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Wirtschaftsrecht
22.09.2021
Wirtschaftsrecht
BGH: Schadensersatzklage eines Kabelnetzbetreibers wegen Verstoßes gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot

BGH, Urteil vom 6.7.2021 – KZR 11/18

ECLI:DE:BGH:2021:060721UKZR11.18.0

Volltext: BB-Online BBL2021-2241-1

Amtlicher Leitsatz

Für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot reicht es aus, dass die durch wettbewerbskonforme Gründe nicht gerechtfertigte erhebliche Ungleichbehandlung geeignet ist, sich nachteilig auf die Wettbewerbsposition des diskriminierten Unternehmens auszuwirken. Eine tatsächlich eingetretene erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung ist nicht erforderlich (hier: ungleiche Behandlung von Breitbandkabelunternehmen bei der Zahlung von Einspeiseentgelten).

GWB § 20 Abs. 1, § 33 Abs. 1, 3

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Kabelnetzbetreiberin, verlangt von der Beklagten, der Veranstalterin des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Schadensersatz wegen der unterlassenen Zahlung von Einspeiseentgelten in den Jahren 2008 bis 2012.

Die Klägerin betreibt ein Breitbandkabelnetz im Großraum Hamburg, über das sie Fernsehprogramme verbreitet und Telefonie- und Internetdienste anbietet. Im Zeitraum 2008 bis 2012 stieg die Zahl der an ihr Netz angeschlossenen Haushalte; im gleichen Zeitraum stiegen auch ihre Umsätze im Fernsehbereich und ihre Gewinne. Die Beklagte stellt der Klägerin und anderen Kabelnetzbetreibern ihre Programmsignale für das Hauptprogramm ZDF und die Zusatzprogramme ZDFInfo, ZDFkultur und ZDFneo (nachfolgend: Zusatzprogramme) zur Einspeisung zur Verfügung. Das Hauptprogramm ZDF gehört zu den Kabelkanälen, deren Belegung im analogen Kabelnetz die Medienanstalt Hamburg/Schleswig/Holstein nach § 30 Abs. 3 Medienstaatsvertrag HSH bestimmt hat; die Zusatzprogramme waren in digitaler Form zu übertragen (nachfolgend: MustCarry-Verpflichtung).

Für die Weiterleitung der Programmsignale in Kabelnetzen zahlten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, so auch die Beklagte, bis Ende 2012 Entgelte ausschließlich an die vier größten Kabelnetzbetreiber in Deutschland, die Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH (nachfolgend: Kabel Deutschland), die Unitymedia NRW GmbH, die Unitymedia Hessen GmbH & Co KG und die Kabel Baden-Württemberg GmbH (diese und Kabel Deutschland nachfolgend: Regionalgesellschaften). An deren Netze waren 15,9 Millionen der 19 Millionen Kabelhaushalte angeschlossen. Auf die Wettbewerberin der Klägerin in Hamburg, Kabel Deutschland, entfielen insgesamt Millionen Haushalte.

2011 verfügte Kabel Deutschland in Hamburg über einen Marktanteil von   %, die Klägerin über einen Marktanteil von   %.

Die zuletzt geschlossenen und bis zum 31. Dezember 2012 laufenden Einspeiseverträge hatte die Beklagte gemeinsam mit ARD, ARTE und DLR 2007 mit den Regionalgesellschaften verhandelt. Kabel Deutschland erhielt 2008 von der Beklagten Einspeiseentgelte in Höhe von € und für 2009 bis 2012 jeweils €. Die Klägerin versuchte vergeblich, ebenfalls Einspeiseentgelte von den öffentlich-rechtlichen Sendern, so auch der Beklagten, zu erhalten. Seit 2013 zahlen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an keinen Kabelnetzbetreiber mehr freiwillig ein Einspeiseentgelt.

Für die Einräumung der Rechte zur Kabelweitersendung zahlte die Klägerin 2008 bis 2012 eine urheberrechtliche Vergütung an die Wahrnehmungsgesellschaft GEMA. Da sie gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keine Einspeiseentgelte erhob, erhielt sie einen Rabatt.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr 2008 bis 2012 ebenso wie den Regionalgesellschaften ein Einspeiseentgelt zu zahlen und begehrt nunmehr noch Schadensersatz in Höhe von 218.294,56 € nebst Zinsen für die ihr entgangenen Einspeiseentgelte, hilfsweise Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes, weiter hilfsweise im Wege der Stufenklage Auskunft über die von der Beklagten an Kabel Deutschland gezahlten Entgelte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Aus den Gründen

7          Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8          I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet (Hanseatisches Oberlandesgericht, GRUR-RR 2019, 39):

