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Wirtschaftsrecht
09.11.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Verkaufsprospekt – Voraussetzungen der Darstellung der Fremdfinanzierungs-Risiken und Bewertungsgutachten

BGH, Beschluss vom 13.6.2023 – XI ZB 17/21

ECLI:DE:BGH:2023:130623BXIZB17.21.0

Volltext: BB-Online BBL2023-2626-5

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

a) Zur Darstellung der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken in einem Verkaufsprospekt, der einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zugrunde liegt.

b) Zum Erfordernis von Angaben über Bewertungsgutachten und zu ihrer Darstellung in einem Verkaufsprospekt, der einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zugrunde liegt.

VerkProspG § 8g Abs. 1 Satz 1, § 13 (Fassung bis zum 31. Mai 2012); VermVerkProspV § 2 Abs. 2 Satz 3 und 4 (Fassung bis zum 31. Mai 2012); VermVerkProspV § 9 Abs. 2 Nr. 7

 

Sachverhalt

A.

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) über die Fehlerhaftigkeit des am 26. August 2008 aufgestellten Prospekts (nachfolgend: Prospekt) zu der "F.                                                                 KG" (nachfolgend: Fondsgesellschaft).

Gegenstand der Fondsgesellschaft war der Erwerb und Betrieb einer 1996 fertiggestellten Büroimmobilie in Z.      , Niederlande (nachfolgend: Fondsimmobilie). Diese war zum Zeitpunkt der Erstellung des Prospekts voll vermietet. Mieter war einer der weltweit größten Betreiber von Supermarktketten, der im Jahr 1997 bei einem Umsatz von ca. 28 Mrd. € einen Gewinn von ca. 1,1 Mrd. € erwirtschaftete. Das Unternehmen wurde im Frühjahr 2008 von einer niederländischen Agentur mit der Höchstnote 1 ("hervorragend") geratet. Der Mietvertrag war bis Ende 2023 fest abgeschlossen, wobei die Miete jährlich nach Maßgabe der Steigerung des niederländischen Verbraucherpreisindexes angepasst werden sollte.

Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 und die Musterbeklagte zu 2 waren Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft. Die Musterbeklagten zu 3 und 6 sind Anlageberater oder -vermittler, die mit dem Vertrieb des Fonds befasst waren. Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 4 war Alleingesellschafterin der Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 (im Folgenden einheitlich: Musterbeklagte zu 1).

Der Prospekt enthält - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - folgende Angaben:

Auf Seite 10 ist im Prospekt für die Fondsimmobilie ein Mietvervielfältiger, d.h. ein Verhältnis von Jahresnettomiete zum Kaufpreis, mit dem Faktor 14,62 angegeben. Des Weiteren ist dort zum "Vermietungsstand" unter anderem angeführt:

"- 100%ige Vermietung der Immobilie an A.    N.V./Al.        B.V.

- Mietvertragslaufzeit: bis 31.12.2023"

Auf Seite 11 ist unter dem Punkt "Gutachten" ausgeführt:

"- Der vereinbarte Kaufpreis der Immobilie wurde laut unabhängigem Gutachter    R.         (s. "Vertragspartner", S. 120 ff.) zum Zeitpunkt der Bewertung (01.07.2008) für marktgerecht erklärt.

- Die vorliegenden Bauunterlagen sowie das Gebäude wurden von R.                           (s. "Vertragspartner", S. 120 ff.) am 22.07.2008 gutachterlich mit einem positiven Ergebnis ohne Beanstandungen geprüft.

- Die steuerliche Konzeption für die Niederlande wurde durch ein Gutachten einer renommierten international tätigen Anwaltskanzlei bestätigt.

- Weitere Bewertungsgutachten existieren nicht."

Auf Seite 16 des Prospekts finden das Risiko des Totalverlustes der Kapitaleinlage und des Agios Erwähnung sowie unter der Überschrift "Mieterbonität" das Folgende:

"Sämtliche Mietflächen sind an A.    N.V./Al.         B.V. vermietet. Im Fall eines dauerhaften oder vorübergehenden Mietausfalls oder einer Insolvenz des Mieters könnten sich negative Folgen für die Auszahlungen bzw. den Liquidationserlös ergeben."

Auf Seite 17 findet sich unter der Überschrift "Vermietung" Folgendes:

"Es besteht das Risiko, dass der Mietvertrag außerordentlich vor Ablauf der Festmietzeit gekündigt werden wird oder das Kündigungsrecht durch den Mieter rechtzeitig zum Ablauf der Mietvertragslaufzeit ausgeübt wird, die Optionen auf Verlängerung des Mietverhältnisses mieterseitig nicht ausgeübt werden und die Flächen neu vermietet werden müssen.

Für etwaige Leerstandszeiten hätte die Emittentin zusätzlich die anfallenden Nebenkosten zu tragen. Die mit einer Neuvermietung verbundenen Kosten (z.B. Umbaukosten, Makler) sind in der Prognoserechnung nicht enthalten und würden zu einer entsprechenden Reduktion des Bewirtschaftungsergebnisses der Emittentin führen.

Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Neuvermietung nur zu einem niedrigeren Mietzins durchgeführt werden kann. Auch dies würde eine Reduzierung des Bewirtschaftungsergebnisses und der Auszahlungen der Emittentin zur Folge haben."

Weiter wird auf Seite 17 unter dem Punkt "Wertentwicklung" angegeben:

"Der Verkauf der Immobilie kann von einer Vielzahl von Faktoren negativ beeinflusst werden. Aus diesem Grunde wird im Abschnitt "Liquidationsprognose" auf S. 48 f. dieses Prospektes eine entsprechende Bandbreite bei der Betrachtung möglicher Verkaufsszenarien dargestellt.

