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Wirtschaftsrecht
28.11.2013
Wirtschaftsrecht
LG Frankfurt: Unzulässigkeit des Gesellschafterausschlusses bei beiderseitigen, gravierenden Pflichtverletzungen - Suhrkamp

LG Frankfurt, Urteil vom 13.11.2013 - 3-03 O 72/12

Nicht Amtlicher Leitsatz


1. Nach ständiger Rechtsprechung (BGH NZG 2003, 625, 627 - für GbR -; BGH GmbHR 1991, 362, 363 - für GmbH -; BGHZ 80, 346 = NJW 1981, 2302, 2303 - für oHG -; BGH NJW 1960, 866, 868 f. - für GmbH -) kann einer von zwei Anteilsinhabern nicht wegen gesellschaftswidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn auch in der Person des die Ausschließung betreibenden Gesellschafters ein wichtiger Grund zur Ausschließung verwirklicht ist.


2. Bei beiderseits verwirklichten Ausschließungstatbeständen bleibt vielmehr nur der Weg einer Klage auf Auflösung der Gesellschaft nach § 133 HGB (BGH NJW 1957, 872; BGHNJW 1960, 866, 869).


HGB § 133, 140


Sachverhalt


Gegenstand der Klage und der Widerklage sind wechselseitige Ausschließungsanträge der Klägerin und der Beklagten zu 1) als Kommanditisten u. a. der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG. Ausschließungsgründe leiten die Parteien aus wechselseitig erhobenen Pflichtverletzungen ab. Am 27.5.2013 beantragte die Verlagsgeschäftsführung beim AG Berlin-Charlottenburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. Klage und Widerklage blieben ohne Erfolg.


Aus den Gründen


In der Sache sind die mit der Klage verfolgten Anträge unbegründet, weil die Voraussetzungen einer Ausschließung der Beklagten zu 1) aus wichtigem Grund nicht vorliegen (§§ 133, 140 HGB). Zwar hat diese wesentliche Gesellschafterpflichten vorsätzlich verletzt (§ 133 Abs. 2 HGB). Indessen ergibt die insoweit vorzunehmenden Abwägung mit eigenen Pflichtwidrigkeiten der Klägerin (Baumbach-Duden-Hopt HGB Rdn. 7 zu § 140) nicht, dass dieser die Fortsetzung der Gesellschaften mit der Beklagten zu 1) nicht mehr zugemutet werden könne (vgl. Münchener Kommentar HGB - K. Schmidt, 3. Auflage 2001, Rdn. 16 - 19 zu § 140).


Dabei geht die Kammer, was Pflichtverletzungen der beteiligten Gesellschafter angeht, nicht davon aus, dass angesichts der mittlerweile erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens - wie die Beklagten zu 2) bis 4) meinen - nur noch solche Ausschließungsgründe berücksichtigt werden dürften, die eine ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft gefährden könnten. Die dahin gehende Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (NZG 2002, 1022, 1023) stammt aus der Zeit vor Inkrafttreten des ESUG. Vor dem Hintergrund der durch diese Novelle zur InsO geschaffenen Sanierungsoptionen ist vorliegend indessen nicht absehbar, ob die Unternehmen liquidiert oder - in welcher Rechtsform auch immer - als werbende Gesellschaften fortgeführt werden.


Die Beklagte zu 1) hat in mehrfacher Hinsicht gegen Gesellschafterpflichten verstoßen


Erhebliche Verstöße der Beklagten zu 1) gegen Gesellschafterpflichten sind in mehrfacher Hinsicht festzustellen.


Dabei übersteigen schon öffentliche Äußerungen des Verwaltungsratspräsidenten Hans Barlach der Beklagten zu 1) mit die Klägerin diffamierenden Inhalten die Grenze dessen, was ein Gesellschafter bei Wahrung der ihm obliegenden Treupflichten von sich geben darf (hierzu OLG München NZG 2002, 85, 86). Dies gilt - unbeschadet weiterer Vorgänge, die bereits den Gegenstand verschiedener gerichtlicher Verfahren gebildet haben - namentlich für den in einem der FAZ gegebenen Interview vom 13.12.2012 (Anlage K 133) erhobenen Vorwurf der „Untreue", d.h. einer von der den Verlag nach außen vertretenden Geschäftsführung verwirklichten Vermögensstraftat.


