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Wirtschaftsrecht
15.06.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Dresden: Unzulässige Vermittlung von Anwaltsverträgen im Internet vs. zulässige Informations- und Werbeplattformen

OLG Dresden, Urteil vom 6.4.2023 – 8 U 1883/22

Volltext: BB-Online BBL2023-1410-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Zur Abgrenzung einer unzulässigen Vermittlung von Anwaltsverträgen im Internet von zulässigen Informations- und Werbeplattformen: Eine Vereinbarung zwischen einem Rechtsanwalt und einem kanzleifremden Dritten verstößt gegen das Provisionsverbot, wenn das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft ist.

 

 

Sachverhalt

A.

 

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Zahlung von "Lizenzgebühren", wobei der eigentliche Leistungsgegenstand streitig ist.

 

Die Klägerin betreibt die Website "xxxxxxx.de" und bietet über die von ihr entwickelte Software Dienstleistungen für Betroffene an, die einen Anhörungsbogen bzw. Bußgeldbescheid zu einem behaupteten Verstoß gegen Vorschriften bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Geschwindigkeits-, Abstands-, Wechsellicht-, Mobiltelefon-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben. Zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe gegenüber den Betroffenen und der sich aus dem Prüfungsergebnis ergebenden Handlungsmöglichkeiten arbeitet die Klägerin mit Partnerkanzleien zusammen, zu denen auch die Beklagte gehört. Die Beklagte war seit 01.07.2018 eine der Partnerkanzleien und bezahlte bis zum 30.12.2020 (Zahlungszeitpunkt der Novemberrechnung) die Rechnungen der Klägerin (ca. 40.000 Bußgeldfälle, 108 Rechnungen, Gesamtbetrag ca. 3.900.000,00 EUR).

 

Das Landgericht hat die auf Zahlung weiteren Entgelts von insgesamt 235.056,98 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis 30.06.2021 gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Zahlung einer Lizenzgebühr, weil die zwischen den Parteien begründete Geschäftsbeziehung gemäß § 134 BGB nichtig sei, da sie gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoße. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus Bereicherungsrecht. Das Erlangte sei nicht schlüssig dargetan. Ein Herausgabeanspruch der Klägerin an Teilen der Gebührenansprüche der Beklagten gegen ihre Mandanten bestehe nicht.

 

Die Klägerin trägt vor, um die Kosten für das Betreiben dieses Internetportals und der digitalen Infrastruktur decken zu können, verlange sie von den Rechtsanwaltskanzleien, welche diese Infrastruktur nutzen wollen, ein pauschales Entgelt. Dieses werde unabhängig davon beansprucht, ob und ggf. wozu die Rechtsanwaltskanzlei von einem Nutzer des Internetportals beauftragt werde. Das Entgelt folge in seiner Höhe dem Ausmaß der Beanspruchung der Dienstleistungen und der Infrastruktur der Klägerin durch die jeweilige Rechtsanwaltskanzlei. Dabei erfasse die Klägerin lediglich Datensätze von Interessenten und stelle diese den Partnerkanzleien, so auch der Beklagten, über ihre digitale Infrastruktur zur Verfügung. Damit erhalte die Partnerkanzlei die Gelegenheit, von einem Interessenten in einer Verkehrsrechtssache mandatiert zu werden. Ob aus dem Interessenten ein Mandant der Partnerkanzlei werde, welcher diese beauftragt, rechtlich gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen, entziehe sich vollständig dem Einfluss und dem Aufgabenbereich der Klägerin. Über die von der Klägerin entwickelte und gepflegte Software kommunizierten die Partnerkanzleien mit den Mandanten und mit weiteren beteiligten Dritten. Diese Software stelle eine Kommunikationsplattform dar, welche zudem Unterstützung gewähre im Verfahrensablauf, nicht inhaltlich, sondern rein administrativ und organisatorisch, sodass hierüber auch Erinnerungen und Wiedervorlagen für die Nutzer dieser Kommunikationsplattform organisiert werden könnten. Bevor die Klägerin diese Software zur Kommunikation und Organisation der Abläufe entwickelt und am Markt angeboten habe, hätten die Partnerkanzleien ganze Fax-Räume mit mehreren Faxgeräten unterhalten müssen, um den Kommunikationsstrom zwischen den Beteiligten bewältigen zu können. Die Klägerin biete einen Büro-Service. Nach der Anmeldung eines Interessenten auf dem Internetportal der Klägerin stehe die Klägerin für Interessenten zur Erfassung von Fragen, telefonisch oder per Mail, zur Verfügung, leite diese an die Partnerkanzleien weiter oder kläre diese selbst, soweit es rein organisatorische oder technische Fragestellungen rund um das Internetportal seien. Auch nach Erteilung eines Mandats durch den Interessenten an die Partnerkanzlei zum rechtlichen Vorgehen gegen einen Bußgeldbescheid komme es zu telefonischen Anfragen der Interessenten bezüglicher weiterer organisatorischer Abläufe. Ebenso komme es vor, dass Interessenten Unterlagen an die Klägerin schicken, welche an die Partnerkanzleien weitergeleitet werden müssten. Die Klägerin erhalte ein Entgelt für das ständige Einwerben von Leads, diesbezügliche Marketingmaßnahmen, die Softwareentwicklung und Softwarepflege sowie für Support in büroorganisatorischen Fragen. Diese Leistungen erbringe sie und verlange hierfür eine Vergütung, unabhängig davon, ob ein Interessent einer Partnerkanzlei nach Akteneinsicht das Mandat erteile, den zur Wahrung der Einspruchsfrist eingelegten Einspruch nicht zurückzunehmen, sondern rechtlich gegen einen Bußgeldbescheid vorzugehen mit der Zielstellung, dass dieser aufgehoben werde. Es handele sich nicht um die Vermittlung von Aufträgen, sondern um das Erfassen von Daten, deren Nutzung den Beteiligten (Kanzlei und Interessent) die Möglichkeit eröffne, miteinander Verträge zu schließen. Für die Dienstleitungen der Klägerin sei eine pauschale Vergütung zu zahlen, die in zwei Fallgruppen unterschieden werde, weil zum einen die Leistungen der Klägerin in den zwei Fallgruppen unterschiedlich stark in Anspruch genommen werde und andererseits die Werthaltigkeit dieser Leistungen in den Fallgruppen für die Partnerkanzleien unterschiedlich hoch sei. Unterschieden werde in die Fälle, in denen der Interessent über eine Rechtsschutzversicherung verfüge, welche die Kosten für die Tätigkeit der Rechtsanwaltskanzlei in der Sache übernimmt, und in Fälle ohne Rechtsschutzversicherung. Ob eine Rechtsschutzversicherung tatsächlich auch die von der Partnerkanzlei in Rechnung gestellte Vergütung zahle oder nicht, ob die Rechtsschutzversicherung nur einen reduzierten Betrag leiste oder die Leistung ganz verweigere, sei ohne jede Auswirkung auf die Vergütung, welche von der Partnerkanzlei an die Klägerin für ihre Dienstleistungen zu zahlen sei. Die Beklagte habe jahrelang die Dienstleistungen der Klägerin in Anspruch genommen und die mit der Klägerin vereinbarte pauschale Vergütung hierfür bis einschließlich 30.12.2020 gezahlt und damit die vertragliche Verpflichtung anerkannt. Außerdem bestehe hilfsweise ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