Letztendlich besteht das Risiko, dass der Verkaufspreis der Immobilie nicht ausreicht, um das valutierende Fremdkapital der Emittentin vollständig zurückzuführen und somit auch das Eigenkapital nicht zurückgeführt werden kann. Auch bei einer vollständigen Rückführung des Fremdkapitals besteht das Risiko, dass das Eigenkapital nicht vollständig zurückgeführt werden kann."

Auf Seite 18 enthält der Prospekt unter dem Punkt "Altlasten" folgende Aussagen:

"Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass während der Fondslaufzeit Altlasten im Erdreich oder im Grundwasser entdeckt werden, deren Beseitigungskosten zu einer Reduzierung der Auszahlungen führen. Außerdem könnten solche Altlasten zu einer erheblichen Verminderung der Veräußerungsmöglichkeiten bzw. des Veräußerungserlöses führen."

Unter der Überschrift "Liquidationsprognose" wird auf Seite 48 des Prospekts ausgeführt:

"Nachfolgend wird das mögliche Ergebnis der Liquidation nach rund zehn Jahren dargestellt.

Verkaufspreise von Immobilien werden üblicherweise als Vielfaches der Nettojahresmiete dargestellt. Beim Ankauf der Immobilie wurde ein durchschnittlicher Mietvervielfältiger von 14,62 realisiert. Abhängig von konjunkturellen, regionalen und lokalen Entwicklungen und anderen nicht vorhersehbaren wertbildenden Faktoren ist es bei der Veräußerung möglich, dass auch ein anderer Mietvervielfältiger erreicht wird. Aus diesem Grund wird eine Liquidationsrechnung mit verschiedenen Verkaufsfaktoren dargestellt."

Unter dem Punkt "Verkaufspreis" findet sich auf derselben Seite sodann Folgendes:

"Die Liquidationsprognose zeigt mögliche Verkaufspreise bei Mietvervielfältigern zwischen 13,62 und 15,62. Basis ist die für Anfang 2020 angenommene Jahresmiete."

Unter der Überschrift "Liquidationsprognose und Abweichungen von der Prognose in T € vor Steuern" ist zum Punkt "Verkaufsfaktor" in der tabellarischen Übersicht auf Seite 49 aufgeführt:

"13,62     14,12     14,62     15,12     15,62"

Zum Punkt "Sensitivitätsanalyse (Abweichungen von der Prognose)" finden sich auf Seite 55 des Prospekts unter anderem folgende Angaben:

"Es ist geplant, das Objekt nach Ablauf von etwa zehn Jahren zu veräußern. Sollte dies nicht gelingen oder nicht sinnvoll sein - z.B. aufgrund einer ungünstigen Marktlage oder aufgrund höherer Neuvermietungsaufwendungen -, ist eine Reduktion des geplanten Ergebnisses möglich."

Sodann findet sich auf Seite 56 des Prospekts unter der Überschrift "Anschlussszenarien" das Folgende:

"In der Prognoserechnung ist auf Basis dieser Mietvertragssituation eine Veräußerung der Immobilie zum Jahresende 2019 vorgesehen.

Sollte eine Veräußerung der Immobilie zu diesem Zeitpunkt aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll sein, so hätte dies eine Verlängerung der ursprünglich geplanten Fondslaufzeit zur Folge. Ebenso könnten die Gesellschafter für eine Fortführung der Gesellschaft votieren."

Auf Seite 76 ist im Prospekt unter dem Punkt "Auflagen und Haftung" unter anderem ausgeführt:

"Der Verkäufer hat keinerlei Haftung für Bodenverunreinigungen oder Altlasten etc. übernommen. Zwar sind dergleichen Verunreinigungen des Grundstücks oder des Grundwassers nicht bekannt, jedoch hat eine darauf gerichtete Untersuchung nicht stattgefunden."

Auf Seite 78 enthält der Prospekt unter dem Punkt "Darlehensverträge" unter anderem nachfolgende Angabe:

"Der Bank steht bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmerin außerdem das Recht zu, weitere Sicherheiten zu verlangen."

Unter dem Unterpunkt "Langfristiges Darlehen" findet sich schließlich das Folgende:

"Im Rahmen des Darlehensvertrags wird an der Immobilie eine Hypothek in Höhe von insgesamt € 126.450.000 in das Grundbuch eingetragen werden."

