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Wirtschaftsrecht
14.03.2012
Wirtschaftsrecht
LG Mannheim: Urteil vom 2.7.2009 - Az. 23 O 05/2009

LG Mannheim, Urteil vom 2.7.2009 - 23 O 05/2009


sachverhalt




Die Klägerin wendet sich als Aktionärin gegen einen Kapitalerhöhungsbeschluss der Beklagten.



Bei der Beklagten handelt es sich um eine Gesellschaft, die in den Erwerb von Anteilen an Öl- und Gasquellen investiert. Ihre Aktien werden als Inhaberaktien an der Börse gehandelt.



Die Klägerin verfügt über drei von derzeit 384.000 Stück Aktien.



Bei der Hauptversammlung der Beklagten vom 7.11.2008 wurde unter TOP 4 folgender Beschluss gefasst:



                               „a.           Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 981.680,41 € wird gegen                         Bareinlagen um bis zu 245.420.064 € auf bis zu 1.227.100,747 € durch


                               Ausgabe von bis zu 96.000 neuen auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von 2,556459 € je Aktie erhöht.  Der Ausgabepreis beträgt mindestens 2,56 € und maximal 4,00 € je Aktie. Die neuen Aktien werden den Aktionären im Wege des mittelbaren Bezugsrechtes angeboten. Die BXX-  UXXX - verpflichtet sich, die neuen Aktien den Aktionären im Verhältnis 4:1 Bezug anzubieten; d. h. vier alte Aktien berechtigen zum Bezug einer neuen Aktie. Die neuen Aktien sind erstmals für das Geschäftsjahr gewinnberechtigt, in dem die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wird. Der Vorstand ist ermächtigt, mit der Zustimmung des Aufsichtsrates die weiteren Einzelheiten der Kapitalerhöhung festzulegen.



                b.            Der Aufsichtsrat wird ermächtigt, die Fassung des § 2 Abs. 1 der Satzung (Grundkapital und Aktien) entsprechend der Durchführung der Kapitalerhöhung anzupassen."




Der Beschluss wurde mit einer Mehrheit von 99,701 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals gefasst. Die Klägerin erklärte Widerspruch zu Protokoll.



Die Klägerin ist der Auffassung,


der Beschluss sei nichtig, zumindest aber anfechtbar, weil bei der Festsetzung eines Mindest- und Höchstbetrages für die Kapitalerhöhung die Angabe eines Zeitraums, in dem die Zeichnungen vorgenommen werden können, von der Hauptversammlung festgelegt werden müsse, um nicht unzulässigerweise die Grenze zu dem Institut der genehmigten Kapitalerhöhung zu verwischen.



Die Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Satzungsanpassung unter TOP 4 b verstoße gegen § 179 AktG, da die Satzungsänderung ein Recht der Hauptversammlung darstelle.




Die Klägerin beantragt wie Ziffer 1 des Tenors.


Darüber hinaus stellt sie Hilfsanträge.




Die Beklagte beantragt Klagabweisung.




Die Beklagte ist der Auffassung,


dass die mangelnde Angabe einer Durchführungsfrist bedeute, dass die Kapitalmaßnahme dann unverzüglich durchzuführen sei. Damit sei gewährleistet, dass die Grenze zum genehmigten Kapital klargestellt sei.



Hinsichtlich der Anfechtungsklage sei die Zustellung der Klage verspätet, da wegen der verzögerten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses keine Zustellung „demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei. Die Klägerin handelte auch rechtsmissbräuchlich. Sie sei in zahlreichen aktienrechtlichen Rechtsstreiten verwickelt und verfolge nur das Ziel, eine möglichst hohe Kostenerstattung bei den einzelnen Verfahren zu erlangen.



Den Beitritt der Streithelfer hält die Beklagte aus verschiedenen Gründen für unzulässig.



Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.





Die Streithelfer sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.


aus den gründen




Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 246 AktG zulässig. Die Aktionärseigenschaft der Klägerin ist nachgewiesen und im Übrigen auch nicht bestritten. Widerspruch gegen den angegriffenen Beschluss wurde zu Protokoll eingelegt. Die Klage ging am Montag, den 19.1.2009 ein. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Zustellung auch demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.


Die Vorschussanforderung durch das Gericht ging am 22.1.2009 ab, beim Kläger ging sie nach dessen nicht zu widerlegender Einlassung am 26.1.2009 ein. Die Einzahlung erfolgte ausweislich der Mitteilung der Landesoberkasse am 3.2.2009, die Zustellung sodann am 17.2.2009. Da somit die Anzahlung noch innerhalb der üblichen 2-Wochenfrist erfolgt ist, liegt kein verzögerndes Verhalten seitens der Klägerin vor, so dass nach § 167 ZPO die Klagefrist des § 246 Abs.1 AktG bereits mit Klageeingang bei Gericht gewahrt ist.



Der Beitritt der Streithelfer ist vom Gericht nur zu prüfen, wenn ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention gem. § 72 ZPO gestellt ist. Dieser Antrag ist als Sachantrag in der Form des § 297 ZPO zu stellen ( Musielak, 6. Aufl., § 71 Rnr. 2). Im vorliegenden Fall wurde im Termin lediglich Klagabweisung beantragt. Ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention wurde weder ausdrücklich noch durch Bezugnahme auf schriftsätzliches Vorbringen gestellt, wobei offen bleiben kann ob der Schriftsatz vom 30.4.2009 für die Eignung zur Bezugnahme nicht auch einen ausdrücklichen förmlichen Antrag hätte formulieren müssen (vgl. Musielak, § 297 Rnr. 3.; BAG NJW 2003, 1548, 1549).



Die Klage ist auch begründet.



