BGH: Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen beim Kauf einer Photovoltaikanlage
BGH, Urteil vom 9.10.2013 - VIII ZR 318/12
Leitsatz
Ansprüche des Käufers wegen Mangelhaftigkeit der Komponenten einer Photovoltaikanlage, die der Käufer auf dem bereits vorhandenen Dach einer Scheune angebracht hat, um durch Einspeisung des erzeugten Solarstroms Einnahmen zu erzielen, unterliegen nicht der fünfjährigen Verjährung nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB, sondern der zweijährigen Verjährung nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB.
§ 438 Abs 1 Nr 2 Buchst b BGB, § 438 Abs 1 Nr 3 BGB
Sachverhalt
Der Landwirt S. kaufte am 22. April 2004 von der Klägerin sämtliche Komponenten (Einzelteile) einer Photovoltaikanlage. Vertragsgegenstand war nur die Lieferung der Teile, die die Klägerin ihrerseits im April 2004 bei der Beklagten erwarb und noch im April 2004 direkt von der Beklagten an den Landwirt S. liefern ließ, der sie in der Folgezeit auf dem vorhandenen Dach einer auf seinem Grundstück stehenden Scheune montierte. Der Landwirt S. zahlte den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 332.497,76 € an die Klägerin.
Nachdem die Photovoltaikanlage zunächst ohne Störungen in Betrieb genommen worden war, kam es im Winter 2005/2006 aufgrund Blitzschlags und hoher Schneelast zu Funktionsbeeinträchtigungen, die der Landwirt S. seiner Gebäudeversicherung meldete. Der von der Versicherung beauftragte Sachverständige L. kam in seinem Gutachten vom 28. Juni 2006 zu dem Ergebnis, dass sechs Module versicherte Witterungsschäden erlitten hätten. Darüber hinaus wies der Sachverständige darauf hin, dass bei weiteren Modulen eine sogenannte Delamination zu verzeichnen sei; diese Schäden fielen jedoch in den Bereich der Produktgewährleistung und stellten keinen Versicherungsschaden dar.
Mit Schreiben vom 17. August 2006 setzte der Landwirt S. die Klägerin von den Feststellungen des Sachverständigen L. in Kenntnis. Die Klägerin gab die Beanstandungen mit Schreiben vom 29. August 2006 an die Beklagte weiter. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 19. September 2006 die dort behaupteten Mängel (Delamination an verschiedenen Modulen) zurück, stellte jedoch ihre Gewährleistungspflicht nicht in Abrede, "sollte sich die Vermutung des Gutachters wider Erwarten bestätigen".
Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2007 leitete der Landwirt S. gegen die Klägerin vor dem Landgericht Passau ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem die Klägerin der Beklagten den Streit verkündete; die Streitverkündungsschrift wurde der Beklagten am 1. August 2007 zugestellt. In diesem Verfahren erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige B. ein Gutachten und drei Ergänzungsgutachten. Im letzten Ergänzungsgutachten vom 18. Oktober 2008 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass an 186 Modulen der Photovoltaikanlage Fertigungsmängel zu verzeichnen seien; 44 Module wiesen eine ausgeprägte Delamination auf, bei 142 Modulen seien die Frontkontaktierungen nur lückenhaft aufgebracht. Jeder Mangel für sich führe zu einer Leistungsbeeinträchtigung der Anlage.
Der Landwirt S. nahm die Klägerin auf der Grundlage der im Gutachten des Sachverständigen B. festgestellten Mängel (Delamination und lückenhafte Frontkontaktierungen) an 186 Modulen vor dem Landgericht Passau auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht Passau verurteilte die Klägerin, an den Landwirt S. Schadensersatz in Höhe von 70.760 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.580 €, jeweils nebst Zinsen, zu zahlen; darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass die Klägerin zur Erstattung weiterer Kosten für die Schadensbeseitigung bei 186 Modulen sowie zum Ersatz eines bei dem Landwirt S. entstandenen Ausfallschadens für die Einspeisevergütung vom 24. Oktober 2006 an bis zum Abschluss der Nachbesserung verpflichtet ist. Das Urteil ist rechtskräftig.
Gestützt auf die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen nimmt die Klägerin die Beklagte auf Freistellung von der für den Landwirt S. titulierten Zahlungspflicht in Anspruch; ferner begehrt sie Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr weitere im Einzelnen bezeichnete Schäden zu ersetzen, die ihr im Zusammenhang mit der Lieferung der mangelhaften Solarmodule an den Landwirt S. entstanden sind.