Seit dem Jahr 2017 haben zahlreiche Anleger Klagen gegen die Musterbeklagten erhoben. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5. September 2019 dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Diese betreffen verschiedene von der Musterklägerin behauptete Prospektfehler. Es wird - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - geltend gemacht, der Prospekt sei fehlerhaft, weil er die Aussage treffe, dass der vereinbarte Kaufpreis durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt worden sei, obwohl aus diesem hervorgehe, dass die zugrunde gelegte Miete 11% über der ortsüblichen Vergleichsmiete gelegen habe (sog. Overrent) und der Substanzwert des Objekts nur 55% des Kaufpreises betragen habe, so dass der Anleger unrichtig über den Wert und Wiederverkaufswert des Objekts informiert werde (Feststellungsziel a), weil er die Aussage treffe, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existierten, obwohl die finanzierende Bank sowohl für die Ausgabe des Darlehens als auch laufend wegen der Loan-to-Value-Klausel selbst verpflichtet gewesen sei, ein solches einzuholen, und sich aus dem Gutachten von   R.         ein Hinweis auf ein Altlastengutachten aus dem Jahr 1992 ergebe (Feststellungsziel b), weil er den sich aus dem vorgenannten Gutachten ergebenden konkreten Altlastenverdacht verschweige (Feststellungsziel d), weil er Liquidationserlöse für das Jahr 2019 prognostiziere auf Basis eines Mietvervielfältigers von 14,62 als Mittelwert, welcher dem Faktor bei Ankauf entspreche, obwohl das Gutachten von   R.         für den Ansatz dieses Vervielfältigers voraussetze, dass der Mietvertrag noch 15,5 Jahre laufe, was im Jahr der Liquidation nicht mehr der Fall sein werde, so dass der Anleger unrichtig über den möglichen Verkaufswert des Objekts informiert werde (Feststellungsziel e), weil er Liquidationserlöse für das Jahr 2019 prognostiziere auf Basis eines Mietvervielfältigers mit einem Faktor von 13,62 bis 15,62, obwohl das Gutachten von    R.         für den Ansatz des Faktors 14,62 voraussetze, dass der Mietvertrag noch 15,5 Jahre laufe, was im Jahr der Liquidation nicht mehr der Fall sein werde, so dass der Anleger auch insofern unrichtig über den möglichen Verkaufswert des Objekts informiert werde (Feststellungsziel f), weil er bei der Darstellung des Objektdarlehens mit der finanzierenden Bank die Verpflichtung einer Loan-to-Value-Klausel unerwähnt lasse, die dieser ein Recht auf Sicherheitenaufstockung, Einbehalt der Mieten oder Fälligstellung des gesamten Darlehens einräume, wenn das Darlehen höher als 62% des Immobilienwerts valutiere, so dass der Anleger unrichtig über die Kündbarkeit des Darlehens informiert werde (Feststellungsziel g), und weil er die Loan-to-Value-Klausel unerwähnt lasse, obwohl bereits bei Prospektaufstellung durch das Gutachten von   R.        bekannt gewesen sei, dass eine Overrent-Situation vorgelegen habe, womit bereits in der Platzierungsphase eine Verletzung der Loan-to-Value-Klausel vorgelegen habe und der Anleger dadurch unrichtig über die Kündbarkeit des Darlehens informiert werde (Feststellungsziel h).

Das Oberlandesgericht hat durch Musterentscheid vom 30. Juli 2021 die Musterfeststellungsanträge zurückgewiesen.

Gegen den Musterentscheid haben die Musterklägerin und sechs Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie wenden sich gegen die Zurückweisung der Feststellungsziele a, b und d bis h.

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. November 2021 die Musterbeklagte zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt. Vier Beigeladene sind innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdeführerin beigetreten.

Aus den Gründen

B.

23        Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführer haben keinen Erfolg.

 

I.

24        Das Oberlandesgericht hat in seinem in BeckRS 2021, 37449 veröffentlichten Musterentscheid - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

 

25        Die Musterbeklagten zu 3 und 6 kämen von vorneherein nicht als Adressaten der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht, da sie in den ausgesetzten Verfahren lediglich als Verkäuferinnen der Anlage bzw. als Anlageberater/-vermittler in Anspruch genommen würden. Insoweit fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da die Anträge auf eine Haftung aus Prospekthaftung im weiteren Sinne abzielten.

 

26        Die begehrten Feststellungen seien nicht zu treffen, da die geltend gemachten Prospektfehler nicht vorlägen.

 

27        Der Hinweis, dass nach dem Gutachten von    R.         der Kaufpreis marktgerecht gewesen sei, sei auch ohne Offenlegung des sog. Overrent zutreffend (Feststellungsziel a). Zwar stelle der sog. Overrent bei einem Fonds, dessen Vermögensgegenstand eine Gewerbeimmobilie sei, ein Risiko dar, auf welches grundsätzlich hingewiesen werden müsse, da Zweifel bestehen könnten, ob diese Miete nachhaltig erzielt werden könne und dementsprechend die auf den Ertragswert aufsetzende Wertermittlung Bedenken ausgesetzt sein könnte. So verhalte es sich vorliegend indes nicht, da die Miete bis Ende 2023 wertgesichert fest vereinbart gewesen sei und an der Leistungsfähigkeit des Mieters keine Zweifel bestanden hätten. Es sei danach anzunehmen gewesen, dass die Miete bis zur beabsichtigten Auflösung des Fonds im Jahr 2019 nachhaltig zu erzielen sein würde, so dass sie der Wertermittlung im Rahmen einer Ertragswertberechnung habe zugrunde gelegt werden dürfen, ohne dass auf den sog. Overrent hätte hingewiesen werden müssen. Die Gutachter seien unter Berücksichtigung des sog. Overrent zu einem Wert der Immobilie von 76.000.000 € netto und 81.320.000 € brutto gelangt.

 

28        Die Angabe, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existierten, stelle keinen Prospektfehler dar (Feststellungsziel b). Die Klägerin habe schon nicht schlüssig dargelegt, dass tatsächlich weitere Bewertungsgutachten bestünden, die oder deren Inhalt den Prospekterstellern bekannt gewesen wären. So habe die Klägerin nicht behauptet, dass ein etwa von oder im Auftrag der finanzierenden Bank erstelltes Gutachten den Musterbeklagten vorgelegen hätte, wobei die Prospektersteller zudem davon hätten ausgehen dürfen, dass sie an ein solches nach der Beleihungswertermittlungsverordnung (nachfolgend: BelWertV) erstelltes Gutachten nicht gebunden gewesen wären. Zwar liege die Annahme nahe, dass den Musterbeklagten als im Immobilienbereich tätigen erfahrenen Kaufleuten habe klar sein müssen, dass die finanzierende Bank vor Ausreichen von Hypothekendarlehen aufsichtsrechtlich zur Bewertung der zu beleihenden Immobilie verpflichtet gewesen sei, doch wäre mit dem Hinweis darauf, dass davon auszugehen sei, dass die Bank ein eigenes Bewertungsgutachten eingeholt habe, kein Erkenntnisgewinn verbunden. Bei dem weiter angeführten Altlastengutachten handele es sich nicht um ein Bewertungsgutachten im Sinne des Feststellungsantrags.

