OLG Frankfurt: Verjährungsverkürzung für Prospekthaftungsansprüche bei Fondsbeteiligung
OLG Frankfurt/Main , Urteil vom 19.07.2012 - 3 U 24/12
(Vorinstanz: LG Hanau vom 14.12.2011 - Aktenzeichen 4 O 1005/11; )
Amtliche Leitsätze:
1. Die Abkürzung der Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen des Anlegers auf sechs Monate seit Kenntnis bzw. drei Jahre nach Beitritt ist mit § 202 BGB vereinbar und hält auch einer Inhaltskontrolle stand.
2. Ein Fondskonzept, das darauf angelegt ist, eine Rendite dadurch zu erzielen, dass Lebensversicherungen in der Erwartung eingekauft werden, dass die Versicherungsleistung infolge des Todes des Versicherten so frühzeitig ausgezahlt wird, dass sie die Aufwendungen für den Ankauf der Versicherung und die noch fällig werdenden Versicherungsraten übersteigt, erscheint ethisch angreifbar und könnte deshalb gemäß § 138 BGB sittenwidrig sein.
Amtliche Normenkette: BGB § 138; BGB § 195; BGB § 199; BGB § 202; BGB § 305c; BGB § 307; BGB § 309; BGB § 812; BGB § 817;
Gründe:
I. Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 II, 313 a I ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist zulässig (dazu A.), kann aber in der Sache keinen Erfolg haben (dazu B.).
A. Der Kläger hat zunächst Berufung gegen das ihm zugestellte Protokoll mit dem in zulässiger Weise am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündeten Tenor des - erst später abgesetzten Urteils - eingelegt. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, es sei ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe zugestellt worden, geht fehl. Die (erste) Berufung des Klägers liegt danach vor Zustellung des vollständig abgesetzten Urteils am 1.2.2011 und wäre damit unwirksam. Allerdings hat der Kläger auch gegen das ihm anschließend zugestellte vollständig abgesetzte Urteil innerhalb der Berufungsfrist nochmals Berufung eingelegt und auch begründet, so dass nach dem Rechtsgedanken des § 518 ZPO insgesamt eine fristgemäße Berufung vorliegt.
B. In der Sache hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Von vornherein unschlüssig ist die Klage, soweit der Kläger entgangenen Gewinn in Höhe von 2.422,70 € verlangt. Zwar gilt bei Kapitalanlagen die Regel, dass Eigenkapital in gewisser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern - wäre es nicht für die gezeichnete Anlage verwendet worden - zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, Urteil vom 2.12.1991, II ZR 141/90). Es ist aber schon nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger anstatt der streitbefangenen Anlage überhaupt eine andere gewählt hätte. Es sind andere Anlagemöglichkeiten vorstellbar, z.B. der Erwerb von Grundstücken oder Edelmetall, bei denen per se keine Verzinsung stattfindet. Nach der Rechtsprechung des BGH gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass der Geschädigte seine Geldmittel in einer anderen steuerbegünstigten Form angelegt hätte, sondern es kommt auf die Prüfung im Einzelfall nach dem konkreten Parteivorbringen an, wie sich die Vermögenslage des Geschädigten bei Abstandnahme von der Vermögensanlage entwickelt hätte (BGH, Urteile vom 13.1.2004, XI ZR 355/02, vom 6.2.2006, II ZR 329/04, vom 17.11.2005, III ZR 350/04; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 8.7.2009, 23 U 228/08; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.7.2010, 4 U 152/09).
2. Die darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche aus Prospekthaftung sind verjährt.
Gegen die Feststellung des Landgerichts, dass Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne von vornherein verjährt sind, erinnert der Kläger zu Recht nichts. Die Frage, ob die Beklagte insoweit überhaupt passivlegitimiert wäre, kann weiterhin dahinstehen.
Damit kommen nur Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht. Insoweit ist die Beklagte als Gründungsgesellschafterin passivlegitimiert, wenn der Prospekt mit ihrem Wissen und Wollen herausgegeben worden ist (KG, Urteil vom 17.6.2012, 20 U 107/05 - abrufbar über juris), wovon auszugehen ist.
Für diese Ansprüche gilt grundsätzlich die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB, die kenntnisabhängig ist. Verjährung wäre hiernach eingetreten, wenn der Kläger bis zum Ablauf des 31.12.2007 Kenntnis von den angeblichen Prospektmängeln gehabt hätte (Ablauf der 3-Jahres-Frist dann: 31.12.2010). Die Klage wurde nämlich erst am 9.8.2011 eingereicht.
Auf den Hinweis des Senats in der Ladungsverfügung hat der Kläger lediglich pauschal vorgetragen, dass er erst 2009 von den Prospektmängeln erfahren habe. Ob dieser Vortrag ausreichend substantiiert ist, kann auf sich beruhen.
Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Parteien nämlich in der Beitrittserklärung die Verjährung für die einschlägigen Ansprüche in zulässiger Weise auf sechs Monate nach Kenntnis bzw. auf drei Jahre nach Beitritt verkürzt. Da der Beitritt 2004 erfolgte, ist Verjährung jedenfalls vor Klageerhebung (2011) eingetreten.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Verkürzung der Verjährung wirksam vereinbart. Grundsätzlich ist - jedenfalls nach dem reformierten Verjährungsrecht, das hier einschlägig ist - eine Verkürzung der Verjährungsfristen zulässig, wenn der Rahmen von § 202 BGB eingehalten wird (Palandt-Ellenberger BGB, § 202 Rn 1). Zusätzlich muss die Klausel in der Beitrittserklärung als allgemeine Geschäftsbedingung den Anforderungen von § 307 BGB genügen.
