R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
13.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Brandenburg: Verjährungshemmung durch Anfechtungsklage eines Insolvenzgläubigers

OLG Brandenburg, Urteil vom 18.7.2012 - 7 U 92/11

Leitsatz

1. Anfechtende Gläubiger in einem Verbraucherinsolvenzverfahren sind nicht notwendige Streitgenossen, auch wenn sie gemeinsam klagen.

2. Die Anfechtungsklage eines Insolvenzgläubigers nach § 313 Abs. 2 InsO hemmt die Verjährung bezogen auf das Anfechtungsrecht auch zugunsten der übrigen Insolvenzgläubiger.

3. Ein obsiegendes Urteil eines Insolvenzgläubigers lässt grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse für die übrigen Gläubiger entfallen.

Sachverhalt

I. Die Kläger machen Ansprüche gegen die Eltern der Beklagten, I... S... und E... S..., geltend. Diese befinden sich in einem Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Kläger fechten die Übertragung eines Grundstücks auf die Beklagten nach § 313 Abs. 2 InsO an und beanspruchen Wertersatz für das Grundstück.

Prof. Dr. O... M... und dessen Ehefrau C... M... erwarben am 18. Juni 1990 von dem Rat der Stadt ... das Grundstück ...straße 12/13 in ..., Grundbuch von ..., Blatt 14343, zu einem Kaufpreis von M 109.360,00. Da sie vor dem 3. Oktober 1990 nicht mehr in das Grundbuch eingetragen wurden, benötigten sie danach eine Grundstückverkehrsgenehmigung, wodurch sich die Eigentumsumschreibung verzögerte.

Mit notariellem Vertrag vom 13. Juni 1995 schlossen die Eheleute M... mit I... S... und E... S... einen „Grundstücksüberlassungsvertrag", in dem sie vereinbarten, das Eigentum an dem Grundstück zu je einer ideellen Hälfte gegen Einräumung eines Nießbrauches zu übertragen, und erklärten sogleich die Auflassung (Bl. 30 d.A.). Noch an demselben Tage übertrugen I... S... und E... S... ihren Eigentumsverschaffungsanspruch gegenüber den Eheleuten M... ohne notarielle Beurkundung auf die Beklagten. „Zum grundbuchlichen Vollzug dieser Abtretung" wurde die Auflassung am 9. April 2002 notariell beurkundet (Bl. 9 d.A.).

Am 2. Mai 2002 wurde Prof. Dr. M... als alleiniger Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, nachdem seine Ehefrau bereits verstorben und er deren Alleinerbe war. Am 13. Mai 2002 wurden sodann I... S... und E... S... und am 20. Juni 2002 die Beklagten auf Grund der Auflassung vom 9. April 2002 als Eigentümer zu je ½ in das Grundbuch eingetragen (Bl. 54 d.A.). Die Beklagten veräußerten das Grundstück am 24. Mai 2007 zu einem Kaufpreis von € 900.000,00, von dem die Beklagten jeweils die Hälfte erhalten sollten.

Auf Antrag der I... S... vom 10. Februar 2005 (Bl. 14 d.A.) wurde am 20. April 2005 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Potsdam, 35 IK 153/05), das Verfahren später nach § 200 InsO aufgehoben und schließlich durch Beschluss vom 28. November 2008 im Hinblick auf die streitgegenständliche Forderung die Nachtragsverteilung angeordnet (Bl. 7 d.A.). In der Tabelle ist eine Forderung der BAG Bankaktiengesellschaft (BAG) bezüglich einer Bürgschaft für die S... GmbH über € 399.547,64 zuzüglich Zinsen in Höhe von € 2.825,80 festgestellt (Bl. 6 d.A.).

Auf Antrag des E... S... vom 14. April 2005 (Bl. 65 d.A.) wurde auch über sein Vermögen das Insolvenzverfahren am 22. Juli 2005 eröffnet (AG Potsdam, 35 IK 494/05), das Verfahren später am 8. März 2006 nach § 200 InsO aufgehoben und schließlich durch Beschluss vom 5. Dezember 2008 im Hinblick auf die streitgegenständliche Forderung die Nachtragsverteilung angeordnet (Bl. 7 d.A.). Zur Tabelle sind Forderungen der BAG Bankaktiengesellschaft (BAG) bezüglich einer Bürgschaft für die S... GmbH über € 399.547,64 sowie € 333.495,41 zuzüglich Zinsen festgestellt (Bl. 443 d.A.).