9          Die Beklagte habe die Klägerin zwar als marktbeherrschendes Unternehmen durch Nichtzahlung eines Einspeiseentgelts anders behandelt als das gleichartige Unternehmen Kabel Deutschland. Es lägen aber keine Anhaltspunkte vor, die die für einen Missbrauch gemäß § 20 Abs. 1 GWB aF notwendige Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt tragen könnten. Bei der Beurteilung seien die an Kabel Deutschland in Höhe von Cent jährlich pro Wohneinheit gezahlten Einspeiseentgelte abzüglich des der Klägerin von der GEMA gewährten Rabatts von jährlich Cent je Wohneinheit zugrunde zu legen. Weitere Zahlungen, die die Klägerin nach ihrer Behauptung von anderen Sendeunternehmen erhalten hätte, wenn ihr der hier geltend gemachte Schadensersatz zugesprochen würde, seien nicht zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage sei eine spürbare Beeinträchtigung der Klägerin nicht feststellbar.

10        Jedenfalls aber führe die erforderliche umfassende Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte wettbewerbsfeindliche Ziele auf dem nachgelagerten Markt bezweckt oder verfolgt habe. Die Entscheidung der Beklagten, die Einspeisevergütungen weiter an die Regionalgesellschaften zu zahlen, sei im Hinblick auf die von der Beklagten dargelegten Gründe im Ausgangspunkt nachvollziehbar. Allenfalls habe die Klägerin Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung dieser Vergütung habe sie indes nicht vorgetragen.

11        Die Klägerin habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte gemäß § 19 Abs. 4 GWB aF Konditionen gefordert habe, die von denjenigen abwichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Als Verfügbarkeitsnutzen sei auf Seiten der Klägerin mindestens ein Viertel ihres jährlichen Umsatzes im Fernsehbereich zugrunde zu legen. Auf Seiten der Beklagten könnten allenfalls die auf die an das Netz der Klägerin angeschlossenen Haushalte entfallenden Werbeeinnahmen berücksichtigt werden. Damit übersteige der Wert des Verfügbarkeitsnutzens der Klägerin den des Verbreitungsnutzens der Beklagten deutlich.

12        II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

13        1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Alt. 2 GWB in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und 3 GWB in der hier anwendbaren bis zum Inkrafttreten der 8. GWB-Novelle geltenden Fassung (diese Fassung nachfolgend: aF; vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2016 - KZR 30/14, WuW 2016, 427 [juris Rn. 43] - NetCologne I) rechtsfehlerhaft verneint. Die Beklagte hat die Klägerin als marktbeherrschendes Unternehmen auf dem sachlich relevanten Nachfragemarkt der Übertragung von Programmsignalen über Breitbandkabel (vgl. BGH, WuW 2016, 427 Rn. 32 f. - NetCologne I) anders behandelt als die Regionalgesellschaften, indem sie ihr keine Einspeiseentgelte gezahlt hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gab es auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen dafür keinen sachlich gerechtfertigten Grund.

14        a) Eine vom Kläger dargelegte Ungleichbehandlung spricht prima facie für eine unzulässige Diskriminierung, die der Normadressat sodann sachlich zu rechtfertigen hat (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 - KZR 5/00, WRP 2002, 457, 459 [juris Rn. 17] - Privater Pflegedienst; Urteil vom 7. Dezember 2010 - KZR 5/10, WuW/E DE-R 3145 Rn. 57 - Entega II; Loewenheim in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl., § 19 GWB Rn. 48). Die Frage, ob für eine unterschiedliche Behandlung ein sachlich gerechtfertigter Grund besteht, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beantworten (st. Rspr., BGH, Urteil vom 19. März 1996 - KZR 1/95, WuW/E BGH 3058, 3063 - Pay-TV-Durchleitung; Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 40/02, BGHZ 160, 67, 77 - Standard-Spundfass; WuW/E DE-R 3145 Rn. 23 - Entega II; WuW 2016, 427 Rn. 48 - NetCologne I; Urteil vom 3. Dezember 2019 - KZR 29/17, WuW 2020, 327 Rn. 36 f. - NetCologne II; Urteil vom 24. November 2020 - KZR 11/19, WuW 2021, 174 Rn. 25 - Radio Cottbus).

15        Dabei enthält § 20 Abs. 1 Alt. 2 GWB aF keine allgemeine Meistbegünstigungsklausel, die das marktbeherrschende Unternehmen generell zwingt, allen die gleichen - günstigsten - Bedingungen einzuräumen. Auch dem marktbeherrschenden Unternehmen ist es nicht verwehrt, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren (BGHZ 160, 67, 78 f. - Standard-Spundfass; BGH, WuW/E DE-R 3145 Rn. 25 - Entega II; WuW 2020, 327 Rn. 36 - NetCologne II; Urteil vom 5. Mai 2020 - KZR 36/17, BGHZ 225, 269 Rn. 81 - FRAND-Einwand I).