 

Die Klägerin beantragt:

 

Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18.08.2022, Aktenzeichen 04 O 687/21, wird geändert.

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 235.056,98 EUR

zzgl. Zinsen aus 89.041,60 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2021,

zzgl. Zinsen aus 41.081,18 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2021,

zzgl. Zinsen aus 49.634,90 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.03.2021,

zzgl. Zinsen aus 29.116,92 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.04.2021,

zzgl. Zinsen aus 18.183,20 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2021,

zzgl. Zinsen aus 7.375,62 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2021,

zzgl. Zinsen aus 623,56 EUR in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2021 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Es habe zwischen den Parteien weder einen mündlichen noch einen schriftlichen Vertrag für den hier streitigen Zeitraum ab dem 01.02.2020 gegeben. Es sei unrichtig, dass die Klägerin ein pauschales Entgelt für die Nutzung der Infrastruktur verlange. Sie verlange vielmehr unterschiedliche Entgelte entsprechend den erfüllten Kriterien der Mandatsanfrage. Für rechtsschutzversicherte Mandatsanfragen nehme die Klägerin ein anderes Entgelt als für nicht rechtsschutzversicherte Mandate. Es werde daher mit Nichtwissen bestritten, dass dieses angeblich pauschale Entgelt unabhängig davon beansprucht werde, ob und ggf. wozu die Rechtsanwaltskanzlei von einem Nutzer des Internetportals xxxxxxx.de beauftragt wird. Es entziehe sich auch nicht dem Einfluss und Aufgabenbereich der Klägerin, ob aus einem Interessenten ein Mandant der Partnerkanzlei werde oder nicht, denn erst wenn der Interessent die von der Klägerin übersandte Vollmacht der Partnerkanzlei unterschreibe und die Unterlagen vollständig bei der Klägerin einreiche, werde der "Lead" nach Erteilung des Mandats an die Partnerkanzlei weitergegeben. Bei Nichtunterzeichnung der Vollmacht erfolge keine Weitergabe des "Leads". Soweit die Klägerin behaupte, keine konkreten Mandate zu vermitteln, weil sie ihre Dienstleistung unabhängig davon erbringe, ob eine Partnerkanzlei von einem Betroffenen beauftragt werde, auch nach Akteneinsicht weiter gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen oder nicht, verkenne sie, dass es sich bereits bei der Akteneinsicht und der Prüfung der Akte um ein konkretes Mandat handele. Die Partnerkanzleien hätten auch vor der Entwicklung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Software keine Fax-Räume mit mehreren Faxgeräten unterhalten müssen. Während der Zusammenarbeit mit der Beklagten habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Büroservices für die Beklagte vorgenommen. Vielmehr habe sie durch ihr Büro in Berlin die reinkommenden Leads weiter qualifiziert durch ergänzende Angaben und ggf. fälschlicherweise bei der Klägerin eingereichte Unterlagen an die Partnerkanzleien weitergereicht. Hinzugekommen sei eine Tätigkeit im eigenen Interesse, so z.B. Rückfragen zum Umfang der angebotenen Prozessfinanzierung oder Behandlung von Beschwerden. Thema der beiderseitigen Verhandlungen sei stets nur eine Lizenzgebühr für die Nutzung der Software der Klägerin gewesen. Die Beklagte habe auch nicht bis zum 30.12.2020 (Zahlungszeitpunkt der Novemberrechnung) die angeblichen vertraglichen Verpflichtungen anerkannt. Es habe seit Anfang 2020 stetige Verhandlungen gegeben und die Beklagte habe allein aus diesem Grund die Rechnungen zunächst bezahlt. Hilfsweise rechnet die Beklagte mit Forderungen aus abgetretenem Recht im Umfang von 109.648,26 EUR (Anlage B 2) auf.