Anzumerken ist an dieser Stelle allerdings bereits, dass derartige letztlich die Seriosität der gemeinsam gehaltenen Gesellschaften berührende Erklärungen im Kontext auch von Klägerseite öffentlich abgegebener diskriminierender Äußerungen zu sehen sind.


Wichtiger erscheint der Kammer das Unterlassen am Wohl der Gesellschaften orientierter Mitwirkungshandlungen bei den Bemühungen um den in der Gesellschaftervereinbarung vom 18.11.2009 geplanten Erwerb einer geeigneten Immobilie in Berlin. Ungeachtet des zwischen den Parteien umstrittenen Gesichtspunkts eines hierdurch herbeigeführten Risikos des Verlusts von Fördermitteln durch ein Beharren auf zwischen den Gesellschaftern gegenläufigen Einschätzungen ergibt sich dies jedenfalls daraus, dass die Beklagte zu 1) insoweit pflichtwidrig die Förderung des Gesellschaftszwecks mit eigenen Interessen vermengt hat. So hat die Beklagte zu 1) ... nach eingehender Darlegung von Einwänden gegen ein Objekt E: gleichwohl ihre Zustimmung zum Erwerb der Immobilie u. a. für den Fall einer vollständigen Ausschüttung des Jahresgewinns 2010 an sie und der weiteren Voraussetzung angekündigt, dass sie


„für die Jahre ab 2013 - unabhängig davon, ob ein entsprechender Gewinn tatsächlich erzielt wird - eine Garantierendite von 39 % von 6 % des Buchumsatzes für die Dauer von 5 Jahren (also bis einschließlich 2017)"


erhält.


In eine ähnliche Richtung geht die Ankündigung einer Zustimmung für ein weiteres Projekt ... für den Fall, dass der einen bestimmten Betrag übersteigende Sanierungsaufwand


„von der Familienstiftung allein im Innenverhältnis übernommen" werde, „also im Ergebnis eine geänderte Gewinnverteilung zur Folge haben" solle (Anlage K 19).


In diesen Vorschlägen, die die Klägerin als Versuch der Beklagten zu 1) wertet, sich Mitwirkungshandlungen „abkaufen" zu lassen, hat diese nach Auffassung der Kammer in unzulässiger Weise die ihr obliegende Förderung des Geschäftszwecks der Kommanditgesellschaft an die Verfolgung eigener Gesellschafterinteressen geknüpft. Wenn die Objekte nach Einschätzung der Beklagten zu 1) ungeeignet waren, durfte sie deren Erwerb in keinem Fall zustimmen - im anderen Fall war sie indessen unabhängig von der Durchsetzung eigener Interessen zur Mitwirkung verpflichtet.


Ein weiterer Verstoß der Beklagten zu 1) gegen ihre Gesellschafterpflichten liegt in der Weitergabe interner Gesellschaftsinformationen an einen Dritten ...


Was schließlich die dem Beklagten zu 1) vornehmlich unter dem Gesichtspunkt einer „wirtschaftlichen Ausbeutung" der Kommanditgesellschaften vorgehaltenen Rechtsverfolgungen gegen die Klägerin und deren Vorstandsvorsitzende angeht, kann man dem Beklagten zu 1) die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bei Scheitern einverständlicher Lösungen angesichts der Rechtsschutzgarantie des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs schwerlich zum Vorwurf machen - schon gar nicht, soweit er wie bei der Geltendmachung seines Gewinnausschüttungsanspruchs (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.3.2013, 3-13 O 119/12) zumindest erstinstanzlich obsiegt.


