EuGH: Verbraucherdarlehensvertrag – Zahlungsverpflichtung zu überhöhten zinsunabhängigen Kreditkosten kann missbräuchliche Klausel darstellen
EuGH, Urteil vom 23.11.2023 – C-321/22, ZL, KU, KM gegen Provident Polska S.A.
ECLI:EU:C:2023:911
Volltext: BB-Online BBL2023-2817-1
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Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass, sofern die Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Klausel über zinsunabhängige Kosten eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags nicht nach Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 dieser Richtlinie ausgeschlossen ist, die Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel unter Berücksichtigung des Umstands festgestellt werden kann, dass diese Klausel die Zahlung von Gebühren oder einer Provision durch den Verbraucher in einer Höhe vorsieht, die offensichtlich außer Verhältnis zu der als Gegenleistung erbrachten Dienstleistung steht.
2. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung entgegensteht, nach der der Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Unwirksamkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag nur bei Nachweis eines Rechtsschutzinteresses stattgegeben werden kann, wenn davon ausgegangen wird, dass ein solches Interesse nicht besteht, wenn der Verbraucher eine Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge erheben oder diese Unwirksamkeit im Rahmen seiner Verteidigung gegen eine von dem Gewerbetreibenden auf der Grundlage dieser Klausel gegen ihn erhobenen Widerklage auf Erfüllung geltend machen kann.
3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist im Licht der Grundsätze der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass
er der Nichtigerklärung eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags nicht entgegensteht, wenn festgestellt wird, dass nur die Klausel dieses Vertrags, in der die konkreten Modalitäten der Zahlung der zu den wiederkehrenden Fälligkeitsterminen geschuldeten Beträge festgelegt werden, missbräuchlich ist und der Vertrag ohne diese Klausel nicht fortbestehen kann. Enthält eine Klausel jedoch eine Bestimmung, die sich von den anderen Bestimmungen dieser Klausel abtrennen lässt und Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann, deren Streichung es ermöglichen würde, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Parteien wiederherzustellen, ohne den wesentlichen Inhalt des betreffenden Vertrags zu beeinträchtigen, dann impliziert diese Vorschrift im Licht dieser Grundsätze nicht, dass diese Klausel oder sogar dieser Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären wären.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
2 Es ergeht im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen ZL, KU und KM auf der einen und der Provident Polska S.A. auf der anderen Seite über die Gültigkeit verschiedener Klauseln in Verbraucherkreditverträgen, die ZL, KU und KM mit Provident Polska bzw. einer anderen Gesellschaft, deren Rechtsnachfolgerin sie ist, geschlossen haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“
4 Art. 4 der Richtlinie 93/13 sieht vor:
„(1) Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.
(2) Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“
5 Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“
6 Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“
7 Art. 8 der Richtlinie 93/13 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.“
Polnisches Recht
Zivilgesetzbuch
8 Die Ustawa – Kodeks cywilny (Gesetz über das Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. Nr. 16, Pos. 93) in der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt in Art. 58:
„§ 1. Ein Rechtsgeschäft, das dem Gesetz zuwiderläuft oder die Umgehung des Gesetzes zum Zweck hat, ist nichtig, es sei denn, dass eine einschlägige Vorschrift eine andere Rechtsfolge vorsieht, insbesondere die, dass an die Stelle der nichtigen Bestimmungen des Rechtsgeschäfts die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen treten.
§ 2. Ein Rechtsgeschäft, das den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderläuft, ist nichtig.
§ 3. Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Rechtsgeschäfts, so bleibt das Rechtsgeschäft im Übrigen wirksam, es sei denn, dass sich aus den Umständen ergibt, dass es ohne die nichtigen Bestimmungen nicht vorgenommen worden wäre.“
9 Art. 3851 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:
„§ 1. Die Bestimmungen eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, die nicht individuell vereinbart worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gestalten und seine Interessen grob verletzen (unzulässige Vertragsbestimmungen). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien, darunter den Preis oder die Vergütung, festlegen, wenn sie eindeutig formuliert worden sind.
§ 2. Ist eine Vertragsbestimmung nach § 1 für den Verbraucher unverbindlich, so sind die Parteien an den Vertrag in seinem übrigen Umfang gebunden.“
10 Art. 405 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:
„Wer einen Vermögensvorteil auf Kosten einer anderen Person ohne rechtlichen Grund erlangt hat, ist verpflichtet, den Vorteil in Natur herauszugeben und, falls dies unmöglich ist, seinen Wert zu erstatten.“
11 Art. 410 des Zivilgesetzbuchs lautet:
„§ 1. Die Vorschriften der vorstehenden Artikel werden insbesondere auf eine nicht geschuldete Leistung angewandt.
§ 2. Eine Leistung ist nicht geschuldet, wenn derjenige, der sie erbracht hat, nicht oder nicht gegenüber der Person, an die er geleistet hat, leistungsverpflichtet war oder wenn die Grundlage der Leistung entfallen ist oder der beabsichtigte Zweck der Leistung nicht erreicht worden ist oder wenn das zur Leistung verpflichtende Rechtsgeschäft unwirksam war und nicht nach der Erbringung der Leistung wirksam geworden ist.“
12 Art. 720 § 1 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:
„Durch den Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, das Eigentum an einem bestimmten Geldbetrag oder nur der Gattung nach bestimmten Sachen auf den Darlehensnehmer zu übertragen, während sich der Darlehensnehmer verpflichtet, den gleichen Geldbetrag zurückzuzahlen bzw. die gleiche Anzahl an Sachen derselben Gattung und Qualität zurückzugeben.“
Zivilprozessordnung
13 Die Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. Nr. 43, Pos. 296) in der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung) bestimmt in Art. 189:
„Ein Kläger kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts begehren, sofern er insoweit ein Rechtsschutzinteresse hat.“
14 Art. 316 § 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:
„Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erlässt das Gericht sein Urteil, wobei es die Sachlage zugrunde legt, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegeben ist; insbesondere steht es einer Verurteilung zur Begleichung einer Forderung nicht entgegen, dass die Forderung im Laufe des Verfahrens fällig geworden ist.“
Verbraucherkreditgesetz
15 Die Ustawa o kredycie konsumenckim (Gesetz über den Verbraucherkredit) vom 12. Mai 2011 (Dz. U. Nr. 126, Pos. 715) in der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Verbraucherkreditgesetz) bestimmt in Art. 3:
„1. Als Verbraucherkreditvertrag gilt ein Kreditvertrag über einen Betrag von nicht mehr als 255 550 [polnischen Zloty (PLN)] oder den Gegenwert dieses Betrags in einer anderen Währung als der polnischen, den der Kreditgeber im Rahmen seiner Tätigkeit einem Verbraucher gewährt oder zu gewähren verspricht.