 

29        Die Angaben zu einem Altlastenverdacht seien nicht zu beanstanden (Feststellungsziel d). Aus dem in Bezug genommenen Gutachten ergebe sich deutlich, dass die Gutachter nicht von einem konkreten Altlastenverdacht ausgegangen seien und die Fläche deshalb als "suspicious" bezeichnet hätten, weil diese sich in einem ehemaligen Hafengebiet befinde. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um eine Bestandsimmobilie gehandelt habe und die Gebäude bei Prospekterstellung schon seit Jahren auf der fraglichen Fläche gestanden hätten, ohne dass während der Bauphase oder später irgendwelche Probleme im Hinblick auf Altlasten aufgetreten seien, stelle sich der allgemeine Hinweis auf ein grundsätzlich bestehendes Altlastenrisiko nicht als falsch dar.

 

30        Die zur Ermittlung der Liquidationserlöse zugrunde gelegten Mietvervielfältiger seien nicht zu beanstanden (Feststellungsziele e und f). Die Klägerin habe schon nicht dargelegt, dass die im Prospekt angeführten möglichen Mietvervielfältiger bezogen auf einen Verkauf im Jahr 2019 nicht vertretbar gewesen seien. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Mietvertrag zum geplanten Veräußerungszeitpunkt eine geringere Restlaufzeit habe, sei weder schlüssig dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Werte von 13,62 bis 15,62 unvertretbar gewesen wären. Jedenfalls unter Berücksichtigung der sonst im Prospekt enthaltenen Hinweise auf das Totalverlustrisiko sowie darauf, dass der Vervielfältiger bei Ankauf nicht wieder erreicht werden müsse, und den Umstand, dass der Verkauf nicht gelingen müsse, sei die Darstellung der Liquidationserlöse nicht fehlerhaft.

 

31        Auf die Loan-to-Value-Klausel habe nicht hingewiesen werden müssen (Feststellungsziele g und h). Ein solcher Hinweis sei nach ständiger Rechtsprechung entbehrlich. Dass Verschlechterungen der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder der Sicherheit bestimmte Rechte des Darlehensgebers bis hin zur Kündigung auslösen könnten, sei bereits im Gesetz angelegt und damit nicht gesondert aufklärungsbedürftig. Daran ändere sich auch nichts angesichts des sog. Overrent. Es sei vor dem Hintergrund der §§ 9, 10 BelWertV davon auszugehen, dass dies der finanzierenden Bank bei Darlehensgewährung bekannt gewesen sei und diese zu der Einschätzung gelangt sei, die Miete sei nachhaltig erzielbar. Tatsächlich sei es auch nach dem Vortrag der Musterklägerin erst im Jahr 2014 zur Ziehung der Loan-to-Value-Klausel gekommen, ohne dass sie schlüssig vorgetragen hätte, dass dies gerade auf der Overrent-Situation beruht hätte. Es liege vielmehr nahe, dass die Ursache in der bei Prospektlegung im Jahr 2008 noch nicht vorhergesehenen negativen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage und des Immobilienmarktes in den Niederlanden zu sehen sei.

 

II.

32        Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Hinblick auf die Verneinung eines Prospektfehlers stand.

 

33        1. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig.

 

34        a) Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt für die Beitritte der noch am Rechtsbeschwerdeverfahren Beteiligten, die der Rechtsbeschwerde der Musterklägerin zur Unterstützung beigetreten sind (§ 20 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KapMuG).

 

35        b) Die Rechtsbeschwerden formulieren einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Zwar setzt ein solcher grundsätzlich die genaue Benennung der angegriffenen Teile des Musterentscheids voraus, die aufgehoben oder abgeändert werden sollen. Dementsprechend müssen die Feststellungsziele, hinsichtlich derer eine Abänderung des Musterentscheids im Wege der Rechtsbeschwerde begehrt wird, im Rechtsbeschwerdeantrag im Einzelnen bezeichnet werden. Zugleich müssen die Feststellungen, die durch das Rechtsbeschwerdegericht getroffen werden sollen, im Antrag wiedergegeben werden. Es genügt allerdings, wenn aus der Rechtsbeschwerdebegründung ersichtlich ist, welche einzelnen Feststellungsziele des Musterentscheids angegriffen sind (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 55 ff., vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 35 f. und vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 14). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt. Der Antrag, den Musterentscheid aufzuheben, soweit die Ablehnung der Feststellungsziele mit der Rechtsbeschwerdebegründung angegriffen wird, lässt im vorliegenden Fall das im Rechtsbeschwerdeverfahren weiter verfolgte Rechtsschutzziel hinreichend erkennen. Danach richten sich die Rechtsbeschwerden gegen die Zurückweisung der Feststellungsziele a, b und d bis h.

