OLG Frankfurt: Verbraucherinformationspflicht bei Werbung mit einem Testergebnis
OLG Frankfurt, Urteil vom 25.10.2012 - 6 U 186/11
Leitsatz
Bei der Werbung mit dem Testergebnis "gut" der Stiftung Warentest muss auch im Rahmen eines Fernsehspots grundsätzlich der Rang des Qualitätsurteils im Rahmen des Gesamttests deutlich gemacht werden, wenn mehrere Konkurrenzerzeugnisse mit "sehr gut" bewertet worden sind und das Testergebnis des beworbenen Erzeugnisses gerade noch überdurchschnittlich war.(Rn.11)
Sachverhalt
I. Die Beklagte warb in einem Fernsehspot für den von ihr angebotenen Nassrasierer „..." mit der in einem Test der Stiftung Warentest erzielten Endnote „GUT (2,2)", ohne gleichzeitig Angaben zu dem in diesem Test erzielten Rang (Rang 6 von 15 getesteten Nassrasierern) zu machen. Die Klägerin - eine Mitbewerberin der Beklagten - beanstandet diese Werbung als irreführend (§ 5a I, II UWG). Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, mit dem der Klage im Wesentlichen stattgegeben worden ist, Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO).
Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus den Gründen
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat der Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch unter Bezugnahme auf den im Eilverfahren ergangenen Senatsbeschluss vom 13.1.2011 - 6 W 177/10 - zuerkannt, dessen Gründe nachfolgend nochmals wiedergegeben werden:
„Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 3, 5a Abs. 2, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG zu.
Nach dem für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern heranzuziehenden § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer als Unternehmer die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkung des Telekommunikationsmittels für eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers wesentlich ist. Sinn und Zweck dieser in Zuge der Umsetzung der UGP-Richtlinie in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb neu geschaffenen Vorschrift ist es, Fälle zu erfassen, in denen der Verbraucher, ungeachtet der Frage, ob durch die Nichtinformation eine Irreführung herbeigeführt wird, durch das Vorenthalten einer wesentlichen Information zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden kann, die er nicht getroffen hätte, wenn ihm diese Information zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. § 5a Rd 29).
Diese Voraussetzungen sind in dem vorliegenden Fall gegeben. In dem beanstandeten Fernsehspot wird der Rasierapparat „..." der Antragsgegnerin beworben, indem gegen Ende des Spots das Logo der Stiftung Warentest vorübergehend bildschirmfüllend gezeigt und dazu angegeben wird: „Gut 2,2 Ausgabe 12/2010". Darüber hinaus enthält diese Einblendung lediglich die weitere Angabe „Im Test: 42 Nassrasierer". Nicht angeben wird in der Werbung, dass der „..." unter den 15 getesteten Nassrasieren mit Wechselklingen - bei den übrigen Testkandidaten handelte es sich um Einwegrasierer - lediglich den sechsten Platz eingenommen hat, wobei zwei Nassrasierer - der Antragstellerin - mit „sehr gut 1,4" und „sehr gut 1,5" bewertet wurden und drei weitere - ebenfalls von der Antragstellerin angebotene Rasierer - die Note „Gut" mit einem Notendurchschnitt von 1,7 bzw. 1,9 erhielten.
