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Wirtschaftsrecht
03.03.2022
Wirtschaftsrecht
EuGH: Verbraucherverträge – Begriff „Unternehmer“ und Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen

EuGH, Urteil vom 24.2.2022 – C-536/20, „Tiketa“ UAB gegen M. Š.

ECLI:EU:C:2022:112

Volltext: BB-Online BBL2022-513-1

Tenor

1. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass ein „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung nicht nur eine natürliche oder juristische Person ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern auch eine natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag des betreffenden Unternehmers handelt, wobei der Vermittler und der Hauptunternehmer beide als „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden können, ohne dass dafür eine doppelte Dienstleistung vorliegen muss.

2. Art. 6 Abs. 1 und 5 sowie Art. 8 Abs. 1 und 7 der Richtlinie 2011/83 sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass die in Art. 6 Abs. 1 genannten Informationen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags lediglich im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Verfügung gestellt werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des entsprechenden Kästchens aktiv zustimmt, sofern ihm diese Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Kenntnis gebracht werden. Eine solche Art und Weise der Informationserteilung ersetzt allerdings nicht die Übermittlung der Vertragsbestätigung an den Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger im Sinne von Art. 8 Abs. 7 dieser Richtlinie, wobei dieser Umstand dem nicht entgegensteht, dass diese Informationen fester Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags sind.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 2, Art. 6 Abs. 1 und 5 und Art. 8 Abs. 1 und 7 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Tiketa“ UAB und M. Š. wegen der Rückerstattung des Betrags, den M. Š. für den Erwerb einer Karte für eine später abgesagte Kulturveranstaltung bezahlt hatte, des Ersatzes der angefallenen Nebenkosten (Reise- und Portokosten) und des Ersatzes des immateriellen Schadens, der ihm aufgrund der Absage entstanden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2011/83

3          Die Erwägungsgründe 14 und 16 der Richtlinie 2011/83 lauten:

„(14) Diese Richtlinie sollte das innerstaatliche Vertragsrecht unberührt lassen, soweit vertragsrechtliche Aspekte durch diese Richtlinie nicht geregelt werden. Deshalb sollte diese Richtlinie keine Wirkung auf nationale Rechtsvorschriften haben, die beispielsweise den Abschluss oder die Gültigkeit von Verträgen (zum Beispiel im Fall einer fehlenden Einigung) betreffen. Desgleichen sollte diese Richtlinie nationale Rechtsvorschriften in Bezug auf die allgemeinen vertraglichen Rechtsbehelfe, die Vorschriften des allgemeinen Wirtschaftsrechts (beispielsweise Vorschriften über überhöhte Preise oder Wucherpreise) und die Vorschriften über sittenwidrige Rechtsgeschäfte unberührt lassen.

(16) Diese Richtlinie sollte die nationalen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Vertretung, wie z. B. die Vorschriften zu der Person, die im Namen des Unternehmers oder auf dessen Rechnung handelt (beispielsweise ein Handelsvertreter oder ein Treuhänder), unberührt lassen. Auf diesem Gebiet sollten die Mitgliedstaaten zuständig bleiben. Diese Richtlinie sollte für alle Unternehmer im öffentlich-rechtlichen und im privaten Sektor gelten.“

4          Art. 1 der Richtlinie 2011/83 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.“

5          Art. 2 der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

1. ‚Verbraucher‘ jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen;

2. ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

10. ‚dauerhafter Datenträger‘ jedes Medium, das es dem Verbraucher oder dem Unternehmer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht;

…“

6          Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83 sieht vor:

„Diese Richtlinie lässt das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, soweit Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts in dieser Richtlinie nicht geregelt werden, unberührt.“

7          Art. 6 der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

„(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

c) die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E‑Mail‑Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann, sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt;

d) falls diese von der gemäß Buchstabe c angegebenen Anschrift abweicht, die Geschäftsanschrift des Unternehmers und gegebenenfalls die Geschäftsanschrift des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, an die sich der Verbraucher mit jeder Beschwerde wenden kann;

(5) Die Informationen nach Absatz 1 sind fester Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags und dürfen nicht geändert werden, es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich etwas anderes.

…“

8          Art. 8 der Richtlinie 2011/83 sieht vor:

„(1) Bei Fernabsatzverträgen erteilt der Unternehmer die in Artikel 6 Absatz 1 vorgeschriebenen Informationen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Sprache in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise bzw. stellt diese Informationen entsprechend zur Verfügung. Soweit diese Informationen auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, müssen sie lesbar sein.

(7) Der Unternehmer stellt dem Verbraucher die Bestätigung des geschlossenen Vertrags innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Abschluss des Fernabsatzvertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung, und zwar spätestens bei der Lieferung der Waren oder bevor die Ausführung der Dienstleistung beginnt. Diese Bestätigung enthält:

a) alle in Artikel 6 Absatz 1 genannten Informationen, es sei denn, der Unternehmer hat dem Verbraucher diese Informationen bereits vor dem Abschluss des Fernabsatzvertrags auf einem dauerhaften Datenträger zukommen lassen, und

b) gegebenenfalls die Bestätigung der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung und der Kenntnisnahme des Verbrauchers gemäß Artikel 16 Buchstabe m.

…“

Richtlinie 2005/29/EG

9          Art. 2 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt in ABl. 2009, L 253, S. 18) bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

b) ‚Gewerbetreibender‘ jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt;

…“

10        Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 sieht vor:

„Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten folgende Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben:

b) Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, wie sein Handelsname und gegebenenfalls Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, für den er handelt;

…“

Litauisches Recht

11        Art. 2.133 des Lietuvos Respublikos civilinis kodeksas (Zivilgesetzbuch der Republik Litauen) bestimmt:

„1. Durch ein Geschäft, das von einer Person (Vertreter) im Namen einer anderen Person (Geschäftsherr) unter Offenlegung der Vertretung und ohne Überschreitung der übertragenen Befugnisse abgeschlossen wird, werden unmittelbar zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen des Geschäftsherrn begründet, verändert oder aufgehoben.

2. Die Befugnisse des Vertreters können auch aus den jeweiligen Umständen abgeleitet werden (Verkäufer im Handel, Kassierer etc.). Wenn das Verhalten einer Person Dritten begründeten Anlass zu der Annahme bietet, dass diese Person als Geschäftsherr die andere Person als Vertreter beauftragt hat, sind von jener Person im Namen des Geschäftsherrn abgeschlossene Verträge für den Geschäftsherrn bindend.

3. Wenn ein Vertreter beim Abschluss eines Geschäfts nicht offenlegt, dass er im Namen und im Interesse des Geschäftsherrn tätig ist, gehen die Rechte und Pflichten aus dem Geschäft nur dann auf den Geschäftsherrn über, wenn die andere Vertragspartei aus den Umständen des Geschäftsabschlusses erkennen konnte, dass das Geschäft mit einem Vertreter abgeschlossen wurde, oder wenn die Identität der Person, mit der das Geschäft abgeschlossen wird, für die andere Vertragspartei nicht von Bedeutung ist.“

12        Art. 6.2281 Abs. 3 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„‚Unternehmer‘ [ist] eine natürliche oder juristische Person oder eine andere Organisation oder eine Einheit derselben, die für die Zwecke ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit Verträge abschließt oder dies anstrebt, einschließlich Personen, die im Namen oder auf Rechnung des Unternehmers handeln. Eine juristische Person kann unabhängig von der Rechtsform ihrer Beteiligten als Unternehmer betrachtet werden.“

13        Art. 2 Abs. 24 des Lietuvos Respublikos vartotojų teisių apsaugos įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über den Schutz der Verbraucherrechte) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung sieht vor:

„‚Unternehmer‘ [ist] eine natürliche oder juristische Person oder eine andere Organisation oder eine Einheit derselben, die für die Zwecke ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit Verträge abschließt oder dies anstrebt, einschließlich Personen, die im Namen oder auf Rechnung des Unternehmers handeln. Eine juristische Person kann unabhängig von der Rechtsform ihrer Beteiligten als Unternehmer betrachtet werden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14        Tiketa vertreibt über ihre Website Karten für Veranstaltungen, die von Dritten organisiert werden.

15        Am 7. Dezember 2017 erwarb M. Š. von Tiketa eine Karte für eine Kulturveranstaltung am 20. Januar 2018. Vor Abschluss des Erwerbs der Karte wurde auf der Website von Tiketa darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltung von der „Baltic Music“ VšĮ organisiert werde. Für weitere Informationen wurden eine andere Website und eine Telefonnummer angeführt. Außerdem wurde in roter Schrift folgender Hinweis angezeigt: „Der Veranstalter trägt die volle Verantwortung für die Veranstaltung, ihre Qualität, ihren Inhalt und die damit zusammenhängenden Informationen. Tiketa vertreibt die Karten und handelt als offene Stellvertreterin.“ Die auf der Website von Tiketa einsehbaren Regeln für die Dienstleistungserbringung enthielten genauere Informationen zu dem in Rede stehenden Dienstleistungserbringer und zur Rückerstattung des Kartenpreises.

16        Die M. Š. ausgestellte Karte enthielt nur einen Teil dieser Regeln, darunter insbesondere folgenden Hinweis: „Umtausch und Rückerstattung sind ausgeschlossen. Bei Absage oder Verschiebung der Veranstaltung obliegt die Rückerstattung des Kartenpreises ausschließlich dem Veranstalter.“ Ferner wurden der Name, die Anschrift und die Telefonnummer des Veranstalters der in Rede stehenden Veranstaltung angegeben und es wurde darauf hingewiesen, dass allein dieser „für die Veranstaltung, ihre Qualität, ihren Inhalt und die damit zusammenhängenden Informationen“ verantwortlich sei. Tiketa vertreibe nur die Karten und handele als „offene Stellvertreterin“.

17        Am 20. Januar 2018 begab sich M. Š. zu der in Rede stehenden Veranstaltung und erfuhr durch einen Aushang am Eingang des Veranstaltungsorts, dass diese nicht stattfinden werde.

18        Am 22. Januar 2018 teilte Baltic Music Tiketa mit, dass die in Rede stehende Veranstaltung abgesagt worden sei und dass sich die Personen, die Eintrittskarten erworben hätten, den Kaufpreis rückerstatten lassen könnten. Am selben Tag teilte Tiketa M. Š. mit, dass der Kaufpreis entweder bei der Verkaufsstelle zurückgefordert werden könne, bei der die Karten erworben worden seien, oder über das Internet, wenn der Erwerb auf diesem Weg erfolgt sei.

19        Am 23. Januar 2018 forderte M. Š. von Tiketa die Rückerstattung des Kartenpreises sowie den Ersatz seiner Reisekosten und des ihm durch die Absage der in Rede stehenden Veranstaltung entstandenen immateriellen Schadens. Tiketa teilte ihm mit, dass er sich an Baltic Music wenden müsse, da sie lediglich die Karten für diese Veranstaltung vertrieben habe und daher nicht für die Qualität oder die Absage dieser Veranstaltung verantwortlich sei. Auf eine weitere Zahlungsaufforderung einige Wochen später erhielt M. Š. von Tiketa die gleiche Antwort. M. Š. wandte sich daraufhin an Baltic Music, die jedoch nicht auf seine Forderungen reagierte.

20        Am 18. Juli 2018 erhob M. Š. beim Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht Vilnius, Litauen) Klage gegen Tiketa und Baltic Music als Gesamtschuldner und verlangte den Ersatz des materiellen Schadens, nämlich des Kartenpreises und der Reise- und Portokosten, sowie des immateriellen Schadens, der ihm durch die Absage der in Rede stehenden Veranstaltung entstanden sein soll.

21        Mit Urteil vom 8. Oktober 2018 gab der Vilniaus miesto apylinkės teismas (Bezirksgericht Vilnius) dieser Klage teilweise statt und verurteilte Tiketa, M. Š. den für den Ersatz seines materiellen Schadens geforderten Betrag sowie einen Teil des für den Ersatz seines immateriellen Schadens geforderten Betrags zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % pro Jahr ab Klageerhebung bis zur vollständigen Durchführung seines Urteils zu zahlen.

22        Gegen dieses Urteil legte Tiketa beim Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius, Litauen) ein Rechtsmittel ein, das zurückgewiesen wurde. In weiterer Folge wandte sich Tiketa mit einer Kassationsbeschwerde an den Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens).

23        Unter diesen Umständen hat der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof Litauens) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist der Begriff des Unternehmers nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen, dass jemand, der beim Erwerb einer Karte [für eine Veranstaltung] durch einen Verbraucher als Vermittler auftritt, als Unternehmer betrachtet werden kann, der an alle Pflichten gemäß dieser Richtlinie gebunden und dementsprechend Partei des Kauf- oder Dienstleistungsvertrags ist, gegen die der Verbraucher Ansprüche geltend machen oder Klage erheben kann?

a) Ist es für die Auslegung des Begriffs des Unternehmers nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 relevant, ob ein Vermittler bei einem Kartenerwerb durch einen Verbraucher den Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag gebunden wird, in klarer und verständlicher Weise über den Hauptunternehmer informiert hat, wie in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und d dieser Richtlinie vorgesehen?

b) Gilt die Vermittlungstätigkeit als offengelegt, wenn die in den Vorgang des Kartenerwerbs involvierte Person vor der Bindung des Verbrauchers durch einen Fernabsatzvertrag über den Namen und die Rechtsform des Hauptunternehmers sowie darüber informiert hat, dass der Hauptunternehmer die volle Verantwortung für die Veranstaltung, ihre Qualität sowie ihren Inhalt und die darüber zur Verfügung gestellten Informationen trägt, und sie auch angibt, selbst nur im Kartenverkauf und als offene Vertreterin tätig zu sein?

c) Kann der Begriff des Unternehmers nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin ausgelegt werden, dass im Hinblick auf die rechtliche Beziehung zwischen den Parteien bei einer doppelten Dienstleistung (Kartenverkauf und Veranstaltungsorganisation) sowohl der Kartenverkäufer als auch der Veranstalter als Unternehmer, d. h. als Parteien des Verbrauchervertrags, betrachtet werden können?

2. Ist die Voraussetzung, den Verbraucher zu informieren und die betreffenden Informationen in klarer und verständlicher Sprache zur Verfügung zu stellen, wie in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 verankert, dahin zu verstehen und anzuwenden, dass die Pflicht, den Verbraucher zu informieren, als ordnungsgemäß erfüllt betrachtet wird, wenn diese Informationen in den Regeln des Vermittlers für die Dienstleistungserbringung enthalten sind, die dem Verbraucher auf der Website tiketa.lt zur Verfügung gestellt werden, der sodann, bevor er die Zahlung leistet, in Form einer „Click-wrap“-Vereinbarung bestätigt, dass er die Regeln des Vermittlers für die Dienstleistungserbringung zur Kenntnis genommen und als Teil der Geschäftsbedingungen für dieses Geschäft akzeptiert hat, indem er im Onlinesystem aktiv ein bestimmtes Kästchen ankreuzt und einen speziellen Link anklickt?

a) Ist es für die Auslegung und die Anwendung dieser Voraussetzung von Bedeutung, dass diese Informationen nicht auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wurden und dass es keine nachfolgende Bestätigung des Vertrags gibt, die alle nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger enthält, wie in Art. 8 Abs. 7 dieser Richtlinie vorgesehen?

b) Bilden diese in den Regeln des Vermittlers für die Dienstleistungserbringung zur Verfügung gestellten Informationen nach Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83 einen festen Bestandteil des Fernabsatzvertrags, unabhängig davon, ob die Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wurden und/oder ob es eine nachfolgende Vertragsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger gibt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Vorlagefrage

24        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung nicht nur eine natürliche oder juristische Person ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern auch eine natürliche oder juristische Person, die als Vermittler auftritt und im Namen oder Auftrag des betreffenden Unternehmers handelt, und ob dieser Vermittler und der Hauptunternehmer beide als „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden können, sofern eine doppelte Dienstleistung vorliegt.

25        Zunächst ist festzustellen, dass die verschiedenen Sprachfassungen von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 Unterschiede aufweisen. Wie das vorlegende Gericht hervorhebt, wird nämlich nach der litauischen Sprachfassung dieser Bestimmung jede Person, die im Namen oder Auftrag eines Unternehmers handelt, selbst als Unternehmer im Sinne dieser Richtlinie betrachtet. Als Unternehmer gilt dabei eine natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Andere Sprachfassungen derselben Bestimmung, insbesondere die englische und die französische Fassung, sehen hingegen vor, dass als Unternehmer jede Person zu verstehen ist, die dieser Definition entspricht, und zwar auch dann, wenn sie durch einen Dritten tätig wird, der in ihrem Namen oder Auftrag handelt, woraus sich ergibt, dass der Umstand, dass eine Person sich eines Vermittlers bedient, nicht zum Verlust ihrer Unternehmereigenschaft führt.

26        Ein Vermittler wie Tiketa ist damit unabhängig von der Sprachfassung von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 als „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen, wenn er bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die seiner eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Es ist jedoch zu prüfen, ob ein solcher Vermittler nicht in jedem Fall bereits aufgrund des Umstands, dass er im Namen oder Auftrag eines solchen Unternehmers handelt, als „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten ist.

27        Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstexts der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteil vom 21. Dezember 2021, Trapeza Peiraios, C‑243/20, EU:C:2021:1045, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28        Hinsichtlich der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2011/83 ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmer nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und d dieser Richtlinie den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, gegebenenfalls über die Identität und die Anschrift des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, sowie gegebenenfalls über dessen Geschäftsanschrift zu informieren hat. Damit schließt diese Bestimmung in die Kategorie der Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie auch natürliche und juristische Personen ein, die im Auftrag anderer Unternehmer handeln.

29        Im Übrigen hat der Gerichtshof in den Rn. 28 und 29 des Urteils vom 4. Oktober 2018, Kamenova (C‑105/17, EU:C:2018:808), entschieden, dass der Begriff „Unternehmer“ bzw. „Gewerbetreibender“, wie er in den Richtlinien 2011/83 und 2005/29 definiert wird, einheitlich auszulegen ist, da sich diese Richtlinien auf Art. 114 AEUV stützen und aus diesem Grund die gleichen Zwecke verfolgen, nämlich im Rahmen der von ihnen erfassten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. In den Rn. 32, 33 und 36 jenes Urteils hat der Gerichtshof im Wesentlichen festgestellt, dass der Begriff „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ als Gegenbegriff zum Begriff „Verbraucher“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/83, der jede natürliche Person bezeichnet, die nicht berufs- oder gewerbebezogen handelt, impliziert, dass die betreffende natürliche oder juristische Person zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, oder im Namen oder Auftrag eines Gewerbetreibenden bzw. Unternehmers handelt.

30        Schließlich erfordert das in der vorstehenden Randnummer angeführte Ziel, das in Art. 1 der Richtlinie 2011/83 genannt wird, eine weite Auslegung des Geltungsbereichs dieser Richtlinie und damit des Begriffs „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2.

31        Nach alledem ist ein „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 nicht nur eine natürliche oder juristische Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern auch eine natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag des betreffenden Unternehmers handelt.

32        Dies gilt unabhängig davon, ob ein solcher Vermittler seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2011/83 nachgekommen ist.

33        Insoweit trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof in Rn. 45 des Urteils vom 9. November 2016, Wathelet (C‑149/15, EU:C:2016:840), entschieden hat, dass eine Person, die im Rahmen des Verkaufs einer Ware als Vermittler für eine Privatperson handelt, selbst als „Verkäufer“ im Sinne der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12) angesehen werden kann, falls sie dem Erwerber der Ware die Identität des Eigentümers der Ware nicht ordnungsgemäß mitgeteilt hat. Der Lösungsansatz jenes Urteils kann aber nicht auf die Auslegung des Begriffs „Unternehmer“ im Sinne der Richtlinie 2011/83 übertragen werden, der auf einer anderen Logik beruht. Während nämlich die Richtlinie 1999/44 für den Fall des Verkaufs eines nicht vertragsgemäßen Verbrauchsguts eine spezifische Haftung des Verkäufers vorsieht, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 14 und 16 sowie aus Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83, dass diese die Rechte der Verbraucher regelt und nicht die allgemeinen Aspekte des Vertragsrechts, wie etwa die Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen oder die gesetzliche Vertretung. Insbesondere wird in der Richtlinie 2011/83 weder festgelegt, wer die Parteien des mit dem Verbraucher geschlossenen Vertrags sind, wenn der Hauptunternehmer auf die Dienste eines Vermittlers zurückgreift, noch die Aufteilung der Haftung zwischen diesen beiden im Fall eines Verstoßes gegen die in der Richtlinie vorgesehenen Pflichten geregelt.

34        Nach alledem ist es für die Einstufung eines Vermittlers als „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 auch unerheblich, ob die betreffende natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag eines anderen Unternehmers handelt, dem Verbraucher gegenüber offengelegt hat, dass sie als Vermittler tätig ist.

35        Schließlich ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung sowie aus dem Kontext, in den sie sich einfügt, und aus dem mit der Richtlinie 2011/83 verfolgten Ziel, auf das in den Rn. 28 bis 30 dieses Urteils Bezug genommen wurde, dass der Umstand, dass der Vermittler ein Unternehmer ist, es nicht ausschließt, dass dies auch auf den Hauptunternehmer zutrifft, in dessen Namen oder Auftrag der Vermittler handelt. Dazu muss auch keine doppelte Dienstleistung vorliegen, da beide Unternehmer verpflichtet sind, auf die Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen zu achten.

36        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung nicht nur eine natürliche oder juristische Person ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern auch eine natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag des betreffenden Unternehmers handelt, wobei der Vermittler und der Hauptunternehmer beide als „Unternehmer“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden können, ohne dass dafür eine doppelte Dienstleistung vorliegen muss.

Zur zweiten Vorlagefrage

37        Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und 5 sowie Art. 8 Abs. 1 und 7 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass die in Art. 6 Abs. 1 genannten Informationen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags lediglich im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Verfügung gestellt werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des entsprechenden Kästchens aktiv zustimmt, und ob die auf diese Weise übermittelten Informationen einen festen Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags bilden, auch wenn sie dem Verbraucher nicht im Sinne von Art. 8 Abs. 7 der Richtlinie auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wurden und/oder der Verbraucher in der Folge keine Vertragsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger erhalten hat.

38        Nach Ansicht von Tiketa steht die zweite Frage in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, da der betroffene Verbraucher im vorliegenden Fall alle Informationen in Form der Karte als dauerhafter Datenträger erhalten habe, die ihm für den Eintritt zu der in Rede stehenden Veranstaltung übermittelt worden sei. Dieses Vorbringen läuft darauf hinaus, die Zulässigkeit der zweiten Frage in Abrede zu stellen.

39        Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit von an den Gerichtshof gerichteten Vorabentscheidungsersuchen. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Angabe der nach der Richtlinie 2011/83 erforderlichen Informationen in den allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers, denen der Verbraucher zustimmt, indem er das hierfür vorgesehene Kästchen vor der Bezahlung der Karte ankreuzt, ausreicht, um die Einhaltung der Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 und 7 dieser Richtlinie zu gewährleisten. Somit kann, wenn man davon ausgeht, dass der Verbraucher auf der Eintrittskarte für die Veranstaltung, die ihm in der Folge übermittelt wurde, alle erforderlichen Informationen erhalten hat, dieser Umstand für die Erheblichkeit der zweiten Frage nicht maßgeblich sein. Jedenfalls stellt das vorlegende Gericht, das allein den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits beurteilen kann, klar, dass dem Verbraucher im vorliegenden Fall keine Bestätigung des geschlossenen Vertrags einschließlich aller in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 genannten Informationen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt worden sei, wie nach Art. 8 Abs. 7 dieser Richtlinie erforderlich. Die Einrede der Unzulässigkeit der zweiten Frage ist daher zurückzuweisen.

41        Zu der Frage, ob die Pflicht, den Verbraucher zu informieren, erfüllt ist, wenn ihm die nach der Richtlinie 2011/83 erforderlichen Informationen im Wege der allgemeinen Regeln des Vermittlers für die Dienstleistungserbringung zur Kenntnis gebracht werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des hierfür vorgesehenen Kästchens zustimmt, ist festzustellen, dass diese Richtlinie bei Fernabsatzverträgen oder bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zwischen inhaltlichen Verpflichtungen des Unternehmers hinsichtlich der Belehrung des Verbrauchers (Art. 6) und Verpflichtungen hinsichtlich der Form dieser Informationen (Art. 8) unterscheidet.

42        Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 hat der Unternehmer dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags in klarer und verständlicher Weise eine Reihe von Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen seine Identität und seine Kontaktdaten sowie gegebenenfalls die Identität und die Kontaktdaten des Unternehmers, für den er handelt, aber auch der Preis der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und Informationen über das Bestehen des Widerrufsrechts des Verbrauchers und das entsprechende Verfahren. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags sowohl die Informationen über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses, die dem Verbraucher die Entscheidung ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, als auch die Informationen übermittelt werden, die zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und vor allem zur Ausübung seiner Rechte erforderlich sind (Urteil vom 10. Juli 2019, Amazon EU, C‑649/17, EU:C:2019:576, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43        In Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 wird erneut auf das Erfordernis hingewiesen, dass die in ihrem Art. 6 Abs. 1 genannten Informationen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Sprache zu erteilen oder zur Verfügung zu stellen sind, und vorgesehen, dass diese Informationen, soweit sie auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, lesbar sein müssen.

44        Art. 8 Abs. 7 der Richtlinie 2011/83 sieht vor, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Bestätigung des Vertrags innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Abschluss des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen hat. Die Bestätigung hat u. a. die in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Informationen zu enthalten, es sei denn, diese Informationen wurden dem Verbraucher bereits auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt.

45        Aus der Zusammenschau der in den Rn. 41 bis 44 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen ergibt sich, dass der Unternehmer dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags lediglich die nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 erforderlichen Informationen in klarer und verständlicher Form zur Verfügung zu stellen hat. Erst nach Abschluss des betreffenden Vertrags ist der Unternehmer außerdem nach Art. 8 Abs. 7 der Richtlinie verpflichtet, dem Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist die Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zukommen zu lassen, es sei denn, die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Informationen wurden ihm bereits auf einem solchen Datenträger übermittelt.

46        Weit davon entfernt, den Gebrauch bestimmter Kommunikationstechniken zu verbieten, regelt die Richtlinie 2011/83 somit lediglich den Inhalt der vorvertraglichen Informationen, die dem Verbraucher zu erteilen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 23. Januar 2019, Walbusch Walter Busch, C‑430/17, EU:C:2019:47, Rn. 43). Daraus folgt, dass nichts dagegenspricht, dass die in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Informationen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Kenntnis gebracht werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des dafür vorgesehenen Kästchens zustimmt.

47        Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im Ausgangsverfahren alle diese Informationen dem in Rede stehenden Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zur Kenntnis gebracht wurden.

48        Eine solche Art und Weise der Informationserteilung kann hingegen nicht die Bestätigung ersetzen, die dem Verbraucher gemäß Art. 8 Abs. 7 der Richtlinie 2011/83 nach Abschluss des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen ist.

49        Nach Art. 2 Nr. 10 dieser Richtlinie bezieht sich der Begriff „dauerhafter Datenträger“ nämlich auf „jedes Medium, das es dem Verbraucher oder dem Unternehmer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht“.

50        Wie der Gerichtshof bereits in Bezug auf den Begriff „dauerhafter Datenträger“ im Sinne der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, L 144, S. 19) entschieden hat, die durch die Richtlinie 2011/83 aufgehoben und ersetzt wurde, muss ein solcher Datenträger somit in der Praxis dieselben Funktionen erfüllen wie die Papierform, damit der Verbraucher gegebenenfalls seine Rechte geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2012, Content Services, C‑49/11, EU:C:2012:419, Rn. 41 und 42).

51        Die in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 vorgesehenen Informationen lediglich im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Verfügung zu stellen, denen der Verbraucher zustimmt, indem er das hierfür vorgesehene Kästchen vor der Zahlung ankreuzt, genügt diesen Anforderungen jedoch nicht, da die Informationen auf diese Weise nicht persönlich an den Verbraucher gerichtet werden, keine Gewähr dafür geboten wird, dass ihr Inhalt und ihre Zugänglichkeit während einer angemessenen Dauer nicht verändert werden, und dem Verbraucher nicht die Speicherung oder originalgetreue Wiedergabe der Informationen ermöglicht wird (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juli 2012, Content Services, C‑49/11, EU:C:2012:419, Rn. 43). Vor diesem Hintergrund entspricht eine solche Art und Weise der Informationserteilung nicht der Definition des Begriffs „dauerhafter Datenträger“ im Sinne von Art. 2 Nr. 10 dieser Richtlinie.

52        Die nicht erfolgte Übergabe der Vertragsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger an den Verbraucher hat jedoch keine Auswirkung auf die Anwendung von Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83, wonach die Informationen nach Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie fester Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags sind und nicht geändert werden dürfen, es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich etwas anderes. Schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 5 ergibt sich nämlich, dass der Unionsgesetzgeber die Aufnahme dieser Informationen in den mit dem Verbraucher geschlossenen Vertrag nicht davon abhängig gemacht hat, dass der Unternehmer seiner Verpflichtung nachkommt, dem Verbraucher die Vertragsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger zukommen zu lassen. Eine gegenteilige Auslegung liefe dem mit der Richtlinie 2011/83 verfolgten Ziel des Verbraucherschutzes zuwider.

53        Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 und 5 sowie Art. 8 Abs. 1 und 7 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen sind, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass die in Art. 6 Abs. 1 genannten Informationen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags lediglich im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Verfügung gestellt werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des entsprechenden Kästchens aktiv zustimmt, sofern ihm diese Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Kenntnis gebracht werden. Eine solche Art und Weise der Informationserteilung ersetzt allerdings nicht die Übermittlung der Vertragsbestätigung an den Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger im Sinne von Art. 8 Abs. 7 dieser Richtlinie, wobei dieser Umstand dem nicht entgegensteht, dass diese Informationen fester Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags sind.

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