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Wirtschaftsrecht
12.01.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Verlängerung eines zeitlich befristeten Frühbucherrabatts nicht zwangsläufig irreführend - Frühlings-Special

 

BGH, Urteil  7.7.2011 - I ZR 181/10

Amtliche Leitsätze:

Ein Reiseveranstalter, der mit einem zeitlich befristeten Frühbucherrabatt wirbt, muss sich grundsätzlich an die gesetzte Frist halten, will er sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung aussetzen. Der Verkehr rechnet indessen damit, dass es für die Verlängerung eines solchen Rabatts vernünftige Gründe wie beispielsweise eine schleppende Nachfrage geben kann. Trotz der Verlängerung erweist sich die ursprüngliche Ankündigung in einem solchen Fall nicht als irreführend.

 UWG § 5 Abs. 1 Nr. 2;

Tatbestand

 

Die Beklagte bietet Reisen für Kinder und Jugendliche an. Sie bewarb am 21. April 2009 auf ihrer Internetseite eine Kinderreise mit der Angabe

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Der Preisnachlass wurde auch nach Ablauf der Frist vom 30. April 2009 weiterhin gewährt. Die Beklagte erklärte dies einer Kundin gegenüber damit, dass sie weiterhin von günstigen Einkaufspreisen profitiere, was so nicht absehbar gewesen sei.

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Bereits zuvor war von der Beklagten ein befristeter Frühbucherrabatt in gleicher Höhe bei Buchung bis zum 31. März 2009 beworben und bis zum 17. April 2009 verlängert worden.

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Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Hamburg. Nach ihrer Auffassung liegt eine Irreführung der Verbraucher darin, dass die Beklagte den Preisvorteil auch nach Ablauf der zunächst mitgeteilten Frist weiterhin gewährt. Außerdem macht die Klägerin einen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 4 Nr. 4 UWG geltend.

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Die Klägerin hat mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage beantragt,

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es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

 

im geschäftlichen Verkehr im Internet Kinderreisen zu einem befristeten Frühbucherrabatt zu bewerben, wenn nach Ablauf der Befristung weiterhin lediglich der reduzierte Preis verlangt wird, hilfsweise der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr bei Internetangeboten für Kinderreisen, die für einen bestimmten Zeitraum mit einem Frühbucherrabatt beworben waren, nach Ablauf dieses Zeitraums die beworbenen Reisen weiterhin zu diesen rabattierten Frühbucherpreisen anzubieten.

 

Darüber hinaus hat die Klägerin Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 214 € nebst Zinsen verlangt.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten weiter.

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Entscheidungsgründe

 

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, weder die Werbung mit dem Frühbucherrabatt noch die Gewährung des Rabatts nach Ablauf der angekündigten Frist seien gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4, § 5 UWG unzulässig. Zur Begründung hat es ausgeführt:

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Eine relevante Irreführung im Sinne des § 5 UWG liege nicht vor. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Werbung für den zeitlich bis zum 30. April 2009 befristeten Frühbucherrabatt auf der Internetseite unwahr gewesen sei. Es sei nicht erwiesen, dass die Beklagte im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung bereits eine Verlängerung des Preisnachlasses geplant habe. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG komme ebenfalls nicht in Betracht. Auch nach dieser Vorschrift müssten nur bereits feststehende Verkaufsförderungsbedingungen angegeben werden. Über die Möglichkeit, dass eine Frist aufgrund späterer Überlegungen verlängert werden könne, habe die Beklagte nichts mitteilen müssen.

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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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1. Das Berufungsgericht hat den mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs(haupt)antrag zu Unrecht abgewiesen.

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a) Ein Unterlassungsanspruch der Beklagten aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

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aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils enthält.

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Nach dieser Vorschrift kann die irreführende Ankündigung einer Sonderverkaufsaktion wie etwa eines Jubiläumsverkaufs unzulässig sein (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rn. 6.5 ff.; Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 336; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rn. 429; Weidert in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. D 8). Die Ankündigung einer Sonderveranstaltung mit festen zeitlichen Grenzen kann sich als irreführend erweisen, wenn der Sonderverkauf über die angegebene Zeit hinaus fortgeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - I ZR 173/09 Rn. 18 -10% Geburtstags-Rabatt; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 6.6c).