Die Information darüber, wie die Bewertung des „..." in das Umfeld seiner Konkurrenten einzuordnen ist, ist für den Verbraucher, an den die streitgegenständliche Werbung ausschließlich gerichtet ist, wesentlich für eine Kaufentscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits in der Entscheidung „Test gut" (Urt. v. 11.03.1982 - I ZR 71/80 - GRUR 1982, 727 - juris-Tz 15) zu § 3 UWG a.F. entschieden, dass es irreführend sein kann, wenn bei der Mitteilung eines Qualitätstests der Stiftung Warentest nicht über die Anzahl besserer Testergebnisse aufgeklärt wird. Denn durch die Mitteilung, dass ein Produkt bei der Stiftung Warentest mit der Bewertung „gut 2,2" abgeschlossen hat, können die angesprochenen Verkehrskreise nicht nur die Erwartung verbinden, dass das getestete Produkt objektiv, das heißt im Verhältnis zum Stand der Technik „gut" ist, sondern auch im Testfeld einen herausragenden Platz eingenommen hat. Dies folgt bereits aus der für den Verbraucher naheliegenden Überlegung, dass mit einem Testergebnis der Stiftung Warentest regelmäßig nur werben wird, wer in dem Test nicht nur absolut, sondern relativ gut abgeschlossen hat, und gilt unter dem geltenden UWG, das der Aufklärung bei einer an Verbraucher gerichteten geschäftlichen Handlung besondere Bedeutung beimisst, erst recht. Sofern sich der Unternehmer - was ihm unbenommen bleibt - dazu entscheidet, seine Waren oder Dienstleistungen mit Testergebnissen wie denen der Stiftung Warentest zu bewerben, kann von ihm deshalb auch verlangt werden, erkennbar zu machen, welchen Rang sein Produkt in dem Test einnimmt. Als Maßstab können dabei die von der Stiftung Warentest aufgestellten als solche aber unverbindlichen Richtlinien der Stiftung Warentest herangezogen werden (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. § 5 Rd 4.236; abgedruckt: a.a.O.: § 6 Rd. 213), welche in Ziffer I. 5) die Angabe des Ranges des verwendeten Qualitätsurteils vorsehen. Dies kann geschehen, indem der Werbende den Rangplatz benennt - im vorliegenden Fall wäre dies Platz 6 im Test von 15 Nassrasierern mit Austauschklingen -, die erzielte Durchschnittsnote - hier gerundet 2,4 - angibt oder mitteilt, welche Notenstufen wie oft erreicht wurden.
Der Senat vermag sich vor diesem Hintergrund der vom Landgericht vertretenen Auffassung, dass die Unlauterkeit der beanstandeten Werbung in dem konkreten Fall deshalb zu verneinen ist, weil das vom „..." erzielte Testergebnis immer noch über der Durchschnittsnote für alle Testkandidaten von 2,373 liegt, nicht anzuschließen. Der Bundesgerichtshof hatte zwar in der zitierten Entscheidung „Test gut" eine Irreführung letztlich (nur) deshalb bejaht, weil in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall eine Spiegelreflexkamera mit dem Testurteil gut bewertet worden war, obwohl sie damit unter dem Notendurchschnitt von 1,59 lag (BGH, a.a.O., juris-Tz 16) und die angesprochenen Verkehrskreise daher in ihrer Erwartung, die getestete Kamera gehöre zur Spitzengruppe, enttäuscht worden waren. Daraus kann jedenfalls unter dem geltenden Recht nicht geschlossen werden, dass die Unlauterkeit dann ausscheidet, wenn das Testergebnis für das beworbene Produkt (knapp) über der Durchschnittsnote liegt. Denn auf eine Irreführung der Verbraucher kommt es unter der Geltung des § 5a Abs. 2 UWG gerade nicht an. Das Interesse der Verbraucher, bei einer Werbung mit Testergebnissen auch über den Rang einer Bewertung informiert zu werden, besteht vielmehr auch dann, wenn diese im Einzelfall über dem Durchschnitt liegt.
