BGH: Vergütungsansprüche des Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei sind keine Masseverbindlichkeiten
BGH, Urteil vom 28.11.2019 – IX ZR 239/18
ECLI:DE:BGH:2019:281119UIXZR239.18.0
Volltext: BB-ONLINE BBL2020-385-2
Amtliche Leitsätze
Die Ansprüche des Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei auf Vergütung für seine Tätigkeit stellen keine Masseverbindlichkeiten dar.
Bürgerlich-rechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Kanzleiabwickler und dem ehemaligen Rechtsanwalt bestehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalts nicht zu Lasten der Masse fort, soweit der ehemalige Rechtsanwalt als Auftraggeber anzusehen ist.
Ein Dienstvertrag des Schuldners, der kein Dauerschuldverhältnis begründet, besteht nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Anwaltsverträge.
InsO §§ 54, 55 Abs. 1, § 324 Abs. 1; BRAO § 55 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 9, 10, , InsO §§ 115, 116; BRAO § 53 Abs. 9 Satz 2, InsO § 108 Abs. 1 Satz 1
Sachverhalt
Die klagende Rechtsanwaltskammer (fortan: Klägerin) bestellte Rechtsanwalt A. zum Abwickler der Kanzlei des zum 16. August 2017 aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschiedenen Rechtsanwalts K. (fortan: Schuldner). Mit Beschluss vom 9. November 2017 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Die Klägerin setzte zugunsten von Rechtsanwalt A. für seine Tätigkeit als Abwickler Vergütungen mit zwei Bescheiden fest. Danach betrug die festgesetzte Vergütung für die Zeit vom 24. August bis 8. November 2017 insgesamt 1.044,50 € und für die Zeit vom 9. November bis 31. Dezember 2017 weitere 591,51 €. Rechtsanwalt A. erzielte keine Einnahmen, aus denen er sich für die festgesetzte Vergütung hätte befriedigen können. Die Klägerin zahlte ihm diese Vergütung daher aus. Mit ihrer Klage verlangt sie vom Beklagten 1.636,01 € erstattet.
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich der Vergütungen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Höhe von 591,51 € stattgegeben und sie für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Sprungrevision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter. Mit seiner Anschlussrevision erstrebt der Beklagte eine vollständige Klageabweisung.
Aus den Gründen
4 Die zulässige Sprungrevision hat keinen Erfolg; die zulässige Anschlussrevision führt zur vollständigen Klageabweisung.
A.
5 Das Amtsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden Rückgriffsforderungen zu. Soweit diese vor Insolvenzeröffnung begründet worden seien, handele es sich um einfache Insolvenzforderungen. Die Kosten des bestellten Abwicklers könnten weder als Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO noch als sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO behandelt werden. Es liege auch keine Masseverbindlichkeit nach § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor. Die Norm sei nicht direkt anwendbar, weil sie nur ein Nachlassinsolvenzverfahren betreffe. Für eine analoge Anwendung sei kein Raum. Es sei bereits unklar, ob eine Regelungslücke bestehe. Der betroffene Rechtsanwalt könne nach § 53 Abs. 2 BRAO auch selbst seinen Vertreter bestellen, dessen vor Insolvenzeröffnung angefallene Vergütung zweifellos nur eine Insolvenzforderung darstelle. Daran ändere sich nichts, wenn der Vertreter von der Rechtsanwaltskammer bestellt werde. Zudem bestehe im Unterschied zum Nachlassverwalter gemäß § 53 Abs. 10 BRAO sogar eine Sicherung für die Vergütung des Abwicklers.
6 Hinsichtlich der Zeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens handele es sich um eine Masseverbindlichkeit. Dies ergebe sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO, weil der Abwickler im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses bestellt werde. Demgemäß läge für seine Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine oktroyierte Masseverbindlichkeit vor.
B.
7 Dies hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
I.
8 Gegenstand des Rechtsstreits sind die Rechtsanwalt A. gegen den Schuldner für seine Tätigkeit als Abwickler der Rechtsanwaltskanzlei zu stehenden Vergütungsansprüche. Zwar macht im Streitfall nicht der Abwickler selbst seine Vergütungsansprüche geltend. Die Klägerin verfolgt diese Ansprüche jedoch aus übergegangenem Recht.
9 Die Klägerin hat den Abwickler gemäß § 55 Abs. 5 BRAO bestellt. Gemäß § 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO steht dem Abwickler ein Vergütungsanspruch gegen den bisherigen Anwalt zu. Setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Vergütung fest, haftet die Rechtsanwaltskammer für den Anspruch des Abwicklers auf die festgesetzte Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 Satz 7 BRAO wie ein Bürge.
10 Im Streitfall hat die Klägerin die Vergütung des Abwicklers mit zwei Bescheiden in der geltend gemachten Höhe festgesetzt und an den Abwickler bezahlt. Damit ist der Vergütungsanspruch des Abwicklers gegen den Schuldner entsprechend § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Klägerin übergegangen. Der Übergang setzt nicht voraus, dass der Bürge ausdrücklich als Bürge in Anspruch genommen worden ist (BGH, Urteil vom 14. Januar 1998 - XII ZR 103/96, WM 1998, 443, 446).