In einer Entscheidung vom 23.4.2012, II ZR 211/09, hat der BGH eine ähnliche Klausel dann für unwirksam gehalten, wenn sie - auch nur mittelbar - die Haftung auch für grobes Verschulden ausschließt, indem sie die Verjährungsfrist generell verkürzt. Die vorliegende Klausel enthält - wie schon das Landgericht erkannt hat - den Zusatz "soweit nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben" und beschränkt somit die Verkürzung der Verjährung auf Fälle, in denen die Prospektverantwortlichen - wie vom Kläger nicht infrage gestellt - nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich handeln. Die Klausel in der Beitrittserklärung lässt sich danach auf einen unbedenklichen Inhalt zurückführen und ist mit § 202 BGB vereinbar. Dass dies grundsätzlich möglich ist, stellt auch der BGH in der genannten Entscheidung ausdrücklich fest.
Darüber hinaus hält die Klausel auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
Die Einschränkung der Verjährung auf sechs Monate nach Kenntnis bzw. drei Jahre nach Beitritt wäre nur dann nicht mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren, wenn man im kenntnisabhängigen Verjährungsbeginn einen solchen Grundgedanken sieht. Schon § 199 II, III, III a und IV BGB zeigen aber, dass das Gesetz Ausnahmen von der kenntnisabhängigen Verjährung zulässt. Eine Unvereinbarkeit könnte deshalb nur darin liegen, dass die hier zu beurteilende Klausel eine kenntnisunabhängige Verjährung in drei Jahren herbeiführen will, während die in § 199 BGB genannten kenntnisunabhängigen Fristen deutlich länger sind und regelmäßig mindestens 10 Jahre betragen.
Soweit sich der BGH zu Verjährungsverkürzungen geäußert hat (vgl. die Übersicht in Palandt-Ellenberger BGB, § 202 Rn. 16), ergibt sich aus den einschlägigen Entscheidungen, die überwiegend noch aus der Zeit vor der Reform des Verjährungsrechts stammen, dass er Verkürzungen auf unter fünf Jahre zwar für problematisch hält, dass sie für den Fall des Beitritts zu einem Fonds - wie hier - wegen Schadensersatzansprüchen eines Gesellschafters generell unzulässig seien, hat der BGH jedoch - soweit ersichtlich - nicht entschieden.
Für ein Interesse an der Verkürzung dürfte indes das Argument der Rechtssicherheit sprechen; die anderen Gesellschafter haben ein Interesse daran, dass Rückabwicklungsbegehren von Mitgesellschaftern möglichst rasch bekannt werden.
Der Einwand des Klägers, in drei Jahren könnte der Erfolg des Fonds noch nicht abgesehen werden, geht am Problem vorbei. Bei der Frage der Angemessenheit einer kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist muss vielmehr darauf abgestellt werden, ob die Prospektfehler in dieser Zeit erkennbar werden können. Dass dies nicht möglich ist, trägt der Kläger nicht vor und ist nicht ersichtlich.
Auch im Hinblick auf § 309 Nr. 7 BGB ist die Klausel nicht problematisch, weil sie die Haftung für grobes Verschulden nicht generell ausschließt.
Gleiches gilt für § 305 c BGB. Im Urteil vom 11.12.2003, III ZR 118/03, hat der BGH eine Klausel zur Verjährungsverkürzung für überraschend gehalten, wenn sie auch einen Dritten - hier einen selbstständigen im Vertrieb tätigten Unternehmer - von der Haftung freistellt. Das ist hier nicht einschlägig.
3. Überdies hat der erkennende Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, weiterhin Zweifel daran, ob die Beteiligung des Klägers nach § 138 BGB nicht als unwirksam angesehen werden muss, weil das Fondskonzept sittenwidrig ist.
Der Fonds will für seine Gesellschafter dadurch Gewinne erzielen, dass er US-amerikanische Lebensversicherungen von den Begünstigten aufkauft, und zwar in der Erwartung, dass die Versicherungsleistung so zeitig fällig wird, dass diese die Prämienzahlungen übersteigt. Die Rentabilität der Anlage hängt damit in entscheidender Weise von der weiteren Lebenserwartung der versicherten Person ab. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass der Anleger wirtschaftlich gesehen darauf hoffen muss, dass möglichst viele Versicherte kein hohes Lebensalter erreichen, sondern frühzeitig versterben. Ein solches Fondskonzept erscheint ethisch ausgesprochen fraglich, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Versicherten durch den Verkauf ihrer Lebensversicherungen einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen.
Die Frage muss hier jedoch nicht abschließend entschieden werden. Die Klageforderung wäre nämlich auch in diesem Falle unbegründet.
Die Unwirksamkeit des Beitritts würde in diesem Fall in Bezug auf die von dem Kläger als Anleger geleisteten Einlagen zwar zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen führen, dieser wäre jedoch wegen § 817 BGB ausgeschlossen wäre, weil der Kläger durch seine Beteiligung an dem Fonds ebenfalls sittenwidrig handelt.
4. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die beanstandeten Prospektfehler überhaupt vorliegen und ob sich der Kläger Steuervorteile, die er durch seine Anlage erzielt hat, unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung auf einen Schadenersatzanspruch würde anrechnen lassen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.