Der Verpflichtung zur Kenntlichmachung des Rangs des Testergebnisses steht in dem vorliegenden Fall auch nicht die Beschränktheit des Kommunikationsmittels „Fernsehwerbespot" entgegen. § 5a Abs. 2 UWG enthält zwar eine Einschränkung der Mitteilungspflicht auf das durch die freie Wahl des Kommunikationsmittels mögliche Maß. Bei der formatfüllenden Einblendung des Testergebnisses gegen Ende des Werbespots hätte jedoch ohne weiteres die Möglichkeit zur Mitteilung des Ranges bestanden. Dies gilt in dem vorliegenden Fall auch deshalb, weil die Werbung dem Testergebnis der Stiftung Warentest im Kontext des Fernsehspots - neben dem unmittelbar danach eingeblendeten Hinweis, dass 91% der „...-Leser" den ... einem Freund empfehlen würden - die einzige inhaltlich sachliche Werbeaussage darstellt und deshalb von den angesprochenen Verbrauchern besonders aufmerksam wahrgenommen und durch diese Leserempfehlung auch noch unterstrichen wird.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt dem Verfügungsantrag schließlich nicht die hinreichende Bestimmtheit. Denn der Antragsgegnerin stehen - wie dargelegt - mehrere Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Informationspflichten dar. In einem solchen Fall bedarf es einer weitergehenden Konkretisierung des Antrags nicht."
An dieser Beurteilung hält der erkennende Senat auch im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren, die sich auf eine abweichende rechtliche Bewertung beschränken, fest.
Die Beklagte rügt insbesondere ohne Erfolg, dass der Senat in der wiedergegebenen Begründung auch auf die durch die Werbung hervorgerufene Verkehrsvorstellung abgestellt und damit nicht hinreichend zwischen dem Gesichtspunkt der Irreführung durch Verschweigen einer Tatsache (§ 5a I UWG) und demjenigen der Verletzung einer Informationspflicht nach § 5a II UWG unterschieden habe. Die Regelung des § 5a II UWG macht die Informationspflicht ausdrücklich von der Wesentlichkeit „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände" abhängig, was auch die Frage einschließt, welche Vorstellungen der angesprochene Verbraucher - unabhängig von einer etwa hervorgerufenen konkreten Irreführung durch Verschweigen im Sinne von § 5a I UWG - mit dem sonstigen Inhalt der Werbung verbindet, die Anlass für die als wesentlich einzustufende Information ist. Daraus folgt insbesondere, dass in Grenzfällen die Frage einer Irreführung durch Verschweigen (§ 5a I UWG) dahinstehen kann, wenn sich die vorenthaltene Information unter Berücksichtigung der Gesamtumstände jedenfalls als wesentlich im Sinne von § 5a II UWG darstellt (vgl. hierzu BGH GRUR 2012, 943 - Call-by-Call; Tz. 12).
Aus welchen Gründen im vorliegenden Fall die Information über den Rang, den der Nassrasierer der Beklagten im Test der Stiftung Warentest belegt hat, nach Auffassung des Senats als für den Verbraucher wesentlich einzustufen ist, ist in der vorstehend wiedergegebenen Beschlussbegründung dargelegt.
Zur weiteren Frage, ob der Beklagten die in Rede stehende Aufklärung auch im Hinblick auf die Beschränkungen des Kommunikationsmittels möglich und zumutbar ist, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Fall zur Erteilung der nötigen Information lediglich eines kurzen Zusatzes zu der blickfangartig hervorgehobenen Gesamtnote bedarf, wie ihn die Beklagte nunmehr auch tatsächlich vornimmt („2 x sehr gut"; vgl. Seite 14 des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 30.4.2012, Bl. 291 d.A.).
Den in erster Instanz erhobenen Einwänden der Beklagten gegen die Methodik, die dem Test der Stiftung Warentest zugrunde lag, hat das Landgericht mit Recht entgegengehalten, dass sich die Beklagte auf diesen Einwand nicht berufen kann, solange sie selbst das Testergebnis zum Zwecke eigener Werbung verwendet.
Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin weiter die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatzfeststellung und - in beschränktem Umfang - Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben zuerkannt. Hiergegen erhebt die Beklagte mit der Berufung auch keine gesonderten Einwände.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt. Nachdem der Bundesgerichtshof (a.a.O.) bereits zu der Regelung des § 5a II UWG Stellung genommen hat, hängt die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nach Auffassung des erkennenden Senats nicht mehr von Fragen ab, denen grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist; eine Divergenz zur Rechtsprechung anderer Instanzgerichte ist ebenfalls nicht erkennbar.