2. Als Verbraucherkreditvertrag gilt insbesondere
1) der Darlehensvertrag;
…“
16 Art. 30 Abs. 1 des Verbraucherkreditgesetzes in der für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten maßgeblichen Fassung bestimmt:
„Ein Verbraucherkreditvertrag muss … folgende Angaben enthalten:
…
3) die Vertragslaufzeit;
…
8) die Bedingungen und die Fälligkeitstermine für die Rückzahlung des Kredits …
…“
Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen
17 ZL, KU und KM schlossen Verbraucherkreditverträge mit Provident Polska bzw. einer anderen Gesellschaft, deren Rechtsnachfolgerin Provident Polska ist.
18 Der am 11. September 2019 mit ZL geschlossene Vertrag betrifft ein Darlehen in Höhe von 8 100 PLN (etwa 1 810 Euro) zu einem Jahreszinssatz von 10 %. Nach diesem Vertrag beläuft sich der geschuldete Betrag auf insgesamt 15 531,73 PLN (etwa 3 473 Euro) und ist in 90 wöchentlichen Zahlungen in Höhe von ungefähr 172 PLN (etwa 38 Euro) zu leisten.
19 Der geschuldete Gesamtbetrag umfasst neben dem Darlehensbetrag von 8 100 PLN (etwa 1 810 Euro) Gesamtkosten des Darlehens zulasten der Darlehensnehmerin in Höhe von 7 431,73 PLN (etwa 1 662 Euro). Diese Gesamtkosten setzen sich zusammen zum einen aus Zinsen in Höhe von 1 275,73 PLN (etwa 285 Euro) und zum anderen aus zinsunabhängigen Kosten in Höhe von 6 156 PLN (etwa 1 377 Euro), nämlich einer „Provision für die Vergabe des Darlehens“ in Höhe von 4 050 PLN (etwa 906 Euro), einer „Bereitstellungsgebühr“ in Höhe von 40 PLN (etwa 9 Euro) und einer „Gebühr für den flexiblen Tilgungsplan“ in Höhe von 2 066 PLN (etwa 462 Euro).
20 Dieser „flexible Tilgungsplan“, den die Darlehensnehmerin annehmen musste, besteht aus zwei Teilen. Zum einen wird der Darlehensnehmerin unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt, höchstens vier Raten bis zum Ende des normalen Tilgungszeitraums aufzuschieben, ohne dass die Zinsen erhöht werden. Zum anderen enthält er eine „Garantie der Aufhebung der Tilgungsverpflichtung“, mit der der Darlehensgeber auf jede nach dem Darlehensvertrag noch bestehende Forderung verzichtet, wenn die Darlehensnehmerin während der Laufzeit dieses Vertrags stirbt.
21 Nach Punkt 6.a des betreffenden Darlehensvertrags sind die Beträge, die als die 90 wöchentlichen Raten geschuldet werden, ausschließlich in bar an einen Vertreter des Darlehensgebers bei dessen Besuchen am Wohnsitz der Darlehensnehmerin zu zahlen.
22 Der am 13. Oktober 2020 mit KU geschlossene Vertrag betrifft ein Darlehen in Höhe von 6 240 PLN (etwa 1 395 Euro) zu einem Jahreszinssatz von 7,2 %. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem in bar übergebenen Betrag von 6 000 PLN (etwa 1 342 Euro) und einem Betrag von 240 PLN (etwa 53 Euro), in Bezug auf den es in diesem Vertrag heißt, dass er nach den im Darlehensantrag enthaltenen Weisungen der Darlehensnehmerin auf ein Konto überwiesen worden sei. Nach diesem Vertrag beläuft sich der geschuldete Betrag auf insgesamt 9 450,71 PLN (etwa 2 113 Euro) und ist in 60 wöchentlichen Zahlungen in Höhe von ungefähr 157 PLN (etwa 35 Euro) zu leisten.
23 Der geschuldete Gesamtbetrag umfasst neben dem Darlehensbetrag von 6 240 PLN (etwa 1 395 Euro) die Gesamtkosten des Darlehens zulasten der Darlehensnehmerin in Höhe von 3 210,71 PLN (etwa 718 Euro). Diese Gesamtkosten setzen sich zusammen zum einen aus Zinsen in Höhe von 385,87 PLN (etwa 86 Euro) und zum anderen aus zinsunabhängigen Kosten in Höhe von 2 824,84 PLN (etwa 632 Euro), nämlich einer „Provision für die Vergabe des Darlehens“ in Höhe von 556,96 PLN (etwa 125 Euro), einer „Bereitstellungsgebühr“ in Höhe von 40 PLN (etwa 9 Euro) und einer „Gebühr für den flexiblen Tilgungsplan“ in Höhe von 2 227,88 PLN (etwa 498 Euro).
24 Der Vertrag sieht vor, dass die wöchentlichen Raten am Wohnsitz der Darlehensnehmerin nach den in Rn. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Modalitäten zu zahlen sind.
25 Der am 7. August 2019 mit KM geschlossene Vertrag betrifft ein Darlehen in Höhe von 6 000 PLN (etwa 1 343 Euro) zu einem Jahreszinssatz von 10 %. Nach diesem Vertrag beläuft sich der geschuldete Betrag auf insgesamt 12 318,03 PLN (etwa 2 757 Euro) und ist in 27 monatlichen Zahlungen in Höhe von ungefähr 456 PLN (etwa 102 Euro) zu leisten.
26 Der geschuldete Gesamtbetrag umfasst neben dem Darlehensbetrag von 6 000 PLN (etwa 1 343 Euro) die Gesamtkosten des Darlehens zulasten der Darlehensnehmerin in Höhe von 6 318,03 PLN (etwa 1 414 Euro). Diese Gesamtkosten setzen sich zusammen zum einen aus Zinsen in Höhe von 793,83 PLN (etwa 178 Euro) und zum anderen aus zinsunabhängigen Kosten, nämlich einer „Provision für die Vergabe des Darlehens“ in Höhe von 4 143,15 PLN (etwa 927 Euro) und einer „Bereitstellungsgebühr“ in Höhe von 1 381,05 PLN (etwa 309 Euro).