 

Weiteren Sachvortrag hat die Beklagte in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 16.03.2022 und 30.03.2023 gehalten. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29.03.2023 die Wiedereröffnung der Verhandlung beantragt.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 01.02.2022 und 05.07.2022 sowie das landgerichtliche Urteil und die Sitzungsniederschrift des Senats vom 16.02.2023 Bezug genommen.

 

Aus den Gründen

B.

I. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die klägerischen Ansprüche im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte weder vertragliche Ansprüche aus § 675 i.V.m. § 631 Abs. 1 BGB oder § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB (Ziff. 1) noch aus Bereicherungsrecht (Ziff. 2), culpa in contrahendo (Ziff. 3), Geschäftsführung ohne Auftrag (Ziff. 4) noch deliktische Ansprüche (Ziff. 5) zu.

 

1. Die Klägerin macht vertragliche Ansprüche aus § 675 i.V.m. § 631 Abs. 1 BGB oder § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend, indem sie eine Vergütung für von ihr erfolgsabhängig erbrachte Leistungen fordert. Gegenstand der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien war die Vereinbarung zur entgeltlichen Verschaffung einer Kontaktmöglichkeit zu potentiellen Mandanten mit einem konkreten verkehrsrechtlichen Anliegen, die die Partnerkanzlei bereits zur Wahrnehmung ihrer Interessen bevollmächtigt hatten, nachdem die Klägerin die entsprechende Vollmacht der Partnerkanzlei an den jeweiligen Interessenten versandt hatte. Die Klägerin bezeichnet das geforderte Entgelt als Lizenzgebühr, wobei es auf die von ihr gewählte Bezeichnung nicht ankommt, sondern auf den von den Parteien gelebten Vertragsinhalt. Die Klägerin behauptet einen Dienstleistungsvertrag. Da aber auch nach ihrem eigenen Vortrag ein sog. Lead nur dann an die Beklagte weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Anwaltsvollmacht bei ihr eingereicht hat, ist nicht eine bloße Tätigkeit, sondern ein Erfolg geschuldet und damit von werkvertragsähnlichen Verpflichtungen auszugehen. Trotz dienstvertraglicher Elemente ist das Geschäftsmodell erfolgsorientiert. Der versprochene und geschuldete Erfolg liegt in der Gewinnung von Mandaten. Es kann dabei dahinstehen, ob die Vereinbarung der Abrechnung nach Eingang der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers bzw. nach Endabrechnung des Mandats die Entstehung des klägerischen Anspruchs jeweils hinausschiebt oder ob es sich um eine bloße Fälligkeitsabrede handelt. Die Klägerin behauptet folgende Vereinbarung zu den Abrechnungsmodalitäten: Im Zeitraum vom 01.02.2020 bis 31.05.2020 seien bei Deckungszusage 108,00 EUR zu zahlen gewesen, bei Endabrechnung 72,00 EUR, ab 01.06.2020 bei Deckungszusage 114,00 EUR, bei Endabrechnung 76,00 EUR. Nach übereinstimmendem Vortrag beider Parteien haben Mitarbeiter der Beklagten die Information, ob eine Deckungszusage erteilt wurde oder nicht, in das System eingetragen. Basierend auf diesen Angaben legte die Klägerin Rechnung.

 

a) Die Beklagte bestreitet zwar eine vertragliche Vereinbarung für den streitgegenständlichen Zeitraum, sie hat aber die von der Klägerin übermittelten Leads zur Bearbeitung angenommen, sodass jeweils konkludent ein Vertrag zustande gekommen ist. Fehlt es an einer Einigung über den Preis, ist nach § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung geschuldet. Zwar haben die Parteien über die Abrechnungsmodalitäten offenbar jahrelang verhandelt und keine Einigung erzielt, gleichwohl wurden aber Leistungen erbracht, die nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien nicht unentgeltlich erbracht werden sollten. Eine Vergütung gilt zudem nach § 632 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbart, wenn die erfolgsbezogene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

 

b) Die Vereinbarung der Parteien verstößt aber gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist. Kern des Rechtsstreits ist die - hier zu bejahende - Frage, ob die Klägerin von der Beklagten mit der Lizenzgebühr eine Vergütung für die Vermittlung von Mandanten erhalten sollte. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate "gekauft" und "verkauft" werden (BT-Drs. 12/4993, 31; BGH, Urteil vom 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 18, beck-online; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 76).

 

Eine Vermittlung setzt voraus, dass neben den Parteien des Anwaltsvertrages ein Dritter, d.h. eine kanzleifremde Person, an dessen Akquisition durch den Rechtsanwalt beteiligt ist (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 164). Verboten ist jegliche Art und Form akquisebedingter Belohnung (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 80). Pauschale Entgelte für die Bereitstellung von Infrastruktur, die es potentiellen Auftraggebern ermöglicht, ihn zu mandatieren (Anwaltssuchdienste, Telefonmehrwertdienste) fallen nicht unter das Verbot, wenn die Vergütung nicht von der Zahl der Mandatserteilungen abhängt (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 165). Die erforderliche kausale Verknüpfung (Gebühr oder sonstiger Vorteil "für die Vermittlung von Aufträgen") ist erfüllt, wenn sich die Gewährung oder die Entgegennahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrags wechselseitig bedingen (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84). Vom Verbot nicht umfasst ist ein erfolgsunabhängiges, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Auftragsvergabe geschuldetes Entgelt für Dienstleistungen, die nur eine Rahmenbedingung für die Erbringung anwaltlicher Tätigkeit schafft (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84).

