem Grundstück zugunsten einer anderen Bank bestellt worden war (Anlage K 5), 
- unter dem 13.6.2007 eine Erklärung, wonach sie sich u. a. verpflichtete, auf Verlangen der Klägerin eine sofort fällige und vollstreckbare Grundschuld über 75.000 € mit 18 v. H. p. a. Zinsen auf dem Grundstück an nächstoffener Rangstelle eintragen zu lassen (Anlage K 1) sowie 
- unter dem 13.6.2007 eine "Widerrufsbelehrung für Haustürgeschäfte" "zu Verpflichtungserklärung und Abtretung Rückgewährsansprüche vom 30.5.2007" (Anlage K 4). 
Die genannte Abtretung des Rückgewähranspruchs enthält auch folgende Formulierung: 
"Der Sicherungsgeber verpflichtet sich, Sie unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Wechsel des Grundschuldgläubigers, insbesondere infolge Abtretung der Grundschuld(en), bekannt wird." 
Die genannte Widerrufsbelehrung besteht u. a. aus folgenden Regelungen: 
"Widerrufsrecht 
Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. ... 
Widerrufsfolgen 
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Das kann dazu führen, dass sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen. ..." 
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8.2.2010 widerrief die Beklagte ihre in der unter dem 13.6.2007 unterzeichneten Verpflichtungserklärung abgegebenen Willenserklärungen. Der wiederholten Aufforderung durch die Klägerin, ihr die entsprechende Grundschuld zu bestellen, kam die Beklagte nicht nach. 
H.H 
Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg - Fürth vom 18.5.2011 Bezug genommen. 
Das Landgericht hat die Klage auf Bewilligung der Grundschuldeintragung abgewiesen, da der Beklagten ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt worden sei, über das sie nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. 
Die Klägerin meint, dass es einen logischen Widerspruch darstelle, wenn man von einem vertraglichen Widerrufsrecht hinsichtlich der Verpflichtungserklärung ausgehe, wenn unklar sei, ob sich die Widerrufsbelehrung darauf beziehe. Da Verpflichtungs- und Abtretungserklärung sowie die Widerrufsbelehrung von der Beklagten unstreitig in einem Zug unterschrieben worden seien, stelle sich die Frage nach einem unterschiedlichen Fristenlauf nicht. Auch für die Beklagte als Laien sei klar gewesen, dass sie keine Leistung von der Klägerin erhalten und dementsprechend im Falle des Widerrufs eine solche auch nicht zurückzugewähren habe. 
Die Klägerin beantragt: 
1. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg - Fürth vom 18.5.2011, Az. 1 O 10077/10, wird aufgehoben. 
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Eintragung einer sofort fälligen und vollstreckbaren Buchgrundschuld in Höhe von 75.000 € nebst Zinsen in Höhe von 18% p. a. ab dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung auf dem Grundstück H. S. Nr. ... in R., eingetragen im Grundbuch von B., Amtsgericht Fürth, Blatt ..., Flurnr. ..., an nächstoffener Rangstelle in Abteilung III des Grundbuchs zu bewilligen. 
Die Beklagte beantragt, 
die Berufung zurückzuweisen. 
Die Beklagte ist der Ansicht, dass auch hinsichtlich der Verpflichtungserklärung ein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart worden sei. Allerdings habe die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen. Es sei unklar, ob sich die Widerrufsbelehrung auf die Verpflichtungserklärung beziehe, zudem sei eine Belehrung für mehrere Verträge unwirksam. Die Beklagte macht geltend, nicht zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der unterschiedlich datierten Urkunden vorgetragen zu haben. Hinsichtlich der Widerrufsfolgen sei die Widerrufsbelehrung irreführend, da sie suggeriere, die Beklagte habe neben dem Darlehensnehmer für die Rückzahlung einschließlich der Zinsen einzustehen. Es seien die gesetzlichen Vorschriften für Haustürgeschäfte heranzuziehen, da die Klägerin mit ihrer Widerrufsbelehrung diesen Eindruck erweckt habe. 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. 
Der Senat hat die Beklagte persönlich angehört (vgl. Sitzungsniederschrift vom 13.12.2011, Bl. 106 ff. d. A.). 
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist gemäß ihrer unter dem 13.6.2007 abgegebenen Verpflichtungserklärung (Anlage K 1) zur Bestellung der Grundschuld verpflichtet, da sie diese Willenserklärung nicht wirksam widerrufen hat. 
1. Das Widerrufsrecht der Beklagten ergibt sich nicht aus § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Hierfür ist nicht ausreichend, dass sie in ihrer Wohnung Unterschriften geleistet hat. Zur notwendigen Bestimmung durch mündliche Verhandlungen, die in der Wohnung stattgefunden haben, trägt die Beklagte aber nichts vor. Auch der Senat legt wie das Erstgericht zugrunde, dass eine solche Überrumpelungssituation nicht bestand, da die Unterschriftsleistung lediglich den Endpunkt vorausgegangener längerer anderweitiger Gespräche über den Darlehenswunsch des Ehemannes der Beklagten dargestellt hat. 
2. In Betracht kommt somit lediglich ein durch die Verwendung der von der Beklagten unterschriebenen Widerrufsbelehrung (Anlage K 4) vereinbartes vertragliches Widerrufsrecht. Dieses berechtigt aber nicht zu dem von der Beklagten erst im Jahr 2010 erklärten Widerruf. 
2.1 Wenn zweifelhaft wäre, ob sich die Widerrufsbelehrung auch auf die hier streitgegenständliche Verpflichtungserklärung erstreckt, ergäbe sich insoweit nur aus der zu Lasten des Verwenders gehenden Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB ein Widerrufsrecht. Dieses wäre dann aber jedenfalls nach Ablauf der in der Belehrung genannten zweiwöchigen Widerrufsfrist erloschen. 
