OLG München: Verhältnis des wettbewerbsrechtlichen Belästigungsverbots zum europäischen Datenschutzrecht
OLG München, Urteil vom 7.2.2019 – 6 U 2404/18
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1108-1
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Nicht amtliche Leitsätze
1.Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit und Verarbeitung personenbezogener Daten in Gestalt eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals sind nicht als Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das wettbewerbsrechtliche Belästigungsverbot heranzuziehen.
2.Weder kommt der DS-GVO eine vorrangige Geltung gegenüber der EK-DSRL zu noch verdrängt sie letztere in ihrem Geltungsbereich. Vielmehr kommen beide Vorschriften im Rahmen ihres Regelungsgehalts nebeneinander zur Anwendung.
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2, RL 2002/58/EG Art. 13, GRCh Art. 16, DS-GVO Art. 95, Art. 99 Abs. 2, UGP-RL Anhang I Nr. 26
Sachverhalt
I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Telefonanrufen zu Werbezwecken.
Mit Urteil vom 08.06.2018 hat das Landgericht den Anträgen der Klägerin - welche wie die Beklagte Endverbraucher mit Strom und Gas beliefert - entsprechend die Beklagte verurteilt,
1.
es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Verbraucher anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um ihnen Energiedienstleistungsverträge anzubieten, ohne dass deren vorherige Einwilligung vorliegt,
2.
an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 1.531,90 nebst Zinsen seit dem 30.06.2017 zu zahlen.
Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, ausgeführt:
Die Klägerin sei als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei sie befugt, die streitgegenständlichen Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten gerichtlich geltend zu machen. Dem stehe Unionsrecht nicht entgegen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber ein erhebliches Interesse am Unterbleiben von bei Verbrauchern eingehenden unerwünschten Telefonanrufen hätten.
Hinsichtlich des am 12.09.2016 beim Verbraucher V. von den Mitarbeitern der Beklagten getätigten Werbeanrufs sei keine Verjährung eingetreten, da dieser der Klägerin unstreitig erst am 03.04.2017 zur Kenntnis gebracht worden sei.
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folge aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Die Beklagte habe gegen das in dieser Vorschrift geregelte Belästigungsverbot verstoßen, indem sie die streitgegenständlichen Werbeanrufe getätigt habe, ohne zuvor die Einwilligung der angerufenen Gesprächsteilnehmer einzuholen. Da die Einwilligung vorab zu erteilen sei, sei nicht erheblich, ob der Zeuge K. während des Telefonats zu erkennen gegeben habe, mit der Fortführung des Telefonats nicht einverstanden zu sein. Auch der Zeuge V. habe sein Einverständnis zur Kontaktaufnahme mit der Beklagten nicht erteilt. Die als Anlage B 2 vorgelegte „Optin Bestätigung Datenpool - DZ102“ beziehe sich lediglich auf seine Ehefrau Elke V. Die in Richtung auf den Zeugen R. als Anlage B 1 vorgelegte „Optin Bestätigung Datenpool - N1145“ reiche für das Vorliegen einer Einverständniserklärung ebenfalls nicht aus.
Eine Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH sei nicht veranlasst. Die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell nur nach vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig sei, stehe nach der Rechtsprechung des BGH mit Unionsrecht in Einklang.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie wie folgt begründet:
Das Landgericht habe es verabsäumt, die Voraussetzungen der Telefonwerbung zunächst anhand des Datenschutzrechts zu erörtern, da § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG unionsrechtlich in Art. 13 der RL 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, nachfolgend: EK-DSRL) fundiert sei. Insoweit setze die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts gemäß Art. 1 Abs. 1 der EK-DSRL bis einschließlich 24.05.2018, sodann nach der Datenschutzgrundverordnung (VO (EU) 2016/679, nachfolgend: DS-GVO) die „… Verarbeitung personenbezogener Daten …“ voraus. Zur Verarbeitung von Daten als Gegenstand der streitgegenständlichen Anrufe habe das Landgericht ebenso wenig Feststellungen getroffen - insoweit sei anzumerken, dass die Daten des Zeugen R. sowie der Ehefrau des Zeugen V. bereits vorab, nämlich anlässlich der Teilnahme an einem Gewinnspiel, verarbeitet worden seien; der vorrangig unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfende Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG scheide im Streitfall schon deshalb aus, weil sich das Vorgehen der Beklagten im Streitfall allein in der Nutzung der Rufnummern erschöpfe - wie zur Frage, ob der Unterlassungsantrag auf ein datenschutzrechtliches Verbot bezogen sei. Streitgegenständlich sei nämlich gerade nicht ein lauterkeitsrechtliches Verbot der Telefonwerbung. Sollte es aufgrund des Anrufs beim Zeugen K. zu einer Datenverarbeitung im Sinne des Datenschutzrechts gekommen sein, wäre das vom Erstgericht ausgesprochene Verbot wegen Verstoßes gegen Art. 16 der EU-Grundrechtecharta (EU-GrCH) und/oder Art. 12 GG auch unverhältnismäßig. Insoweit wären die Ausführungen des BGH in seinem Urteil „Direktansprache am Arbeitsplatz I“ (GRUR 2004, 696) auf den Streitfall entsprechend anzuwenden gewesen.