II.
11 Die Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet. Der Anspruch der Klägerin für die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Vergütungsforderungen eines Abwicklers stellt keine Masseverbindlichkeit dar.
12 1. Die Voraussetzungen der §§ 54, 55 InsO hat das Amtsgericht zutreffend verneint. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
13 2. Der Vergütungsanspruch des Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei für seine Tätigkeit kann nicht in entsprechender Anwendung von § 324 Abs. 1 InsO als Masseverbindlichkeit eingeordnet werden. Ebenso wenig liegt § 324 Abs. 1 InsO ein allgemeines Prinzip zugrunde, das eine Rechtsanalogie ermöglichen würde.
14 a) § 324 Abs. 1 InsO erweitert in enger Anlehnung an § 224 Abs. 1 KO für den Bereich der Nachlassinsolvenzverfahren den Kreis der Masseverbindlichkeiten (BT-Drucks. 12/2443 S. 231 zu § 367 Reg-E). Die Vorschrift begünstigt Aufwendungen, die typischerweise nach Eintritt des Erbfalls im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbschaft erfolgt sind. Das Nachlassinsolvenzverfahren beruht nach der gesetzgeberischen Konzeption auf dem Grundsatz, dass die Wirkungen der Eröffnung soweit wie möglich auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen werden sollen (BT-Drucks. aaO). Schuldner im Sinne des Insolvenzrechts ist dabei der Nachlass (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 231 zu § 363 Reg-E). Auf dieser Grundlage sehen insbesondere § 324 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 InsO vor, dass Verbindlichkeiten und Kosten aus der Verwaltung des Nachlasses unter bestimmten Voraussetzungen Masseverbindlichkeiten im Nachlassinsolvenzverfahren darstellen.
15 b) Ob die Vergütung des Kanzleiabwicklers für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in entsprechender Anwendung des § 324 Abs. 1 InsO eine Masseverbindlichkeit darstellt, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Einordnung auch der vorinsolvenzlichen Vergütungsansprüche als Masseverbindlichkeit bejaht (OLG Celle, BRAK-Mitt. 2002, 198 f; OLG Rostock, ZIP 2004, 1857, 1858 f unter II.3.a.bb; OLG Köln, ZIP 2009, 2395, 2396 unter II.1.a; MünchKomm-InsO/Siegmann, 3. Aufl., § 324 Rn. 12; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2019, § 324 Rn. 10; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, 9. Aufl., § 324 Rn. 23; HmbKomm-InsO/Böhm, 7. Aufl., § 324 Rn. 8; Staudinger/Dutta, BGB, 2016, § 1967 Rn. 38; Burandt/Rojahn/Bangha-Szabo, Erbrecht, 3. Aufl., § 324 InsO Rn. 6; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 51a; Sattler/Rickert, ZInsO 2006, 76, 77). Andere Stimmen verneinen die Frage (Uhlenbruck/Lüer/Weidmüller, InsO, 15. Aufl., § 324 Rn. 7; Braun/Bauch, InsO, 7. Aufl., § 324 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Riering, InsO, 2004, § 324 Rn. 12; Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 61; Cranshaw, ZInsO 2019, 1033, 1047 f). Der Bundesgerichtshof hat dies bislang offengelassen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - IX ZR 139/04, ZIP 2005, 1742, 1743 unter III.1.b).
16 c) Richtigerweise fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für eine Analogie. Eine entsprechende Anwendung setzt zunächst voraus, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falles mit der des zu entscheidenden Falles übereinstimmt. Zusätzlich müssen auch die Wertungsgrundlage und die gesetzgeberische Interessenbewertung der Gesetzesnorm auf den zu entscheidenden Fall zutreffen. Schließlich darf die Übertragung der gesetzlichen Regelung auf den ungeregelten Fall nicht durch gesetzgeberische Entscheidung ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 118/17, ZIP 2018, 233 Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Insbesondere ist § 324 Abs. 1 InsO kein Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens, dass die Kosten einer im Interesse der Gläubiger erfolgenden Verwaltung nach Insolvenzeröffnung vorrangig zu bedienen sind.
17 aa) § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur Verbindlichkeiten erfasst, die der Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker zu Lasten des Nachlasses gegenüber Dritten begründet. Die Vergütung des Abwicklers stellt keine Verbindlichkeit aus einem mit einem Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäft dar.
18 bb) Ebenso wenig können § 324 Abs. 1 Nr. 4, 6 InsO auf die Vergütungsansprüche eines Abwicklers einer Rechtsanwaltskanzlei entsprechend angewendet werden.