 

36        2. Die Rechtsbeschwerden sind jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die beantragten Feststellungen deshalb nicht zu treffen sind, weil der Prospekt keinen Fehler aufweist. Da es in dem vorliegenden Musterverfahren auch Musterbeklagte gibt, gegen die sich die Rechtsbeschwerden richten und die nicht der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unterliegen, sind die mit den Feststellungszielen a, b und d bis h geltend gemachten Prospektfehler entscheidungserheblich und daher zu prüfen.

 

37        a) Auf den am 26. August 2008 veröffentlichten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 VerkProspG aF zu ermöglichen. Nach § 8g Abs. 2 VerkProspG aF i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) muss der Verkaufsprospekt über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlagen notwendig sind, Auskunft geben und richtig und vollständig sein. Der Prospekt muss daher über alle Umstände, die von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, und über solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden. Für die Frage, ob ein Prospekt nach diesen Grundsätzen unrichtig oder unvollständig ist, kommt es nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger "eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Abzustellen ist auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest (st. Rspr.; Senatsbeschlüsse vom 6. Oktober 2020 - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 25 und vom 12. Januar 2021 - XI ZB 18/17, WM 2021, 672 Rn. 43, jeweils mwN). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts ist grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem der Prospekt aufgestellt wurde (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2021 - XI ZB 29/19, WM 2021, 1047 Rn. 65), und damit hier der 26. August 2008.

 

38        b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, dass der Prospekt, den der Senat selbst auslegen kann (st. Rspr.; Senatsbeschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZB 33/19, WM 2022, 1633 Rn. 66 mwN), keine Fehler aufweist.

 

39        aa) Das Oberlandesgericht hat das Feststellungsziel a zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Musterklägerin bemängelt, dass der Prospekt den Anleger unrichtig über den Wert und Wiederverkaufswert des Fondsobjekts informiere, indem auf Seite 11 die Aussage getroffen werde, der Kaufpreis sei durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt worden, obschon ein sog. Overrent vorliege und der Substanzwert nur auf 55% des Kaufpreises taxiert worden sei. Damit kann sie keinen Erfolg haben.

 

40        Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein sog. Overrent, d.h. eine über der marktüblichen Miete liegende Miete, ein für den Ertrag der Anlage besonderes Risiko darstellen, das der Aufklärung bedarf, da eine solche Miete häufig nicht nachhaltig zu erzielen ist. Dies ist indes hier nicht der Fall.

 

41        Das Risiko, bei einer Anschlussvermietung der Fondsimmobilie nur noch die marktübliche Miete zu erzielen, tritt vorliegend in den Hintergrund, da der Mietvertrag des einzigen Mieters fest bis zum Ende des Jahres 2023 vereinbart worden war und die Leistungsfähigkeit dieses Mieters aufgrund seines Umsatzes und seines Ratings als gesichert angesehen werden durfte. Angesichts der für das Jahr 2019 geplanten Veräußerung der Fondsimmobilie bestanden damit zum Zeitpunkt der Prospekterstellung keine begründeten Zweifel, dass die über dem Marktniveau liegende Miete über die gesamte Haltedauer zu erzielen sein würde. Der Umstand, dass die Fondsimmobilie an einen einzigen Mieter vermietet ist und dass sich etwa dessen Insolvenz negativ auf den Ertrag der Anlage auswirken kann, ergibt sich aus dem Prospekt (Seite 16). Dies gilt ebenso für das Risiko, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung vor Ablauf oder dasjenige zur ordentlichen Kündigung zum Ablauf der Festmietzeit ausgeübt wird und dass im Falle einer Neuvermietung unter Umständen nur eine niedrigere Miete erzielt werden kann (Seite 17). Damit ist nach dem maßgeblichen Gesamtbild die Aussage auf Seite 11 des Prospekts, dass der vereinbarte Kaufpreis durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt wurde, nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts sind die mit der Bewertung der Fondsimmobilie beauftragten Gutachter unter Berücksichtigung des sog. Overrent zu einem Wert von 76.000.000 € netto gelangt. Dass die Wertermittlung nicht vertretbar wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 105), ist nicht dargetan.

 

42        Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden versteht der durchschnittliche Anleger, der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest, die Angabe, der Kaufpreis sei für marktgerecht erklärt worden, nicht dahin, dass die mit der Fondsimmobilie erzielten Erträge dem aktuellen Mietniveau entsprächen. Die Bewertung als marktgerecht bezieht sich ausdrücklich auf den Kaufpreis der Immobilie und nicht auf die Höhe der Miete. Die Angabe kann entgegen den Rechtsbeschwerden auch nicht dahin verstanden werden, die Bewertung der Immobilie sei vom Fondskonzept "weitestgehend" losgelöst. Abgesehen davon, dass bereits nicht ersichtlich ist, worauf sich ein solches Verständnis gründen sollte, sind die Ertragsverhältnisse einer Immobilie sowohl nach deutschem Recht (vgl. § 2 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 6, § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ImmoWertV) als auch nach internationalen Bewertungsverfahren als wertbildender Faktor anerkannt (vgl. Hollung/Pahl in Meyer, Handbuch Immobilienwirtschaftsrecht, 2022, Kap. 7 Rn. 480 ff. und 508 ff.). Dass die Mieterträge einer Gewerbeimmobilie maßgeblichen Einfluss auf deren Kaufpreis haben, ist dem durchschnittlichen Anleger bekannt.