Was die Feststellungen des Landgerichts zur Durchsetzungsbefugnis der Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG betreffend das datenschutzrechtliche Verbot der Telefonwerbung anbelange, fehle eine Auseinandersetzung mit Veröffentlichungen von Köhler nach der Entscheidung des BGH „Telefonwerbung für DSL-Produkte“ (GRUR 2013, 1170). Nach den überzeugenden Ausführungen von Köhler seien weder die EK-DSRL, noch die UGP-RL in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG korrekt umgesetzt worden. Die EK-DSRL, die nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmern, sondern zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheide, schütze weder den Mitbewerber, noch Verbände (Köhler, WRP 2015, 1311). Außerdem komme eine von einem Mitbewerber beanstandete wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit von Werbeanrufen nur bei einem „hartnäckigen“ Verstoß in Betracht (Köhler, WRP 2017, 253). Zudem erfolge keine Auseinandersetzung mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der ePrivacy-VO (RL 2002/58/EG, vgl. Köhler, WRP 2017, 1025). Seit 25.05.2018 wären insoweit ohnehin die Art. 77 ff. DS-GVO anzuwenden; auch damit habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
Was die Verbotsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG anhand des Lauterkeitsrechts anbelange, habe das Landgericht nicht hinterfragt, ob und inwieweit diese Vorschrift anhand von Anhang I Nr. 26 der UGP-RL (RL 2005/29/EG) zu konkretisieren sei bzw. konkretisiert werden könne. Insoweit komme eine richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber sich bewusst gegen eine Umsetzung von Anhang I Nr. 26 UGP-RL entschieden habe. Sollte gleichwohl § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG für konkretisierungsfähig anhand von Anhang I Nr. 26 der UGP-RL erachtet werden, so fehle es an erstinstanzlichen Feststellungen zu dem Merkmal „hartnäckig und erwünscht“, weshalb auch aus diesem Rechtsgrund der Berufung stattzugeben sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Ersturteil und führt ergänzend hierzu aus, ihrer Aktivlegitimation könne die frühere Rechtsauffassung von Köhler nicht entgegengehalten werden. Dieser gehe nunmehr zutreffend davon aus, dass § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG richtlinienkonform dahingehend auszulegen sei, dass diese Vorschrift natürliche und juristische Personen gleichermaßen schütze; diesem Personenkreis gehöre die Klägerin an. Überdies sei auf die Rechtsprechung des BGH hinzuweisen, wonach Mitbewerber befugt seien, den Unterlassungsanspruch des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG geltend zu machen.
Da die Beklagte gegen das Belästigungsverbot des - mit Unionsrecht in Einklang stehenden - § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen habe und ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung nicht nachgekommen sei, habe das Ersturteil Bestand.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 07.02.2019 (Bl. 151/154 d. A.) Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die Berufung der Beklagten gegen das angegriffene Urteil des Landgerichts München I vom 08.06.2018 ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§ 517, § 519 ZPO) und innerhalb verlängerter Frist mit am selben Tag per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14.09.2018 begründet (§ 520 Abs. 2 Sätze 1 und 3 ZPO). Sie hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Die Feststellung des Erstgerichts, die Beklagte habe gegen das in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG geregelte Verbot der Werbung mit einem Telefonanruf ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des angerufenen Marktteilnehmers verstoßen, was den Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sowie den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Abmahnkosten begründe, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände verhelfen ihrer Berufung nicht zum Erfolg. Im Einzelnen:
1. Die vom Landgericht in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist, sind von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen worden. Es steht daher fest, dass Herr Hartmut V. am 12.09.2016, Herr Klaus Jürgen R. sowie Herr Dieter K. zwischen dem 24.03.2017 und dem 07.04.2017 von bzw. im Auftrag der Beklagten angerufen wurden (LGU S. 2). Gegen die Feststellung des Landgerichts, die streitgegenständlichen Anrufe seien von den Beauftragten der Beklagten ohne vorheriges Einverständnis der angerufenen Verbraucher getätigt worden, wendet sich die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr, so dass es insoweit weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf.
2. Aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils (LGU S. 7/8 unter „3.“), auf die insoweit Bezug genommen wird, erfüllt das Vorgehen der Beklagten den Tatbestand der unzumutbaren Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG und begründet sowohl den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen - den die Klägerin allein zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht hat, nicht hingegen bildet die Frage der Zulässigkeit von Werbeanrufen nach datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten des Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens - Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG i.V.m. § 3, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG), als auch den Anspruch auf Erstattung der - der Höhe nach unstreitigen - vorgerichtlichen Abmahnkosten (§ 12 Abs. 2 UWG i.V.m. § 3, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG).
3. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Unterlassungsbegehren der Klägerin könne nicht auf § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. Art. 13 EK-DSRL gestützt werden.
a) Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft davon abgesehen habe, nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 1 der EK-DSRL (bzw. nach der seit 24.05.2018 geltenden DS-GVO, vgl. insoweit die nachfolgenden Ausführungen unter d)) in tatsächlicher Hinsicht Feststellungen zu treffen, ob im Streitfall personenbezogene Daten der von der Beklagten angerufenen Gesprächsteilnehmer verarbeitet worden sein. Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit und Verarbeitung personenbezogener Daten in Gestalt eines ungeschriebene Tatbestandsmerkmals als Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das wettbewerbsrechtliche Belästigungsverbot heranzuziehen sind. In diesem Sinne sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die vorstehend unter I. angeführten Veröffentlichungen von Köhler zu lesen. Diese befassen sich vielmehr mit der Frage der unionskonformen Umsetzung der EK-DSRL (sowie der UGP-RL) in nationales Recht.
b) Zur Frage der Unionskonformität der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der EK-DSRL hat sich der BGH in seinem Urteil „double-opt-in-Verfahren“ (GRUR 2011, 936) auszugsweise wie folgt geäußert (BGH a.a.O., Tz. 24):
„Entgegen der Ansicht der Revision steht § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit dem Unionsrecht im Einklang. Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) erlaubt ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist (sog. „opt-in“).“ Der im Schrifttum - auch von Köhler a.a.O. - vertretenen Auffassung, „aus der Regelung in Art. 13 Abs. 6 Satz 1 und Art. 15, 15a der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung folge, dass Verstöße gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 UWG von Mitbewerbern und Verbänden allenfalls in Vertretung oder Prozessstandschaft für den von der unzulässigen Werbung betroffenen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer verfolgt werden könnten“, hat der BGH eine Absage erteilt (BGH GRUR 2013, 1170, Tz. 11 - Telefonwerbung für DSL-Produkte).
c) Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, ein sich im Streitfall auf die Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG stützendes Verbot verstoße gegen Art. 16 EU-GrCH bzw. gegen Art. 12 GG. Der BGH hat sich in den vorgenannten Entscheidungen „double-opt-in-Verfahren“ (GRUR 2011, 936) und „Telefonwerbung für DSL-Produkte“ (GRUR 2013, 1170) mit der Vereinbarkeit der einfachrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit höherrangigem Recht auseinandergesetzt. Er hat von einer Vorlage an den EuGH ausdrücklich abgesehen (vgl. BGH a.a.O. - double-opt-in-Verfahren, Tz. 28) und einen Grundrechtsverstoß nicht festgestellt. Lediglich der Vollständigkeit halber ist insoweit anzumerken, dass im Hinblick auf das in Art. 16 Eu-CH sowie verfassungsrechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsgebot die Anforderungen, die der BGH in seinen Urteilen „Headhunter“ (DB 2004, 1555-1557), „Direktansprache am Arbeitsplatz I“ (GRUR 2004, 696) und „Direktansprache am Arbeitsplatz III“ an die Zulässigkeit kurzer Telefonanrufe am Arbeitsplatz zum Zweck der Abwerbung eines Arbeitnehmers gestellt hat, mangels Vergleichbarkeit zum wettbewerbsrechtlichen Belästigungsverbot des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG hier keine entsprechende Geltung beanspruchen können.
d) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich an der vorstehend dargestellten Beurteilung der Durchsetzungsbefugnis der Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten in rechtlicher Hinsicht das Inkrafttreten der DS-GVO zum 25.05.2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) geändert habe. Dass Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG der Auffassung der Beklagten folgend gegenüber der DS-GVO zurücktreten würde, lässt sich weder dem Verordnungstext - namentlich dessen Art. 95, welcher das Verhältnis zur EK-DSRL regelt, ohne die DS-GVO als vorrangig anzusehen bzw. mit deren Inkrafttreten die EK-DSRL, insbesondere deren Art. 13 Abs. 3, aufzuheben - noch dem Willen des Verordnungsgebers, wie er auch in den Erwägungsgründen zur DS-GVO zum Ausdruck kommt, entnehmen. In Erwägungsgrund 173 zur DS-GVO ist ausgeführt, „diese Verordnung sollte auf alle Fragen des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung finden, die nicht den in der Richtlinie 2002/58/EG … [EK-DSRL] bestimmten Pflichten, die dasselbe Ziel verfolgen, unterliegen, einschließlich der Pflichten des Verantwortlichen und der Rechte natürlicher Personen. Um das Verhältnis zwischen der vorliegenden Verordnung und der Richtlinie 2002/58/EG klarzustellen, sollte die Richtlinie entsprechend geändert werden. Sobald diese Verordnung angenommen worden ist, sollte die Richtlinie 2002/58/EG einer Überprüfung unterzogen werden, um insbesondere die Kohärenz mit dieser Verordnung zu gewährleisten.“ Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die DS-GVO vorrangige Geltung gegenüber der EK-DSRL beanspruche und in ihrem Geltungsbereich letztere verdränge. Vielmehr kommen beide Vorschriften im Rahmen ihres Regelungsgehalts nebeneinander zur Anwendung. Ein Vorrang der DS-GVO im Sinne einer „Vorwirkung“ lässt sich auch nicht mit der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen, auf eine Initiative der EU-Kommission im Januar 2017 zurückgehenden ePrivacy-VO begründen. Der im Hinblick auf den Regelungsgehalt vorstehend festgestellten Unionskonformität des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, namentlich im Hinblick auf die Frage der Durchsetzungsbefugnis durch den Mitbewerber, kann daher die Geltung der DS-GVO nicht entgegengehalten werden.
4. Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass einem nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG auszusprechenden Verbot die unionsrechtliche Regelung in Anhang I Nr. 26 der UGP-RL entgegenstünde.
a) In Anhang I Nr. 26 der UGP-RL lautet es unter der Überschrift „Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten“ auszugsweise:
„26. Kunden werden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon … geworben, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten nach den nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist, um eine nationale Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet der Richtlinien … 2002/58/EG“.
b) Nach Ansicht der Beklagten scheide ein Verbot im Hinblick auf Anhang I Nr. 26 der UGP-RL aus, weil sie in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht korrekt umgesetzt sei (im Hinblick auf den dort keine Verwendung findenden Begriff „hartnäckig“), eine richtlinienkonforme Anwendung nicht in Betracht komme, weil sich der nationale Gesetzgeber bewusst gegen eine Aufnahme des Tatbestandsmerkmal „hartnäckig“ in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG entschieden habe, jedenfalls es aber an tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zum Merkmal der „Hartnäckigkeit“ fehle.
aa) Auch insoweit ist die Rechtsprechung des BGH in „double-opt-in-Verfahren“ zu verweisen (BGH a.a.O. - Tz. 25-28): „…Nach dem ersten Satz der Nummer 26 des Anhangs I der Richtlinie ist allein das hartnäckige und unerwünschte Ansprechen von Kunden über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien unter allen Umständen unlauter. Dies gilt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung jedoch „unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG“. Dadurch wird insoweit nicht etwa ein Vorrang der Richtlinie 2005/29/EG angeordnet (aA Engels/Brunn, GRUR 2010, 886, 888). Die genannten Vorschriften - und damit insbesondere auch Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG - behalten vielmehr ohne Einschränkung durch die Richtlinie 2005/29 EG weiterhin Gültigkeit. Diese schon nach dem Wortlaut gebotene Auslegung wird durch die beiden letzten Sätze des Erwägungsgrunds 14 dieser Richtlinie bestätigt. Danach sollte die Richtlinie 2005/29/EG das bestehende Gemeinschaftsrecht unberührt lassen, das den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen mehreren Regelungsoptionen für den Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Geschäftspraktiken lässt. Die vorliegende Richtlinie sollte insbesondere Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie 2002/58/EG … unberührt lassen. Die Regelung in Nr. 26 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG wird bei weiterer Zulässigkeit der „Optin“-Lösung im Recht der Mitgliedstaaten keineswegs überflüssig. Sie behält ihren Anwendungsbereich für die Mitgliedstaaten, in denen in Anwendung der zweiten Regelungsoption des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG Telefonwerbung nur dann unzulässig ist, wenn sie sich an Teilnehmer richtet, die ihr widersprochen haben („Optout“-Lösung). Das Auslegungsergebnis einer Fortgeltung des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG ist nach Wortlaut, Systematik und Zweck der maßgeblichen unionsrechtlichen Vorschriften so eindeutig, dass es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV bedarf.“
bb) Vor diesem Hintergrund entbehrt die Rechtsauffassung der Beklagten, das Verbot der Telefonwerbung könne wegen des Vorrangs der Regelung in Anhang I Nr. 26 der UGP-RL nicht abschließend im UWG geregelt sein, einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. Der Berufung der Beklagten kann in Ansehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch kein Erfolg verbeschieden sein, soweit sie von der Annahme ausgeht, dass § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG mit Blick auf die höherrangige UGP-Richtlinie nicht unionskonform umgesetzt worden sei.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.