 

(1) Die Zulässigkeit von mandats- und damit erfolgsunabhängigen Dienstleistungen ist in der Rechtsprechung anerkannt. Beispielsweise verstößt die Beteiligung an einer Anwalts-Hotline nicht gegen § 49b Abs. 3 BRAO, weil die fragliche Vergütung unabhängig davon geschuldet ist, ob und wie viele Ratsuchende in der fraglichen Zeit anrufen. Die erfolgsunabhängige Vergütung ist daher mit der Raummiete, mit den Kosten der Telefonanlage oder mit den Kosten für einen Anwaltssuchdienst im Internet vergleichbar (BGH, Urteil vom 26.09.2002 - I ZR 44/00, NJW 2003, 819, beck-online). Auch eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt nicht gegen das in § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO geregelte Verbot. Bei Internetauktionen erhält das Auktionshaus zwar neben einer Angebotsgebühr auch eine vom Höchstgebot abhängige Provision, so dass die zu zahlende Provision der Höhe nach vom konkreten Auftrag abhängig ist. Die Provision wird jedoch nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet; denn das Internetauktionshaus stellt lediglich das Medium für die Werbung der Anbieter zur Verfügung. Seine Leistung durch das Überlassen einer Angebotsplattform ist vergleichbar mit den Leistungen der herkömmlichen Werbemedien (BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298, beck-online). Online-Vermittlungsplattformen, die gegen Provision anwaltliche Dienstleistungen vermitteln, gehen über die Funktion eines klassischen Werbemediums hinaus und sind mit dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl. Behme, AnwBl Online 2018, 110-114). Auch die entgeltliche Vermittlung von Terminsvertretern wird für zulässig gehalten, wenn die erhobene Transaktionsgebühr nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet wird, sondern lediglich das Medium für die Vermittlung der Übernahme einer Terminsvertretung zur Verfügung gestellt wird, da die Bereitstellung einer Internetplattform mit den Leistungen herkömmlicher Medien vergleichbar ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.04.2013 – 4 U 18/13, NJW 2013, 1614, beck-online). Das Oberlandesgericht München hat bei einer Marketing-Kampagne eine unerlaubte Mandatsvermittlung verneint (Urteil vom 13.10.2021, Az. 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Nach dem dortigen Vertrag waren aber nur Datensätze von Interessenten zu übermitteln. Ein Lead war dort - anders als hier - nicht mit einer Anwaltsvollmacht verknüpft. Es waren nur Datensätze, nicht aber Vertragsabschlüsse zu liefern, weshalb das Oberlandesgericht München davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Vertragsmodell um eine Form des Dialogmarketings (Direct-Response-Marketing) und damit der Werbung handelt (OLG München, Urteil vom 13.10.2021 – 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Der Vergleich der Beklagten mit dem Portal anwalt.de geht fehl. Dort handelt es sich um eine Werbeplattform für Anwälte, auf der die Mandanten einen Anwalt suchen, d.h. selbst auswählen können. Bei advocado.de und klugo.de werden ebenfalls Anwälte aus Partnerkanzleien vermittelt; zu den zwischen dem Portal und den Partnerkanzleien vereinbarten Konditionen ist aber nichts bekannt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob die Anwälte mandatsbezogen oder erfolgsunabhängig Zahlungen leisten.

 

(2) Ist das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft, wird von der Rechtsprechung ein Verstoß gegen das Provisionsverbot angenommen. Das Landgericht Berlin hat (rechtskräftig) zum Anwaltsvermittlungsportal axxxxxx.de entschieden, dass die entgeltliche Vermittlung von Mandaten an Rechtsanwälte aufgrund der vom Ratsuchenden abgegebenen Sachverhaltsschilderung unabhängig davon, ob der Betreiber Rechtsanwalt ist, einen sittenwidrigen Wettbewerbsverstoß darstellt, weil hierdurch sowohl § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO als auch Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verletzt werden (LG Berlin, Urteil vom 07.11.2000 – 102 O 152/00 –, juris). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Fall entschieden, der eine Kooperationsvereinbarung zum Gegenstand hatte. Diese sah vor, dass der Kläger Mandate von Kapitalanlegern akquirierte und diese außergerichtlich allein betreute. Das damit einhergehende Honoraraufkommen sollte ihm allein zufließen. Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden können, sollte der Kläger dem Beklagten betroffene Mandanten namhaft machen. Der Kläger sollte in diesem Fall einen Anteil an den Gebühren für die gerichtliche Vertretung erhalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine unzulässige Gebührenteilung angenommen, denn der Kläger wurde am Gebührenaufkommen eines Mandats beteiligt, aus dem ihm aus dem Anwaltsvertrag, welchen nur der Beklagte mit dem Mandanten geschlossen hatte, kein Anspruch zustand. Die Vereinbarung der Gebührenteilung sollte unabhängig davon sein, ob der Kläger tatsächlich tätig geworden ist; sie sollte vielmehr allein von der "Vermittlung" abhängig sein (OLG Düsseldorf Urteil vom 11.01.2022 – I-24 U 184/19, NJW-RR 2022, 778 Rn. 28, beck-online). Eine erfolgsabhängige, prozentual anhand des eingebrachten Honorars bemessene Provisionszahlung spricht für die Vermittlung eines konkreten Mandats, wohingegen eine feste Gebühr unabhängig vom Zustandekommen eines Mandatsvertrags eher für die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzes spricht (vgl. El-Auwad, AnwBl Online 2018, 115).