27 ZL, KU und KM erhoben am 15. April, 17. Mai bzw. 14. September 2021 beim Sąd Rejonowy dla Warszawy-Śródmieścia w Warszawy (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen), dem vorlegenden Gericht, jede für sich Klage in Bezug auf ihre Verträge mit Provident Polska.
28 Nach dem letzten Stand ihrer Schriftsätze beantragen alle Klägerinnen beim vorlegenden Gericht im Wesentlichen die Feststellung, dass die Klauseln ihres jeweiligen Vertrags mit Provident Polska über die zinsunabhängigen Kosten des Kredits wegen ihrer Missbräuchlichkeit – die sich daraus ergebe, dass die entsprechenden Gebühren und Provisionen offensichtlich überhöht und unangemessen seien – ihnen gegenüber unwirksam sind. Die Gebühren und Provisionen seien im Verhältnis zur Höhe des Darlehens unverhältnismäßig und stellten in Wirklichkeit die hauptsächliche Einnahmequelle des Darlehensgebers dar.
29 Der Antrag von KU bezieht sich auch auf den Betrag von 240 PLN (etwa 53 Euro), in Bezug auf den es in dem sie betreffenden Darlehensvertrag heißt, dass er nach den im Darlehensvertrag enthaltenen Weisungen der Darlehensnehmerin auf ein Konto überwiesen worden sei.
30 Provident Polska beantragt, die Klagen von ZL, KU und KM abzuweisen, und erhob gegen jede von ihnen Widerklage auf Zahlung von Beträgen, die einem nicht gezahlten Teil der Gebühren und Provisionen entsprechen, die in dem die jeweilige Klägerin betreffenden Darlehensvertrag vorgesehen sind. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beantragen die Abweisung dieser Widerklage.
31 Das vorlegende Gericht fragt sich erstens, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass Klauseln, die die Höhe der einem Gewerbetreibenden geschuldeten Gebühren oder Provisionen festlegen, allein aus dem Grund für missbräuchlich erklärt werden können, weil sie im Verhältnis zur Leistung des Gewerbetreibenden offensichtlich überhöht sind.
32 Insoweit sei es normal, dass ein Kreditinstitut versuche, seine Betriebskosten und das Risiko eines Zahlungsausfalls zu decken und einen Gewinn zu erzielen. In den Ausgangsrechtssachen überschreite die Vergütung, die der Darlehensgeber in einem relativ kurzen Zeitraum vereinnahme, jedoch offenbar das, was normal sei, da diese Vergütung zig Prozentpunkten des Darlehensbetrags entspreche bzw. diesem Betrag sogar nahekomme.
33 Die Kosten im Zusammenhang mit dem „flexiblen Tilgungsplan“ und der „Provision für die Vergabe des Darlehens“ seien sehr hoch und entsprächen keiner tatsächlichen Dienstleistung, und die tatsächlichen Kosten, die durch die „Bereitstellungsgebühr“ gedeckt würden, seien unerheblich. Diese Kosten bezögen sich ebenso wie die „Provision für die Vergabe des Darlehens“ letztlich allein auf die Gewährung des betreffenden Darlehens.
34 Auf der Grundlage der Prüfung der Gegebenheiten der Ausgangsrechtssachen sowie der etwa zehn anderen Rechtssachen, die Gegenstand neuerer Entscheidungen verschiedener Kammern des Gerichts waren, dem der vorlegende Spruchkörper angehört, neigt dieser zu der Auffassung, dass das Geschäftsmodell der Beklagten des Ausgangsverfahrens in der Gewährung von Darlehen in geringer Höhe für kurze Zeiträume bestehen dürfte, wobei ein Gewinn nicht nur mit den Zinsen, sondern vor allem mit den zinsunabhängigen Kreditkosten, die im Allgemeinen 70 % bis 90 % des Darlehensbetrags ausmachten, erzielt werde.
35 Im Übrigen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass ein erheblicher Teil der von der Beklagten des Ausgangsverfahrens gewährten Darlehen dieselben Personen betreffe. Es sei allgemein bekannt, dass es sich bei den Personen, die kurzfristige Darlehen aufnähmen, im Allgemeinen um Personen handele, die Schwierigkeiten mit der Verwaltung ihrer Finanzen hätten und die sich, da sie kein Darlehen von einer Bank erhalten könnten, an Kreditinstitute wendeten, die Darlehen zu sehr ungünstigen Konditionen gewährten, deren Kosten so hoch seien, dass die Darlehensnehmer oft keine andere Möglichkeit hätten, als ein neues Darlehen aufzunehmen, um das vorherige Darlehen zurückzuzahlen, und damit in eine „Verschuldungsspirale“ mit immer höheren Beträgen gerieten, die den ursprünglichen Darlehensbetrag letztlich weit überstiegen.
36 Zweitens stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 189 und Art. 316 § 1 der Zivilprozessordnung in ihrer Auslegung durch den Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind.
37 Nach diesen Bestimmungen der Zivilprozessordnung kann einer Feststellungsklage nur stattgegeben werden, wenn der Kläger nachweist, dass er ein Rechtsschutzinteresse hat und dass dieses Interesse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fortbesteht. Das vorlegende Gericht führt aus, nach der Rechtsprechung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) bestehe ein solches Interesse, wenn die Klärung einer Rechtslage durch Zweifel objektiv gerechtfertigt und erforderlich sei. Dies sei insbesondere dann ausgeschlossen, wenn ein umfassenderer Schutz eines geltend gemachten Rechts durch eine andere Klage erlangt werden könne, etwa weil ein Verstoß gegen dieses Recht vorliege, der seinerseits einen schutzfähigen Leistungsanspruch begründe.
38 Im Fall eines Schuldners habe dieser ein Interesse an der Feststellung des Umfangs oder sogar des Bestehens seiner Verpflichtung, solange sein Gläubiger nicht die Erfüllung dieser Verpflichtung begehrt habe. Wenn diese Erfüllung begehrt worden sei, müsse sich der Schuldner im Rahmen des dieses Erfüllungsbegehren betreffenden Verfahrens verteidigen. Ebenso verfüge ein Schuldner, wenn er einen Betrag in Erfüllung einer Verpflichtung gezahlt habe, die er für zweifelhaft halte, über eine Klage, die weiter gehe als eine Feststellungsklage, nämlich eine Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge.
