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Wirtschaftsrecht
14.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG München: Verstoß gegen das Transparenzgebot – Unklarheit über die Geltung mehrerer Klauseln mit dem gleichen Regelungsthema

OLG München, Urteil vom 22.3.2012 - 23 U 4793/11

Sachverhalt

1. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Provisionsansprüche aufgrund der Vermittlung eines Finanzierungsvertrages geltend. Mit der Drittwiderklage nimmt die Beklagte den Zedenten auf Zahlung von Mietzins in Anspruch, wobei diese Forderung nach dem Inhalt des Mietvertrages vom Bestehen der Provisionsansprüche abhängig sein kann.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, das der Klage voll umfänglich stattgegeben und die Drittwiderklage als unbegründet abgewiesen hat, wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiter (Blatt 172 d.A.). Sie rügt insbesondere, dass das Landgericht _ zumal ohne Beweisaufnahme _ nicht von der alleinigen Maßgeblichkeit des Handelsvertretervertrages hinsichtlich der Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs hätte ausgehen dürfen. Zudem hätte das Landgericht nicht ignorieren dürfen, dass die Beklagte eingeräumt hat, dass der Zeuge G. an die Beklagte einen Betrag von 2.722,12 € zuviel an Honorar gezahlt hat, wodurch sich der Anspruch der Klägerin jedenfalls um 1.361,06 € brutto vermindern würde.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte verteidigen das angegriffene Urteil und beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Aus den Gründen

2. Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der Klageforderung nur insoweit Erfolg, als die von der Beklagten eingeräumte Überzahlung des Zeugen G. zu berücksichtigen ist. Hinsichtlich der Drittwiderklage hat die Berufung dagegen in der Sache überwiegend Erfolg, weil der geltend gemachte Mietzins vom Drittwiderbeklagten für den Zeitraum vom 19.10.2010 bis zum 31.12.2010 zu entrichten ist.

2.1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Provisionsanspruch aus abgetretenem Recht dem Grunde nach zu gemäß § 87 Abs. 1 HGB, § 398 BGB i.V.m. § 5 des Handelsvertretervertrages. Der Drittwiderbeklagte war unstreitig für die Beklagte als Handelsvertreter tätig. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Drittwiderbeklagte durch seine Vermittlungstätigkeiten mitursächlich für die erfolgreiche Vermittlung des Finanzierungsvertrages im Fall des Zeugen G. geworden ist und die

Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs des Drittwiderbeklagten nach § 5 Abs. 1 Ziff. 2 des Handelsvertretervertrages erfüllt waren. Diese Feststellungen werden von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung nicht angegriffen, konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Feststellung des Landgerichts begründen könnten, sind auch nicht ersichtlich. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass nach Ziffer II. 2. des Kooperationsübereinkommens zwischen der Beklagten und dem Drittwiderbeklagten ein Provisionsanspruch nur dann entstehen konnte, wenn der Finanzierungsvertrag ausschließlich aufgrund der Vermittlungstätigkeit des Drittwiderbeklagten zustande gekommen war und dieser den Finanzierungsantrag vollständig selbst vorbereitet hatte. Denn selbst unter Zugrundelegung des Sachvortrages der Beklagten wäre diese Klausel kein wirksamer Bestandteil der Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Drittwiderbeklagten geworden, sondern nach § 307 BGB als unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen. 2.1.1. Nach dem Vortrag der Beklagten schloss sie mit jedem ihrer Handelsvertreter ab einem bestimmten Zeitpunkt jeweils gleichzeitig ein Kooperationsübereinkommen und einen Handelsvertretervertrag ab. Nach dem Vortrag der Beklagten waren diese Vereinbarungen, jedenfalls was die Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs betrifft, inhaltlich identisch mit den mit dem Drittwiderbeklagten geschlossenen Verträgen und wurden sowohl vor der Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit dem Drittwiderbeklagten (z. B. Anlage BK 2) als auch danach (z. B. Anlage BK 1) von der Beklagten verwandt. Nach dem Vorbringen der Beklagten handelt es sich daher bei den Bestimmungen in Ziffer II. 2. des mit dem Drittwiderbeklagten geschlossenen Kooperationsübereinkommens um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die von der Beklagten gestellt wurden, mithin also um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. 2.1.2. Es kann dahinstehen, ob das Abstellen auf die alleinige Ursächlichkeit der Vermittlungstätigkeit des Kooperationspartners als Voraussetzung für das Entstehen seines Provisionsanspruchs eine überraschende Klausel im Sinn des § 305 c Abs. 1 BGB darstellt, wie die Klägerin meint. Jedenfalls ist die entsprechende Klausel in Ziffer II. 2. des Kooperationsübereinkommens nach Ansicht des Senats nämlich deshalb unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstößt und daher den Drittwiderbeklagten in unangemessener Weise benachteiligte, § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB. Die den Drittwiderbeklagten unangemessen benachteiligende Unklarheit der Regelung ergibt sich hier schon aus dem von der Beklagten behaupteten Nebeneinander von Kooperationsübereinkommen und Handelsvertretervertrag. Der Handelsvertretervertrag stellt in § 5 Ziffer 1. hinsichtlich der für das Entstehen des Provisionsanspruchs erforderlichen Ursächlichkeit der Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters keine besonderen Anforderungen, sondern übernimmt insoweit den Wortlaut des § 87 Abs. 1 HGB (_auf seine Tätigkeit zurückzuführen_). Hinsichtlich § 87 Abs. 1 HGB genügt die Mitursächlichkeit der Vermittlungstätigkeit, sofern sie nicht ganz nebensächlich gewesen ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 87 Rz. 11, § 84 Rz. 22), was vom Landgericht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Da es sich bei dem Handelsvertretervertrag nach dem Vorbringen der Beklagten ebenfalls um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist der dortige § 5 Ziffer 1. gemäß § 305 c Abs. 2 BGB so auszulegen, dass keine über das gesetzliche Maß hinausgehende Anforderungen an die Ursächlichkeit der Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters gestellt werden. Es findet sich in dem Handelsvertretervertrag auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Bestimmungen im Kooperationsübereinkommen insoweit vorrangig sein sollten _ auch nicht hinsichtlich sogenannter _direkter_ Geschäfte. Dies ergibt sich auch nicht aus der Art und Weise der jeweiligen Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs. Sowohl im Handelsvertretervertrag als auch im Kooperationsübereinkommen sind die Voraussetzungen vergleichsweise detailliert geregelt. Damit war aber _ unterstellt beide Vereinbarungen wurden, wie von der Beklagten vorgetragen, zeitgleich abgeschlossen _ zumindest unklar, ob nun die Regelungen des Kooperationsübereinkommens oder die des Handelsvertretervertrages maßgeblich sein sollten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt vor, wenn unklar bleibt, welche von mehreren Klauseln mit dem gleichen Regelungsthema unter welchen Voraussetzungen gelten soll (Coester in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 307 Rn. 190). Dies führt dazu, dass die von der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung in Ziffer II. 2. des Kooperationsübereinkommens unwirksam ist, § 306 Abs. 1, Abs. 2 BGB, während der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Dass darin eine unzumutbare Härte im Sinn des § 306 Abs. 3 BGB für die Beklagte läge, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten der Provisionsanteil des Drittwiderbeklagten mit 50 % als vergleichsweise hoch anzusehen ist, genügt insoweit nicht. Im Übrigen spricht nach Ansicht des Senats auch viel dafür, dass die von der Beklagten in Ziffer II. 2. des Kooperationsübereinkommens verwendete Klausel den Handelsvertreter auch inhaltlich unangemessen benachteiligt, so dass auch nach § 307 Abs. 2 BGB von einer Unwirksamkeit auszugehen wäre. Denn das Abstellen auf die alleinige Ursächlichkeit der Vermittlungstätigkeiten des Handelsvertreters und die vollständige Vorbereitung des Finanzierungsantrages durch diesen setzt den Handelsvertreter der Gefahr aus, dass sein Provisionsanspruch trotz nachhaltiger Vermittlungstätigkeiten hinfällig wird, weil die Beklagte _ und sei es in ganz untergeordneten Umfang _ bei der Vermittlung bzw. Vorbereitung der Finanzierungsanträge selbst tätig wird (vgl. auch BAG Urteil vom 22.01.1971, Az. 3 AZR 42/70). Etwaige Schadensersatzansprüche des Handelsvertreters gegen die Beklagte wegen treuwidriger Verhinderung des Entstehens des Provisionsanspruchs sind hierfür kein angemessener Ausgleich. Auch die Provisionshöhe von 50 % kann die von der Beklagten gestellte Klausel wohl nicht rechtfertigen, zumal bei bloßer Mitursächlichkeit der Vermittlertätigkeit des Handelsvertreters nicht lediglich ein geringerer Provisionssatz, sondern überhaupt keine Provisionszahlung vorgesehen ist.