2.2 Der Senat geht aber davon aus, dass mit der in der Widerrufsbelehrung zitierten "Verpflichtungserklärung" erkennbar nur die unter demselben Datum von der Beklagten unterzeichnete und in der Überschrift ausdrücklich so benannte streitgegenständliche gemeint sein kann. Der Beklagten wurde also auch insoweit ein Widerrufsrecht eingeräumt (vgl. BGH, Urteil vom 30.6.1982, Az. VIII ZR 115/81, NJW 1982, 2313 f.; Palandt, 71. Aufl., § 355 BGB Rn. 16). 
Die Vertragsparteien können auch ein Widerrufsrecht nach den für das gesetzliche Widerrufsrecht geltenden Vorschriften vereinbaren (OLG Köln, Urteil vom 22.7.2009, Az. 27 U 5/09, Rn. 25 nach juris; Palandt, 71. Aufl., Vorbemerkung vor § 355 BGB Rn. 5). Bei durch Vermittler vertriebenen Gesellschaftsbeitritten mag man zu diesem Auslegungsergebnis kommen (vgl. OLG Köln, aaO., und daran anschließend OLG Hamm, Urteil vom 10.3.2011, Az. 27 U 91/10, Rn. 12 ff. nach juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.5.2011, Az. 9 U 43/10, Rn. 41 ff. nach juris). 
Die hiesige Widerrufsbelehrung (Anlage K 4) ist zwar in der Überschrift als solche "für Haustürgeschäfte" bezeichnet. Dies reicht aber nicht aus, um einen Vertragswillen der Parteien annehmen zu können, dass die gesetzlichen Vorschriften für Haustürgeschäfte auch dann gelten sollen, wenn die Voraussetzungen von § 312 Abs. 1 S. 1 BGB gar nicht vorliegen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30.12.2009, Az. 23 U 16/08, Rn. 70 nach juris). Ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht muss sich daher auch nicht in jedem Fall "an den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere an den §§ 312, 355, 360 BGB, für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung messen" lassen (so aber Ebnet, NJW 2011, 1029, 1031 u. Palandt, 71. Aufl., § 355 BGB Rn. 16 nach juris). Das von Ebnet und bei Palandt als Begründung für die dort vertretene Ansicht herangezogene Urteil des BGH vom 9.12.2009, Az. VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989, insbes. Rn. 17, befasst sich mit dem gesetzlichen und nicht mit dem vertraglichen Widerrufsrecht. 
Somit wäre es selbst dann nicht geboten gewesen, für die Abtretung des Rückgewähranspruchs eine einmonatige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB einzuräumen, wenn diese vor Erteilung der Widerrufsbelehrung vereinbart worden wäre. 
2.3 Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung entspricht aber auch den Anforderungen der §§ 355, 360 BGB. 
Die Monatsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. (= § 355 Abs. 2 S. 3 BGB n. F.) ist hier nicht einschlägig, so dass über sie auch nicht zu belehren war. Die streitgegenständliche Verpflichtungserklärung (Anlage K 1) und die Widerrufsbelehrung (Anlage K 4) sind - wie jeweils handschriftlich eingetragen ist - unter dem 13.6.2007 in Roßtal unterschrieben worden. Die Abtretung des Rückgewähranspruchs (Anlage K 5) trägt zwar die maschinenschriftliche Eintragung "Fürth, 30.05.2007". Alle drei Schriftstücke sind aber gemäß Eingangsstempel am 15.6.2007 bei der Klägerin eingegangen. Die Beklagte konnte sich bei ihrer Anhörung durch den Senat nur an mehrere in ihrem Wohnzimmer zusammenhängend geleistete Unterschriften erinnern. Auch die Abtretung des Rückgewähranspruchs ist also nicht vor Erteilung der Widerrufsbelehrung vereinbart worden. 
Die Widerrufsbelehrung macht ausreichend deutlich, dass sie sich sowohl auf die Verpflichtungserklärung (Anlage K 1) als auch die Abtretung des Rückgewähranspruchs (Anlage K 5) bezieht. Es handelt sich um zusammengehörige Sicherungsgeschäfte für dem Ehemann gewährte Darlehen, obwohl getrennte Formulare verwendet wurden. Eine einheitliche Widerrufsbelehrung war daher zulässig, auch wenn im Regelfall für getrennte Verträge gesonderte Widerrufsbelehrungen erforderlich sein mögen (vgl. Palandt, 71. Aufl., § 360 BGB Rn. 2 (6) - allerdings ohne Nachweise). 
Die Widerrufsbelehrung verstößt hinsichtlich der Widerrufsfolgen auch nicht gegen § 312 Abs. 2, § 357 Abs. 1 u. 3 BGB. Es wird keineswegs nur über die Pflichten des Verbrauchers informiert (vgl. BGH, Urteil vom 12.4.2007, Az. VII ZR 122/06, NJW 2007, 1946 f.). Die Beklagte wusste, dass ihr Ehemann und nicht sie die Darlehensverträge mit der Klägerin geschlossen hatte bzw. schließen würde. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners waren die allgemein gehaltenen Formulierungen daher nicht so zu verstehen, dass die Beklagte, die von der Klägerin nichts erhalten hatte, der Klägerin im Widerrufsfalle etwas zurückzugewähren oder herauszugeben habe. Über die Auswirkungen eines Widerrufs auf das Rechtsverhältnis zwischen ihrem Ehemann und der Klägerin musste die Beklagte mangels gesetzlicher Verpflichtung keinesfalls belehrt werden. 
III. 1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. 
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 S. 2, § 711 ZPO. 
3. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Senat weicht von obergerichtlicher Rechtsprechung nicht in entscheidungserheblicher Weise ab. 
 
 

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