Die BAG veräußerte am 25./18. November 2008 ihre Forderung in Höhe von € 505.455,67 gegen die S... GmbH, zur Tabelle in dem Insolvenzverfahren der I... S... festgestellt mit € 399.547,64, einschließlich der Sicherheiten, Bürgschaften der I... S... und des E... S... an den Kläger zu 1. (Bl. 3 d.A.). Den Vertrag bestätigten sie noch einmal am 22. Dezember 2010 (Bl. 527 d.A.), notariell beglaubigt am 23. Dezember 2010 (Bl. 529 d.A.).

An den Kläger zu 2. veräußerte die BAG eine Forderung in Höhe von € 486.912,14, zur Insolvenztabelle festgestellt in Höhe von € 333.495,41 (Bl. 332, 442 f. d.A.). Die Abtretung wurde durch Vereinbarung vom 22. Februar 2011 bestätigt (Bl. 535 d.A.) und notariell beglaubigt (Bl. 540 d.A.).

Eine Forderung der Klägerin zu 3. wurde in Höhe von € 55.587,95 zur Insolvenztabelle des E... S... festgestellt (Bl. 96 d.A.).

Die Kläger fechten die Grundstücksübertragung auf die Beklagten an und haben geltend gemacht, die Beklagten hätten das Grundstück mit Haus unentgeltlich erhalten. Außerdem sei der Vertrag erst mit notarieller Beurkundung vom 9. April 2002 wirksam geworden, mithin innerhalb der Vierjahresfrist aus § 134 Abs. 1 InsO für die Anfechtung einer Schenkung. Sie fordern jeweils die Hälfte des Kaufpreises, den die Beklagten durch die Weiterveräußerung erhalten haben, zur Insolvenzmasse der I... S... und des E... S....

Die Kläger zu 1. und 2. haben beantragt:

1.) Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, zu Händen des zuständigen Treuhänders - ursprünglich R... K..., ... - für das Insolvenzverfahren zum Az.: 35 IK 153/05 des Amtsgerichts Potsdam (I... S...) 450.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.) Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, zu Händen des zuständigen Treuhänders - ursprünglich R... G..., ... - für das Insolvenzverfahren zum Az.: 35 IK 494/05 des Amtsgerichts Potsdam (E... S...) 450.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise bezüglich des Antrages zu 2.) hat der Kläger zu 1. zudem beantragt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, zu Händen des zuständigen Treuhänders - R... G..., ... - für das Insolvenzverfahren zum Az.: 35 IK 494/05 des Amtsgerichts Potsdam (E... S...) 450.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin zu 3. hat den Klageantrag zu 2.) gestellt.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin zu 3. veräußerte ihre Forderung nach der letzten mündlichen Verhandlung am 29. April 2011 an C... Gü... (Bl. 594 f. d.A.). Dieser wollte den Beklagten beitreten und verzichtete auf den Anfechtungsanspruch (Bl. 593 d.A.).

Das Landgericht hat durch Urteil vom 26. Mai 2011 der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Gegen das am 30. Mai 2011 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 10. Juni 2011 Berufung eingelegt, wobei sie als Berufungsbeklagte lediglich die Kläger zu 1. und 2. aufführten. Ihre Berufung haben sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 1. September 2011 begründet.

Die Beklagten machen geltend, ihre Berufung richte sich gegen alle Kläger, wobei die Kläger zu 2. und 3. lediglich Streithelfer des Klägers zu 1. seien. Im Übrigen seien die Kläger nicht notwendige Streitgenossen, so dass die Berufung sich nicht zwingend gegen alle Kläger richten müsse.

Die Kläger zu 1. und 2. seien nicht aktivlegitimiert und nach § 313 Abs. 2 InsO zur Anfechtung befugt. Der Titel, die Eintragung in die Insolvenztabelle, hätte dazu auf die Kläger umgeschrieben werden müssen. Außerdem seien die Abtretungen unwirksam, da zu unbestimmt. Die Abtretung an den Kläger zu 1. beziehe sich zudem lediglich auf die Forderung gegen die GmbH und er habe bisher in Bezug auf I... S... keine Anfechtung erklärt. Im Übrigen bestreiten sie die Höhe der Forderung und in Bezug auf den Kläger zu 2. die Echtheit der Abtretungserklärung. Eine Anfechtungserklärung des Klägers zu 1. in Bezug auf I... S... fehle.