19 (1) § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO erfasst Nachlassverwaltungsschulden und erklärt unter anderem die Kosten einer Nachlasspflegschaft zu Masseverbindlichkeiten. Hierunter fällt auch die Vergütung der Nachlasspfleger und Nachlassverwalter (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - IX ZA 3/04, FamRZ 2006, 411 mwN; MünchKomm-InsO/Siegmann, 3. Aufl., § 324 Rn. 8). Nach § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die für den Erben gegenüber einem Nachlasspfleger, einem Testamentsvollstrecker oder einem Erben, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, aus der Geschäftsführung dieser Personen entstanden sind, soweit die Nachlassgläubiger verpflichtet wären, wenn diese Personen die Geschäfte für sie zu besorgen gehabt hätten. Damit begründet diese Vorschrift Masseverbindlichkeiten unter dem Gesichtspunkt einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag für Aufwendungsersatzansprüche aus dieser Tätigkeit (vgl. Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2019, § 324 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Siegmann, 3. Aufl., § 324 Rn. 12). Der Sache nach betrifft dies einen Anspruch aus § 670 BGB (vgl. Holzer, aaO; MünchKomm-InsO/Siegmann, aaO); inwieweit sich dies auf eine Vergütung für die jeweilige Tätigkeit erstreckt, ist zweifelhaft (vgl. MünchKomm-InsO/Siegmann, aaO; Uhlenbruck/Lüer/Weidmüller, InsO, 15. Aufl., § 324 Rn. 7).
20 (2) Die rechtliche Lage eines Kanzleiabwicklers ist mit dieser Interessenlage und den diesen Bestimmungen zugrundeliegenden gesetzlichen Wertungen nicht vergleichbar. Eine entsprechende Anwendung der § 324 Abs. 1 Nr. 4, 6 InsO auf die Vergütungsansprüche des Abwicklers ist auch nicht als Rechtsanalogie zu einem allgemeinen Rechtsgedanken geboten. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz des Insolvenzrechts, dass die Kosten einer im Interesse der Gläubiger vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgenden Verwaltung durch eine behördlich oder gerichtlich eingesetzte Vertrauensperson nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem verwalteten Vermögen vorweg zu decken sind.
21 (a) Maßgebend für die Beurteilung, ob eine gegen den Schuldner gerichtete Forderung als Masseverbindlichkeit vorab aus der Masse zu berichtigen ist, sind die Normen des Insolvenzrechts (BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - IX ZR 87/16, WM 2017, 379 Rn. 14). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof wiederholt eine Einordnung von Vergütungsansprüchen als Masseverbindlichkeiten wegen einer fehlenden gesetzlichen Grundlage abgelehnt. So stellt etwa der Vergütungsanspruch eines gemeinsamen Vertreters von Anleihegläubigern keine Masseverbindlichkeit dar (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 46/15, WM 2016, 1547 Rn. 8 ff; Urteil vom 12. Januar 2017, aaO Rn. 12 ff). Gleiches gilt für die Forderung des gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren auf Ersatz seiner Auslagen und Vergütung (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2019 - II ZB 2/16, WM 2019, 643 Rn. 34 ff). Auch der Vergütungsanspruch eines vorläufigen Insolvenzverwalters aus einem vorausgegangenen Insolvenzverfahren ist in einem neuen Insolvenzverfahren Insolvenzforderung, nicht Masseverbindlichkeit (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 118/11, WM 2012, 276 Rn. 9 ff).
22 (b) § 324 Abs. 1 InsO ist eine Sondernorm für das Nachlassinsolvenzverfahren. Die Vorschrift setzt kein allgemeines Prinzip um, dass die Kosten einer im Interesse der Gläubiger erfolgenden Verwaltung nach Insolvenzeröffnung vorrangig zu bedienen sind. Sie beruht in erster Linie darauf, dass das Gesetz anstrebt, die Wirkungen eines Nachlassinsolvenzverfahrens so weit wie möglich auf den Erbfall vorzuverlagern (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 231). Demgemäß liegt der Hauptzweck des Nachlassinsolvenzverfahrens neben der gleichmäßigen Befriedigung der Nachlassgläubiger darin, dem Erben eine Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass zu ermöglichen (§ 1975 BGB; vgl. Schmidt/Schmidt, InsO, 19. Aufl., Vor § 315 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Siegmann, 3. Aufl., Vor §§ 315-331 Rn. 1) und zugleich nur einen Zugriff der Nachlassgläubiger auf den Nachlass zuzulassen (§ 325 InsO). Die Nachlassinsolvenz folgt dem Prinzip der Vermögenstrennung und betrifft nur den Nachlass als ein Sondervermögen, nicht aber das Eigenvermögen des Erben (vgl. MünchKommInsO/Siegmann, aaO Anh § 315 Rn. 9). Auch wenn es sich beim Nachlass nicht um eine vollkommen statische Vermögensmasse handelt (vgl. BT-Drucks. aaO S. 230 f), stehen das zum Nachlass gehörende Vermögen und die Nachlassverbindlichkeiten in der Regel mit dem Erbfall fest. Demgemäß wird der Eröffnungsgrund für ein Nachlassinsolvenzverfahren typischerweise bereits im Zeitpunkt des Erbfalls vorgelegen haben. Dies rechtfertigt die Rückbeziehung der Wirkungen auf den Erbfall.