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Für das Versprechen von zeitlich befristeten Preisnachlässen gilt grundsätzlich nichts anderes. Ob in einem solchen Fall bei den angesprochenen Verbrauchern durch die Ankündigung der Sonderaktion eine relevante Fehlvorstellung erzeugt wird, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier mögen sich deutliche Unterschiede zur Ankündigung einer Jubiläumsaktion ergeben, weil es aus der Sicht des Verkehrs für die Verlängerung eines Frühbucherrabatts - etwa im Falle schleppender Nachfrage - vernünftige Gründe gibt, mit denen der Verkehr rechnet und die daher sein Verständnis von vornherein beeinflussen. Auf der anderen Seite ist es für die Bejahung einer relevanten Fehlvorstellung nicht erforderlich, dass die Unrichtigkeit der Ankündigung bereits bei Erscheinen der Werbung feststand. Eine Ankündigung kann sich also auch als irreführend erweisen, wenn sich der Kaufmann erst nachträglich dazu entschließt, den Frühbucherrabatt über die angekündigte zeitliche Grenze hinaus zu gewähren und beispielsweise den Normalpreis überhaupt nicht mehr verlangt.

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Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 1 UWG sind als irreführende geschäftliche Handlungen nur unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben unlauter. Ein von der Richtigkeit der werblichen Angabe unabhängiges Durchführungsverbot, wie es das alte Recht in § 7 Abs. 1 UWG aF für Sonderveranstaltungen vorsah und auf das der Hilfsantrag abzielt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und unterfällt schon gar nicht dem Irreführungstatbestand des § 5 UWG (Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 6.9; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 4.11).

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bb) Ausgehend von diesen Maßstäben kann eine Irreführung der mit dem Hauptantrag angegriffenen Werbung mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat es zu Unrecht für unerheblich angesehen, dass die Beklagte selbst in der Werbung vorbehaltlos eine zeitliche Grenze der Rabattaktion angegeben hat und sich an diese Angabe nicht gehalten hat. Das Berufungsgericht hat insoweit bei der Beurteilung der für eine Irreführung maßgebenden Verkehrsauffassung die Umstände des Streitfalls nicht hinreichend gewürdigt.

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(1) Werden in der Ankündigung einer Vergünstigung von vornherein feste zeitliche Grenzen angegeben, muss sich der Kaufmann hieran grundsätzlich festhalten lassen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2010 - 20 U 186/08, [...] Rn. 20; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 6.6c). Dabei hängt die Frage der Irreführung maßgebend davon ab, wie der Verkehr die Werbung mit einem befristet gewährten Preisvorteil nach den Umständen des konkreten Falls versteht.

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Eine irreführende Angabe wird zum einen regelmäßig dann vorliegen, wenn der Unternehmer bereits bei Erscheinen der Werbung unabhängig vom Buchungsstand die Absicht hat, die Vergünstigung über die zeitliche Grenze hinaus zu gewähren, dies aber in der Werbung nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Denn ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher wird bei einem vorbehaltlosen Angebot eines Rabattes mit der Angabe eines Endtermins davon ausgehen, dass der Unternehmer den genannten Endtermin auch tatsächlich einhalten will (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - I ZR 173/09 Rn. 21 - 10% Geburtstags-Rabatt; KG, WRP 2009, 1426; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2010 - 20 U 186/08, [...] Rn. 21; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 4.11).

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Wird die Rabattaktion dagegen aufgrund von Umständen verlängert, die nach dem Erscheinen der Werbung eingetreten sind, wird regelmäßig danach zu unterscheiden sein, ob diese Umstände für den Unternehmer unter Berücksichtigung fachlicher Sorgfalt voraussehbar waren und deshalb bei der Planung der befristeten Aktion und der Gestaltung der ankündigenden Werbung berücksichtigt werden konnten. Denn der Verkehr wird nach der Lebenserfahrung zwar in Rechnung stellen, dass ein befristeter Sonderpreis aus Gründen verlängert wird, die bei Schaltung der Werbung erkennbar nicht zugrunde gelegt wurden. Mit einer Verlängerung aus Gründen, die bei Schaltung der Anzeige bereits absehbar waren, rechnet der Verkehr allerdings nicht. Dabei ist es grundsätzlich die Sache des Werbenden, die Umstände darzulegen, die für die Unvorhersehbarkeit der Verlängerungsgründe und für die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2000 - I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 f. = WRP 2000, 1131 - Lieferstörung, zur parallelen Problematik der Irreführung über die Angemessenheit eines Warenvorrats; vgl. auch Berneke, GRUR-Prax 2011, 235, 237).