Anders liegen die Dinge hingegen hinsichtlich einer zwangsweise erfolgenden Durchsetzung derartiger Individualansprüche gegen die Gesellschaft. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte zu 1) in der Gesellschafterversammlung vom 11.4.2013 ... vor dem Hintergrund einer Diskrepanz über die Verwendung der Kreditmittel gegen die Aufnahme von Darlehen bis zu einer Summe von maximal 2 Mio. Euro und deren Besicherung durch Eintragung einer Grundschuld auf die Immobilie K. gestimmt hat, wodurch Liquidität zumindest nachrangig zur Befriedigung ihrer Forderung hätte geschaffen werden können. Stattdessen hat sie ... schon am 30.4.2013 einen Vollstreckungsantrag gestellt, der dann schließlich unter dem 22.5.2013 zur Eintragung von zwei Sicherungshypotheken über jeweils 1 092 056,36 Euro geführt hat.


Weil mit diesem Vorgehen eine wesentliche Erschwerung der Besicherung künftiger Darlehensaufnahmen der Kommanditgesellschaften erkennbar einherging, liegt hierin ein pflichtwidriges Hintanstellen der gebotenen Rücksichtnahme auf deren Belange bei der Verfolgung eigener Interessen.


Auf der anderen Seite findet diese mangelnde Bereitschaft zu einer kooperativen Regelung finanzieller Fragestellungen ihre Entsprechung in der späteren Gesellschafterversammlung vom 10.5.2013 ..., in der die Klägerin gegen die Beschlussvorschläge der Beklagten zu 1) zur Übernahme einer Bürgschaft durch die Kommanditgesellschaft und die Aufnahme eines zweckgebundenen Kredits sowie dessen Besicherung durch Belastung des Grundstücks K. gestimmt hat.


Schließlich verbleibt noch eine in der trotz gegebener Beschlussunfähigkeit durchgeführten Gesellschafterversammlung vom 2.8.2013 liegende Verletzung gesellschaftlicher Pflichten.


In dieser Gesellschafterversammlung der Verlagsleitung GmbH, zu der die Vorstandsvorsitzende der Klägerin ihr Erscheinen kurzfristig abgesagt hatte und auch nicht vertreten war, hat die Beklagte zu 1) entgegen § 13 Abs. 4 der Satzung den Vorsitz übernommen und eigenmächtig Beschlüsse gefasst. Das LG Berlin hat mit Urteil vom 8.8.2013 (95 O 57/13) hierauf gestützte Eilanträge der Beklagten zu 1) zur vorläufigen Amtsenthebung der Geschäftsführung u. a. unter dem Gesichtspunkt gesellschaftsvertragswidrigen Verhaltens zurückgewiesen.


In der Sicht der Kammer ist für die vorliegenden Ausschließungsanträge indessen auch zu beachten, dass die Umstände der kurzfristigen Absage für die Beklagte zu 1) durchaus ein rechtsmissbräuchliches Unterlaufen der Beschlussfähigkeit durch die Klägerin nahelegen konnten und dieser, wie noch im Einzelnen darzustellen, vergleichbare Pflichtwidrigkeiten im Kontext der gesellschaftlichen Abstimmungen zur Last fallen.


Auch wenn die Pflichtverstöße der Beklagten zu 1) in ihrer Gesamtheit einen hinreichenden Ausschließungstatbestand begründen, ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass auch die erheblichen Pflichtverstöße der Klägerin deren Ausschließung rechtfertigen


Die festgestellten Pflichtverstöße der Beklagten zu 1) könnten jedenfalls in ihrer Gesamtheit einen hinreichenden Ausschließungstatbestand zu deren Lasten begründen, wenn nicht weitere Abwägungsgesichtspunkte einzubeziehen wären.


Dies ist indessen der Fall. Insbesondere haben an der Störung des Gesellschaftsverhältnisses neben den bereits gestreiften Einzelfällen weitere erhebliche Verstöße der Klägerin gegen die dieser obliegenden Pflichten mitgewirkt, die bei isolierter Gewichtung geeignet gewesen wären, umgekehrt deren - mit der Widerklage verfolgte - Ausschließung zu rechtfertigen.


So liegt der Fall hier ...