23 Unter diesen Voraussetzungen sieht das Gesetz es für angemessen an, Aufwendungsersatzansprüche aus der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses in bestimmtem Umfang als Masseverbindlichkeiten vorrangig zu befriedigen. Dies betrifft in erster Linie Ersatz für tatsächlich getätigte Aufwendungen oder gegenüber Dritten eingegangene Verbindlichkeiten (§ 324 Abs. 1 Nr. 1, 5, 6 InsO). Hier hielt der Gesetzgeber die für §§ 58, 59 KO (jetzt § 55 Abs. 1 InsO) sprechenden Gesichtspunkte ebenfalls für gültig, weil andernfalls die Insolvenzmasse auf Kosten Dritter bereichert würde (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 7, 1898, S. 254 zu § 224 KO). Diese Wertung trifft auf eine Vergütung nicht zu. Soweit der Gesetzgeber nach § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO auch bestimmte Kosten als Masseverbindlichkeiten einordnet, weil die der Insolvenzeröffnung vorausgehende Verwaltung des Nachlasses, aus der diese Kosten erwachsen, in ihrem Ergebnis auch den Nachlassgläubigern zugute kommt (vgl. Hahn, aaO zu § 224 Abs. 4 Nr. 4 KO), beruht dies darauf, dass ursprünglich eine Eröffnung des Nachlasskonkurses nur bei Überschuldung in Betracht kam (§ 215 KO) und die Konkursordnung davon ausging, dass die Konkursmasse statisch sei und der Eröffnungsgrund der Überschuldung daher bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden habe (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 4, Konkursordnung, 1881, S. 399 f). Dass die Insolvenzordnung die Eröffnungsgründe für ein Nachlassinsolvenzverfahren erweitert hat (vgl. § 320 InsO), ändert nichts an der für § 324 InsO tragenden Überlegung, dass ein Insolvenzeröffnungsgrund typischerweise bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegt.
24 Schließlich ist für § 324 Abs. 1 InsO bestimmend, dass die Tätigkeit des Nachlasspflegers und insbesondere des Nachlassverwalters das gesamte schuldnerische Vermögen erfasst. Gleiches gilt grundsätzlich für den Testamentsvollstrecker (§ 2205 Satz 1 BGB). Die Aufgabe des Nachlasspflegers besteht in der Sicherung des Nachlasses (§ 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Sache nach handelt es sich um eine Art Vermögensverwaltung, bei welcher der Nachlasspfleger den Nachlass zu erhalten und zu verwalten sowie die Vermögensinteressen der Erben wahrzunehmen hat (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 1960 Rn. 9, 13). Der Nachlassverwalter ist - ähnlich wie ein Insolvenzverwalter - verpflichtet, den Nachlass abzuwickeln (vgl. Staudinger/Dobler, BGB, 2016, § 1975 Rn. 19). Denn die Nachlassverwaltung wird zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger angeordnet (§ 1975). In diesem Sinne betrifft die Tätigkeit von Nachlasspfleger, -verwalter oder Testamentsvollstrecker bereits die (zukünftige) Insolvenzmasse. Öffentliche Interessen werden mit einer Nachlasspflegschaft oder Testamentsvollstreckung grundsätzlich nicht verfolgt.
25 (c) In diesen Punkten unterscheidet sich die Insolvenz eines Rechtsanwalts und die Lage des Abwicklers der Rechtsanwaltskanzlei erheblich von einer Nachlassinsolvenz und der Lage eines Nachlasspflegers. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts führt nicht zu einer Vermögenstrennung zwischen dem Privatvermögen des Rechtsanwalts und dem kanzleizugehörigen Vermögen. Das Vermögen eines Rechtsanwalts steht anders als bei einem Nachlass regelmäßig nicht ab einem Stichtag bereits fest; es unterliegt einer steten Veränderung, zumal der Rechtsanwalt weiter erwerbsfähig bleibt. Damit kann im Falle einer späteren Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts nicht angenommen werden, dass der Eröffnungsgrund typischerweise bereits vor der Bestellung eines Kanzleiabwicklers bestanden hat. Dass der Kanzleiabwickler bestellt wird, weil die Zulassung des Rechtsanwalts wegen Vermögensverfalls widerrufen worden ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), ist nur eine von mehreren Möglichkeiten.
26 Anders als beim Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker erstrecken sich die Befugnisse des Kanzleiabwicklers nur auf einen Teilbereich des schuldnerischen Vermögens (vgl. Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 55). Er ist gerade nicht als Verwalter eines Vermögens tätig und rückt insbesondere nicht in allgemeine Verträge und Eigentumsrechte ein, sondern führt nur Mandate des ehemaligen Rechtsanwalts in eigener Person weiter (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - IX ZR 5/18, WM 2019, 732 Rn. 24 mwN). So stehen ihm grundsätzlich keine Befugnisse des ehemaligen Rechtsanwalts aus praxisbezogenen Mietverträgen, Arbeitsverträgen oder Eigentum zu (vgl. Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 55 Rn. 20c). Seine Tätigkeit zielt in erster Linie darauf, die schwebenden Angelegenheiten zu beenden und auf diese Weise die Anwaltskanzlei abzuwickeln (§ 55 Abs. 2 Satz 1 BRAO; vgl. Feuerich/Weyland/Schwärzer, aaO Rn. 4; Tauchert/Dahns, aaO Rn. 4, 23, 55). In diesem Rahmen wird der Kanzleiabwickler nicht zum Zweck der Befriedigung von Gläubigern des Rechtsanwalts tätig. Die Bestellung eines Kanzleiabwicklers erfolgt zum Schutz der Mandanten, für die im Interesse der Rechtssicherheit die reibungslose Fortführung der laufenden Angelegenheiten sichergestellt werden soll, und in diesem Zusammenhang auch zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019, aaO Rn. 21).