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Ein solcher absehbarer Umstand kann auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer - wie im Streitfall - mit dem Rabatt bezweckt, die ihm gewährten günstigen Einkaufspreise an seine Kunden weiterzugeben, wenn und soweit für ihn bei sorgfältiger Beurteilung der Umstände erkennbar war, dass ihm solche günstigen Einkaufspreise auch nach Ablauf der Befristung weiter gewährt werden. Dabei kann von erheblicher indizieller Bedeutung sein, ob und in welchem Umfang der Unternehmer einen befristet beworbenen Vorteil bereits zuvor aus dem gleichen Grund verlängert hatte.

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(2) Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte bereits vor der angegriffenen Werbung mit der bis zum 30. April 2009 befristeten Rabattaktion einen befristeten Frühbucherrabatt in gleicher Höhe bei Buchung bis zum 31. März 2009 beworben und bis zum 17. April 2009 verlängert hatte. Als Grund für die Verlängerung des Frühbucherrabatts hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegenüber einer Kundin angegeben, dass sie weiterhin von zunächst nicht vorhersehbaren günstigen Einkaufspreisen profitiere, die sie an Kunden weitergeben wolle.

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Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - jedoch keine Feststellungen zur Verkehrserwartung von Verbrauchern getroffen, die sich bei der Buchung einer Reise im Internet der Werbung mit einem Frühbucherrabatt gegenübersehen. Weiter fehlen Feststellungen, ob es die Beklagten aufgrund der Umstände des Streitfalls, insbesondere wegen der bereits zeitnah zuvor aus demselben Grund verlängerten Frühbucherrabatts in gleicher Höhe, absehen konnte, dass ihr erneut günstige Einkaufspreise auch über den in der Werbung angegebenen Endtermin der Rabattaktion hinausgehend gewährt werden würden.

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Diese Umstände sind entscheidungserheblich. War die Fortdauer der günstigen Einkaufspreise über den beworbenen Endzeitpunkt hinaus für die Beklagte zum Zeitpunkt der Werbung mit der befristeten Rabattaktion absehbar, gebot es die fachliche Sorgfalt, nicht ohne einen entsprechenden aufklärenden Hinweis mit einem befristeten Rabatt zu werben. Denn der Verkehr geht - wie dargelegt - regelmäßig davon aus, dass eine vorbehaltlos befristet beworbene Rabattaktion nicht aus für den Unternehmer vorhersehbaren und daher in der Werbung anzugebenden Umständen verlängert wird. Auch die wettbewerbsrechtliche Relevanz einer solchen Fehlvorstellung ist gegeben. Sie ergibt sich daraus, dass durch die zeitliche Begrenzung der Gewährung eines herabgesetzten Preises der Verbraucher gezwungen wird, die Kaufentscheidung unter einem zeitlichen Druck vorzunehmen, der die Gefahr begründet, dass ein ruhiger und genauer Leistungsvergleich verhindert und sich der Verkehr nicht mehr mit Angeboten von Mitbewerbern befassen wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - I ZR 173/09, Rn. 33 - 10% Geburtstags-Rabatt). Es liegt auf der Hand, dass sich mit Frühbucherrabatten die Nachfrage stimulieren lässt und sich Verbraucher - um in den Genuss des Rabatts zu gelangen - kurz vor Ablauf der Frist zu einer frühzeitigen Buchung entschließen, zu der sie sich nicht entschlossen hätten, wenn sie davon gewusst hätten, dass ihnen der günstige beworbene (günstige) Preis auch bei einer späteren Buchung gewährt werden würde.

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b) Kann eine Irreführung aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden, gilt entsprechendes für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).

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III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Allerdings ist der Unterlassungs(haupt)antrag zu weit gefasst, so dass eine Verurteilung der Beklagten nach diesem Antrag nicht in Betracht kommt. Er erfasst jegliche Werbung mit einem Frühbucherrabatt und daher auch Fälle, in denen kein Unterlassungsanspruch besteht, weil der befristet beworbene Preisnachlass aus Gründen verlängert wurde, die für die Beklagte nicht ohne weiteres absehbar waren. Dies führt allerdings nicht zur vollständigen Klageabweisung, sondern zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht, damit dem Kläger gemäß § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit gegeben werden kann, den Antrag unter Beachtung der Senatsgrundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 26 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswerbung im Internet; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 1.54; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 51 Rn. 19) sachgerecht auf die konkrete Verletzungsform oder deren charakteristischen Umstände einzuschränken.

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IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da es noch weiterer Feststellungen sowie der Konkretisierung des Antrags bedarf. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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