Eine erhebliche Pflichtverletzung der Vorstandsvorsitzenden der Klägerin liegt zunächst darin, dass sie an der unter dem 29./30.7.2010 erfolgten Vermietung von Räumlichkeiten der Immobilie G. in Berlin mit einer Fläche von über 500 m² an die durch die Beklagte zu 2) vertretene Kommanditgesellschaft bei Überschreiten der Geschäftsführungskompetenzen und unter Verletzung der der Beklagten zu 1) als Kommanditistin zustehenden Beteiligungsrechte mitgewirkt hat (vgl. allg. BGH NJW 1984, 173; OLG Köln NZG 2011, 307). Auch nach Auffassung der Kammer (so schon LG Berlin, Urteile vom 10.12.2012, 99 O 79/11 und 99 O 118/11 = NZG 2013, 500, 501) wäre hierfür die Zustimmung der Kommanditisten erforderlich gewesen, weil die Betragsgrenze von 75 000,00 Euro pro Jahr (§ 1 Abs. 4 d des Gesellschaftsvertrags der KG) überschritten war ...


In den gleichen Zusammenhang gehört die Ausstattung der Immobilie mit einem offenbar zur Nutzung durch den Bruder der Vorstandsvorsitzenden der Klägerin für 39 000,00 Euro beschafften Konzertflügels.


Die Klägerin hat aber auch in ihrer Eigenschaft als Kommanditistin die Gesellschafterrechte der Beklagten zu 1) verletzt.


Die für sie von ihrem Bevollmächtigten ... übernommene Leitung der Gesellschafterversammlungen der Suhrkamp KG ... entspricht mit der gelegentlich kleinlich wirkenden Beanstandung der Teilnahme verschiedener Personen ... - nicht dem für eine sinnvolle Kooperation unabdingbaren respektvollen Umgang der Gesellschafter untereinander.


Entsprechendes gilt für diskriminierende Äußerungen der Klägerin u.a. in einem Interview vom 8.12.2012, das ihr Vorstandsmitglied Prof. Dr. LLLL der „Berliner Morgenpost" gegeben hat ...


Vor diesem Hintergrund kommt es auf weitere Streitpunkte ... nicht mehr an.


Entsprechendes gilt für die danach verbleibende, in der Entwicklung des Rechtsstreits zunehmend in den Vordergrund getretene Frage einer missbräuchlichen Herbeiführung der Insolvenzverfahren, die jedenfalls hinsichtlich der Eröffnungsvoraussetzungen der Entscheidung des Prozessgerichts entzogen ist (OLG Frankfurt am Main, 5 U 145/13, Beschluss vom 1.10.2013; ähnlich LG Berlin, Urteil vom 8.8.2013, 95 O 57/13, Anlage K 163). Ob die Fälligstellung des Gewinnauszahlungsanspruchs der Klägerin bei Verweigerung eines Rangrücktritts (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.8.2013, 3-09 O 78/13) sowie das Betreiben der Insolvenzverfahren (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.09.2013, 3-09 O 96/13) pflichtwidrig waren, wie die Beklagte angesichts ihres insoweit abweichenden Verhaltens und der ihre Rechte deutlich einschränkenden Regelungen des vorgelegten Insolvenzplans meint, kann nämlich angesichts der sonstigen Pflichtverletzungen der Klägerin gleichermaßen dahinstehen.


Denn im Hinblick darauf, dass die Verfehlungen der Klägerin und der Beklagten zu 1) jedenfalls die Erheblichkeitsschwelle eines „wichtigen Grundes" überschreiten, gibt es keinen Raum für eine Gewichtung der beiderseitigen Pflichtverletzungen. Nur in den Fällen wechselseitigen Fehlverhaltens, in denen lediglich das Verhalten des auszuschließenden Gesellschafters einen Ausschließungsgrund erfüllt, kann eine Abwägung der für die Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses maßgeblichen Verschuldensanteile vorgenommen werden (BGH NJW 1957, 872; BGHZ 80, 346 = NJW 1981, 2302, 2303; BGH NJW 1960, 866, 869; BGH NZG 2003, 625, 627).


Bei beiderseits verwirklichten Ausschließungstatbeständen bleibt vielmehr nur der Weg einer Klage auf Auflösung der Gesellschaft nach § 133 HGB (BGH NJW 1957, 872; BGH NJW 1960, 866, 869).

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