 

(3) Daran gemessen verstößt das von den Parteien praktizierte Geschäftsmodell in der gewählten Form gegen das Provisionsverbot. Die Klägerin versucht darzulegen, dass ihre Dienstleistungen nicht in der Mandatsvermittlung liegen, sondern sie im Ergebnis nur Interessenten zusammenbringe und eine Infrastruktur vergütungspflichtig bereitstelle. Es handele sich nicht um die Vermittlung von Aufträgen, sondern um das Erfassen von Daten, deren Nutzung den Beteiligten (Kanzlei und Interessent) die Möglichkeit eröffne, miteinander Verträge zu schließen. Dieses Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei ist aber in der konkreten Ausgestaltung durch die Parteien nichts anderes als eine Vermittlung von Mandaten, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Vollmacht eingereicht hat und weil eine Vergütung an das konkrete Mandat anknüpft. Soweit die Klägerin der Meinung ist, auf ein Zustandekommen eines Mandats nach Akteneinsicht habe sie keinen Einfluss, mag das richtig sein, es ändert aber nichts daran, dass sie Mandate vermittelt, nämlich bereits solche zur Akteneinsicht und damit zur außergerichtlichen Vertretung. Darauf weist die Beklagte zutreffend hin. Beide Parteien tragen vor, der von der Klägerin generierte Lead erreiche nur dann die Partnerkanzlei, wenn der Interessent die Vollmacht der Partnerkanzlei, die ihm von der Klägerin elektronisch übersandt wird, an die Klägerin zurücksende.

 

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der als Anlage B 6 eingereichte Entwurf einer Vertraulichkeitsvereinbarung. Dort heißt es in der Präambel "Diese Software ermöglicht den Partnerkanzleien eine beschleunigte Bearbeitung von Fällen aus dem Bereich des Straßenverkehrsrechts, sobald eine Mandatierung der Kanzlei durch den Mandanten über xxxxxxx.de erfolgt." Die Mandatierung erfolgt also nach der Vorstellung der Parteien über die Klägerin. Die Vollmachtserteilung der Partnerkanzlei bei Einreichung der Unterlagen bei xxxxxxx.de ist auch in § 4.2 der Nutzungsbedingungen der Klägerin (Anlage B 1, GA 32) vorgesehen. Wie genau die übersandten Vollmachten aussehen, d.h. wofür die Partnerkanzlei vom Interessent mandatiert wird, ist nicht vorgetragen. Es wurde keine Vollmacht vorgelegt. Dass die Einreichung der Vollmacht der Partnerkanzlei Voraussetzung für die Weiterleitung des Leads an die Partnerkanzlei ist, hat die Klägerin erstinstanzlich selbst vorgetragen (GA 43, 94).

 

Verfügen die Betroffenen nicht über eine Rechtsschutzversicherung, komme es - nach bestrittener Behauptung der Klägerin - ausweislich statistischer Erhebung viel seltener zu einer Beauftragung der Partnerkanzlei durch die Betroffenen mit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen Bußgeldbescheide, da die Betroffenen häufig nicht bereit seien, die damit verbundenen Anwaltskosten zu tragen. Gleichwohl verlange die Klägerin von den Partnerkanzleien auch in diesen Fällen eine Vergütung für ihre Dienstleistungen. Die Klägerin ist der Auffassung, da in diesen Fällen die Partnerkanzleien gar keine Rechtsanwaltsgebühr über die Rechtsschutzversicherungen erhielten, sei schon denklogisch ausgeschlossen, dass die Klägerin für ihre Dienstleistung einen Teil der Vergütung von der Partnerkanzlei erhalte. Diese Argumentation überzeugt nicht. Soweit der Anwalt nichts von einer Rechtsschutzversicherung bekommt, bedeutet dies noch nicht, dass er keine Vergütung erhält. Er bekommt sie von seinem Mandanten oder dem Prozessfinanzierer, sodass der Teil, den der Anwalt davon an die Klägerin weiterleitet, auch eine Vermittlungsprovision sein kann. Auch ohne Rechtsschutzversicherung vermittelt die Klägerin Mandate an die Partnerkanzleien. Sie tritt dann selbst als Prozessfinanzierer auf (vgl. Nutzungsbedingungen Anlage B 1, GA 30). Abgerechnet und damit verfahrensgegenständlich sind hier aber aufgrund der oben geschilderten Abrechnungsmodalitäten nur Rechtsschutzfälle.

 

Es kommt nicht darauf an, dass die Parteien lediglich über eine Lizenzgebühr für die Nutzung der Software verhandelt haben oder ob sie sich vorstellten, mit der Lizenzgebühr das Provisionsverbot umgehen zu können, sondern darauf, ob die von der Klägerin behauptete Lizenzgebühr in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung und gelebten Vertragspraxis eine entgeltliche Gegenleistung für erfolgsbezogen vermittelte Mandate war. Rechtlich unerheblich ist, ob in den Verhandlungen der Parteien stets nur eine Lizenzgebühr für die Nutzung der Software Thema war, sodass es der Beweiserhebung durch Vernehmung des von der Beklagten angebotenen Zeugen D... F... (GA 115) nicht bedarf.