16        Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung sind Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung entscheidend. Deren Zulässigkeit richtet sich insbesondere danach, ob die relative Schlechterstellung des betroffenen Unternehmens als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlichem oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind. Daneben ist im Auge zu behalten, dass die Unternehmen auf der Marktgegenseite nicht durch die Ausübung der Macht des marktbeherrschenden Unternehmens in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden sollen (BGH, WuW 2016, 427 Rn. 48 mwN - NetCologne I; WuW 2020, 327 Rn. 37 mwN - NetCologne II).

17        b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet. Es hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin eine erhebliche und spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung darzulegen und zu beweisen habe. Aus diesem Grund hat es sich einer umfassenden Interessenabwägung verschlossen und maßgebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen.

18        aa) Zwar liegt eine nach § 20 Abs. 1 GWB aF verbotene Diskriminierung nur vor, wenn sich die beanstandete Ungleichbehandlung nachteilig auf die Wettbewerbsposition des anspruchstellenden Unternehmens auszuwirken geeignet ist (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2011 - KZR 7/10, WuW/E DE-R 3446-3455, juris Rn. 32 - Grossistenkündigung). Das war hier - anders als in der der genannten Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung - indes der Fall. Die von dem Berufungsgericht festgestellte Ungleichbehandlung der Regionalgesellschaften einerseits und der Klägerin andererseits war für die Klägerin in erheblichem Maße nachteilig. Während die Beklagte an die Regionalgesellschaften Kabel Deutschland Einspeiseentgelte zahlte, erhielt die Klägerin (gar) keine Einspeiseentgelte für die erbrachte Einspeiseleistung. Die Konditionen, die die Beklagte der Klägerin und den Regionalgesellschaften gewährte, unterschieden sich daher erheblich. Die Ungleichbehandlung wirkte sich unmittelbar auf das Ergebnis der Klägerin und damit auf ihre Wettbewerbsposition gegenüber ihren Konkurrenten, insbesondere gegenüber Kabel Deutschland, aus (vgl. BGH, WuW 2020, 327 Rn. 44 - NetCologne II). Darauf, dass die Klägerin trotz der Benachteiligung ihre Umsätze und Gewinne zu steigern vermochte und die Auswirkungen der Ungleichbehandlung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für sie vergleichsweise wenig spürbar waren, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nach den oben ausgeführten Grundsätzen nicht an (vgl. auch BGH, WRP 2002, 457, 460 [juris Rn. 20] - Privater Pflegedienst).

19        bb) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Gründe für die Ungleichbehandlung darin lagen, dass Kabel Deutschland eine erhebliche Versorgungsrelevanz zukam, die Kapazitätsengpässe im digitalen Kabel wegfielen, Kabel Deutschland eine bedeutsame Marktstellung und starke Verhandlungsposition hatte und auch in der Vergangenheit wegen der historisch über Jahre hinweg nötigen Investitionen Einspeiseentgelte erhalten hatte, die nunmehr letztmalig, befristet bis 2012 gezahlt werden sollten. Dagegen habe die Klägerin ihre Investitionsentscheidung für den Aufbau eines Kabelnetzes getroffen, ohne auf Einspeisevergütungen angewiesen zu sein. Es hat diese Gründe zu Unrecht für geeignet gehalten, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

20        cc) Die Interessenlage der Beklagten war dadurch geprägt, dass sie wegen ihres Grundversorgungsauftrags jedenfalls grundsätzlich die Einspeiseleistungen aller Kabelnetzbetreiber in Anspruch nehmen musste und dies wegen deren Must-Carry-Verpflichtung auch konnte. Herkömmlich hatte sie den Regionalgesellschaften Einspeiseentgelte gezahlt. Das wollte sie nicht mehr fortsetzen, weil sie die Zahlungen durch die von den Kabelnetzbetreibern erbrachten Leistungen nicht mehr als gerechtfertigt ansah. Gleichwohl schloss sie – nach eigenem Vortrag wegen deren erheblicher Marktmacht - mit den Regionalgesellschaften 2007 einen bis Ende 2012 laufenden Vertrag, der die Zahlung von Einspeiseentgelten weiterhin vorsah.