Abgesehen davon seien weder ein Anfechtungsgrund noch eine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Der Auflassungsanspruch sei bereits 1995 wirksam auf die Beklagten übertragen worden und liege damit außerhalb des Zeitraums aus § 134 Abs. 1 InsO. Die Übertragung des Auflassungsanspruchs sei wirksam und habe nicht notariell beurkundet werden müssen.

Die Eigentumsübertragung an dem Grundstück sei ferner nicht unentgeltlich erfolgt. Sie hätten Prof. Dr. M... den Nießbrauch mit € 110.000,00 abgegolten. An ihre Eltern erbrächten sie seit 1995 je € 118.000,00 hochgerechnet auf deren noch verbleibende Lebenszeit. Der Kläger zu 2., der frühere Lebensgefährte der Beklagten, habe darüber hinaus aus dem Kaufpreis eine Zahlung an sich von € 175.000,00 erpresst.

Der Forderung des Klägers zu 2. gegenüber der Beklagten stehe ferner eine Ausgleichsvereinbarung datiert auf den 20. Januar 2008 (Bl. 576 d.A.) entgegen.

Die Beklagten seien entreichert. Eine etwaige Forderung der Kläger sei verjährt.

Eine Gesamtgläubigerschaft der Beklagten liege nicht vor. Ihnen sei beiden nur ein halber Miteigentumsanteil zur ideellen Hälfte übertragen worden. Zur Zahlung von € 900.000,00 könne daher nicht jeder von ihnen verpflichtet werden.

Im Übrigen hätten die Klagen nicht verbunden werden dürfen, da sie unterschiedliche Insolvenzmassen beträfen.

Die Beklagten beantragen:

Das angegriffene Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.05.2011 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen,

hilfsweise unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 26.05.2011 wird die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung richtet sich gegen die Kläger zu 1. und 2. und nicht auf die Klägerin zu 3., wie die Beklagten meinen. Nach der Berufungsschrift richtet sich ihre Berufung ausdrücklich nur gegen die Kläger zu 1. und 2. Die Parteibezeichnung ist auch nicht im Sinne der Beklagten auszulegen. Der Zugang zur Rechtsmittelinstanz darf zwar nicht in einer von Sachgründen nicht gedeckten Weise durch Förmelei erschwert werden. Mängel der Parteibezeichnung in Rechtsmittelschriften sind deshalb unbeachtlich, wenn sie in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers oder des Rechtsmittelbeklagten offenlassen (BGH vom 11.07.2003, V ZR 233/01, Juris Rn. 4). Ist bei mehreren Streitgenossen nur der an erster Stelle Stehende angegeben, z.B. in einem Kurzrubrum, so kann die Auslegung ergeben, dass sich die Berufung gegen alle Streitgenossen richten soll (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 519, Rn. 32). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Beklagten haben ausdrücklich nur die Kläger zu 1. und 2. mit vollem Rubrum in ihrer Berufungsschrift aufgeführt. Schon dadurch entsteht der Eindruck der Vollständigkeit der Parteibezeichnung. Hierfür gibt es auch einen sachlichen Grund. C... Gü..., der Rechtsnachfolger der Klägerin zu 3., hat erklärt, er wolle nicht gegen die Beklagten vorgehen, so dass aus ihrer Sicht eine Berufung gegen die Klägerin zu 3. nicht notwendig erschien.

Die Berufung ist gleichwohl zulässig, auch wenn sie sich bezogen auf die Insolvenzmasse des E... S... nur gegen die Kläger zu 1. und 2. richtet. Allerdings ist ein Rechtsmittel gegen nur einen Teil der notwendigen Streitgenossenschaft unzulässig (vgl. BGHZ 23, 73 ff.; BGH vom 11.11.2011, V ZR 45/11, Juris Rn. 8). Die Kläger sind aber keine notwendigen Streitgenossen.

Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt nur vor, wenn mehrere wegen ihrer materiellrechtlichen Verbundenheit gemeinsam klagen oder verklagt werden müssen und die Klage Einzelner oder gegen einzelne Streitgenossen wegen fehlender Einzelprozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen werden müsste. Besteht dagegen eine Einzelprozessführungsbefugnis und sei es im Wege der actio pro socio, so ist von einer einfachen Streitgenossenschaft auszugehen (vgl. Dressler in Beck'scher OK-ZPO, § 62, Rn. 21, 22; Weth in Musielak OK-ZPO, § 62, Rn. 8, 10 m.w.N.). Klagen mehrere Beteiligte trotzdem gemeinsam, so nötigt die Identität des Streitgegenstandes nicht zur Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft, wenn ansonsten unterschiedliche Entscheidungen ergehen könnten (vgl. BGH vom 26.10.1984, V ZR 67/83, Juris Rn. 7 für Miteigentümer; a.A. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 62, Rn. 16).