39 Die Frage des vorlegenden Gerichts beruht darauf, dass die Feststellungsklage eines Verbrauchers, auch wenn er nachweist, dass ein Vertrag oder Teile davon ihm nicht entgegengehalten werden können oder nichtig sind, abzuweisen ist, wenn er sein Rechtsschutzinteresse nicht nachweist. Außerdem führe das Fehlen einer Legaldefinition dieses Begriffs zu Divergenzen in den insoweit ergehenden Entscheidungen und folglich zu Unsicherheit für die Verbraucher, die sie dazu veranlassen könnte, mit einer Klage auf Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln eines mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags zu zögern, da die Gefahr bestehe, dass diese Klage mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen werde und sie daher die Kosten dafür zu tragen hätten.
40 Drittens und letztens fragt sich das vorlegende Gericht, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz der Rechtssicherheit dem entgegenstehen, dass die von ZL und KU geschlossenen Verträge wegen der Ungültigkeit der Klausel, wonach die wöchentlichen Zahlungen nur in bar an einen Vertreter von Provident Polska bei dessen Besuchen am Wohnsitz der jeweiligen Darlehensnehmerin geleistet werden können, für nichtig erklärt werden. Diese Klausel sei nämlich missbräuchlich, da sie der Darlehensnehmerin keinen Vorteil verschaffe, sondern sie daran hindere, die wöchentlichen Tilgungen mit dem üblichen Mittel von Banküberweisungen vorzunehmen, und erkläre sich nur dadurch, dass sie dem Darlehensgeber die Möglichkeit biete, emotionalen Druck auf die Darlehensnehmerin auszuüben. Folglich binde diese Klausel die Darlehensnehmerin nicht.
41 Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass die Streichung des missbräuchlichen Bestandteils der Klausel, die die Tilgungsmodalitäten des Darlehens festlege, darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern, so dass diese Klausel insgesamt für den Verbraucher unverbindlich sein müsse. Ohne diese Klausel könnten die betreffenden Verträge aber nicht mehr erfüllt werden, da sie keine Bestimmungen über die Tilgungsmodalitäten mehr enthielten und es nicht möglich sei, sie dahin auszulegen, dass sie Tilgungen durch Banküberweisung erlaubten, da die Parteien diese Art der Tilgung hätten ausschließen wollen. Im Übrigen seien die dispositiven Bestimmungen des nationalen Rechts nicht anzuwenden, da die Unmöglichkeit, die betreffenden Verträge zu erfüllen, keine besonders nachteiligen Folgen für die Verbraucher mit sich bringe, da sie nur zur Rückzahlung des Darlehensbetrags verpflichtet seien.
42 In diesem Kontext hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy-Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass er es erlaubt, eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, die dem Gewerbetreibenden eine im Verhältnis zu der von ihm angebotenen Leistung auffällig hohe Gebühr oder Provision gewährt?
2. Sind Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass sie Bestimmungen des nationalen Rechts oder einer gerichtlichen Auslegung dieser nationalen Bestimmungen entgegenstehen, nach denen der Klage eines Verbrauchers gegen einen Gewerbetreibenden auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Vertrags oder eines Teils davon, der missbräuchliche Klauseln enthält, nur stattgegeben werden darf, wenn der Verbraucher ein Rechtsschutzinteresse hat?
3. Sind Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und die Grundsätze der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass sie es erlauben, einen Kreditvertrag als nicht mehr bindend und deswegen als nichtig anzusehen, weil dessen einzige Klausel über die Art und Weise der Rückzahlung des Kredits für missbräuchlich erklärt und deshalb aus dem Vertrag gestrichen wurde?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
43 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass eine Klausel über zinsunabhängige Kosten eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags, nach der der Verbraucher Gebühren oder eine Provision in einer Höhe zu zahlen hat, die offensichtlich außer Verhältnis zu der als Gegenleistung erbrachten Dienstleistung steht, missbräuchlich sein kann.
44 Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
45 Die Prüfung der Frage, ob ein solches erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis vorliegt, kann sich nach ständiger Rechtsprechung nicht auf eine quantitative wirtschaftliche Bewertung beschränken, die auf einem Vergleich zwischen dem Gesamtbetrag des vertragsgegenständlichen Rechtsgeschäfts und den dem Verbraucher durch die betreffende Vertragsklausel auferlegten Kosten beruht. Ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis kann sich nämlich allein aus einer hinreichend schwerwiegenden Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung ergeben, die der Verbraucher als Partei des betreffenden Vertrags nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften innehat, sei es in Gestalt einer inhaltlichen Beschränkung der Rechte, die er nach diesen Vorschriften aus dem Vertrag herleitet, oder einer Beeinträchtigung der Ausübung dieser Rechte oder der Auferlegung einer zusätzlichen, nach den nationalen Vorschriften nicht vorgesehenen Verpflichtung (Urteile vom 3. Oktober 2019, Kiss und CIB Bank, C‑621/17, EU:C:2019:820, Rn. 51, und vom 16. März 2023, Caixabank [Provision für die Bereitstellung des Darlehens], C‑565/21, EU:C:2023:212, Rn. 51).
46 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass das nationale Gericht, wenn es feststellt, dass eine quantitative wirtschaftliche Beurteilung kein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis erkennen lässt, seine Prüfung nicht auf diese Beurteilung beschränken darf. In einem solchen Fall hat es zu prüfen, ob sich ein solches Missverhältnis aus einem anderen Gesichtspunkt wie einer Beschränkung eines sich aus dem nationalen Recht ergebenden Rechts oder einer zusätzlichen, im nationalen Recht nicht vorgesehenen Verpflichtung ergibt.
47 Lässt eine quantitative wirtschaftliche Beurteilung dagegen ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis erkennen, so kann dieses festgestellt werden, ohne dass weitere Gesichtspunkte geprüft zu werden brauchen. Im Fall eines Kreditvertrags kann eine solche Feststellung insbesondere dann getroffen werden, wenn die als Gegenleistung für zinsunabhängige Kosten erbrachten Dienstleistungen vernünftigerweise nicht zu den Leistungen gehören, die im Rahmen des Abschlusses oder der Durchführung des Kreditvertrags erbracht werden, oder wenn die Beträge, die dem Verbraucher als Kosten für die Bereitstellung und die Durchführung des Darlehens auferlegt werden, gegenüber dem Darlehensbetrag eindeutig unverhältnismäßig erscheinen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, insoweit die Wirkung der anderen Vertragsklauseln zu berücksichtigen, um festzustellen, ob die betreffenden Klauseln ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zum Nachteil des Darlehensnehmers verursachen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, Profi Credit Polska, C‑84/19, C‑222/19 und C‑252/19, EU:C:2020:631, Rn. 95).