21        dd) Die Klägerin hatte ein erhebliches Interesse daran, ebenso wie die Regionalgesellschaften und ihre unmittelbare Wettbewerberin Kabel Deutschland Einspeiseentgelte von den öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zu erhalten. Sie war aufgrund der Must-Carry-Verpflichtung zur Erbringung der gleichen Einspeiseleistungen wie die Regionalgesellschaften verpflichtet. Dabei stand sie der Beklagten als marktbeherrschendem Unternehmen gegenüber und verfügte im Verhältnis zu dieser und zu ihrer unmittelbaren Wettbewerberin Kabel Deutschland nur über eine sehr geringe Marktmacht. Die Klägerin war wegen des erforderlichen Aufbaus eines Breitbandkabelnetzes zudem erheblichen Zutrittsschranken zu dem Markt für die Bereitstellung von Kabelfernsehen an Endkunden ausgesetzt. Nach dem revisionsrechtlich als zutreffend zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin erhielt ihre Wettbewerberin Kabel Deutschland demgegenüber von allen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern Einspeiseentgelte in Höhe von insgesamt € pro Wohneinheit jährlich, davon € von den öffentlich-rechtlichen Sendern.

22        ee) Vor dem Hintergrund dieser Interessenlage war die erhebliche Schlechterstellung der Klägerin in Bezug auf die für die Einspeiseleistung gewährten Konditionen mit den vom Berufungsgericht festgestellten Gründen nicht als wettbewerbskonform zu rechtfertigen (vgl. BGH, WRP 2002, 457, 459 [juris Rn. 17 ff.] - Privater Pflegedienst; BGHZ 160, 67, 78 ff. - Standard-Spundfaß; BGH, WuW 2016, 427 Rn. 48 mwN - NetCologne I; WuW 2020, 327 Rn. 37 mwN - NetCologne II).

23        (1) Zu einer etwaigen Angebots- oder Leistungsdifferenz hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Im Gegenteil hat es ausgeführt, die Beklagte habe nicht ausreichend dazu vorgetragen, dass und warum die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die von der Beklagten mit Kabel Deutschland vereinbarten Spezifikationen einzuhalten.

24        (2) Im Hinblick auf die Ziele des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - Gewährleistung von Leistungswettbewerb und Offenheit des Marktzugangs - stellt es keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung dar, dass der marktmächtige Anbieter wegen der langjährig geübten Praxis und Geschäftsbeziehung letztmalig und befristet bevorzugt werden soll. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die befristete Bevorzugung einen erheblichen Zeitraum - hier fünf Jahre - umfasst (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 10/94, BGHZ 129, 53, 62 - Importarzneimittel).

25        (3) Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin - anders als Kabel Deutschland - in den Aufbau eines eigenen Breitbandkabelnetzes investiert hatte, ohne Einspeiseentgelte von der Beklagten zu erhalten. Das Berufungsgericht hat schon nichts dazu festgestellt, welcher Art die zur Begründung dieser Ungleichbehandlung herangezogenen Investitionen von Kabel Deutschland waren, in welchem Zeitraum sie erfolgt sind und warum die Beklagte sich gehalten sah, sich über die Zahlung von Einspeiseentgelten daran zu beteiligen. Jedenfalls widerspricht es aber den Zielen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, den marktmächtigen Anbieter, der bereits über eine erforderliche Infrastruktur verfügt, im Wettbewerb gegenüber seinen deutlich kleineren Konkurrenten mit der Begründung zu stärken, er müsse wegen seiner früheren Investitionen weiterhin bevorzugt behandelt werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - dafür keine wettbewerbskonformen Gründe dargelegt worden sind.

26        (4) Die von dem Berufungsgericht genannte Versorgungsrelevanz kann ebenfalls nicht als sachlich gerechtfertigter Grund für eine Nichtzahlung des Einspeiseentgelts angesehen werden, weil die Versorgung jedes Haushalts dem Interesse und dem Grundversorgungsauftrag der Beklagten (vgl. BGH, WuW 2020, 327 Rn. 30 - NetCologne II) grundsätzlich gleichermaßen entspricht. Eine Differenzierung mit dieser Begründung ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, wenn das zwischen der Beklagten und den Regionalgesellschaften vereinbarte Einspeiseentgelt - wie hier - nach der Zahl der angeschlossenen Haushalte berechnet wird.

27        (5) Dass die zuvor bestehenden Kapazitätsengpässe wegen der Verbreitung des digitalen Kabels wegfielen, betraf sowohl Kabel Deutschland als auch die Klägerin und stellt lediglich einen der Gründe dar, weshalb die Beklagte 2008 keine Einspeiseentgelte mehr zahlen wollte. Feststellungen dazu, dass Kabel Deutschland 2008 bis 2012 in größerem Maße von Kapazitätsengpässen betroffen war als die Klägerin, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es mag daher dahinstehen, ob dies eine Differenzierung hätte rechtfertigen können.