Grundsätzlich steht jedem Insolvenzgläubiger ein originäres Anfechtungsrecht zu, das er in gesetzlicher Prozessstandschaft aus eigenem Interesse für die Masse geltend machen kann. Die Insolvenzgläubiger können jeder für sich, mehrere zusammen, alle gemeinsam oder ein Gläubiger im Auftrag der anderen das Anfechtungsrecht geltend machen, wobei ein klagabweisendes Urteil nicht zu Lasten der anderen Insolvenzgläubiger wirkt (vgl. Vallender in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 313, Rn. 64, 71, 79; MünchKomm.-Ott/Vuia, InsO, 2.Aufl., § 313, Rn. 10, 14). Die Anfechtungsrechte der einzelnen Insolvenzgläubiger können daher durchaus unterschiedlichen prozessualen Schicksalen unterliegen. Sie sind nicht zwingend, wie bei notwendigen Streitgenossen, miteinander verbunden, obwohl eine einheitliche Entscheidung wünschenswert wäre. Einen Zwang zur gemeinsamen Handlung sieht das Gesetz aber gerade nicht vor und nimmt damit abweichende Entscheidungen in Kauf.

In der Sache ist die Berufung der Beklagten im Wesentlichen unbegründet.

Die Kläger sind aktivlegitimiert. Die BAG hat wirksam die Forderungen gegen I... und E... S... auf die Kläger zu 1. und 2. übertragen. Sie bezieht sich in erster Linie auf die Forderung der BAG gegen die S... GmbH. Mit Übergang der Hauptforderung gehen nach § 401 Abs. 1 BGB aber zugleich Sicherheiten wie die Bürgschaften auf den Erwerber über. Die Bürgschaften der I... und E... S... sind darüber hinaus in den Abtretungen ausdrücklich erwähnt.

Die Abtretungen sind zudem hinreichend bestimmt. An den Kläger zu 1. trat die BAG eine Hauptforderung gegen die S... GmbH in Höhe von € 505.455,67 ab, gesichert durch Bürgschaften der I... und E... S..., die mit € 399.547,64 zuzüglich Zinsen in Höhe von € 2.825,80 zur Tabelle festgestellt sind. Die Forderung findet sich festgestellt sowohl in der Tabelle der I... S... als auch des E... S... wieder (Bl. 3, 197, 527R, 528 d.A.). An den Kläger zu 2. trat die BAG eine Darlehensforderung gegen I... S... ab, die nach der Urkunde mit € 333.495,41 zum Insolvenzverfahren angemeldet und durch eine Bürgschaft des E... S... gesichert war (Bl. 327, Original Bl. 332 d.A.). Beide Forderungen sind mit € 333.495,41 zuzüglich Zinsen zu den Tabellen festgestellt (Bl. 527R, 528, 265 d.A.). Durch den in den Abtretungsurkunden genannten Betrag lassen sie sich individualisieren.

Die Abtretungen wurden ferner durch bevollmächtigte Vertreter der BAG unterzeichnet und sind auch insoweit wirksam. Dies haben die Zeugen C... und B... (Bl. 334, 426 d.A.) bestätigt. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des Landgerichts an.

44

Wirksam ist auch die Abtretung an den Kläger zu 2. Anhaltspunkte dafür, dass die Abtretungsurkunde bezüglich des Klägers zu 2. nicht echt ist, finden sich nicht. Der Forderungskaufvertrag mit dem Kläger zu 2. entspricht dem Forderungskaufvertrag mit dem Kläger zu 1. (Bl. 3 d.A.) und trägt zwei Unterschriften. Die Zeugin B... bestätigte, dass sowohl sie als auch ein Herr W... für die BAG den Vertrag unterzeichnet haben (Bl. 427 d.A.). Einwände gegen die Echtheit der Unterschriften haben die Beklagten nicht vorgetragen, so dass nach §§ 416, 439 Abs. 3 ZPO von der Abtretung der Forderungen, wie sie sich aus der Urkunde ergibt, auszugehen ist.