48 Im vorliegenden Fall äußert das vorlegende Gericht Zweifel an der Verhältnismäßigkeit zwischen dem jeder der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gewährten Kreditbetrag und dem Gesamtbetrag der ihr auferlegten zinsunabhängigen Kosten, denn dieser Betrag stehe offensichtlich außer Verhältnis sowohl zu den Leistungen, die normalerweise mit der Gewährung und Durchführung eines Kredits verbunden seien, als auch zur Höhe der gewährten Kredite. Aus der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass eine solche Feststellung ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 aufzeigt.
49 Allerdings hat das vorlegende Gericht vorab zu prüfen, ob die Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Vertragsklauseln über die zinsunabhängigen Kreditkosten nicht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ausgeschlossen ist.
50 Nach dieser Bestimmung betrifft die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln nämlich – vorbehaltlich von Art. 8 dieser Richtlinie – weder den Hauptgegenstand des Vertrags noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.
51 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Provision für die Vergütung der Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prüfung, Gewährung oder Bearbeitung eines Darlehens oder Kredits oder anderer ähnlicher Dienstleistungen, die mit der Tätigkeit des Darlehensgebers anlässlich der Gewährung des Darlehens oder Kredits verbunden sind, nicht zu den sich aus einem Kreditvertrag ergebenden Hauptpflichten gezählt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2023, Caixabank [Provision für die Bereitstellung des Darlehens], C‑565/21, EU:C:2023:212, Rn. 22 und 23).
52 Die Klauseln, die sich auf die vom Verbraucher dem Darlehensgeber geschuldete Gegenleistung beziehen oder den tatsächlichen Preis beeinflussen, den der Verbraucher dem Darlehensgeber zu zahlen hat, gehören dagegen grundsätzlich zu der zweiten Kategorie von Klauseln im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, was die Frage betrifft, ob die Höhe der Gegenleistung oder des Preises, wie sie vertraglich vereinbart wurde, der vom Darlehensgeber als Gegenleistung erbrachten Dienstleistung angemessen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Kiss und CIB Bank, C‑621/17, EU:C:2019:820, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Die polnische Regierung weist jedoch darauf hin, dass Art. 3851 § 1 des Zivilgesetzbuchs, mit dem Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in polnisches Recht umgesetzt worden sei, die Prüfung des Verhältnisses zwischen Preis und Dienstleistung erlaube, wenn es sich um Klauseln handele, die nicht mit den Hauptleistungen der Parteien in Zusammenhang stünden, und somit einen weiter gehenden Schutz des Verbrauchers vorsehe. Da eine solche nationale Vorschrift der in Art. 4 Abs. 2 aufgestellten Ausnahme tatsächlich strengere Konturen verleiht, indem sie eine umfassendere Kontrolle der etwaigen Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, erlaubt, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist, dient sie dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel des Verbraucherschutzes und fällt unter die den Mitgliedstaaten durch ihren Art. 8 eingeräumte Befugnis, strengere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher gewährleisten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, Profi Credit Polska, C‑84/19, C‑222/19 und C‑252/19, EU:C:2020:631, Rn. 83 bis 85).
54 Wenn im Übrigen vor dem nationalen Gericht geltend gemacht wird, dass eine solche Klausel missbräuchlich sei, weil der Darlehensgeber keine tatsächliche Leistung erbracht habe, die die Gegenleistung für eine mit ihr vorgesehene Provision darstellen könne, dann betrifft die damit aufgeworfene Frage nicht die Angemessenheit zwischen der Höhe dieser Provision und irgendeiner Leistung und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2015, Matei, C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Außerdem hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob der Verbraucher über die Gründe, die die Zahlung dieser Provision rechtfertigen, informiert wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Kiss und CIB Bank, C‑621/17, EU:C:2019:820, Rn. 41).
56 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 jedenfalls unbeschadet der Einhaltung des in dieser Bestimmung aufgestellten Transparenzgebots gilt, das die gleiche Tragweite wie das in Art. 5 dieser Richtlinie genannte Gebot hat und dahin zu verstehen ist, dass damit nicht nur verlangt wird, dass die betreffende Klausel für den Verbraucher grammatikalisch nachvollziehbar ist, sondern auch, dass der Verbraucher in die Lage versetzt werden muss, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Kiss und CIB Bank, C‑621/17, EU:C:2019:820, Rn. 36 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
57 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es, ohne dass der Darlehensgeber verpflichtet wäre, im Vertrag die Art aller Dienstleistungen anzugeben, die als Gegenleistung für die in bestimmten Vertragsklauseln vorgesehenen Gebühren oder Provisionen erbracht werden, zum einen wichtig ist, dass die Art der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen anhand des Vertrags als Ganzen angemessen verstanden oder daraus abgeleitet werden kann, und zum anderen, dass der Verbraucher in der Lage ist, zu überprüfen, dass sich die verschiedenen Gebühren oder ihm in Rechnung gestellten Dienstleistungen nicht überschneiden. Die entsprechende Prüfung ist anhand aller relevanten Tatsachen vorzunehmen, wozu nicht nur die Klauseln des betreffenden Vertrags zählen, sondern auch die Werbung und die Informationen, die der Darlehensgeber im Rahmen der Aushandlung des Vertrags bereitstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Kiss und CIB Bank, C‑621/17, EU:C:2019:820, Rn. 44 und 45).
58 Daraus folgt, dass die betreffenden Klauseln, falls das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass sie nicht klar und verständlich abgefasst sind, auf jeden Fall einer Beurteilung ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit zu unterziehen sind, selbst wenn dieses Gericht im Übrigen der Auffassung sein sollte, dass diese Klauseln Teil des Hauptgegenstands des Vertrags sind oder dass sie tatsächlich im Hinblick auf die Angemessenheit des Preises oder des Entgelts im Verhältnis zu den als Gegenleistung erbrachten Dienstleistungen beanstandet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2015, Matei, C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass, sofern die Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Klausel über zinsunabhängige Kosten eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags nicht nach Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 dieser Richtlinie ausgeschlossen ist, die Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel unter Berücksichtigung des Umstands festgestellt werden kann, dass diese Klausel die Zahlung von Gebühren oder einer Provision durch den Verbraucher in einer Höhe vorsieht, die offensichtlich außer Verhältnis zu der als Gegenleistung erbrachten Dienstleistung steht.
