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Wirtschaftsrecht
17.01.2008
Wirtschaftsrecht
OLG München: Verbindung des Gesellschafters mit einem Wettbewerber schließt Anspruch auf Einsicht und Auskunft nicht aus

OLG München, Beschluss vom 11.12.2007 - 31 Wx 48/07

Leitsätze:

1. Auch einem Gesellschafter, der sich einem Konkurrenzunternehmen angeschlossen hat, kann die Einsicht in die Jahresabschlüsse der Gesellschaft nicht verweigert werden.

2. Bezieht sich die verlangte Auskunft auf wettbewerbsrelevante Informationen, kann die Entgegennahme der Informationen durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten, für beide Seiten vertrauenswürdigen Treuhänder in Betracht zu ziehen sein.

GmbHG §§ 51a, 51b

sachverhalt:

I. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 300.000 €. Unternehmensgegenstand ist der Erwerb bzw. der Aufbau einer Marke, unter der „selbständig operierende Autovermietunternehmen zu einem nationalen Netzwerk von Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept zusammengeführt" werden sollen. Der Antragsteller macht als Gesellschafter mit Geschäftsanteilen von insgesamt 95.200 € Informationsansprüche gegen die Gesellschaft geltend. Bis 2003 war er auch Geschäftsführer der Gesellschaft. Wie die übrigen Gesellschafter betreibt der Antragsteller ein Autovermietungsunternehmen, das mit der Antragsgegnerin einen „Lizenz-Partnervertrag" abgeschlossen hatte. Diesen Vertrag kündigte er zum 31.12.2005 und schloss für die Folgezeit einen Lizenzvertrag mit einem Wettbewerber der Antragsgegnerin ab.

Der Antragsteller kündigte seine Beteiligung an der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.4.2006 ordentlich zum 31.12.2006 und mit Schreiben vom 14.7.2006 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Mit Gesellschafterbeschluss vom 16.3.2007 wurde der Geschäftsanteil des Antragstellers eingezogen. Die Einziehungsvergütung wurde noch nicht festgesetzt.

Vor der Gesellschafterversammlung vom 6.7.2006 bat der Antragsteller um Überlassung von aussagefähigen betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Übersichten für 2005 und 2006, um die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft beurteilen zu können. Der Geschäftsführer lehnte dies unter Hinweis auf einen vorliegenden Gesellschafterbeschluss ab. Die Gesellschafterversammlung vom 6.7.2006 beschloss erneut, dem Antragsteller Auskunft und Einsicht zu verweigern. Der Antragsteller hat daraufhin gerichtliche Entscheidung beantragt, insbesondere bezüglich der Einsicht in den Jahresabschluss vom 31.12.2005, die Buchhaltungsunterlagen vom 1.1.2006 bis 31.12.2006 und den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit sämtlichen Nachträgen und Zusatzvereinbarungen, sowie der Auskunft über die Ermittlung der Wertansätze wichtiger Bilanzpositionen und der Finanzierung von Fahrzeugen für vier Leasingnehmer durch die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass die begehrten Informationen an die Konkurrenz gelangen könnten, und beantragt, den Antrag abzuweisen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.5.2007 den Anträgen stattgegeben mit der Maßgabe, dass die Auskunft über die Fahrzeugfinanzierung einem zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen zu erteilen sei.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin die vom Landgericht zugelassene sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat das Rechtsmittel auf die Kosten beschränkt, nachdem sie dem Antragsteller die Jahresabschlüsse 2005 und 2006 (letzteren anstelle der Buchhaltungsunterlagen) sowie den Geschäftsführervertrag ausgehändigt und die Auskünfte erteilt hat.

aus den gründen:

II. 1. Die Antragsgegnerin hat nach Erledigung der Hauptsache in zulässiger Weise ihr Rechtsmittel auf die Kosten beschränkt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind damit die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beider Instanzen (vgl. Keidel/ Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13 a Rn. 47).

2. Es erscheint angemessen, dass die Antragsgegnerin die Gerichtskosten beider Instanzen trägt (51 b Satz 1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 5 Satz 7 AktG) und dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten erstattet (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG). Sie hat dem Antragsteller außergerichtlich zu Unrecht pauschal alle von ihm verlangten Informationen verweigert, ist in erster Instanz weitgehend unterlegen und hätte auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg gehabt. Denn sie war verpflichtet, dem Antragsteller in dem vom Landgericht festgelegten Umfang Auskunft und Einsicht zu gewähren.

a) Der Antragsteller hatte als Gesellschafter der Antragsgegnerin nach § 51 a GmbHG Anspruch auf Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und Einsicht in ihre Bücher und Schriften.

(1) Dieser Anspruch ist durch seine Kündigung und den Gesellschafterbeschluss vom 16.3.2007 über die Einziehung seines Geschäftsanteils nicht entfallen. Nach herrschender Meinung führt der Einziehungsbeschluss nicht unmittelbar zum Ausscheiden aus der Gesellschaft, sondern steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Entschädigung für das Ausscheiden aus dem nicht gebundenen Gesellschaftsvermögen geleistet werden kann; die Mitgliedschaftsrechte bleiben danach bis zur vollständigen Zahlung der Abfindung unberührt (vgl. KG GmbHR 1999, 1202/1204; OLG Zweibrücken GmbHR 1997, 939/942; OLG Frankfurt a.M. GmbHR 1997, 171/172; Michalski/Sosnitza GmbHG § 34 Rn. 113; Scholz/ Westermann GmbHG 10. Aufl. § 34 Rn. 56; offen gelassen in BGH NJW-RR 2003, 1265 und BGHZ 139, 299/301). Bis zum Eintritt der Bedingung bleibt auch der Auskunftsanspruch nach § 51 a GmbHG erhalten (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 18. Aufl. § 51a Rn. 7). Ob im Fall der Einziehung wegen grob gesellschaftswidrigen Verhaltens diese sofort wirksam wird, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu KG ZIP 2006, 1098; BayObLG GmbHR 1993, 741; OLG Hamm GmbHR 1993, 743/746; OLG Frankfurt GmbHR 1995, 901; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 626; Ulmer GmbHG § 34 Rn. 63 ff.; Roth/Altmeppen GmbHG 5. Aufl. § 34 Rn. 22 ff.; Goette FS Lutter S. 399/410).