 

43        bb) Zu Recht hat das Oberlandesgericht ebenfalls nicht den in diesem Zusammenhang stehenden Feststellungszielen e und f entsprochen. Insoweit bemängelt die Musterklägerin, dass die Prognose der Liquidationserlöse auf den Seiten 48 und 49 des Prospekts auf Basis eines Mietvervielfältigers mit dem Faktor 14,62 als Mittelwert bzw. einem Faktor von 13,62 im schlechtesten und 15,62 im besten Fall unzutreffend bzw. unvertretbar sei. Dies trifft indes nicht zu.

 

44        (1) Zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln hat, gehören auch die für die Anlageentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Jedoch übernimmt der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Die Prognosen im Prospekt müssen vielmehr durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sein. Sie sind nach den bei Aufstellung des Prospekts gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen (Senatsurteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2020 - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 44; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - II ZB 31/14, WM 2021, 285 Rn. 77). Hängt ein wirtschaftlicher Erfolg von bestimmten Voraussetzungen ab, deren Eintritt noch ungewiss ist, ist dies deutlich zu machen. Auch bloße Mutmaßungen müssen sich deutlich aus dem Prospekt ergeben (Senatsbeschlüsse vom 6. Oktober 2020, aaO und vom 12. Januar 2021 - XI ZB 18/17, WM 2021, 672 Rn. 70). Da die Prognose nur auf ihre Vertretbarkeit hin zu untersuchen ist, kommt dem Prospektherausgeber bei der Auswahl des Prognoseverfahrens und der Informationen, die ihr zugrunde gelegt werden, ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Senatsbeschlüsse vom 30. März 2021 - XI ZB 3/18, WM 2021, 1221 Rn. 57 und vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, WM 2022, 2371 Rn. 68; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020, aaO).

 

45        (2) Nach diesen Maßgaben liegt ein Prospektfehler nicht vor. Das Oberlandesgericht hat unter sorgfältiger Würdigung des Prozessstoffs zutreffend dargestellt, dass die im Prospekt vorgenommene Prognose diesen Anforderungen entspricht.

 

46        Im Prospekt ist der Mietvervielfältiger, mithin das Verhältnis von Jahresnettomiete zum Kaufpreis, mit dem Faktor 14,62 angegeben worden (Seite 10). Dies erfolgte nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts vor dem Hintergrund, dass das Gutachten    R.         mit einem Vervielfältiger von 14,70 gearbeitet hat, den es unter anderem mit dem zum Bewertungszeitpunkt noch 15,5 Jahre laufenden Mietvertrag begründet hat. Dementsprechend lag es - was das Oberlandesgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler angenommen hat - grundsätzlich nahe, dass der Mietvervielfältiger für den Zeitpunkt der geplanten Veräußerung der Fondsimmobilie im Jahr 2019 mit einem geringeren Faktor zu bemessen sein würde, da sich die Restlaufzeit des Mietvertrags dann nur noch auf etwa vier Jahre belaufen würde. Dies gilt umso mehr, als die vereinbarte Miete zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags über dem Marktüblichen lag.

 

47        Gleichwohl zeigen die Rechtsbeschwerden nicht auf, dass die Liquidationsprognose nicht durch Tatsachen gestützt oder ex ante betrachtet unvertretbar wäre. So handelt es sich bei dem auf Seite 48 des Prospekts angegebenen Wert von 14,62 ausdrücklich um einen durchschnittlichen Mietvervielfältiger. Die auf Seite 49 des Prospekts aufgeführte Liquidationsprognose setzt nicht einen einzelnen Punktwert, sondern Mietvervielfältiger im Bereich von 13,62 bis 15,62 an. Für das maßgebliche Gesamtbild kommt hinzu, dass der Prospekt ausdrücklich erwähnt, dass die Erreichung eines durchschnittlichen Mietvervielfältigers von 14,62 bei der Veräußerung von verschiedenen nicht vorhersehbaren Faktoren abhängt, so dass auch ein anderer Wert erzielt werden kann (Seite 48). Bereits dadurch wird für den Anleger erkennbar, dass die Prognose mit Unsicherheiten behaftet ist und bei der geplanten Veräußerung im Jahr 2019 unter Umständen ein Kaufpreis erzielt würde, der unter dem 14,62-fachen der Jahresnettomiete liegen würde. Dies wird an verschiedenen Stellen im Prospekt vertieft. So erwähnt der Prospekt das Risiko des Totalverlusts (Seite 16) sowie die weiteren Risiken, dass der Verkaufspreis der Fondsimmobilie nicht ausreichen könnte, das valutierende Fremdkapital vollständig zurückzuführen (Seite 17), dass es nicht gelingen könnte, die Fondsimmobilie zum geplanten Zeitpunkt zu veräußern (Seite 55), oder dass dies nicht sinnvoll sein könnte (Seiten 55 und 56). Die zum Zeitpunkt der geplanten Veräußerung im Jahr 2019 verbleibende Restlaufzeit des Mietvertrags von etwa vier Jahren ließ sich dem Prospekt ohne Weiteres entnehmen.