Zur zweiten Frage
60 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung entgegensteht, nach der der Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Unwirksamkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag nur bei Nachweis eines Rechtsschutzinteresses stattgegeben werden kann, wenn davon ausgegangen wird, dass ein solches Interesse nicht besteht, wenn dem Verbraucher eine andere Klage zur Verfügung steht, die seine Rechte besser schützt, insbesondere eine Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, oder wenn er diese Unwirksamkeit im Rahmen seiner Verteidigung gegen eine von dem Gewerbetreibenden auf der Grundlage dieser Klausel gegen ihn erhobenen Widerklage auf Erfüllung geltend machen kann.
61 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Modalitäten der Umsetzung des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbraucherschutzes, da es in diesem Bereich keine spezifischen Vorschriften des Unionsrechts gibt, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen sind. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom 13. Juli 2023, CAJASUR Banco, C‑35/22, EU:C:2023:569, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
62 Vorbehaltlich der Beachtung dieser beiden Grundsätze fallen daher die Frage des Rechtsschutzinteresses eines Verbrauchers im Rahmen einer Klage auf Feststellung der Nichtanwendbarkeit missbräuchlicher Klauseln und die Frage, wem die Kosten einer solchen Klage aufzuerlegen sind, unter die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.
63 Speziell in Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz, der als einziger dieser Grundsätze in der vorliegenden Frage angeführt wird, ist darauf hinzuweisen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs sowie der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 13. Juli 2023, CAJASUR Banco, C‑35/22, EU:C:2023:569, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 93/13, wie sich aus Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit dem 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses am Schutz der Verbraucher, die sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befinden, die Mitgliedstaaten verpflichtet, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird (Urteil vom 13. Juli 2023, CAJASUR Banco, C‑35/22, EU:C:2023:569, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Somit gibt die Richtlinie 93/13 einem Verbraucher das Recht, sich an ein Gericht zu wenden, um die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Vertrags, den ein Gewerbetreibender mit ihm geschlossen hat, feststellen und sie für unanwendbar erklären zu lassen (Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Außerdem impliziert die Pflicht der Mitgliedstaaten, Verfahrensmodalitäten vorzusehen, mit denen sichergestellt werden kann, dass die Rechte gewahrt werden, die dem Einzelnen aus der Richtlinie 93/13 gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln erwachsen, das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, das auch in Art. 47 der Charta verankert ist. Dieser Schutz muss insbesondere für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für auf das Unionsrecht gestützte Klagen gelten. Gleichwohl ist der Schutz des Verbrauchers nicht absolut. Dass ein bestimmtes Verfahren gewisse prozessuale Anforderungen mit sich bringt, die der Verbraucher erfüllen muss, um seine Rechte geltend zu machen, bedeutet daher nicht, dass er keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz genießt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber, C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
67 Hierzu ist festzustellen, dass das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses die wesentliche Grundvoraussetzung für jede Klage darstellt (Urteil vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission, C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 83). Das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses dient, indem damit u. a. verhindert wird, dass die Gerichte mit Klagen belastet werden, mit denen tatsächlich eine Rechtsberatung begehrt wird, dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel einer geordneten Rechtspflege und kann Einzelinteressen vorgehen (vgl. entsprechend Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber, C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Folglich ist ein solches Erfordernis, wie der Generalanwalt in den Nrn. 30 bis 32 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, grundsätzlich als legitim anzusehen.
69 Nur wenn Verfahrensregeln so komplex wären und so belastende Anforderungen beinhalteten, dass sie über das hinausgingen, was zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist, würden sie den Anspruch des Verbrauchers auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz unverhältnismäßig beschneiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber, C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 52) und demzufolge gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoßen, da sie die Ausübung der den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte übermäßig erschweren würden.
70 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen, dass die Verbraucher, die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die in den betreffenden Klauseln festgelegten Verpflichtungen bereits teilweise erfüllt hatten, als sie Klagen auf Feststellung ihrer Missbräuchlichkeit erhoben. In diesem Zusammenhang scheint das vorlegende Gericht darauf hinzuweisen, dass die bei ihm erhobenen Feststellungsklagen in Anbetracht der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts, wie sie in der nationalen Rechtsprechung ausgelegt würden, aus zwei Gründen wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgewiesen werden und die Verbraucher zur Tragung der Kosten dieser Klagen verurteilt werden müssten.
71 Erstens ergebe sich, wenn eine Person eine vertragliche Verpflichtung bereits – im vorliegenden Fall teilweise – erfüllt habe, das Fehlen des Rechtsschutzinteresses an der Feststellung des Nichtbestehens dieser Verpflichtung daraus, dass dieser Person eine Klage zur Verfügung stehe, von der angenommen werde, dass sie ihre Rechte besser schütze, nämlich eine Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, in deren Rahmen sie die Verurteilung ihres Vertragspartners zur Rückzahlung der in Erfüllung der streitigen Verpflichtung gezahlten Beträge erwirken könne.
72 Zweitens verliere eine Person, wenn sie das Bestehen einer Verpflichtung bestreite, die sie, sei es auch nur teilweise, noch nicht erfüllt habe, ihr Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung, wenn ihr Vertragspartner eine Klage auf Erfüllung dieser Verpflichtung – im vorliegenden Fall eine Widerklage – erhebe, weil sie im Rahmen ihrer Verteidigung gegen die Klage dieses Vertragspartners das Nichtbestehen der betreffenden Verpflichtung geltend machen könne.
73 Die polnische Regierung bestreitet jedoch, dass die Rechtsprechung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) zur Anwendung von Art. 189 und Art. 316 § 1 der Zivilprozessordnung die vom vorlegenden Gericht beschriebenen Auswirkungen habe. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nicht befugt ist, darüber zu entscheiden, wie nationale Vorschriften auszulegen sind oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist; diese Auslegung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2020, Sociálna poisťovňa, C‑799/19, EU:C:2020:960, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Somit beruhen die folgenden Erwägungen auf den Angaben des vorlegenden Gerichts.