28        2. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aus § 20 Abs. 1 Alt. 2 GWB in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und 3 GWB aF scheitere daran, dass sie ausreichende Anknüpfungspunkte für die Schätzung einer angemessenen Vergütung gemäß § 287 ZPO nicht vorgetragen habe. Mit dieser Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verneint werden.

29        a) Steht, wie hier angesichts der Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde zu legen ist, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Bestimmung seiner Höhe, kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Dabei reicht eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen. Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, so ist es in der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Geschädigten jeden Ersatz zu versagen. Der Tatrichter muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist, und darf sie erst dann gänzlich unterlassen, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 - VIII ZR 174/12, NJW 2013, 2584 Rn. 20 mwN). Bei der Schätzung eines Diskriminierungsschadens sind ferner § 33 Abs. 3 Satz 3 GWB aF und § 252 Satz 2 BGB in den Blick zu nehmen.

30        b) Das Berufungsgericht hätte daher unter umfassender Würdigung aller erheblichen Umstände des Falles abschätzen müssen, ob die Beklagte ohne die wettbewerbswidrige Diskriminierung ein Einspeiseentgelt an die Klägerin gezahlt hätte und ob die Klägerin dabei den Klagebetrag als entgangenen Gewinn erzielt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 46 ff. - Lottoblock II). Das hat das Berufungsgericht verfehlt, obgleich es festgestellt hat, die Beklagte habe 2008 bis 2012 jedenfalls bis Cent jährlich pro angeschlossener Wohneinheit an Kabel Deutschland gezahlt. Angesichts der weiteren Feststellungen reichte dies für eine Schätzung nach den genannten Grundsätzen aus.

31        2. Die Revision rügt schließlich mit Recht die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin kein Anspruch wegen Ausbeutungsmissbrauchs nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 und 3 GWB aF zustehe. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein solcher Anspruch nicht verneint werden.

32        a) Zwar geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass es für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin von der Beklagten für die Einspeisung und Übertragung des Programmsignals ein Entgelt verlangen kann, maßgeblich darauf ankommt, in welchem Verhältnis die Werte der beiderseitigen Leistungen nach der Beurteilung des Marktes oder eines Vergleichsmarktes stehen (BGH, WuW 2020, 327 Rn. 23 mwN - NetCologne II). Für sich genommen ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, dass es das Berufungsgericht abgelehnt hat, den Wert der beiderseitigen Leistungen anhand des Entgelts zu bemessen, das die Beklagte an die Regionalgesellschaften aufgrund des 2008 geschlossenen Einspeisevertrags gezahlt hat (ebenda Rn. 27).

33        b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber gemeint, es könne nicht festgestellt werden, dass der Verbreitungsnutzen den Verfügungsnutzen übersteige.

34        aa) Der Wert der Leistung eines Kabelnetzbetreibers für einen Rundfunkveranstalter, der einen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen hat, bemisst sich auch und in erster Linie danach, inwieweit die Einspeisung in das Breitbandkabelnetz es dem Rundfunkveranstalter ermöglicht oder jedenfalls erleichtert, seinen Grundversorgungsauftrag umfassend zu erfüllen. Denn ein öffentlichrechtlicher Rundfunkveranstalter nutzt die Kabeleinspeisung nicht in erster Linie zur Erzielung höherer Werbeeinnahmen, sondern im Sinne des Grundversorgungsauftrags zur Erhöhung der Zuschauerreichweite. Dieser ist die Einspeisung in das Breitbandnetz jedenfalls dann dienlich, wenn eine erhebliche Zahl von Zuschauerhaushalten an das Kabelnetz angeschlossen ist und diese die Programme der Rundfunkanstalt aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht ohne weiteres auf andere Weise empfangen können. Der Wert der Leistung eines Kabelnetzbetreibers für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter kann daher nicht auf die Erschließung höherer Werbeeinnahmen reduziert werden (BGH, WuW 2020, 327 Rn. 30 - NetCologne II).

35        bb) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (BGH, ebenda) - die Bemessung des Werts der Leistung der Klägerin für die Beklagte nicht auf die Werbeeinnahmen beschränken dürfen, die die Beklagte bezogen auf die über das Kabelnetz der Klägerin zu erreichenden Zuschauer erzielt hat. Es hat damit die Prüfung auf Umstände verengt, die keine erschöpfende Beurteilung erlauben, ob ein missbräuchliches Verhalten vorliegt.

36        II. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil er einer vom Tatrichter vorzunehmenden Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht vorgreifen kann. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

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