27 Es kommt hinzu, dass der Abwickler befugt ist, seine Vergütung aus den im Rahmen der Abwicklungstätigkeit erzielten Einnahmen zu entnehmen und gegen einen Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters gegebenenfalls aufzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - IX ZR 139/04, ZIP 2005, 1742, 1743). Soweit es an solchen Einnahmen fehlt, ist der Abwickler durch die Bürgenhaftung der Rechtsanwaltskammer gemäß § 53 Abs. 10 Satz 7 BRAO geschützt. Für einen allgemeinen Grundsatz, dass Vergütungen für eine im Fremdinteresse ausgeübte Tätigkeit nach Insolvenzeröffnung vorrangig zu befriedigen sind, ist daher kein Raum. Ob der Abwickler weit mehr als ein Nachlasspfleger zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Kanzlei beiträgt (so MünchKomm-InsO/Siegmann, 3. Aufl., § 324 Rn. 12), ist kein gesetzliches Kriterium für eine Einordnung von Vergütungsansprüchen als Masseverbindlichkeit.
III.
28 Die Anschlussrevision des Beklagten ist begründet. Auch die Vergütungsansprüche des hier bestellten Abwicklers, die auf seine Tätigkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen, stellen keine Masseverbindlichkeiten dar.
29 1. Vergütungsansprüche des Kanzleiabwicklers können aus den dargelegten Gründen auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in entsprechender Anwendung des § 324 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 InsO als Masseverbindlichkeiten behandelt werden. Es kommt hinzu, dass diese Bestimmung keine erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Vergütungsansprüche des Nachlassverwalters erfasst, weil die Nachlassverwaltung mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens endet (§ 1988 Abs. 1 BGB).
30 2. Soweit angenommen wird, die Vergütungsansprüche des Kanzleiabwicklers stellten gegenüber der Vergütung des Insolvenzverwalters vorrangige Masseverbindlichkeiten dar (OLG Celle, BRAK-Mitt. 2002, 198 f; OLG Köln, ZIP 2009, 2395, 2396; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 51a; Franke/Böhme, AnwBl 2004, 339, 340), ist dies mit dem Gesetz nicht vereinbar. Was zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehört, ist in § 54 InsO gesetzlich definiert (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252 Rn. 9). Die Regelung in § 54 Nr. 2 InsO beruht auf einer bewussten Abwägung des Gesetzgebers. Darin werden die zu berücksichtigenden Kosten des Verfahrens enumerativ aufgeführt (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 46/15, WM 2016, 1547 Rn. 22 mwN). Die Vergütung des Kanzleiabwicklers gehört nicht hierzu. Die Regelungen der Insolvenzordnung über die Kosten des Insolvenzverfahrens beruhen auf gesetzlichen Wertungen, welche auf die Tätigkeit des Kanzleiabwicklers nicht zutreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016, aaO Rn. 13 ff zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters von Schuldverschreibungsgläubigern).
31 3. Die Vergütung des Kanzleiabwicklers unterfällt nicht § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO. Danach sind Masseverbindlichkeiten die in anderer Weise als durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten. Voraussetzung ist, dass die Verbindlichkeiten durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst werden oder jedenfalls einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweisen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - IX ZR 87/16, WM 2017, 379 Rn. 19).
32 a) Dies trifft auf die Tätigkeit des Kanzleiabwicklers nicht zu. Seine Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft nicht die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse. Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Dies gilt grundsätzlich auch für das Vermögen eines in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts. Der Kanzleiabwickler hat gemäß § 55 Abs. 2 BRAO die schwebenden Angelegenheiten abzuwickeln und insoweit auch die laufenden Aufträge fortzuführen. Diese auf eine möglichst unverzügliche Beendigung der Angelegenheiten zielende Tätigkeit (vgl. Tauchert/Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 55 BRAO Rn. 23) führt nicht dazu, dass seine Tätigkeit einen ausreichenden Bezug zur Insolvenzmasse aufweist.
33 Der Kanzleiabwickler tritt nur bezüglich der anwaltlichen Rechte und Pflichten innerhalb der bestehenden Mandate an die Stelle des ausgeschiedenen Rechtsanwalts. Er übernimmt dessen anwaltliche Pflichten, Aufgaben und Befugnisse gegenüber dem Mandanten und den Gerichten, bei denen dieser Verfahren führt (vgl. Tauchert/Dahns, aaO). Seine Rechtsstellung ist mithin auf die vorrangige Wahrnehmung der Interessen der Mandanten des Rechtsanwalts beschränkt (vgl. Tauchert/Dahns, aaO). Dies stellt sich nicht als eine Verwaltung von Teilen der Insolvenzmasse dar. Die sonstigen Befugnisse des ehemaligen Praxisinhabers aus Mietverträgen, Arbeitsverträgen, Eigentum stehen dem Abwickler ohnehin grundsätzlich nicht zu (Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 20). Die Tätigkeit des Kanzleiabwicklers betrifft damit weder einen rechtlich selbständigen Teil der Insolvenzmasse noch knüpft sie an eine auch nach Insolvenzeröffnung fortbestehende Rechtsstellung des Schuldners an. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung des Schuldners zur Rechtsanwaltschaft vielmehr zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist; dieser wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet ist.