74 In der ersten, in Rn. 71 des vorliegenden Urteils angeführten Situation würden, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in Verfahren, mit denen den Verbrauchern der mit der Richtlinie 93/13 bezweckte Schutz gewährt werden soll, unnötige Schwierigkeiten, Belastungen, Kosten und rechtliche Unsicherheiten hervorgerufen, die geeignet wären, sie unter Missachtung des Effektivitätsgrundsatzes davon abzuhalten, ihre Rechte aus der Richtlinie 93/13 geltend zu machen, wenn die Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln wegen Fehlen eines entsprechenden – aber nicht jeden – Rechtsschutzinteresses abgewiesen würde, ihm die Kosten auferlegt würden und er auf eine geeignetere Klage verwiesen würde.
75 Außerdem würde, wie der Generalanwalt in derselben Nummer seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, in einem Kontext wie dem der Ausgangsrechtssachen die Abweisung der Feststellungsklage des Verbrauchers und seine Verpflichtung, eine Klage zu erheben, die seine Rechte besser schützt, während das vorlegende Gericht die rechtliche Problematik, auf die sich diese Feststellungsklage bezieht, auf jeden Fall im Rahmen der vom Gewerbetreibenden erhobenen Widerklage zu prüfen haben wird, dem Allgemeininteresse an einer geordneten Rechtspflege, insbesondere dem Erfordernis der Verfahrensökonomie, zuwiderlaufen.
76 Sofern schließlich davon auszugehen ist, dass sich die zweite Frage auch auf die zweite, in Rn. 72 des vorliegenden Urteils angeführte Situation bezieht, in der der Verbraucher, nachdem er eine Klage auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erhoben hat, sein Rechtsschutzinteresse während des Verfahrens verlieren würde, weil der Gewerbetreibende eine Widerklage auf Erfüllung der in dieser Klausel festgelegten Verpflichtungen erhebt, würde die Abweisung der Klage des Verbrauchers und seine Verurteilung zur Tragung der Kosten unabhängig von der etwaigen Feststellung der Missbräuchlichkeit der betreffenden missbräuchlichen Klausel darauf hinauslaufen, ihm ein finanzielles Risiko aufzubürden, das umso ungerechtfertigter wäre, als der Eintritt dieses Risikos ausschließlich von einer Verfahrensinitiative des Gewerbetreibenden abhinge. Würde man die Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Verfahrens über die Klage des Verbrauchers von einer solchen Initiative des Gewerbetreibenden abhängig machen, könnte der Verbraucher aber unter Missachtung des Effektivitätsgrundsatzes davon abgehalten werden, sich an ein Gericht zu wenden, um die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel feststellen und sie für nicht anwendbar erklären zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).
77 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung entgegensteht, nach der der Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Unwirksamkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag nur bei Nachweis eines Rechtsschutzinteresses stattgegeben werden kann, wenn davon ausgegangen wird, dass ein solches Interesse nicht besteht, wenn der Verbraucher eine Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge erheben oder diese Unwirksamkeit im Rahmen seiner Verteidigung gegen eine von dem Gewerbetreibenden auf der Grundlage dieser Klausel gegen ihn erhobenen Widerklage auf Erfüllung geltend machen kann.
Zur dritten Frage
78 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht der Grundsätze der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit dahin auszulegen ist, dass er der Nichtigerklärung eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags entgegensteht, wenn festgestellt wird, dass nur die Klausel dieses Vertrags, in der die konkreten Modalitäten der Zahlung der zu den wiederkehrenden Fälligkeitsterminen geschuldeten Beträge festgelegt werden, missbräuchlich ist und der Vertrag ohne diese Klausel nicht fortbestehen kann.
79 Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die einzige Klausel, die sämtliche Modalitäten und die Fälligkeitstermine für die Tilgung der betreffenden Darlehen festlege, eine Bestimmung enthalte, wonach der Verbraucher die wöchentlichen Zahlungen nur in bar an einen Vertreter von Provident Polska bei Besuchen dieses Vertreters am Wohnsitz des Verbrauchers leisten könne. Eine solche Klausel sei im Wesentlichen deshalb missbräuchlich, weil sie keinem anderen Ziel diene als dem, den Darlehensgeber in die Lage zu versetzen, unzulässigen Druck auf den Darlehensnehmer auszuüben. Folglich sei diese Bestimmung und demnach die gesamte Klausel, zu der sie gehöre, für ungültig zu erklären, da ein auf die Streichung dieser Bestimmung beschränkter Eingriff darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern. Da es keine anderen Klauseln gebe, die es erlaubten, die Modalitäten der Tilgung der Darlehen zu bestimmen, sei es unmöglich, die betreffenden Verträge zu erfüllen.
80 Hinsichtlich der Konsequenzen, die aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden zu ziehen sind, bestimmt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, dass die Mitgliedstaaten vorsehen, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften festlegen und dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.
81 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zielt diese Bestimmung, insbesondere der zweite Halbsatz, nicht darauf ab, die Nichtigkeit sämtlicher Verträge, die missbräuchliche Klauseln enthalten, herbeizuführen, sondern darauf, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen, wobei der betreffende Vertrag – abgesehen von der Änderung, die sich aus dem Wegfall der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert bestehen bleiben muss. Sofern die genannte Bedingung erfüllt ist, kann der betreffende Vertrag nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestehen bleiben, soweit ein solcher Fortbestand des Vertrags ohne die missbräuchlichen Klauseln nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist, was anhand eines objektiven Ansatzes zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82 Dieser objektive Ansatz bedeutet insbesondere, dass die Lage einer der Vertragsparteien nicht als das maßgebende Kriterium angesehen werden kann, das über das weitere Schicksal eines Vertrags, der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, entscheidet, so dass sich das nationale Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein solcher Vertrag ohne diese Klauseln fortbestehen kann, nicht ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher stützen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 56 und 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
83 Art. 6 Abs. 1 zweiter Halbsatz der Richtlinie 93/13 nennt somit nicht selbst die Kriterien für das mögliche Fortbestehen eines Vertrags ohne die missbräuchlichen Klauseln, sondern überlässt es den Mitgliedstaaten, in ihren nationalen Rechtsordnungen die Modalitäten festzulegen, in deren Rahmen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten. Eine solche Feststellung muss es jedenfalls ermöglichen, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne diese missbräuchliche Klausel befunden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 66).