 

Die Beklagte trägt vor, es sei marktüblich und erlaubt, dass bei Werkstätten, Mietwagen- und Abschleppunternehmen Stapelvollmachten hinterlegt werden, ebenso, dass solche Unternehmen die Kanzlei empfehlen und dafür keine Vergütung erhielten. Das mag zutreffend sein, hier geht es aber um die Frage, ob die Vergütung der Klägerin für die Vermittlung des Mandats gezahlt wird und nicht darum, ob der Beklagten gestattet ist, an den genannten Orten ohne Gegenleistung Vollmachten zu hinterlegen. Es trifft gerade nicht zu, dass die Klägerin die Beklagte lediglich als Partnerkanzlei auf der Homepage erwähnt und die Unterzeichnung einer Vollmacht ermöglicht hat; vielmehr war die Unterzeichnung der Vollmacht einer von der Klägerin ausgewählten, konkreten Partnerkanzlei Voraussetzung für die Weiterleitung des Leads. Damit wurde ein bestimmtes Mandat verschafft.

 

Der Gegenstand einer "Vermittlung" ist auch aus dem Maklerrecht bekannt. § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB differenziert zwischen dem Nachweis- und dem Vermittlungsmakler, wobei der Vermittlungsmakler bewusst und aktiv unmittelbar oder mittelbar auf die Willensentschließung des Vertragspartners des Auftraggebers einwirken muss, um dessen Bereitschaft zum Abschluss des beabsichtigten Hauptvertrages zu fördern (Retzlaff in Grüneberg, 82. Auflage 2023, § 652, Rn. 27). "Vermittlung” ist die bewusste, finale Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners des zukünftigen Hauptvertrages (BGH, Beschluss vom 17.04.1997 - III ZR 182/96, NJW-RR 1997, 884, beck-online; BGH, Urteil vom 21.11.2018 – I ZR 10/18, NJW 2019, 1803 Rn. 26, beck-online). Auch dieses Verständnis vom Gegenstand einer "Vermittlung" auf den hiesigen Sachverhalt übertragen, ergibt, dass die Klägerin vermittelnd Einfluss auf die Entschließung des Interessenten genommen hat, mit welcher Partnerkanzlei der Interessent einen Vertrag schließt, denn sie hat eine bestimmte Vollmacht einer konkreten Partnerkanzlei übersandt. Ziel war die Mandatsgenerierung. Dafür wurde die Vergütung gefordert und in der Vergangenheit auch gezahlt.

 

Die von den Parteien praktizierte Form der Vergütung für Mandatsakquise, die der Berechnung der streitgegenständlichen Forderung zugrunde liegt, stellt sich als erfolgsbezogene Vergütung für die Vermittlung von konkreten Mandanten und nicht nur als Werbung oder die anwaltliche Tätigkeit unterstützende Dienstleistungen durch das Bereitstellen einer Software dar. Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat (BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298, Rn 24, beck-online; BGH, Urteil vom 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 19, beck-online). Der Rechtsanwalt darf keine von der Zahl der Mandatserteilungen abhängige Vergütung zahlen (Kleine-Cosack, BRAO, 9. Auflage 2022, § 49b, Rn. 104). Hier handelt es sich nicht nur um ein pauschales Entgelt für die Bereitstellung von Infrastruktur oder Werbung. Die Vergütung sollte erfolgsabhängig zu zahlen sei, weil die Weiterleitung eines Leads erst nach Vollmachtserteilung erfolgt ist. Zwar knüpfte der Zeitpunkt der Bezahlung nicht an die Weiterleitung des Leads an die Partnerkanzlei an, sondern an die Deckungszusage und die Endabrechnung. Was passiert, wenn zwar eine Vollmacht erteilt wird, eine Deckungszusage aber nicht erteilt wird, schildern die Parteien nicht. Darauf kommt es aber deshalb nicht an, weil die verfahrensgegenständlichen Abrechnungen nur Fälle erfassen, in denen eine Deckungszusage erteilt wurde. Der Lead wird daher mit einem Teil der vom Anwalt vereinnahmten Gebühren vergolten. Die Beklagte soll pro Lead bezahlen und ein Lead beinhaltet eine konkrete Vollmacht für ein bestimmtes Mandat.

 