Das Landgericht hat dem Freistellungsantrag in Höhe von 54.920 € nebst Zinsen und den Feststellungsanträgen teilweise entsprochen; soweit die Klägerin ihre Ansprüche auf den Mangel Delamination stützt, hat es die Klage abgewiesen, da die Klägerin diesen Mangel nicht rechtzeitig gegenüber der Beklagten gerügt habe und die Solarmodule insoweit als genehmigt gälten (§ 377 Abs. 1, 2 HGB).
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Klägerin die Verurteilung der Beklagten in Ziffer 1 des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung dahin gehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 54.920 € nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Aus den Gründen
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Zu Recht habe das Landgericht hinsichtlich der fehlerhaften Frontkontaktierungen an 142 Solarmodulen einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 437 Nr. 3, § 440 BGB bejaht.
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Dass die Frontkontakte lückenhaft aufgetragen worden seien, habe das Landgericht Passau im Vorprozess bindend festgestellt; dies werde von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Die lückenhaften Frontkontaktierungen, hinsichtlich derer die Klägerin ihrer Rügeobliegenheit nach § 377 HGB genügt habe, seien auch als Mangel der Module anzusehen.
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Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch, da für die Klageansprüche die fünfjährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB gelte. Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass die Vorschrift nicht nur Gewährleistungsansprüche der Bauhandwerker gegen ihre Lieferanten erfasse, sondern auch dann Anwendung finde, wenn der Bauherr die von ihm gekauften Sachen selbst einbaue. Die Montage von Solarmodulen auf dem Dach eines Gebäudes sei auch eine übliche Verwendungsweise, da Photovoltaikanlagen entweder auf dem Boden oder auf dem Dach von Gebäuden errichtet würden. So verhalte es sich auch im Streitfall. Der Bauherr S. habe die Module für ein Bauwerk verwendet, indem er sie auf dem Dach seiner Scheune angebracht habe. Damit seien die Module wesentliche Bestandteile des Gebäudes geworden.
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Der vom Landgericht in Ziffer 1 des Urteilstenors titulierte Freistellungsanspruch habe sich infolge zwischenzeitlicher Befriedigung des Landwirts S. durch die Klägerin in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, so dass das landgerichtliche Urteil insoweit in eine Zahlungsverpflichtung abzuändern sei.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Klageansprüche verjähren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in fünf Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB), sondern in zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB); deshalb greift die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durch.
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1. Nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB verjähren die in § 437 Nr. 1 und Nr. 3 BGB bezeichneten Ansprüche - wozu nach § 437 Nr. 3 BGB auch die Klageansprüche zählen - in fünf Jahren bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat. So verhält es sich im Streitfall nicht.
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Zwar scheitert die Anwendbarkeit des § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits daran, dass es vorliegend nicht um Ansprüche eines Bauhandwerkers/Werkunternehmers gegen seinen Lieferanten geht; die Bestimmung findet auch dann Anwendung, wenn Sachen der in § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB bezeichneten Art vom Käufer selbst für ein Bauwerk verwendet (eingebaut) werden (BT-Drucks. 14/6040, S. 227; Staudinger/Matuschke-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 438 Rn. 40; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 438 Rn. 9; MünchKommBGB/Westermann, 6. Aufl., § 438 Rn. 18). Die Klageansprüche verjähren aber deshalb nicht in fünf Jahren, weil die gekauften Sachen nicht "für ein Bauwerk" verwendet worden sind.
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a) Nach der Gesetzesbegründung zu § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB kann hinsichtlich der Frage, ob die Kaufsache "für ein Bauwerk" verwendet worden ist, auf die zu § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (jetzt § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Danach ist ein Bauwerk eine unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Von der Vorschrift erfasst sind nicht nur Neuerrichtungen von Bauwerken, sondern auch Erneuerungs- und Umbauarbeiten an einem errichteten Gebäude, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind und wenn die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden sind (BT-Drucks. 14/6040, S. 227).
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b) So verhält es sich im Streitfall nicht.