84 Demnach wird ein nationales Gericht, wenn es der Ansicht ist, dass nach den einschlägigen Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts ein Vertrag ohne die darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln nicht aufrechterhalten werden kann, durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich nicht daran gehindert, ihn für unwirksam zu erklären (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 43).
85 Allerdings muss das Ziel der Wiederherstellung der Sach- und Rechtslage, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfolgt werden, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist und verlangt, dass die nationale Regelung, mit der dieses Recht umgesetzt wird, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. [Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags], C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
86 Folglich kann das nationale Gericht – außer wenn die anhand eines objektiven Ansatzes vorzunehmende Bestimmung der Folgen, die nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel in Bezug auf den Fortbestand des Vertrags, zu dem sie gehört, zu ziehen sind, ihm keinen Beurteilungs- oder Auslegungsspielraum lässt – nicht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Vertrag für unwirksam zu erklären ist, wenn sich die Sach- und Rechtslage, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte, auch bei einem Fortbestand des Vertrags wiederherstellen lässt.
87 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht eine missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts oder eine im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift ersetzen kann, sofern diese Ersetzung mit dem Ziel von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Einklang steht und es ermöglicht, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien wiederherzustellen. Allerdings ist diese ausnahmsweise bestehende Möglichkeit auf Fälle beschränkt, in denen das Gericht aufgrund der Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel den Vertrag insgesamt für nichtig erklären müsste und dies für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass er bestraft würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Januar 2015, Unicaja Banco und Caixabank, C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Januar 2023, D. V. [Rechtsanwaltsvergütung – Abrechnung nach dem Zeitaufwand], C‑395/21, EU:C:2023:14, Rn. 60).
88 Im vorliegenden Fall ist das vom vorlegenden Gericht verneint worden, da die Ungültigerklärung der betreffenden Verträge für die Verbraucher, die sie geschlossen haben, nicht nachteilig wäre.
89 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 der teilweisen Aufrechterhaltung einer für missbräuchlich befundenen Klausel durch Streichung der sie missbräuchlich machenden Bestandteile entgegenstehen, wenn diese Streichung darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
90 Das ist indessen dann nicht der Fall, wenn der missbräuchliche Bestandteil einer Klausel in einer von den übrigen Bestimmungen getrennten vertraglichen Verpflichtung besteht, die Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 71), da die Bestimmung, die eine solche Verpflichtung vorsieht, als von den anderen Bestimmungen der betreffenden Klausel abtrennbar angesehen werden kann.
91 Die Richtlinie 93/13 verlangt nämlich nicht, dass das nationale Gericht über die für missbräuchlich erklärte Klausel hinaus diejenigen Klauseln unangewendet lässt, die nicht als missbräuchlich eingestuft wurden. Denn das vom Gesetzgeber mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel besteht darin, den Verbraucher zu schützen und Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen, indem für missbräuchlich erachtete Klauseln unangewendet gelassen werden und dabei grundsätzlich die Wirksamkeit der übrigen Klauseln des in Rede stehenden Vertrags aufrechterhalten wird (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt auch für die verschiedenen Bestimmungen ein und derselben Klausel, sofern die Streichung einer missbräuchlichen Bestimmung den wesentlichen Inhalt dieser Klausel nicht beeinträchtigt.
92 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die einzige Klausel, die sämtliche Bedingungen für die Tilgung der betreffenden Darlehen, wie die zu zahlenden Beträge und die verschiedenen Raten, festlegt, auch eine Bestimmung über die konkreten Modalitäten enthält, nach denen die betreffenden Zahlungen zu leisten sind, nämlich am Wohnsitz der jeweiligen Darlehensnehmerin und an einen Vertreter des Darlehensgebers.
93 Vorbehaltlich der Beurteilung, die das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der betreffenden Verträge und der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts vorzunehmen hat, stellt eine Bestimmung, die solche konkreten Modalitäten der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers festlegt, eine von den anderen Bestimmungen einer einzigen Klausel wie der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils beschriebenen getrennte vertragliche Verpflichtung dar, die gegenüber den Bestandteilen des Vertrags, die den wesentlichen Inhalt dieser Klausel festlegen, wie denen über die Bestimmung der zu zahlenden Beträge und der Fälligkeitstermine für diese Zahlungen, akzessorischen Charakter hat. Im Übrigen ist die Streichung dieser Bestimmung offensichtlich nicht geeignet, den wesentlichen Inhalt der betreffenden Klausel zu beeinträchtigen, da der Verbraucher verpflichtet bleibt, seiner Tilgungspflicht gemäß den anderen in dieser Klausel vorgesehenen Bedingungen nachzukommen, indem er jede beliebige Zahlungsweise unter den nach nationalem Recht zulässigen wählt.
94 Schließlich ist zum einen zu ergänzen, dass die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel oder gegebenenfalls eines Bestandteils einer Klausel eines von der Richtlinie 93/13 erfassten Vertrags grundsätzlich dazu führen muss, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel oder diesen Bestandteil befunden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. [Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags], C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes hängt somit grundsätzlich vom Erlass von Maßnahmen ab, mit denen diese Lage wiederhergestellt werden kann.
95 Zum anderen können Maßnahmen, die die konkrete Umsetzung des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbots missbräuchlicher Klauseln darstellen, nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. [Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags], C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 72). Denn dieser Grundsatz darf, vorbehaltlich insbesondere der Anwendung bestimmter innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, u. a. solcher, aufgrund deren eine gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlangt, das Recht, an eine als missbräuchlich geltende Klausel nicht gebunden zu sein, das den Verbrauchern nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zuerkannt wird, nicht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 67, 68 und 71).
96 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht der Grundsätze der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit dahin auszulegen ist, dass er der Nichtigerklärung eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags nicht entgegensteht, wenn festgestellt wird, dass nur die Klausel dieses Vertrags, in der die konkreten Modalitäten der Zahlung der zu den wiederkehrenden Fälligkeitsterminen geschuldeten Beträge festgelegt werden, missbräuchlich ist und der Vertrag ohne diese Klausel nicht fortbestehen kann. Enthält eine Klausel jedoch eine Bestimmung, die sich von den anderen Bestimmungen dieser Klausel abtrennen lässt und Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann, deren Streichung es ermöglichen würde, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Parteien wiederherzustellen, ohne den wesentlichen Inhalt des betreffenden Vertrags zu beeinträchtigen, dann impliziert diese Vorschrift im Licht dieser Grundsätze nicht, dass diese Klausel oder sogar dieser Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären wären.