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Wirtschaftsrecht
21.02.2013
Wirtschaftsrecht
AG Flensburg: Verkehrsunfall - Auswirkungen der Benennung einer günstigeren Werkstatt im Prozess bei fiktiver Schadensberechnung

AG Flensburg, Urteil vom 08.01.2013 - 62 C 131/12


Leitsatz


1. Die Rechtswirkung des § 254 Abs. 2 BGB wird im Fall der fiktiven Schadensberechnung nicht dadurch ausgeschlossen, dass erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verwiesen wird.


2. Wird der Klage durch Mitteilung einer Vergleichswerkstatt im Prozess (teilweise) die Grundlage entzogen, besteht mit dem Institut der Erledigungserklärung hinreichender Schutz vor der Kostentragungslast.


3. Im Falle der Benennung einer technisch gleichwertigen günstigeren Werkstatt können Verbringungskosten nur dann abgerechnet werden, wenn sie auch bei der Reparatur in dieser Werkstatt anfallen würden.


4. Das pauschale Bestreiten der Gleichwertigkeit der Vergleichswerkstatt ist nicht wirksam.


Sachverhalt


Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.


Aus den Gründen


Die zulässige Klage ist teilweise begründet.


1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 10,14 € aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG.


Die Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem Unfall vom 10.01.2012 ist dem Grunde nach unstreitig. Die Beklagte ist verpflichtet, die für die Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten nach §§ 249 ff. BGB zu erstatten.


a. Grundsätzlich kann der Kläger die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis unter Zugrundelegung von Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen. Die erstattungsfähigen Kosten sind jedoch wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB der Höhe nach auf 2.572,11 €, die (Netto-)Kosten, die bei einer Reparatur durch die Firma W. anfallen würden, begrenzt.


Die Erstattungsfähigkeit von erforderlichen Kfz-Reparaturkosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB begrenzt, wenn der Geschädigte auf eine konkrete Werkstatt verwiesen wird, die die Reparatur günstiger durchführt, mühelos zugänglich ist, eine technisch gleichwertige Reparatur bietet und die Verweisung an eine nicht markengebunden Werkstatt zumutbar ist (vgl. BGH, NJW 2010, 2941, Tz. 7; NJW 2010, 2727, Tz. 7). Der Schädiger trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen. Dem Geschädigten kommt jedoch eine sekundäre Darlegungslast zu, soweit Umstände aus seinem Wahrnehmungsbereich betroffen sind (vgl. BGH, NJW 2010, 2727, Tz. 7).


Die Vergleichswerkstatt Firma W. ist technisch gleichwertig mit einer Audi-Fachwerkstatt. Das pauschale Bestreiten der Gleichwertigkeit durch den Kläger ist unerheblich. Bei der Prüfung der Gleichwertigkeit der Vergleichswerkstatt im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB ist das Gericht nach § 287 ZPO besonders freigestellt (vgl. BGH, NJW 2010, 2941, Tz. 13). Legt der Schädiger konkrete Umstände dar, aus denen sich die technische Gleichwertigkeit der benannten Werkstatt mit einer markengebunden Fachwerkstatt ergibt, genügt ein pauschales Bestreiten nicht, um die Gleichwertigkeit der Vergleichswerkstatt streitig zu stellen (Wenker, VersR 2012, 290 [292]; vgl. OLG Düsseldorf, U. v. 27.03.2012, I-1 U 139/11, 1 U 139/11 Tz. 57 (juris); OLG Bremen, U. v. 07.02.2011, 3 U 61/10, Tz. 15 (juris)). Die Beklagte hat schlüssig konkrete Umstände zur Gleichwertigkeit vorgetragen: Meisterbetrieb, Verwendung moderner Spezialwerkzeuge, Ausführung der Reparatur nach Richtlinien der Hersteller, ausschließliche Verwendung von Originalersatzteilen. Der Kläger bestreitet demgegenüber pauschal, ohne Angaben von entgegenstehenden Umständen die technische Gleichwertigkeit.


Die Rechtswirkung des § 254 Abs. 2 BGB wird - jedenfalls im Fall der fiktiven Schadensberechnung - nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (so auch LG Hamburg, B. v. 17.04.2012, 302 S 84/11, Tz. 4 (juris); AG Nordhorn, Urt. v 19.06.2012, 3 C 1596/11, Tz. 28, 30 (juris) m.w.N.; a.A. AG Hechingen, Urt. v. 28.06.2012, 2 C 416/11, Tz. 16 ff. (juris) m.w.N.).