Der Einwand der Klägerin, das Landgericht habe die Einbindung der Klägerin und ihres Leistungsspektrums in die digitalisierte Informationsgesellschaft verkannt, verfängt nicht. In einer sich rasant verändernden digitalisierten Dienstleistungsgesellschaft - so die Klägerin - veränderten sich auch die Rahmenbedingungen für Informationsflüsse und die Bereitstellung von Informationen für Interessenten in allen gesellschaftlichen Bereichen. Diese Entwicklung gehe einher mit einer automatisierten Datenerhebung und Datenabfrage durch Beteiligte, die dieser Datenerhebung und Datenweitergabe zustimmen. Einer dieser Dienstleister, der diese Datenerhebung und Bereitstellung für Interessenten anbietet, sei die Klägerin. Richtig ist, dass die Digitalisierung auch vor der Anwaltschaft nicht halt macht und der Rechtsberatungsmarkt sich durch digitale Dienstleistungen weiter entwickelt (vgl. Inkassodienstleistungen "LexFox" BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208, beck-online; "Sammelklage-Inkasso" BGH, Urteil vom 13.07.2021 – II ZR 84/20, NZG 2021, 1175, beck-online, "smartlaw" BGH, Urteil vom 09.09.2021 – I ZR 113/20, NJW 2021, 3125, beck-online). Die Klägerin hat es allerdings versäumt, ihre Dienstleistung im Rahmen der geltenden Gesetze auszugestalten. Auch die Digitalisierung findet nicht im rechtsfreien Raum statt, sondern nur im Rahmen der bestehenden Gesetze. Teile der erbrachten Dienstleistungen sind nicht per se verboten, sondern lediglich die - aufgrund fehlender ausdrücklicher vertraglicher Regelungen nur an den vorgetragenen Abrechnungsmodalitäten zu messende - konkrete Ausgestaltung des Geschäftsmodells durch die Parteien, wonach eine Vergütung letztlich an die Vermittlung eines konkreten Mandats anknüpft.

 

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Provisionsverbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO ist die Nichtigkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge nach § 134 BGB (OLG Düsseldorf Urteil vom 11.01.2022 – I-24 U 184/19, NJW-RR 2022, 778 Rn. 35, beck-online, Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 96; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Auflage 2022, § 49b, Rn. 1118).

 

Ob ein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 43b BRAO vorliegt, kann indes offen bleiben, da auch ein unterstellter Verstoß gegen § 43b BRAO keinen Einfluss auf den Bestand des Vertrages zwischen den Parteien hätte (OLG München, Endurteil vom 13.10.2021 – 7 U 5998/20, BeckRS 2021, 30758 Rn. 34, beck-online).

 

Im Ergebnis hat die Klägerin gegen die Beklagte keine vertraglichen Vergütungsansprüche, weil die konkludent zustande gekommenen Verträge über die Vermittlung von Rechtsanwaltsmandaten gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoßen und nach § 134 BGB nichtig sind.

 

2. Ansprüche der Klägerin folgen auch nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.

 

Das Landgericht hat die Klage auch insoweit zu Recht abgewiesen und ausgeführt, das Erlangte sei nicht schlüssig dargetan. Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe von Teilen der Gebühren der Beklagten gegen ihre Mandanten bestehe nicht.

 

a) Im Ausgangspunkt können Leistungen, die aufgrund eines nach § 134 BGB nichtigen Rechtsgeschäfts erbracht worden sind, grundsätzlich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgefordert werden (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 134 Rn. 195; BeckOGK/Vossler, 01.12.2022, BGB § 134 Rn. 104).

 

b) Die Klägerin behauptet, sie habe Leistungen erbracht. Sie habe Datensätze von Interessenten erfasst und diese der Beklagten als Partnerkanzlei über ihre digitale Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Über Marketingmaßnahmen wie Markenaufbau, PR-Maßnahmen und Traffic-Einkauf sei die Klägerin fortlaufend bemüht gewesen, Leads einzuwerben. Aufgabe der Klägerin sei es gewesen, die technischen Voraussetzungen für die Datenerfassung und Dateneinsicht zwischen Interessenten und der Beklagten zu erhalten und fortzuentwickeln. Über diese von der Klägerin entwickelte und gepflegte Software hätten die Partnerkanzleien mit den Mandanten und mit weiteren beteiligten Dritten kommuniziert. Diese Software stelle eine Kommunikationsplattform dar, welche zudem administrative und organisatorische Unterstützung im Verfahrensablauf gewähre, sodass hierüber auch Erinnerungen und Wiedervorlagen für die Nutzer dieser Kommunikationsplattform hätten organisiert werden können. Sie habe einen Büroservice erbracht. Die Klägerin habe für Interessenten zur Erfassung von Fragen, telefonisch oder per Mail, zur Verfügung gestanden, habe diese an die Beklagte weitergeleitet oder selbst geklärt.

 

Erlangt habe die Beklagte die Gelegenheit, von Interessenten in Verkehrsrechtssachen mandatiert zu werden und die Rechtsanwaltsgebühren gegenüber den Rechtsschutzversicherungen abzurechnen.

 

Die Vermittlung dieser Leads bedinge das gesamte Leistungsspektrum der Klägerin, weshalb die der Beklagten in Rechnung gestellten Beträge, die Gegenstand dieses Rechtsstreites sind, auch dem Wert des Erlangten entsprächen.

 

c) Ein Ausschluss nach § 814 BGB (Leistung in Kenntnis der Nichtschuld) kommt nicht in Betracht. Die insoweit beweisbelastete Beklagte (vgl. Sprau in Grüneberg, BGB, 82. Auflage 2023, § 814, Rn. 11) trägt nicht vor, dass die Klägerin wusste, auf einen nichtigen Vertrag zu leisten. Erst im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2023 behauptet die Beklagte, dass die Klägerin Kenntnis von § 49b BRAO gehabt habe und ein Bereicherungsanspruch daher nach § 814 BGB ausgeschlossen sei. Ungeachtet der Frage der Verspätung der dazu vorgelegten E-Mails (Anlagen BK 1 und BK 2) ist eine Kenntnis von dem in Rede stehenden gesetzlichen Verbot nicht ausreichend für den Kondiktionsausschluss. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung, d.h. das Wissen, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein. Ein "Kennenmüssen" oder bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld stehen der Kenntnis nicht gleich (Sprau in Grüneberg, BGB, 82. Auflage 2023, § 814, Rn. 4 m.w.N.).