34 b) Ein ausreichender Bezug zur Insolvenzmasse ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Kanzleiabwickler die Verpflichtungen des Schuldners aus den vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Anwaltsverträgen gegenüber den Mandanten erfüllt. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn es sich bei den Verpflichtungen des Schuldners aus den Anwaltsverträgen um Masseverbindlichkeiten handelte. Die Klägerin zeigt jedoch keinen Sachvortrag auf, der eine Einordnung der Verpflichtungen des Schuldners als Masseverbindlichkeiten begründet. Ebenso wenig zeigt sie auf, dass der Abwickler seine Tätigkeit nach Insolvenzeröffnung mit Einverständnis des Beklagten weitergeführt hat.
35 aa) Allerdings erlöschen die Anwaltsverträge in der Insolvenz des beauftragten Rechtsanwalts nicht gemäß §§ 115, 116 InsO. §§ 115, 116 InsO gelten nicht für die Insolvenz des Beauftragten oder Geschäftsbesorgers (HK-InsO/Marotzke, 9. Aufl., § 115 Rn. 21, § 116 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Vuia, 4. Aufl., § 116 Rn. 4). Ebenso wenig führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalts aus materiell-rechtlichen Gründen dazu, dass der Anwaltsvertrag beendet wird, zumal die Anwaltszulassung und damit die Prozessvollmacht oft bis zur Rechtskraft einer Rücknahme oder eines Widerrufs wirksam bleiben werden (Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn. 126).
36 bb) Ansprüche des Mandanten auf weitere anwaltliche Dienstleistungen aus einem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Anwaltsvertrag stellen in der Insolvenz des Anwalts regelmäßig keine Masseverbindlichkeiten dar. Es ist kein Sachvortrag ersichtlich, auf dessen Grundlage der Abwickler zur Erfüllung von Masseverbindlichkeiten tätig geworden wäre. Sind die Erfüllungsansprüche des Mandanten nicht aus der Masse zu erfüllen, kann die auf sie bezogene Tätigkeit des Abwicklers keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO begründen. Damit kann offenbleiben, inwieweit der Schuldner persönlich bei einem Anwaltsvertrag berechtigt und in der Lage ist, den Anwaltsvertrag nach Insolvenzeröffnung zu erfüllen. Ebenso kann offenbleiben, ob eine Erfüllung des Anwaltsvertrags durch den Schuldner persönlich Auswirkungen auf die Masse hätte.
37 (1) Soweit die Dienste des Anwalts gemäß § 613 Satz 1 BGB im Zweifel in Person zu leisten sind, ist in der Insolvenz des Anwalts zweifelhaft, ob Ansprüche des Mandanten auf eine weitere Tätigkeit des Anwalts nach Insolvenzeröffnung sich gegen die Masse richten. So soll es im Falle einer persönlichen Dienstverpflichtung des Schuldners regelmäßig am erforderlichen Massebezug des in Rede stehenden Vertrags fehlen (vgl. Jaeger/Jacoby, InsO, § 108 Rn. 240; Vor § 103 Rn. 52; HK-InsO/Marotzke, 9. Aufl., § 103 Rn. 60 für Verträge auf nicht vertretbare Leistungen des Schuldners; MünchKomm-InsO/Huber, 4. Aufl., § 103 Rn. 88 für höchstpersönliche Verpflichtungen des Schuldners). Der Bundesgerichtshof hat für den umgekehrten Fall bereits entschieden, dass ein Anspruch des Schuldners auf Beratungsleistungen nicht in die Insolvenzmasse fällt, wenn dieser Anspruch gemäß § 613 Satz 2 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar ist (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1, 3 ZPO; BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 69/12, WM 2013, 572 Rn. 9).
38 Träfe dies auf einen Anwaltsvertrag zu, stellten die Ansprüche des Mandanten keine Insolvenzforderungen dar, soweit sie auf eine vom Schuldner persönlich zu erbringende Dienstleistung gerichtet sind. Sind die Dienste in Person zu leisten, handelt es sich um Ansprüche auf unvertretbare Leistungen im Sinne des § 888 ZPO. Jedenfalls bei unvertretbaren Handlungen scheidet gemäß § 888 Abs. 3 ZPO eine Vollstreckung im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag aus. Solche Ansprüche begründen keine Insolvenzforderungen, weil es sich nicht um einen Vermögensanspruch des Gläubigers handelt (Schmidt/Büteröwe, InsO, 19. Aufl., § 38 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Ehricke/Behme, 4. Aufl., § 38 Rn. 50). Hierzu werden Dienste höherer Art von Ärzten, Künstlern und Wissenschaftlern gezählt (Schmidt/Büteröwe, aaO), aber auch Ansprüche auf anwaltliche Leistungen (MünchKomm-InsO/Ehricke/Behme, aaO; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2017, § 38 Rn. 17).