2.2. Der Höhe nach ergibt sich der Provisionsanspruch aus der Provisionstabelle Ziffer I. 3. (Anlage K 3). Soweit der Provisionsanspruch dort mit 50 % des vom Kunden an die Kreditkontrolle GmbH geleisteten Direkthonorars angegeben wird, kann dies bei der erforderlichen objektiven Auslegung jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht so verstanden werden, dass allein maßgeblich sein soll, welcher Betrag vom Kunden überwiesen wurde. Dies würde

bei einer Überzahlung zu einer durch nichts zu rechtfertigenden Mehreinnahme des Handelsvertreters führen. Vielmehr ist die Klausel so zu verstehen, dass dem Handelsvertreter 50 % des vom Kunden geschuldeten und geleisteten Honorars zustehen sollte. Die Klägerin hat zwar bestritten, dass dem Zeuge G. von der Beklagten Rückzahlungen hinsichtlich des von ihm gezahlten Honorars geleistet wurden. Sie hat aber nicht bestritten, dass die Abrechnung der Beklagten gegenüber dem Zeugen G. in Höhe von 2.722,12 € überhöht war, der Zeuge G. also insoweit ohne Rechtsgrund leistete. Daher ist dieser Vortrag der Beklagten _ auch wenn er nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erfolgte _ bei der Berechnung des Provisionsanspruchs der Höhe nach zugrunde zu legen. Daraus folgt der Abzug von dem vom Landgericht zugesprochenen Zahlungsbetrag in Höhe von 1.361,06 €.

2.3. Der mit der Drittwiderklage geltend gemachte Mietzinsanspruch steht der Beklagten für den Zeitraum vom 19.10.2010 bis 31.12.2010 und damit in Höhe von 4.317,63 € zu. Eine "Aussetzung" der Mietzinszahlung war nach Ziffer 4 des Mietvertrages (Anlage B 7) nur für den jeweiligen _Folgemonat_ (bzw. die jeweiligen Folgemonate) vereinbart, nachdem durch die Vermittlung des Mieters Honorarnoten von mehr als 10.000,-- € auf Konten der Beklagten verbucht wurden. Die Möglichkeit eines Erlasses der Mietzahlung für den Monat des Eingangs des Honorars selbst oder die Rückwirkung des Erlasses auf die Monate vor Verbuchung des Honorars lässt sich der Regelung in Ziffer 4. des Mietvertrages nicht entnehmen. Unstreitig wurden die Honorarzahlungen des Zeugen G. im Dezember 2010 verbucht. Damit konnte ein Erlass der Mietzinszahlung erst für den Januar 2011 eintreten. Der im Übrigen der Höhe nach unstreitige Mietzinsanspruch der Beklagten von monatlich 1.780 EUR brutto war daher lediglich hinsichtlich des auf den Zeitraum 01.01.2011 bis 07.01.2011 entfallenen Teil der geltend gemachten Forderung zu kürzen. Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 711 und 543 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf EUR 31.088,75.

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