(2) Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft, der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers und die Übernahme der Fahrzeug­finanzierung für einzelne Leasingnehmer unterliegen dem Informationsrecht der Gesellschafter. Schriften der Gesellschaft i. S. von § 51 a GmbHG sind alle Arten von Aufzeichnungen und Urkunden- bzw. Datensammlungen, die die GmbH führt oder für sich führen lässt. Angelegenheiten der Gesellschaft sind alle Angelegenheiten der Geschäftsführung, insbesondere die rechtsgeschäftliche Betätigung der GmbH, und alle Angelegenheiten, die zum Gegenstand einer Gesellschafterversammlung gemacht werden können (vgl. Roth/Altmeppen § 51 a Rn. 5, 9; Baumbach/Hueck/Zöllner § 51 a Rn. 11, 21). Die weite Fassung der Vorschrift ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jeden Gesellschafter in den Stand zu setzen, seine Mitgliedschaftsrechte in der Gesellschafterversammlung verantwortungsbewusst und sachgerecht auszuüben und zugleich seine Individual­interessen zu wahren (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 487). Das Informationsrecht ist, vom Sonderfall des § 51 a Abs. 2 GmbHG abgesehen, prinzipiell unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung (vgl. BGHZ 152, 339; 135, 48/54). Die Gesellschaft kann deshalb die Einsicht in den Jahresabschluss nicht mit der Begründung ablehnen, sie habe ihn pflichtgemäß (§ 325 Abs. 1 HGB) beim Handelsregister eingereicht. Ebenso wenig kann sie dem Antragsteller entgegenhalten, dass er an der Abfassung des vor mehreren Jahren abgeschlossenen Anstellungsvertrages des Geschäftsführers beteiligt war.

b) Das vom Antragsteller geltend gemachte Informationsrecht war nicht nach § 51 a Abs. 2 Satz 1 GmbHG ausgeschlossen. Danach darf die Einsicht verweigert werden, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter die Information zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen werde. Ob ein nicht unerheblicher Nachteil zu besorgen ist, lässt sich nur im Hinblick auf die gewünschte Information beurteilen (BayObLG NJW-RR 2000, 487).

(1) Die Verbindung eines Gesellschafters mit einem Wettbewerber begründet zwar die Besorgnis einer Gefährdung der Interessen der Gesellschaft (vgl. Roth/Alt­meppen § 51 a Rn. 29). Die pauschale Verweigerung jeglicher Information durch die Gesellschaft ist jedoch regelmäßig auch gegenüber einem Konkurrentgesellschafter nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob die verlangten Informationen wettbewerbsrelevant sind. Falls das der Fall ist, kann unter Umständen die Entgegennahme der Informationen durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten, für beide Seiten vertrauenswürdigen Treuhänder die Gefahr nachteiliger Verwendung beseitigen (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 415/416; Roth/Altmeppen § 51 a Rn. 32;  Ivens GmbHR 1989, 273/276f.). Ob der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Entscheidung über sein Informationsbegehren nach § 51 a Abs. 2 Satz 2 GmbHG auf diese Möglichkeit hinzuweisen ist (so Roth/Alt­meppen § 51 a Rn. 32), kann hier dahinstehen. Er kann jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nach § 51 b GmbHG sein Informationsbegehren entsprechend beschränken.

(2) Was die Jahresabschlüsse angeht, kam eine Verweigerung der Information nicht in Betracht, denn diese lassen sich keinem „geheimschutzbedürftigen Bereich" zuordnen. Vielmehr ist eine wesentliche Funktion des Jahresabschlusses gerade die Befriedigung externer und interner Informationsinteressen (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 487 m.w.N.). Desgleichen ist für den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einschließlich der Nachträge ein Geheimhaltungsbedürfnis nicht ersichtlich.

(3) Hinsichtlich der Fragen zur Finanzierung von Fahrzeugen für einzelne Leasingnehmer hat das Landgericht nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung die Erteilung der Auskunft an einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten, von beiden Parteien ausgewählten Sachverständigen angeordnet, der nur die von ihm aufgrund der Informationen vorgenommene Wertung - ob und in welchem Umfang aus diesen Geschäften Risiken für die Gesellschaft erwachsen - an den Antragsteller weitergeben darf. Damit war jedenfalls einem etwaigen Schutzbedürfnis der Antragsgegnerin Rechnung getragen, so dass dahinstehen kann, ob diese Informationen geeignet wären, einem Wettbewerber einen Vorteil zu verschaffen.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 51 b Satz 1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 5 Satz 6 AktG. Der Senat hält eine Erhöhung des Regelwertes von 5.000 € für angemessen, da mehrere Anträge gestellt worden sind. Die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts wird entsprechend abgeändert (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Rojahn                                                    Klotz                                                Förth

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