Zur Wirksamkeit der Abtretungen bedarf es ferner keiner Titelumschreibung und Aufnahme der Kläger zu 1. und 2. in die Insolvenztabellen. Die Titelumschreibung nach § 727 ZPO setzt vielmehr eine wirksame Abtretung der titulierten Forderung voraus und begründet sie nicht. Nichts anderes kann für die Umschreibung der Insolvenztabelle auf Rechtsnachfolger hinsichtlich der dort festgestellten Gläubiger und ihrer Forderungen gelten. Die Eintragung in der Tabelle wirkt auch insoweit nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil. Nur falls die Rechtsnachfolge der Kläger für das Gericht nicht offenkundig ist, kann das Gericht - nicht die Beklagten - nach § 727 Abs. 1 ZPO den Nachweis der Rechtsnachfolge durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erlangen. Das Amtsgericht hat die Titelumschreibung bisher aber lediglich unter Hinweis auf eine mögliche Restschuldbefreiung zurückgestellt (Bl. 380 d.A.). Im Übrigen hat die BAG die Forderungsabtretungen später noch einmal notariell beglaubigt bestätigt (Bl. 527, 535 d.A.).

Mit der Abtretung der Forderungen sind die Kläger zu 1. und 2. nach § 398 S. 2 BGB an die Stelle der BAG getreten und nach §§ 313 Abs. 2, 38 Abs. 1, 129 ff. InsO zur Anfechtung berechtigt.

Die Kläger zu 1. und 2. können ihre Anfechtung weiterhin gerichtlich geltend machen. Ihr Rechtschutzinteresse in Bezug auf das Insolvenzverfahren des E... S... ist nicht durch die rechtkräftige Entscheidung zugunsten der Investitionsbank des Landes Brandenburg entfallen. Die zur Anfechtung berechtigten Insolvenzgläubiger machen kein eigenes Recht geltend, sondern lediglich in Prozessstandschaft das Anfechtungsrecht der Insolvenzmasse (MünchKomm.-Ott/Vuia, InsO, 2.Aufl., § 313, Rn.10, 12; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 313, Rn. 79; Braun/Buck, InsO, 5. Aufl., § 313, Rn. 20 ff.). Ist dieses Anfechtungsrecht rechtskräftig festgestellt, so entfällt grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse für eine weitere Feststellung. Wenn aber, wie vorliegend, der obsiegende Insolvenzgläubiger das Anfechtungsrecht nicht weiter verfolgen will, bleibt ausnahmsweise das Rechtschutzinteresse der übrigen Insolvenzgläubiger bestehen.

Die Ansprüche können zudem nach §§ 260, 59 ZPO in einer Klage zusammengefasst werden. Grundlage des Rechtsstreits ist bei beiden Beklagten derselbe Lebenssachverhalt. Die Kläger machen das Anfechtungsrecht der jeweiligen Insolvenzmasse in sinnvoller Weise gemeinsam geltend, um Einzelverfahren mit abweichenden Entscheidungen und zusätzliche Kosten für alle Beteiligten zu vermeiden.

In der Sache ist das Anfechtungsrecht begründet. Die Kläger können nach §§ 129 Abs. 1, 134 Abs. 1, 143 Abs. 1 S. 1 InsO i.V.m. §§ 812, 818 Abs. 2 BGB Erstattung der Kaufpreiszahlung zu den jeweiligen Insolvenzmassen beanspruchen.

Eine gesonderte Anfechtungserklärung gegenüber I... S... ist dazu nicht erforderlich. Das Anfechtungsanspruch aus §§ 313 Abs. 2, 129 ff. InsO entsteht auf Grund der gesetzlichen Tatbestände als Inhalt eines gesetzlichen Schuldverhältnisses mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht erst durch eine einseitige Anfechtungserklärung (vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 129, Rn. 4).

Die Voraussetzungen für eine Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO liegen vor. Anfechtbar ist danach eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

Die Beklagten haben das streitgegenständliche Grundstück innerhalb der letzten vier Jahre vor den Anträgen auf Eröffnung der Insolvenzverfahren erhalten. Das Eigentum an dem Grundstück wurde nach § 873 Abs. 1 BGB durch die Einigung über den Eintritt der Rechtsänderung und deren Eintragung in das Grundbuch übertragen. Die Beklagten wurden am 13. Mai 2002 in das Grundbuch eingetragen (Bl. 54 d.A.), mithin innerhalb der Vierjahresfrist.

