BGH: Vergütungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters im Fall einer Betriebsfortführung
BGH, Beschluss vom 19.12.2019 – IX ZB 72/18
ECLI:DE:BGH:2019:191219BIXZB72.18.0
Volltext: BB-ONLINE BBL2020-257-2
Amtlicher Leitsatz
Der Vergütungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters hat im Fall einer Betriebsfortführung eine gesonderte Aufstellung der damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben zu enthalten (Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 Rn. 15). Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die Betriebsfortführung mit einem Verlust endet.
InsO § 63 Abs. 3 Satz 2; InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b, §§ 3, 10, 11
Sachverhalt
I.
Die Schuldnerin stellte mit 24 Beschäftigten Elektroanlagen her. Am 8. Mai 2015 beantragte sie, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen. Durch Beschluss vom 12. Mai 2015 wurde der weitere Beteiligte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Das schuldnerische Unternehmen wurde in dem Eröffnungsverfahren fortgeführt. Mit Beschluss vom 3. Juli 2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der weitere Beteiligte beantragte, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 33.612,48 € festzusetzen. Seiner Berechnung legte er ein verwaltetes Aktivvermögen in Höhe von 397.740,60 € zugrunde, das sich unter anderem aus halbfertigen Arbeiten in Höhe von 39.900 €, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 260.483,97 € und einem Guthaben auf einem Anderkonto in Höhe von 49.952,68 € zusammensetzte. Zudem erklärte er, unter betriebswirtschaftlicher Betrachtung habe kein Überschuss aus der Betriebsfortführung erzielt werden können. Ferner beantragte er Zuschläge zur Regelvergütung wegen der Betriebsfortführung in Höhe von 20 vom Hundert, der Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion in Höhe von 10 vom Hundert, der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes in Höhe von 10 vom Hundert und für Sanierungsbemühungen in Höhe von 15 vom Hundert. Insgesamt beanspruchte der weitere Beteiligte eine Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 80 vom Hundert der Regelvergütung.
Das Insolvenzgericht hat die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 18.824,12 € festgesetzt. Dabei hat es seiner Berechnung einen Betrag in Höhe von 154.529,49 € zugrunde gelegt, da von dem Aktivvermögen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 243.211,11 € als Einkünfte aus der Betriebsfortführung abzuziehen seien. Es hat Zuschläge zur Regelvergütung wegen der Betriebsfortführung in Höhe von 20 vom Hundert, der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes in Höhe von 5 vom Hundert und für Sanierungsbemühungen in Höhe von 15 vom Hundert gewährt. Für die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion hat es dem weiteren Beteiligten keinen Zuschlag zugebilligt. Insgesamt ergab sich eine Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in Höhe von 65 vom Hundert der Regelvergütung.
Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das Landgericht die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 23.538,11 € festgesetzt. Dabei hat es der Berechnung ein verwaltetes Aktivvermögen in Höhe von 211.324,80 € zugrunde gelegt. Der Wert der halbfertigen Arbeiten in Höhe von 39.900 € sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 243.211,86 € seien fortführungsbedingt abzuziehen. Das verwaltete Aktivvermögen sei aber im Hinblick auf den Bestand des Anderkontos um einen Betrag in Höhe von 96.696,06 € zu erhöhen. Das Landgericht hat dem weiteren Beteiligten über die vom Amtsgericht gewährten Zuschläge hinaus für die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion einen Zuschlag zur Regelvergütung in Höhe von 5 vom Hundert zugestanden. Damit ergab sich eine Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in Höhe von 70 vom Hundert der Regelvergütung.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte seinen ursprünglichen Vergütungsantrag weiter, soweit dieser zurückgewiesen worden ist.
Aus den Gründen
II.
6 Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
7 Im Fall der Unternehmensfortführung ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV zur Bestimmung der für die Vergütung des vorläufigen Verwalters maßgeblichen Masse nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage ist eine gesonderte Einnahmen-/Ausgabenrechnung vorzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 Rn. 15 mwN). Auf den Hinweis des Beschwerdegerichts vom 12. April 2018 hat der weitere Beteiligte eine entsprechende Einnahmen-/Ausgabenrechnung jedoch nicht vorgelegt.