Bei einer Kapitalerhöhung nach § 182 AktG ist nach einhelliger Auffassung aus praktischen Gründen zulässig, dass nicht der genaue Kapitalerhöhungsbetrag von der Hauptversammlung festgesetzt wird, sondern ein Mindest- und/oder Höchstbetrag (Hüffer, 8. Aufl., § 182 Rnr.12 m.w.N.). Eine Frist zur Durchführung der Kapitalerhöhung muss von der Hauptversammlung grundsätzlich nicht beschlossen werden, fehlt es an einer solchen Frist, ist die Kapitalerhöhung unverzüglich durchzuführen (vgl. Hüffer aaO: Rnr. 14; Kölner Kommentar-Lutter, 2. Aufl., § 182 Rnr.17 jeweils m.w.N.).



Eine solche an sich nur fakultative Frist zur Durchführung der Kapitalerhöhung wird aber dann für erforderlich gehalten, wenn in der Hauptversammlung nicht ein bestimmter Betrag, sondern lediglich ein Mindest- und/oder Höchstbetrag festgesetzt wird (Hüffer aaO. Rnr.14; Spindler/Stilz/Servatius, § 182 Rnr. 44; Heidel/Elser, 2. Aufl., § 182 Rnr. 26; LG Hamburg, AG 95, 92, 93; Seibt/Voigt, AG 09, 133, 135; anderer Ansicht LG Freiburg, Urteil vom 15.12.2004 - 6 0 6/02 - Rnr. 39 f - zitiert nach Juris; unklar Münchener Kommentar/Peifer, 2. Aufl., § 182 Rnr.36; Kölner Kommentar- Lutter aaO).  Dieses Erfordernis der Festlegung einer Frist ergibt sich daraus, dass ansonsten der Unterschied zu dem besonders geregelten Institut des genehmigten Kapitals verwischt wird (Spindler/Stilz/Servatius aa0; LG Hamburg aaO; Seibt/Voigt aaO.).


Zwar ist zuzugeben, dass man auch in diesem Fall den ansonsten geltenden Grundsatz anwenden könnte, dass dann die Kapitalerhöhung unverzüglich durchzuführen ist und dass die genaue Bestimmung des Begriffs unverzüglich hier ebenso wie in zahlreichen anderen Fällen möglich und dann gegebenenfalls vom Gericht vorzunehmen ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Begriff unverzüglich nicht fest fixiert ist, sondern einer mit einer entsprechenden Bandbreite versehenen Beurteilung unterliegt. Im Rahmen dieses sicherlich einige Wochen betragenden Spielraums hätte es der Vorstand letztlich in der Hand, im Rahmen des von der Hauptversammlung eingeräumten Spielraums Zeit und Umfang der Geldbeschaffung zu bestimmen (vgl. LG Hamburg aaO).


Damit wird der Übergang zu dem besonders geregelten Institut des genehmigten Kapitals aber fließend. Hier mag sich die Hauptversammlung entscheiden, ob sie den Weg des genehmigten Kapitals geht oder eine Kapitalerhöhung nach § 182 AktG vornimmt, bei der sie dann allerdings eine Durchführungsfrist festlegen muss.

Die Kammer schließt sich daher der soweit ersichtlich überwiegenden Meinung an, wonach es eine Verletzung des § 182 Abs.1 S.1 AktG darstellt, wenn der Kapitalerhöhungsbeschluss nur Ober- und/oder Untergrenze für die Kapitalerhöhung angibt ohne eine Durchführungsfrist festzusetzen.



Dieser Verstoß führt jedoch nach Auffassung der Kammer nur zur Anfechtbarkeit und nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses (LG Hamburg aaO. mit ablehnender Anmerkung Bähr; anderer Ansicht Hüffer aaO. Rnr. 17; Spindler/Stilz/Servatius aaO.; abwägend Münchener Kommentar /Peifer § 182 Rnr.38). Liegt keine Fristbestimmung für die Durchführung der Kapitalerhöhung vor, so wäre dies nach Allgemeinen Grundsätzen unverzüglich durchzuführen. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich nur daraus, dass wegen des bestehenden Beurteilungsspielraums über Umwege dem Vorstand eine unzulässige Einflussnahme auf den Umfang der Kapitalerhöhung eingeräumt wird. Berücksichtigt man, dass die Fristbestimmung „unverzüglich" immerhin bestimmbar ist, so liegt im Ergebnis kein allzu gravierender Verstoß gegen das Aktienrecht vor, der die ohne die Monatsfrist der Anfechtbarkeit geltend zu machende Nichtigkeitsfolge rechtfertigen würde.



Für ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Klägerin reichen die vorgetragenen Umstände, die vor allem das Verhalten in anderen Verfahren betrifft nicht aus.  Die geringe Zahl der von der Klägerin gehaltenen Aktien ändert nichts daran, dass die Klägerin ihre Aktionärsrechte geltend machen kann, soweit nicht aufgrund einer besonderen hier nicht vorliegenden


 Normierung Einschränkungen bestehen.



Da  vorliegend die Voraussetzungen für eine Anfechtungsklage erfüllt sind, ist auf Antrag der Kläger der Beschluss zu TOP 4 der Hauptversammlung vom 17.12.2008 für nichtig zu erklären. Aus der Nichtigkeit des Beschlusses TOP 4 a. erfolgt auch die Nichtigkeit des darauf beruhenden TOP 4 b., wobei unerheblich ist, dass dieser für sich allein genommen, wäre die Kapitalerhöhung unangreifbar, als der Beschluss zur Fassung der Satzung nach § 179 Abs.1 S.2 AktG möglich wäre (vgl. Bürgers/Körber, § 182 Rnr.26).



Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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