39 Inwieweit dieser Ansicht für einen Anwaltsvertrag zu folgen ist und welche Folgen dies bei einer ausbleibenden oder mangelhaften Leistung des Abwicklers hätte, kann im Streitfall jedoch dahinstehen. Auch wenn einem Mandanten nur Ansprüche auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung gegen den Schuldner zustehen, können diese ausnahmsweise Masseverbindlichkeiten darstellen; dies setzt jedoch einen Sachverhalt voraus, der einen Übergang der Verpflichtung auf den Insolvenzverwalter rechtfertigt (vgl. MünchKomm-InsO/ Ehricke/Behme, aaO Rn. 51). In der Insolvenz des Anwalts fehlt es regelmäßig an hinreichenden Gründen, um Ansprüche des Mandanten auf vom Anwalt in Person zu erbringende weitere Dienstleistungen nach Insolvenzeröffnung als Masseverbindlichkeit zu behandeln. Allein die Tätigkeit des Abwicklers im Hinblick auf von ihm an Stelle des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Dienstleistungen genügt nicht, um einen Übergang der Verpflichtung auf die Masse zu begründen. Besondere Umstände, die eine andere Behandlung rechtfertigen, zeigt die Klägerin nicht auf.
40 (2) Auch im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ergeben sich im Streitfall keine Masseverbindlichkeiten, für deren Erfüllung der Abwickler tätig gewesen sein könnte. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestimmt, dass Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Masse fortbestehen. Auch wenn der typische Anwaltsvertrag regelmäßig als Dienstvertrag einzuordnen ist, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817 unter I.3.a; vom 7. März 2019 - IX ZR 221/18, NJW 2019, 1870 Rn. 7), ist § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO in der Insolvenz des Anwalts grundsätzlich nicht auf einen Anwaltsvertrag anzuwenden. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO nach seinem Regelungszweck nicht eingreift, wenn der Dienstvertrag vom Insolvenzverwalter unter Begründung von Masseverbindlichkeiten mit den Mitteln eines zur Masse gehörenden Dienstleistungsunternehmens erfüllt werden muss (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - IX ZR 10/11, ZIP 2011, 2262 Rn. 6 mwN), kann dahinstehen, ob dies auch für einen Anwaltsvertrag gilt. Denn § 108 Abs. 1 InsO ist auf den typischen Anwaltsvertrag schon aus anderen Gründen nicht anwendbar.
41 Zum einen knüpft § 108 Abs. 1 InsO daran an, dass es sich bei den darin genannten Verträgen um ein Dauerschuldverhältnis handelt (vgl. MünchKommInsO/Hoffmann, 4. Aufl., § 108 Rn. 1, 116). Ein Dauerschuldverhältnis setzt voraus, dass ein dauerndes Verhalten oder wiederkehrende Leistungen geschuldet werden und der Gesamtumfang der Leistung von der Dauer der Rechtsbeziehung abhängt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 314 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Gaier, 8. Aufl., § 314 Rn. 6). Im Regelfall handelt es sich bei einem Anwaltsvertrag - anders als dies etwa bei einem Dauermandat möglich ist (vgl. Rinkler in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn. 81; Holzinger in Henssler/Gehrlein/Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung, Kapitel 4 Rn. 14) - nicht um ein solches Dauerschuldverhältnis; dass sich die Erbringung der anwaltlichen Leistungen über eine gewisse Zeit erstreckt, genügt hierfür allein nicht.
42 Zum anderen können bei Verträgen, die von § 108 InsO erfasst werden, gemäß § 108 Abs. 3 InsO Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur als Insolvenzgläubiger geltend gemacht werden. § 108 Abs. 3 InsO ist Ausdruck des Gedankens, dass die Masse nur für solche Leistungen zur Gegenleistung verpflichtet sein soll, die ihr nach Verfahrenseröffnung auch tatsächlich zugute kommen (Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 108 Rn. 42). Für vorinsolvenzlich an den Schuldner erbrachte Leistungen besteht daher nur ein Anspruch auf die Insolvenzquote. Aus § 108 Abs. 3 InsO folgt, dass die Kontinuitätsinteressen des solventen Vertragspartners nur in die Zukunft gerichtet geschützt werden (MünchKomm-InsO/Hoffmann, 4. Aufl., § 108 Rn. 154). Kern des § 108 Abs. 3 InsO ist, dass die zeitbezogene Überlassung eines Gegenstandes ebenso wie das nach Zeitabschnitten bemessene Entgelt teilbar sind (vgl. Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 108 Rn. 44). Bei einem Anwaltsvertrag fehlt es hingegen regelmäßig an einer möglichen Trennung; die Vergütung des Anwalts ist im Allgemeinen nicht nach Zeitabschnitten bemessen. Demgemäß kommt bei Anwaltsverträgen, bei denen sich der Vergütungsanspruch des Anwalts nach der gesetzlichen Vergütung richtet, keine Aufteilung der Ansprüche des Mandanten auf solche in Betracht, die für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung bestehen, und solche, die für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung bestehen. Die von § 108 Abs. 3 InsO vorgesehene zeitliche Einschränkung beruht darauf, dass die wechselseitigen Ansprüche bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden können. Daran fehlt es regelmäßig bei einem Anwaltsvertrag.