Grundsätzlich bestimmt sich der Umfang des Schadensersatzes nach den Umständen, die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorliegen. Es bestehen keine tragfähigen Gründe für die Mitteilung einer Vergleichswerkstatt von diesem Grundsatz abzuweichen.


Wer den Schaden fiktiv abrechnet, hat keine schützenswerte Disposition getroffen. Eine Disposition dürfte als eine bindende vermögenswirksame Entscheidung zu begreifen sein. Die bloße Entscheidung, die Reparatur tatsächlich nicht durchzuführen, sondern auf Gutachtenbasis abzurechnen, führt zu keiner Bindung, da der Geschädigte zur anderen Art der Schadensberechnung ohne Weiteres wechseln kann (vgl. BGH, NJW 2007, 67, Tz. 14). Auch die Klageerhebung führt zu keiner Disposition. Soweit Teile der Rspr. darin eine schützenswerte Disposition erblicken, dass der Geschädigte ein Kostenrisiko eingehe, da er nach Mitteilung der günstigeren Werkstatt die Klage zurücknehmen und insoweit die Kosten tragen müsse (vgl. AG Hechingen, Urt. v. 28.06.2012, 2 C 416/11, Tz. 30 (juris)), überzeugt dies nicht. Wird der Klage durch Mitteilung einer Vergleichswerkstatt im Prozess (teilweise) die Grundlage entzogen, besteht mit dem Institut der Erledigungserklärung hinreichender Schutz vor der Kostentragungslast.


Die Freiheit der Wahl der Restitutionsart wird nicht beeinträchtigt (a.A.: AG Hechingen, Urt. v. 28.06.2012, 2 C 416/11, Tz. 29 (juris). Der auf fiktiver Basis abrechnende Geschädigte wird nicht schlechter behandelt. Zwar ist bei der konkreten Schadensberechnung eine erst im Prozess mitgeteilte Vergleichswerkstatt unbeachtlich; dies folgt jedoch nicht aus einer Besserstellung der konkreten Schadensberechnung, sondern lediglich daraus, dass eine schützenswerte Disposition bei der konkreten Schadensberechnung mit Erteilung des Reparaturauftrages vorliegt, da dies einen Anspruch des Unternehmers gegen den Geschädigten begründet. Es schlagen sich lediglich die tatsächlichen Besonderheiten in der Subsumtion nieder. Auch bei der fiktiven Schadensberechnung wird der Verweis auf eine günstigere Werkstatt dann nicht berücksichtigt, sobald eine schützenswerte Disposition vorliegt.


Der Kläger kann auch keine Verbringungskosten geltend machen. Im Falle der Benennung einer technisch gleichwertigen günstigeren Werkstatt können Verbringungskosten nur dann abgerechnet werden, wenn sie auch bei der Reparatur in dieser Werkstatt anfallen würden. In der benannten Werkstatt der Firma W. wären keine Verbringungskosten angefallen. Das Bestreiten des Klägers ist unbeachtlich, da der Kläger das Anfallen von Verbringungskosten damit begründet, dass die Firma W. keine technisch gleichwertige Lackierung erbringen könne. Ein pauschales Bestreiten der technischen Gleichwertigkeit genügt jedoch nicht (siehe oben).


b. Der Anspruch auf Zahlung von 2.572,11 € ist gem. § 362 Abs. 1 BGB teilweise durch Zahlung von 2.561,97 € untergegangen.


2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 16,07 € aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 StVG.


Es bestand ein Anspruch in Höhe von 62,48 €:




















1,3 Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandwert von 10,14 € (Nr. 2300 VV RVG)


32,50 €


TK-Pauschale (Nr. 7002 VV RVG)


20,00 €


Umsatzsteuer von 19 % (Nr. 7008 VV RVG)


9,98 €



62,48 €


Dieser Anspruch ist durch Zahlung von 46,41 € gem. § 362 Abs. 1 BGB teilweise untergegangen.


3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Mit Schreiben vom 10.01.2012 hat die Beklagte die Leistung endgültig verweigert.


4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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