 

48        Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden hat das Oberlandesgericht nicht verfahrensfehlerhaft davon abgesehen, ein Sachverständigengutachten zur Vertretbarkeit der Prognose einzuholen. Die Frage, ob eine im Prospekt enthaltene Prognose den an sie von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestellten Anforderungen genügt, erfordert - auch was die Vertretbarkeit der Prognose angeht - grundsätzlich eine rechtliche Beurteilung (Senatsbeschlüsse vom 22. März 2022 - XI ZB 24/20, WM 2022, 1007 Rn. 44 und vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, WM 2022, 2371 Rn. 72). Der Prospekt stützt sich für die Prognose auf die Einschätzung in dem Gutachten von    R.        . Dieses stellt eine Wertermittlung für die Fondsimmobilie zwar nur für das Jahr 2008 an, doch zeigt es durch den Vergleich mit anderen Objekten auf, dass sich der vorliegend zum Erwerbszeitpunkt angesetzte Mietvervielfältiger trotz der über Marktniveau liegenden Miete sogar noch unterhalb derjenigen der Vergleichsobjekte bewegt. So haben sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ausweislich des Gutachtens von    R.        für Vergleichsobjekte mit einer verbleibenden Laufzeit des Mietvertrags von zehn bzw. zwölf Jahren Vervielfältiger von umgerechnet 16,26 bzw. 15,15 ergeben. Der vorliegend im Rahmen der Prognose für den Mietvervielfältiger angesetzte Mittelwert von 14,62, der zum Zeitpunkt des Erwerbs in dem Gutachten    R.         als marktgerecht bewertet wurde, ist danach nicht zu beanstanden. Dass die im Prospekt für den geplanten Veräußerungszeitpunkt angegebene Spanne für den Mietvervielfältiger bzw. dessen Durchschnittswert unvertretbar gewesen wäre, ist weder ersichtlich noch von den Rechtsbeschwerden aufgezeigt.

 

49        cc) Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht dem Feststellungsziel b nicht entsprochen. Hiermit macht die Musterklägerin geltend, der Prospekt enthalte auf Seite 11 die unzutreffende Angabe, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existierten, obwohl die finanzierende Bank verpflichtet gewesen sei, Bewertungsgutachten einzuholen, und sich aus dem Gutachten von    R.         ein Hinweis auf ein Altlastengutachten ("historical soil survey") aus dem Jahr 1992 ergebe.

 

50        Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 7 VermVerkProspV muss der Verkaufsprospekt den Namen der Person oder Gesellschaft, die ein Bewertungsgutachten für das Anlageobjekt erstellt hat, das Datum des Bewertungsgutachtens und dessen Ergebnis angeben. Die Regelung verfolgt den Zweck, dem Anleger eine Einschätzung des Wertes des Anlageobjekts zu ermöglichen (Senatsbeschluss vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 100). Diese Vorgabe hat der Verkaufsprospekt mit der Nennung des Gutachtens von    R.         erfüllt.

 

51        Ein etwaiges Bewertungsgutachten der finanzierenden Bank musste im Prospekt nicht erwähnt werden. Nach den von den Rechtsbeschwerden nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts hat die Musterklägerin bereits nicht behauptet, dass den Musterbeklagten ein solches Bewertungsgutachten vorgelegen hätte. Auch wenn nach den weiteren Ausführungen des Oberlandesgerichts die Annahme nahelag, dass die Musterbeklagten von der Existenz eines solchen Gutachtens ausgingen, waren diese nicht gehalten, auf ein solches Gutachten hinzuweisen. Denn solche Bewertungsgutachten werden von der finanzierenden Bank grundsätzlich nur im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht dagegen im Kundeninteresse erstellt (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 45 mwN und vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 19). Aufgrund dessen handelt es sich dabei von vornherein nicht um eine Angabe, die der Verkaufsprospekt nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF enthalten muss, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung der Vermögensanlage zu ermöglichen.

 

52        Das Altlastengutachten ("historical soil survey") aus dem Jahr 1992 musste in dem Prospekt ebenfalls nicht erwähnt werden. Dieses wird zwar in dem Gutachten von    R.         genannt. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts wird dort die Fläche als "suspicious" bezeichnet, weil sie sich in einem ehemaligen Hafengebiet befindet, mithin einem grundsätzlich unter Altlastenverdacht stehenden Areal. Insoweit hat die Musterklägerin aber nicht dargelegt, dass es sich bei dem Altlastengutachten um ein Bewertungsgutachten i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 7 VermVerkProspV handelt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich das Altlastengutachten auf eine nähere Untersuchung des Grundstücks der Fondsgesellschaft stützt. Damit stellt es kein Bewertungsgutachten für das Fondsgrundstück dar (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2022 - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 101). Auf einen abstrakten Altlastenverdacht wird im Prospekt hingewiesen (siehe dazu unter dd).

 

53        dd) Die Rechtsbeschwerden haben auch im Hinblick auf das Feststellungsziel d keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei verneint, dass der Prospekt auf den Seiten 18 und 78 (richtig: Seite 76) einen konkreten Altlastenverdacht aufgrund von Hafenaktivitäten verschweige.

 

54        Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Gutachten von    R.         lediglich ein abstrakter Altlastenverdacht für das Fondsgrundstück. Der dort erwähnte "historical soil survey" beschreibt die Möglichkeit von Altlasten aufgrund der früheren Nutzung im Zusammenhang mit einem Hafen. Damit handelt es sich nicht um einen konkreten, sondern um einen abstrakten Altlastenverdacht. Dies findet seine Bestätigung darin, dass sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts weder im Zuge der Errichtung der Fondsimmobilie noch im Rahmen ihrer Nutzung Hinweise auf Altlasten gefunden haben.