43 (3) Sofern der Anwaltsvertrag als gegenseitiger Vertrag im Sinne des § 103 InsO einzuordnen sein sollte, stellen die Verpflichtungen des Schuldners aus einem solchen Anwaltsvertrag grundsätzlich keine Masseverbindlichkeit dar. In diesem Fall käme eine Masseverbindlichkeit nur in Betracht, wenn eine Erfüllungswahl vorliegt. Ohne eine Erfüllungswahl, für die im Streitfall nichts ersichtlich ist, bestünden zugunsten des Mandanten nur Insolvenzforderungen.
44 4. Auch die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO sind nicht erfüllt. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Die Vergütungsansprüche des Abwicklers, die nach der Insolvenzeröffnung entstehen, beruhen jedoch nicht auf einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung auch für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (vgl. Cranshaw, ZInsO 2019, 1033, 1049). Es handelt sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht um "oktroyierte Masseverbindlichkeiten".
45 a) Der Kanzleiabwickler ist "im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen" (§ 55 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO) tätig (Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 39). Aufgrund seiner Tätigkeit entsteht ein Rechtsverhältnis rein privatrechtlicher Natur zwischen dem Kanzleiabwickler und dem Anwalt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1999 - VIII ZR 131/98, NJW 1999, 3037, 3039 unter II.B.1.b; Beschluss vom 24. Oktober 2003 – AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362, 367; Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 55 Rn. 13; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 20a f). § 55 Abs. 3 BRAO erklärt § 53 Abs. 10 BRAO für entsprechend anwendbar; danach hat der Rechtsanwalt dem Kanzleiabwickler eine angemessene Vergütung zu bezahlen (§ 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO). Insoweit sieht das Gesetz als Regelfall vor, dass sich Kanzleiabwickler und ehemaliger Rechtsanwalt über die Höhe der Vergütung einigen. Fehlt eine solche Einigung, setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Vergütung auf Antrag fest (§ 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO). Dies ist entsprechend auf den Fall anzuwenden, dass die mit dem vertretenen Rechtsanwalt vereinbarte Vergütung nicht gezahlt wird und auch nicht aus dem Gebührenaufkommen zu erlangen ist (BGH, Beschluss vom 15. September 2008 - AnwZ (B) 78/07, NJW 2009, 1003).
46 b) Nach dem Gesetz ist das Verhältnis zwischen dem Kanzleiabwickler und dem Rechtsanwalt, der seine Zulassung verloren hat, rein zivilrechtlicher Natur. Es handelt sich um ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, auf das gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO die §§ 666, 667, 670 BGB entsprechend anzuwenden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2003 - AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362, 367 mwN; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 55 Rn. 31a).
47 Nach den gesetzlichen Wertungen sind Verbindlichkeiten aus einem Geschäftsbesorgungsverhältnis in der Insolvenz des Auftraggebers für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht mehr zu erfüllen. Aus §§ 115, 116 InsO folgt, dass ein solches Geschäftsbesorgungsverhältnis - auch wenn es ein Dauerschuldverhältnis darstellt - mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers erlischt. Daraus folgt, dass die als Geschäftsbesorgungsverhältnis einzuordnenden privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kanzleiabwickler und dem ehemaligen Rechtsanwalt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu Lasten der Masse fortbestehen, weil der ehemalige Rechtsanwalt in dieser Hinsicht als Auftraggeber anzusehen ist. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts handelt es sich daher bei den Vergütungsansprüchen um keine oktroyierten Masseverbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis. Gesetzliche Bestimmungen, die eine andere Bewertung ermöglichen würden, bestehen nicht.
48 Inwieweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines ehemaligen Rechtsanwalts die Rechtsstellung des amtlich bestellten Kanzleiabwicklers berührt (verneinend HK-InsO/Marotzke, 9. Aufl., § 115 Rn. 11), kann dahinstehen. Auch wenn dessen mit der Bestellung erlangte Befugnisse uneingeschränkt fortbestehen sollten, folgt daraus nicht, dass die Vergütungsansprüche Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO darstellen. Dass der Rechtsanwalt, der zum Kanzleiabwickler bestellt wird, gemäß § 53 Abs. 5 Satz 3, § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO diese Bestellung nur aus wichtigem Grund ablehnen kann, stellt ebenfalls keinen Grund dar, seine Vergütungsansprüche als Masseverbindlichkeiten zu behandeln. Ein hinreichender Schutz für den Kanzleiabwickler ergibt sich daraus, dass er mit seinen Ansprüchen auf Vergütung insolvenzfest gegen den Anspruch auf Herausgabe des aus der Abwicklung Erlangten aufrechnen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - IX ZR 139/04, ZIP 2005, 1742, 1743 unter III.1.b) und im Übrigen zu seinen Gunsten die Bürgenhaftung der Rechtsanwaltskammer für die festgesetzte Vergütung besteht. Deren Zweck besteht gerade darin, den Kanzleiabwickler bei einem Forderungsausfall zu schützen.
C.
49 Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen. Auf die Anschlussrevision des Beklagten ist die Klage insgesamt abzuweisen, weil die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils nur wegen Rechtsverletzung erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).