Auch die Auflassung des Grundstücks wurde erst mit der notariellen Beurkundung vom 9. April 2002 (Bl. 9 d.A.) innerhalb dieser Frist wirksam und nicht schon mit Abtretung des Eigentumsverschaffungsanspruch vom 13. Juni 1995. Die Vereinbarung vom 13. Juni 1995 ist nach § 125 BGB formunwirksam, da sie nicht notariell beurkundet. Nach § 313 S. 1 BGB in der damals geltenden Fassung bedurfte ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtete, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Dem Formzwang unterliegen darüber hinaus alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft ersetzen sollen. Die schuldrechtliche Übertragung eines Auflassungsanspruchs als Verfügungsgeschäft fällt nicht darunter, wohl aber die Verpflichtung zur Übertragung eines Anwartschaftsrechts. Ein Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand des Grundstückseigentums schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Vollrechts Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag. Die erfolgte Auflassung ist die erste Voraussetzung für die Bejahung eines Anwartschaftsrechtes (vgl. BGH vom 11.11.1983, V ZR 211/82, Juris Rn. 16 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 313, Rn. 6, 7, 13, 25).

Die Eheleute M... haben bereits in dem notariellen Vertrag vom 13. Juni 1995 die Auflassung erklärt (Bl. 35 d.A.). Wollten die Eltern der Beklagten sich anschließend verpflichten, ihre so erlangte Rechtsposition auf die Beklagten zu übertragen, so mussten sie die Vereinbarung notariell beurkunden lassen.

Die Übertragung des Grundstücks auf die Beklagten war zudem unentgeltlich. Die notarielle Urkunde vom 9. April 2002 (Bl. 9 d.A.) enthält keine Entgeltregelung und trägt insoweit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich. Sie beweist nach § 415 ZPO widerleglich den darin beurkundeten Vorgang.

Der Beweis des Gegenteils ist den Beklagten nicht gelungen. Sie machen zwar geltend, sie hätten sich im Gegenzug verpflichtet, Unterhaltsleistungen an ihre Eltern zu erbringen. Gerechnet seit 1995 und unter Berücksichtigung der Lebenserwartung ihrer Eltern müssten sie je € 118.000,00 erbringen. Wohl hat E... S... in seiner eidesstattlichen vom 22. Januar 2003 angegeben, er erhalte eine monatliche Unterstützung seiner Kinder in Höhe von ca. € 100,00 (Bl. 94 d.A.). I... S... hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 8. Mai 2003 aufgeführt, sie wohne mietfrei bei ihren Kindern und werde durch sie mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Dingen unterstützt (Bl. 25 d.A.). Die Beklagten kommen damit ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht aus § 1601 BGB nach, die unabhängig von der Grundstücksübertragung besteht. Die Schenkung des Grundstücks wird dadurch nicht nachträglich entgeltlich.

Die Ausgleichsvereinbarung zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten zu 1. (Bl. 576 d.A.) steht der Geltendmachung des Anfechtungsrechts nicht entgegen. Zum einen macht der Kläger zu 2. einen zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruch und nicht persönliche Forderungen gegen die Beklagte geltend. Zum anderen bezieht sich die Vereinbarung auf eine Auseinandersetzung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die sie am 15. April 2008 zurückdatiert auf den 20. Januar 2008 unterzeichnet haben (vgl. Urteil des 10. Senats vom 03.05.2012, 10 U 6/11). Die darin enthaltene Ausgleichsklausel kann sich nur auf die zwischen den Parteien zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Ansprüche beziehen. Der Kläger hat die Forderung gegen I... S... und E... S... und damit sein Anfechtungsrecht aber erst danach mit der Abtretung vom 25./28. November 2008 erlangt.

Ebenso wenig können sich die Beklagten auf Entreicherung berufen, da sie sich nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB wie ein Empfänger behandeln lassen müssen, der den Mangel des rechtlichen Grundes kannte.

Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem, was die Beklagten durch die anfechtbare Handlung erhalten haben. Nach § 3 des Kaufvertrages der Beklagten mit R..., H... und S... Kn... vom 24. Mai 2007 (Bl. 41, 44 d.A.) haben die Beklagten je € 450.000,00 erhalten. Die Beklagten haften jeder auf eine Teilschuld von € 450.000,00, die sie jeweils zur Hälfte zur Insolvenzmasse der I... S... und des E... S... zu zahlen haben, da sie das Grundstück jeweils zur Hälfte von ihren Eltern erhalten haben. Die Beklagten haften insoweit nicht als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB, da nicht jeder für sich die Leistung in voller Höhe von € 900.000,00 bewirken muss und die Leistung des einen nicht auf die des anderen anrechenbar ist.

Die Forderung besteht in voller Höhe. Sie verringert sich nicht durch die Vereinbarung vom 11. Juni 2007, in der sich die Beklagten gegenüber Prof. Dr. M... verpflichteten, den Nießbrauch mit € 110.000,00 abzugelten (Bl. 571 d.A.) und ein Rechtsanwalt R... den Zahlungseingang am 21. Juni 2007 bestätigt (Bl. 574 d.A.). Die Belastung des Grundstücks mit dem Nießbrauch haben die Erwerber nach § 2 des Vertrages vom 24. Mai 2007 (Bl. 43 d.A.) bei einem Kaufpreis von insgesamt € 450.000,00 übernommen, so dass die Beklagten nicht verpflichtet waren, den Nießbrauch aus dem Kaufpreis abzulösen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten den Ausgleich für den Nießbrauch aus dem Kaufpreis erbringen mussten, finden sich nicht.

Der Anfechtungsanspruch ist ferner nicht gemäß §§ 387, 389 BGB durch Zahlung von € 175.000,00 teilweise erloschen. Sollte der Kläger zu 2. diesen Betrag von der Beklagten erhalten haben (offen gelassen in dem Urteil des 10. Senats vom 3. Mai 2012, 10 U 6/11), so erfolgte die Zahlung vor dem Hintergrund der Vereinbarung des Klägers zu 2. mit der Beklagten vom 15. April 2008 als Ausgleich im Rahmen der Auseinandersetzung ihrer nichteheähnlichen Lebensgemeinschaft und nicht auf die streitgegenständliche Forderung.

Der Zinsanspruch ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Forderung der Kläger ist nicht verjährt. Sie verjährt nach §§ 313 Abs. 2 S. 1, 146 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Entstanden ist der Anspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I... und E... S... im Jahr 2005, so dass Ende 2008 Verjährung eingetreten wäre. Diese Verjährung wurde durch die Klage des Klägers zu 1. vom 3. Dezember 2008, zugestellt am 6. Dezember 2008 (Bl. 58 f. d.A.), gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Allerdings hemmt nur die Klage eines Berechtigten die Verjährung. Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist jedoch auch ein Kläger, der den Anspruch in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend macht (vgl. BGH NJW 2010, 2270, 2271, Rn. 38; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 204, Rn. 9).

Die Klage des Klägers zu 1. hemmt die Verjährung zugleich zu Gunsten des Klägers zu 2. Der Streitgegenstand bestimmt den Umfang der Verjährungshemmung (vgl. BGH NJW 2005, 2004, 2005). Streitgegenständlich ist das Anfechtungsrecht aus der Insolvenzmasse. Für die Verjährung und deren Hemmung ist deshalb auf das materielle Anfechtungsrecht der Masse und nicht die Prozessstandschaft der einzelnen Insolvenzgläubiger abzustellen. Die Situation der anfechtenden Insolvenzgläubiger einer Verbraucherinsolvenz ist insoweit rechtlich vergleichbar einer Bruchteilsgemeinschaft, bei der jeder Teilhaber nach § 744 Abs. 2 BGB berechtigt ist, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen. Auch in diesem Fall wirkt die Hemmung der Verjährung durch Klage eines Teilhabers in Prozessstandschaft zu Gunsten der übrigen Teilhaber (vgl. BGH NJW 1985, 1826; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 204, Rn. 9). Gleiches muss für die Klage eines Insolvenzgläubigers nach §§ 313 Abs. 2, 129 ff. InsO gelten. Damit konnte der Kläger zu 2. den Anfechtungsanspruch unverjährt in Prozessstandschaft geltend machen, als er mit Schriftsatz vom 15. Juni 2010 dem Rechtsstreit beigetreten ist (Bl. 300 d.A.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Die Zuvielforderung der Kläger im Hinblick auf die Gesamtschuld der Beklagten hat keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage der notwendigen Streitgenossen, der Beschwer der Kläger sowie der Verjährung zukommt.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 900.000,00 festgesetzt.

stats