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Die auf dem Scheunendach errichtete Photovoltaikanlage, zu deren Erstellung die Module dienten, ist mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Solaranlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von (wesentlicher) Bedeutung. Vielmehr dient die Solaranlage eigenen Zwecken, denn sie soll Strom erzeugen und dem Landwirt S. dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen; um diesen Zweck zu erfüllen, hätte die Anlage auch auf jedem anderen Gebäude angebracht werden können. Die Photovoltaikanlage hat mithin keine Funktion für das Gebäude (Scheune) selbst, sondern sie ist, weil es dem Bauherrn zweckdienlich erschien, lediglich ebendort angebracht worden. Allein dies führt nicht dazu, dass die für die Montage von der Klägerin gelieferten Einzelteile "für ein Bauwerk" verwendet worden wären (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - VII ZR 287/95, NJW-RR 1998, 89 unter II 2 b). Aus dem Umstand, dass der Einbau der Solarmodule weder für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Benutzbarkeit der Scheune von (wesentlicher) Bedeutung ist, folgt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung überdies, dass die Mangelhaftigkeit der Solarmodule nicht auch die Mangelhaftigkeit der Scheune verursacht hat.
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Aus der allgemeinen Erwägung der Vorinstanzen, die Energieversorgung eines Bauwerks gehöre zu dessen gewöhnlichem Gebrauch und damit zur Benutzbarkeit, kann schon deshalb nichts für den Streitfall abgeleitet werden, weil aus den von den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht hervorgeht, dass die Scheune vor Anbringung der Module keine Stromversorgung gehabt hätte und der Landwirt S. den mit der Photovoltaikanlage erzeugten Strom nun (auch) für die Scheune nutzen würde. Aber selbst wenn ein Teil des von der Solaranlage erzeugten Stroms der Energieversorgung der Scheune dienen sollte, würde dies im Streitfall nicht zur Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährung nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB führen. Denn auch dann läge der Hauptzweck der Errichtung der Anlage darin, dem Landwirt S. eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, so dass es auch in dieser Fallgestaltung an einer Verwendung "für ein Bauwerk" fehlen würde.
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2. Bestimmt sich die Verjährungsfrist im Streitfall nach allem nicht nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB, sondern nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB, greift die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durch.
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a) Gemäß § 438 Abs. 2 BGB begann die Verjährungsfrist mit der Ablieferung der Einzelteile der Photovoltaikanlage bei dem Landwirt S. zu laufen, mithin im April 2004. Das erste Ereignis, das danach eine Hemmung der Frist nach § 204 Abs. 1 Nr. 6, 7 BGB hätte herbeiführen können, ist im Streitfall in der am 1. August 2007 erfolgten Zustellung der Streitverkündungsschrift an die Beklagte im Rahmen des von dem Landwirt S. gegen die Klägerin geführten selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Passau zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB indes bereits abgelaufen.
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b) Die Vorinstanzen haben ausgeführt, selbst wenn die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gelten würde, sei die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Denn die Beklagte habe in dem Schreiben an die Klägerin vom 19. September 2006 eine Überprüfung der behaupteten Mängel angeregt und erklärt, dass sie berechtigten Gewährleistungsansprüchen nachkommen werde. Diese Überprüfung sei durch das vor dem Landgericht Passau durchgeführte selbständige Beweisverfahren erfolgt, und dort hätten sich die Mängel bestätigt. Die Berufung der Beklagten auf Verjährung sei unter diesen Umständen widersprüchlich und treuwidrig.
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Dem kann nicht gefolgt werden.
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Zum einen stand im Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 19. September 2006 lediglich der Mangel "Delamination" im Raum; von lückenhaften Frontkontaktierungen war zu dieser Zeit noch nicht die Rede, so dass sich die Erklärung der Beklagten, sie werde berechtigten Gewährleistungsansprüchen nachkommen, auch nur auf diesen Mangel beziehen konnte. Zum anderen hat die Beklagte ungeachtet ihrer Erklärung, sie werde berechtigten Gewährleistungsansprüchen nachkommen, jedweden Mangel an den gelieferten Teilen durchweg in Abrede gestellt, auch in dem Schreiben vom 19. September 2006. Die Klägerin hatte somit keinen Anlass, die Erklärung der Beklagten, sie werde berechtigten Gewährleistungsansprüchen nachkommen, als Verzicht auf die zukünftige Erhebung der Einrede der Verjährung zu deuten. Dass dies die Klägerin selbst auch so gesehen hat, verdeutlicht ihr im Tatbestand des Landgerichtsurteils referiertes Antwortschreiben vom 21. September 2006, in dem sie die Beklagte ausdrücklich aufforderte, auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Einen derartigen Verzicht hat die Beklagte in der Folgezeit nicht erklärt.
III.
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Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin abzuändern und die Klage abzuweisen.