 

55        Diese abstrakte Gefahr von Altlasten und der Umstand, dass diese sich negativ auf das Ergebnis des Fonds auswirken können, werden im Prospekt auf Seite 18 zutreffend dargestellt. Dass dabei der Grund für diesen abstrakten Verdacht, die frühere Nutzung im Zusammenhang mit einem Hafen, keine Erwähnung findet, ist unschädlich. Dies ändert nichts an der Verständlichkeit der Darstellung des Risikos, zumal die Rechtsbeschwerden selbst ausführen, dass von einem durchschnittlichen Anlageinteressenten schon nicht erwartet werden könne, dass ihm das mit einem ehemaligen Hafengebiet verbundene Altlastenrisiko bekannt sei. Damit ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden die Angabe auf Seite 76 ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie stellen nicht in Abrede, dass den Musterbeklagten Bodenverunreinigungen oder Altlasten nicht bekannt waren und dass keine darauf gerichtete Untersuchung stattgefunden hat. In dem "historical soil survey" aus dem Jahr 1992 kann - wie bereits ausgeführt - keine Untersuchung des Grundstücks der Fondsgesellschaft gesehen werden, sondern lediglich eine allgemeine Betrachtung der Gegend, in der sich die Fondsimmobilie befindet.

 

56        ee) Schließlich hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei die Feststellungsziele g und h zurückgewiesen. Der Prospekt musste nicht darauf hinweisen, dass der zur Finanzierung des Kaufpreises der Fondsimmobilie abgeschlossene Darlehensvertrag eine sog. Loan-to-Value-Klausel enthielt.

 

57        Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 und 4 VermVerkProspV aF sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit den angebotenen Vermögensanlagen einschließlich der mit einer Fremdfinanzierung einhergehenden Risiken in einem gesonderten Abschnitt, der nur diese Angaben enthält, darzustellen. Dabei ist das den Anleger treffende maximale Risiko in seiner Größenordnung zu beschreiben (§ 2 Abs. 2 Satz 4 VermVerkProspV aF). Für die Darstellung eines Risikos ist es erforderlich, dass der Prospekt erläutert, welches Ereignis zur Verwirklichung eines bestimmten Risikos führen kann (Senatsbeschlüsse vom 30. März 2021 - XI ZB 3/18, WM 2021, 1221 Rn. 48, vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, WM 2021, 1426 Rn. 54 und vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, WM 2022, 2371 Rn. 79). Gemessen hieran sind die Prospektangaben nicht zu beanstanden.

 

58        Bereits aus der Angabe in dem Prospekt, dass im Rahmen des Darlehensvertrags an der Fondsimmobilie eine Hypothek in das Grundbuch eingetragen wird (Seite 78), ergibt sich, dass die Fondsimmobilie als Sicherheit dient. Auf das Risiko des Totalverlustes weist der Prospekt ebenfalls hin (Seite 16), genauso wie auf den Umstand, dass der finanzierenden Bank bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmerin das Recht zusteht, weitere Sicherheiten zu verlangen (Seite 78). Dass eine Bank bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit als milderes Mittel gegenüber der Kündigung gemäß § 490 Abs. 1 BGB eine Nachbesicherung verlangen kann, ist neben der Verdeutlichung des Verlustrisikos nicht gesondert aufklärungspflichtig. Denn wenn die Bank aufgrund vertraglicher Regelungen in bestimmten Konstellationen beispielsweise zusätzliche Sicherheiten oder eine Sondertilgung verlangen kann, so besteht das Risiko weiterhin darin, dass es zu einem Totalverlust der Einlage kommen kann, weil der Darlehensnehmer die zusätzlichen Sicherheiten nicht stellen oder die Sondertilgung nicht leisten kann und die Bank deshalb den Darlehensvertrag kündigt. Es ändert sich daher weder an dem Risiko noch an der Ursache des Risikos etwas (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2021 - XI ZB 29/19, WM 2021, 1047 Rn. 90, vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, WM 2021, 1426 Rn. 55 und vom 20. September 2022 - XI ZB 34/19, WM 2022, 2371 Rn. 84).

 

59        Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerden folgt nichts anderes daraus, dass vorliegend die Miete zum Erwerbszeitpunkt über der marktüblichen Miete lag (sog. Overrent). Dass dieser Umstand im Zusammenhang mit der Loan-to-Value-Klausel ein besonderes und damit aufklärungsbedürftiges Risiko begründete, wird bereits dadurch widerlegt, dass sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts die finanzierende Bank erst im Jahr 2014 auf die Loan-to-Value-Klausel berufen hat. Demgegenüber ist das Vorbringen der Rechtsbeschwerden, der Schwellenwert für die Loan-to-Value-Klausel sei bereits zum Zeitpunkt der Prospektaufstellung überschritten gewesen oder würde jedenfalls bei der ersten vereinbarten Prüfung nach zwei Jahren überschritten, ohne Grundlage.

 

60        3. Danach ist der Antrag zu den Feststellungszielen a, b und d bis h betreffend die Musterbeklagten zu 3 und 6 nicht - wie vom Oberlandesgericht in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck gebracht - mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig, sondern als unbegründet zurückzuweisen.

 

III.

61        Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 1 KapMuG. Danach haben die Musterrechtsbeschwerdeführerin, die Rechtsbeschwerdeführer und die auf ihrer Seite Beigetretenen die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen.

 

IV.

62        Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten und die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG und § 23b RVG.

 

63        Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 KapMuG zurückgenommen haben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 117 und vom 19. September 2017 - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 74). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis 850.000 €.

 

64        Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 RVG in Höhe der Summe der nach § 23b RVG zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81 mwN).

 

65        Der Gegenstandswert ist für den Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin, der Rechtsbeschwerdeführer und der Beigetretenen auf 397.214,10 € festzusetzen. Für den Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin, für den die Summe der im Musterverfahren und in allen ausgesetzten Ausgangsverfahren gegen diese geltend gemachten Ansprüche maßgeblich ist (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2020 - XI ZB 24/16, BGHZ 228, 133 Rn. 170), beträgt der Gegenstandswert bis 600.000 €.

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