8 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht sei im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Bemessung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters das aufgrund der Betriebsfortführung während des Eröffnungsverfahrens erworbene Vermögen in Abzug zu bringen sei. Werde bei der Betriebsfortführung kein Überschuss erzielt, seien die fortführungsbedingt erworbenen Vermögenswerte in Abzug zu bringen, nämlich die fortführungsbedingt erworbenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die halbfertigen Arbeiten sowie die Einnahmen auf dem Anderkonto, soweit sie fortführungsbedingt erworben worden seien. Denn im Fall der Betriebsfortführung sei nicht das gesamte Vermögen, auf das sich die Schlussrechnung beziehe, als Berechnungsgrundlage maßgeblich, sondern lediglich der nicht von der Betriebsfortführung betroffene Teil, da § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV für den auf die Betriebsfortführung entfallenden Vermögensanteil eine Sonderregelung treffe. Die von dem Insolvenzgericht festgesetzte Höhe der Zuschläge sei weitgehend nicht zu beanstanden. Lediglich hinsichtlich des beantragten Zuschlags für die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion sei ein gesonderter Zuschlag in Höhe von 5 vom Hundert angemessen. Insoweit habe ein erheblicher Mehraufwand für den weiteren Beteiligten vorgelegen, den das Insolvenzgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe.
9 2. Diese Ausführungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
10 a) Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV ist für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters das Vermögen zugrunde zu legen, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Zu berücksichtigen sind solche Vermögenswerte, die zu dem gesicherten und verwalteten oder sonst für die (künftige) Masse zu reklamierenden Vermögen gehört haben (BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - IX ZB 160/06, NZI 2007, 461 Rn. 5 mwN). Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden hiervon grundsätzlich nicht abgesetzt (§§ 10, 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV). Als Ausnahme hiervon ist, wenn das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird, nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV). Der Überschuss aus der Betriebsfortführung ist durch eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung zu ermitteln, die auf den Zeitpunkt der Beendigung der abgerechneten Tätigkeit zu beziehen ist. In diese Rechnung sind auf der einen Seite alle Einnahmen und Forderungen, andererseits alle Ausgaben und Verbindlichkeiten aufzunehmen, die durch die Betriebsfortführung entstanden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob die Forderungen oder Verbindlichkeiten bereits erfüllt worden sind (BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 Rn. 7 mwN). Diese Grundsätze gelten nicht nur im eröffneten Verfahren, sondern auch für eine Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - IX ZB 160/06, NZI 2007, 461 Rn. 13; vom 9. Juni 2011 - IX ZB 47/10, ZInsO 2011, 1519 Rn. 7 f). Sie gelten auch in den Fällen, in denen die Betriebsfortführung mit einem Verlust endet, weil es dem Verwalter obliegt, eine Abgrenzung der für die Unternehmensfortführung erforderlichen Kosten gegenüber denjenigen vorzunehmen, die nicht im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung entstanden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IX ZB 148/10, ZInsO 2011, 1615 Rn. 13). Ob von der Vorlage einer gesonderten Aufstellung der mit der Betriebsfortführung verbundenen Einnahmen und Ausgaben abgesehen werden kann, wenn ausgeschlossen ist, dass die Betriebsfortführung Einfluss auf die Berechnungsgrundlage hat, kann vorliegend dahinstehen.
11 b) Mit der Verfügung vom 12. April 2018 hat das Beschwerdegericht den weiteren Beteiligten darauf hingewiesen, dass zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage die fortführungsbedingten Vermögenswerte zu beziffern seien. Die mit dem Vergütungsantrag eingereichte Aufstellung zu dem "Ergebnis der vorläufigen Insolvenz", nach der sich ein Verlust in Höhe von 7.082,38 € ergeben habe, stehe zu den weiteren Angaben des weiteren Beteiligten in dem Verfahren im Widerspruch. In seiner Stellungnahme hierauf hat der weitere Beteiligte im Kern lediglich auf seine bisherigen Angaben verwiesen.
12 c) Nach den oben dargestellten Maßstäben ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden. Es hat die durch den weiteren Beteiligten zu leistende Zuordnung - nach dem erteilten Hinweis - selbst vorgenommen und sich hierbei auf den Akteninhalt gestützt. Die übrigen Vermögenswerte hat das Beschwerdegericht - wie bereits das Insolvenzgericht - aus dem Antrag des weiteren Beteiligten unverändert übernommen.
13 d) Schließlich ist die Bemessung von Zu- und Abschlägen nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 5/13, NZI 2015, 187 Rn. 23 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall.