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Wirtschaftsrecht
09.01.2020
Wirtschaftsrecht
EuGH: Verbraucherkreditvertrag – Angabe des effektiven Jahreszinses Angabe in Form einer Marge zwischen zwei Werten unzulässig

EuGH, Urteil vom 19.12.2019 – C-290/19, RN gegen Home Credit Slovakia a.s.

ECLI:EU:C:2019:1130

Volltext: BB-Online BBL2020-65-1

Tenor

Art. 10 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates in der durch die Richtlinie 2011/90/EU der Kommission vom 14. November 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es verwehrt, dass der effektive Jahreszins in einem Verbraucherkreditvertrag nicht durch einen einheitlichen Satz, sondern durch eine Marge zwischen einem Mindest- und einem Höchstsatz ausgedrückt wird.

Urteil

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, und Berichtigungen ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46) in der durch die Richtlinie 2011/90/EU der Kommission vom 14. November 2011 (ABl. 2011, L 296, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2008/48).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen RN, einem Verbraucher, und der Home Credit Slovakia a.s. (im Folgenden: Home Credit) über einen von dem Verbraucher mit diesem Kreditinstitut abgeschlossenen Verbraucherkreditvertrag, in dessen Rahmen der effektive Jahreszins nicht unter Bezugnahme auf einen einheitlichen Zinssatz festgelegt ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          In den Erwägungsgründen 9, 19 und 31 der Richtlinie 2008/48 heißt es:

„(9) Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen.. …

(19) Damit der Verbraucher in voller Sachkenntnis entscheiden kann, sollten ihm vor dem Abschluss des Kreditvertrags ausreichende Informationen über die Bedingungen und Kosten des Kredits sowie über die Verpflichtungen, die er mit dem Vertrag eingeht, gegeben werden, die er mitnehmen und prüfen kann. Im Interesse einer größtmöglichen Transparenz und Vergleichbarkeit der Angebote sollten diese Informationen sich insbesondere auf den effektiven Jahreszins beziehen, der innerhalb der gesamten Gemeinschaft auf die gleiche Art zu berechnen ist. Da der effektive Jahreszins in diesem Stadium nur anhand eines Beispiels angegeben werden kann, sollte dieses Beispiel repräsentativ sein. Deshalb sollte es beispielsweise der durchschnittlichen Laufzeit und dem Gesamtbetrag des gewährten Kredits bei der betreffenden Art von Kreditvertrag entsprechen und sich gegebenenfalls auf die gekauften Waren beziehen. Bei der Auswahl des repräsentativen Beispiels sollte auch die Häufigkeit des Abschlusses bestimmter Kreditverträge auf einem speziellen Markt berücksichtigt werden. Was den Sollzinssatz, die Periodizität der Teilzahlungen und die Anrechnung der Zinsen auf das Darlehen anbelangt, so sollten die Kreditgeber bei dem jeweiligen Verbraucherkredit ihre herkömmlichen Berechnungsmethoden anwenden.

(31) Alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.“

4          Art. 1 dieser Richtlinie stellt klar, dass ihr Ziel die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Vorschriften der Mitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge ist.

5          Art. 3 Buchst. i der Richtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

i) ‚effektiver Jahreszins‘ die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die als jährlicher Prozentsatz des Gesamtkreditbetrags ausgedrückt sind, soweit zutreffend einschließlich der Kosten gemäß Artikel 19 Absatz 2“.

6          Art. 4 der Richtlinie 2008/48 betrifft die Standardinformationen, die in die Werbung für Kreditverträge aufzunehmen sind. Er sieht vor, dass die Werbung für Kreditverträge, wenn Zinssätze oder sonstige, auf die Kosten eines Kredits für den Verbraucher bezogene Zahlen genannt werden, die Standardinformationen enthalten muss, die in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise anhand eines repräsentativen Beispiels genannt werden. Zu diesen Informationen zählt u. a. der effektive Jahreszins.

7          Art. 10 („Zwingende Angaben in Kreditverträgen“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 2 Buchst. g vor:

„Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:

g) der effektive Jahreszins und der vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag, berechnet zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages; anzugeben sind alle in die Berechnung dieses Zinses einfließenden Annahmen“.

8          Art. 19 („Berechnung des effektiven Jahreszinses“) dieser Richtlinie lautet:

„(1) Der effektive Jahreszins, der auf Jahresbasis die Gleichheit zwischen den Gegenwartswerten der gesamten gegenwärtigen oder künftigen Verpflichtungen (in Anspruch genommene Kreditbeträge, Tilgungszahlungen und Entgelte) des Kreditgebers und des Verbrauchers herstellt, wird anhand der mathematischen Formel in Teil I des Anhangs I berechnet.

(2) Für die Berechnung des effektiven Jahreszinses sind die Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher maßgebend, mit Ausnahme der Kosten, die er bei Nichterfüllung einer seiner Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag zu tragen hat, sowie der Kosten mit Ausnahme des Kaufpreises, die er beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen unabhängig davon zu tragen hat, ob es sich um ein Bar- oder ein Kreditgeschäft handelt.

Die Kosten für die Führung eines Kontos, auf dem sowohl Zahlungen als auch in Anspruch genommene Kreditbeträge verbucht werden, die Kosten für die Verwendung eines Zahlungsmittels, mit dem sowohl Zahlungen getätigt als auch Kreditbeträge in Anspruch genommen werden können, sowie sonstige Kosten für Zahlungsgeschäfte werden als Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher berücksichtigt, es sei denn, die Eröffnung des Kontos ist fakultativ und die mit dem Konto verbundenen Kosten sind im Kreditvertrag oder in einem anderen mit dem Verbraucher geschlossenen Vertrag klar und getrennt ausgewiesen.

(3) Bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses wird von der Annahme ausgegangen, dass der Kreditvertrag für den vereinbarten Zeitraum gilt und dass Kreditgeber und Verbraucher ihren Verpflichtungen unter den im Kreditvertrag niedergelegten Bedingungen und zu den dort niedergelegten Terminen nachkommen.

(4) In Kreditverträgen mit Klauseln, nach denen der Sollzinssatz und gegebenenfalls die Entgelte, die im effektiven Jahreszins enthalten sind, deren Quantifizierung zum Zeitpunkt seiner Berechnung aber nicht möglich ist, geändert werden können, wird bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses von der Annahme ausgegangen, dass der Sollzinssatz und die sonstigen Kosten gemessen an der ursprünglichen Höhe fest bleiben und bis zum Ende des Kreditvertrags gelten.

(5) Erforderlichenfalls kann für die Berechnung des effektiven Jahreszinses von den in Anhang I genannten zusätzlichen Annahmen ausgegangen werden.

Reichen die in diesem Artikel und in Teil II des Anhangs I genannten Annahmen für eine einheitliche Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht aus oder sind sie nicht auf die wirtschaftliche Marktlage abgestimmt, so kann die Kommission die zur Berechnung des effektiven Jahreszinses erforderlichen zusätzlichen Annahmen festlegen oder die bestehenden Annahmen ändern. …“

9          Anhang I dieser Richtlinie legt in Teil I die Grundgleichung zur Ermittlung des effektiven Jahreszinses fest. Es wird dort klargestellt, dass das Rechenergebnis dieser Gleichung auf mindestens eine Dezimalstelle genau angegeben wird. Ist die Ziffer der darauffolgenden Dezimalstelle größer als oder gleich 5, so erhöht sich die Ziffer der ersten Dezimalstelle um den Wert 1.

10        Teil II dieses Anhangs I legt die zusätzlichen Annahmen für die Berechnung des effektiven Jahreszinses dar, die folgendermaßen lauten:

„a) Ist es dem Verbraucher nach dem Kreditvertrag freigestellt, wann er den Kredit in Anspruch nehmen will, so gilt der gesamte Kredit als sofort in voller Höhe in Anspruch genommen.

b) Ist es dem Verbraucher nach dem Kreditvertrag generell freigestellt, wann er den Kredit in Anspruch nehmen will, sind jedoch je nach Art der Inanspruchnahme Beschränkungen in Bezug auf Kreditbetrag und Zeitraum vorgesehen, so gilt der gesamte Kredit als zu dem im Kreditvertrag vorgesehenen frühestmöglichen Zeitpunkt mit den entsprechenden Beschränkungen in Anspruch genommen.

c) Sieht der Kreditvertrag verschiedene Arten der Inanspruchnahme mit unterschiedlichen Kosten oder Sollzinssätzen vor, so gilt der gesamte Kredit als zu den höchsten Kosten und zum höchsten Sollzinssatz in Anspruch genommen, wie sie für die Kategorie von Geschäften gelten, die bei dieser Kreditvertragsart am häufigsten vorkommt.

f) Bei anderen Kreditverträgen, die weder Überziehungsmöglichkeiten noch unbefristete Kredite sind (siehe die Annahmen unter d und e), gilt Folgendes:

ii) Ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags nicht bekannt, so wird angenommen, dass der Kredit erstmals zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen wurde, der sich aus dem kürzesten zeitlichen Abstand zwischen diesem Zeitpunkt und der Fälligkeit der ersten vom Verbraucher zu leistenden Zahlung ergibt.

…“

Slowakisches Recht

11        Der Zákon č. 129/2010 Z. z. o spotrebiteľských úveroch a o iných úveroch a pôžičkách pre spotrebiteľov a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz Nr. 129/2010 über Verbraucherkredite und andere Kredite und Darlehen für Verbraucher und zur Änderung und Ergänzung einiger Gesetze) in seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/48 in slowakisches Recht.

12        In § 9 Abs. 2 Buchst. j dieses Gesetzes heißt es:

„Der Verbraucherkreditvertrag muss … die folgenden Angaben enthalten:

j) den effektiven Jahreszins und den vom Verbraucher zu zahlenden Gesamtbetrag, die auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verbraucherkreditvertrags geltenden Angaben berechnet sind; anzugeben sind alle in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einfließenden Annahmen“.

13        § 11 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:

„Der gewährte Kredit gilt als zins- und kostenfrei, wenn

b) der Verbraucherkreditvertrag die Angaben gemäß § 9 Abs. 2 Buchst. a bis k, r und y nicht enthält;

d) der Verbraucherkredit zum Nachteil des Verbrauchers den effektiven Jahreszins nicht ordnungsgemäß angibt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

14        Am 4. März 2013 schlossen RN und Home Credit einen Verbraucherkreditvertrag über 3 359,14 Euro. Im Vertrag waren die Höhe der monatlichen Raten (89,02 Euro), der Zinssatz (19,62 %) und der effektive Jahreszins (zwischen 21,5 % und 22,4 %) angegeben. Es hieß dort weiter, dass der effektive Jahreszins von dem Zeitpunkt abhänge, an dem die Geldmittel RN zur Verfügung gestellt werden, und dass ihm dieser nach diesem Zeitpunkt mitgeteilt werde.

15        Ferner wurden im Vertrag die Fälligkeiten der Kreditraten angegeben und festgelegt, dass die erste Rate einen Monat nach dem Tag der Gewährung des Darlehens und jede weitere am 15. Tag des Kalendermonats fällig sei und dass das Darlehen in 60 Monatsraten zurückzuzahlen sei.

16        Am 2. Juli 2017 teilte Home Credit RN mit, dass er das Darlehen vollständig, d. h. in Höhe von 5 291,24 Euro, zurückgezahlt habe.

17        RN erhob jedoch Klage auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen Home Credit mit der Begründung, dass der Kredit als zins- und kostenfrei hätte angesehen werden müssen, da der effektive Jahreszins im Vertrag nicht durch einen einheitlichen Satz, sondern durch eine Marge zwischen einem Mindestsatz und einem Höchstsatz festgesetzt worden sei. RN vertrat die Ansicht, dass er nur den Darlehensbetrag, d. h. 3 359,14 Euro, hätte zahlen müssen, und forderte daher die Rückzahlung des Betrags von 1 932,10 Euro aus ungerechtfertigter Bereicherung.

18        Dieser Klage wurde vom erstinstanzlichen Gericht nicht stattgegeben. Dieses Gericht war u. a. der Auffassung, dass das RN von Home Credit gewährte Darlehen ein Verbraucherkredit sei und der Vertrag über diesen Kredit alle in § 9 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 129/2010 vorgeschriebenen Angaben enthalte. Es entschied weiter, dass der Vertrag den effektiven Jahreszins nicht ausdrücklich unter Bezugnahme auf einen einheitlichen Satz angeben müsse und dass es unverhältnismäßig wäre, den Darlehensgeber dadurch zu sanktionieren, dass das Darlehen für zins- und kostenfrei erklärt werde, nur weil der effektive Jahreszins in Form einer Marge zwischen zwei Werten (von – bis) angegeben sei.

19        RN hat beim vorlegenden Gericht Berufung eingelegt. Diesem stellt sich nunmehr die Frage, ob die Festlegung des effektiven Jahreszinses in Form einer solchen Marge gegen die Richtlinie 2008/48 verstößt.

20        Das vorlegende Gericht führt aus, Home Credit habe geltend gemacht, dass der Kreditvertrag telefonisch geschlossen worden sei und dass der Kläger über 35 Tage Zeit gehabt habe, um das Kreditvertragsangebot anzunehmen oder abzulehnen. Aus diesem Grund sei Home Credit nicht in der Lage gewesen, zum Zeitpunkt der Bereitstellung der Geldmittel, von dem der effektive Jahreszins abhänge, genaue Angaben zu machen.

21        Das vorlegende Gericht vertritt jedoch den Standpunkt, dass dieses Argument im Hinblick auf die in Anhang I Teil II der Richtlinie 2008/48 aufgeführten Annahmen, insbesondere jene in den Buchst. a, c oder f dieses Teils, wenig überzeugend sei. Der Umstand, dass der Kreditgeber den Zeitpunkt der Bereitstellung der Geldmittel nicht kenne, entbinde ihn nicht von der Angabe des effektiven Jahreszinses unter Bezugnahme auf einen genauen, in einem einzigen Wert ausgedrückten Prozentsatz.

22        Unter diesen Umständen hat der Krajský súd v Trnave (Regionalgericht Trnava, Slowakei) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass ein Verbraucherkreditvertrag das in dieser Bestimmung genannte Erfordernis erfüllt, wenn in ihm der effektive Jahreszins nicht in Form einer Angabe in Prozent, sondern vielmehr in Form einer Marge zwischen zwei Angaben (von – bis) genannt ist?

Zur Vorlagefrage

23        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er es verwehrt, dass der effektive Jahreszins einem Verbraucherkreditvertrag nicht durch einen einheitlichen Satz, sondern durch eine Marge zwischen einem Mindest- und einem Höchstsatz ausgedrückt wird.

24        Die Angabe des effektiven Jahreszinses in Form einer Marge zwischen zwei Werten steht weder mit dem Wortlaut mehrerer Bestimmungen der Richtlinie 2008/48, insbesondere der Art. 3 und 19, noch mit der Systematik dieser Richtlinie in Einklang. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich nämlich, dass der effektive Jahreszins als Prozentsatz unter Bezugnahme auf eine genaue Zahl angegeben werden muss.

25        So verlangt zum einen Art. 3 Buchst. i der Richtlinie 2008/48, der den effektiven Jahreszins in dem Sinne definiert, dass er den „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die als jährlicher Prozentsatz des Gesamtkreditbetrags ausgedrückt sind“, entspricht, die Festlegung eines genauen Prozentsatzes.

26        Zum anderen ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in Verbindung mit Anhang I Teil I dieser Richtlinie, dass der effektive Jahreszins anhand der mathematischen Formel in diesem Anhang berechnet wird und den gesamten gegenwärtigen oder künftigen Verpflichtungen des Kreditgebers und des Verbrauchers auf eine Dezimalstelle genau entsprechen muss. Darüber hinaus muss der effektive Jahreszins nach Art. 19 Abs. 5 Unterabs. 2 einheitlich berechnet werden. Wie die slowakische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht ausgeführt hat, kann die Einhaltung dieser Vorschriften nur zu einem auf eine Dezimalstelle genauen Ergebnis führen.

27        Diese Auslegung wird im Übrigen durch das mit der Richtlinie 2008/48 verfolgte Ziel und durch die Funktion, die der effektive Jahreszins in dem durch diese Richtlinie geschaffenen System erfüllt, untermauert.

28        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2008/48 mit dem doppelten Ziel erlassen wurde, allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern (Urteil vom 5. September 2019, Pohotovosť, C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach ihrem 19. Erwägungsgrund soll diese Richtlinie insbesondere gewährleisten, dass der Verbraucher vor Abschluss des Kreditvertrags ausreichende Informationen u. a. über den effektiven Jahreszins in der gesamten Union erhält, die ihm einen Vergleich dieser Zinssätze ermöglichen.

29        Der Gerichtshof hat Gelegenheit gehabt, die besondere Bedeutung hervorzuheben, die der effektive Jahreszins als Ausdruck der Gesamtkosten des Kredits in Form eines nach einer einheitlichen mathematischen Formel berechneten Zinssatzes für den Verbraucher hat. Dieser Zinssatz ermöglicht es nämlich dem Verbraucher, den Umfang der mit dem Abschluss des Kreditvertrags einhergehenden Verpflichtung in wirtschaftlicher Hinsicht einzuschätzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingeróva, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia, C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko, C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 64).

30        In dieser Hinsicht trägt die in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 aufgestellte Informationspflicht, wonach im Kreditvertrag in klarer, prägnanter Form u. a. der effektive Jahreszins anzugeben ist, zur Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele bei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2019, Pohotovosť, C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zwar insbesondere des Ziels eines hohen Maßes an Schutz der Verbraucherinteressen.

31        Es ist festzustellen, dass das in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 festgelegte Kriterium der Klarheit und Prägnanz nicht erfüllt wäre, wenn es zulässig wäre, in einem Kreditvertrag den effektiven Jahreszins nicht unter Bezugnahme auf einen einheitlichen Zinssatz, sondern in Form einer Marge zwischen einem Mindest- und einem Höchstsatz auszudrücken. Dieses Kriterium ist dabei wesentlich dafür, dass der Verbraucher, wie es im 31. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt, seine Rechte und Pflichten aus dem Kreditvertrag zur Kenntnis nehmen kann. Die Verwendung einer solchen Marge kann nämlich nicht nur die Einschätzung der Gesamtkosten des Kredits erschweren, sondern auch zu einem Irrtum des Verbrauchers über den tatsächlichen Umfang seiner Verpflichtung führen.

32        Hinzuzufügen ist, dass der insoweit vom vorlegenden Gericht erwähnte Umstand, wonach bestimmte Informationen, insbesondere der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits oder der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, dem Kreditgeber nicht bekannt waren, als er dem Verbraucher ein Kreditangebot unterbreitete, unerheblich ist.

33        Die Richtlinie 2008/48 sieht nämlich in Anhang I Teil II zusätzliche Annahmen vor, die die Berechnung des effektiven Jahreszinses erleichtern sollen, wenn bestimmte Einzelheiten nicht bekannt sind oder wenn es aus anderen Gründen nicht möglich ist, sie zu ermitteln.

34        So stehen dem Kreditgeber die insbesondere in Anhang I Teil II Buchst. a bis c der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen zusätzlichen Annahmen zur genauen Berechnung des effektiven Jahreszinses zur Verfügung, wenn der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits nicht bekannt ist. Ist zudem der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bekannt, wird nach Anhang I Teil II Buchst. f Ziff. ii der Richtlinie angenommen, dass der Kredit erstmals zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen wurde, der sich aus dem kürzesten zeitlichen Abstand zwischen diesem Zeitpunkt und der Fälligkeit der ersten vom Verbraucher zu leistenden Zahlung ergibt.

35        Folglich kann insbesondere wegen der genannten Annahmen, die die einheitliche Berechnung des effektiven Jahreszinses erleichtern sollen, nicht behauptet werden, dass die Festsetzung des effektiven Jahreszinses in Form eines einheitlichen Satzes nicht möglich oder übermäßig schwierig wäre, wenn diese Angaben nicht bekannt sind.

36        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er es verwehrt, dass der effektive Jahreszins in einem Verbraucherkreditvertrag nicht durch einen einheitlichen Satz, sondern durch eine Marge zwischen einem Mindest- und einem Höchstsatz ausgedrückt wird.

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