 

Der klägerische Anspruch ist auch nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Danach ist eine Rückforderung der erbrachten Leistung ausgeschlossen, wenn (auch) dem Leistenden der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last fällt. War sich der Leistende bewusst, dass er gegen das gesetzliche Verbot verstieß, so schließt diese Bestimmung einen Bereicherungsanspruch aus (BGH, Urteil vom 17.02.2000 - IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, beck-online). Insoweit ist ein bewusster Gesetzesverstoß erforderlich, wobei es vorsätzlichem Handeln gleichsteht, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit leichtfertig verschließt (BeckOGK/Vossler, 01.12.2022, BGB § 134 Rn. 106; BeckOK BGB/Wendehorst, 65. Ed. 01.02.2023, BGB § 817 Rn. 16; MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 817 Rn. 85 jeweils m.w.N.). Die Parteien haben sich trotz jahrelanger Verhandlungen nicht auf schriftliche Verträge einigen können. Der Grund dafür wird nicht mitgeteilt. Der Nachweis eines Kondiktionsausschlusses nach § 817 Satz 2 BGB obliegt dem Anspruchsgegner (BeckOK BGB/Wendehorst, 64. Ed. 01.11.2022, BGB § 817 Rn. 26), hier der Beklagten. Da die Beklagte insoweit keinen berücksichtigungsfähigen, rechtzeitigen Sachvortrag gehalten hat, ist ein Ausschluss des bereicherungsrechtlichen Anspruchs aus § 817 Satz 2 BGB im vorliegenden Verfahren nicht anzunehmen. Nach dem Hinweis des Landgerichts vom 31.03.2022 zu einem möglichen Verstoß gegen das Provisionsverbot und dem Schriftsatz der Klägerin vom 03.05.2022, wonach "der Anspruch gegen die Beklagte auf §§ 812 Abs. 1, 817 BGB gestützt" wird, wäre die Beklagte gehalten gewesen, zum Kondiktionsausschluss vorzutragen.

 

d) Das von der Klägerin geleistete und spiegelbildlich von der Beklagten Empfangene kann nicht gegenständlich herausgegeben werden, sodass Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Der Wertersatz ist nach der objektiven Theorie anhand des marktüblichen Preises für die erbrachte Leistung festzustellen, wobei Abweichungen aufgrund des Zwecks des verletzten Verbotsgesetzes von der Rechtsprechung zugelassen werden (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 160 m.w.N.). Der objektive Verkehrswert entspricht dabei dem Betrag, den ein Dritter am Markt für das in Rede stehende Rechtsgut zu zahlen bereit wäre (BGH, Urteil vom 05.07.2006 - VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847 Rn. 39, beck-online). Bei Dienstleistungen oder nicht verkörperten Werkleistungen ist eine Rückgewähr aufgrund der Beschaffenheit nicht möglich und es bemisst sich der Wertersatz nach der üblichen, hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten und höchstens nach der vereinbarten Vergütung (Sprau in Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 818, Rn. 22). Bei einem aufgrund eines Verstoßes gegen das damalige Rechtsberatungsgesetz (heute Rechtsdienstleistungsgesetz) nichtigen Vertrag richtet sich der Umfang des Bereicherungsanspruchs wegen ersparter Aufwendungen nach den Gebühren eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands, wenn der Schuldner anderenfalls einen zugelassenen Rechtsberater mit der Erledigung der dem Bereicherungsgläubiger unwirksam übertragenen Aufgaben betraut hätte (BGH, Urteil vom 26.07.2001 - III ZR 172/00, NJW 2001, 3541, beck-online). Die Dienstleistung aufgrund eines nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrages eines Steuerberaters ist nicht wertlos, wenn der Leistungsempfänger sonst eine andere - zur Geschäftsbesorgung befugte - Person beauftragt hätte und dieser eine entsprechende Vergütung hätte zahlen müssen. Diese Abwicklung nach Bereicherungsrecht soll nicht demjenigen, der eine gesetzwidrige Geschäftsbesorgung vornimmt, auf einem Umweg entgegen § 134 BGB doch eine Vergütung verschaffen, sondern nur verhindern, dass der Empfänger der Leistungen daraus einen ungerechtfertigten Vorteil zieht; dies gilt vor allem dann, wenn die Nichtigkeit des Vertrags auch erlaubte Leistungen erfasst (BGH, Urteil vom 17.02.2000 - IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, beck-online; BGH, Versäumnisurteil vom 26.01.2006 - IX ZR 225/04, NJW-RR 2006, 1071, 1073, beck-online).

 

(1) Die Ansicht der Klägerin, die von ihr in Rechnung gestellten Beträge entsprächen dem Wert des Erlangten, kann nicht beigetreten werden. Erlangt hat die beklagte Partnerkanzlei den Nachweis und die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss eines verkehrsrechtsbezogenen Anwaltsvertrages mit bestimmten, konkret benannten und vollmachtgebenden Interessenten. Von dieser Leistung hat die Beklagte durch Abschluss eines entsprechenden Hauptvertrages, eines Anwaltsvertrages, Gebrauch gemacht, wodurch die Klägerin nach allgemeinen Maßstäben (§ 652 Abs. 1 BGB) die von ihr in Rechnung gestellte Vergütung, nämlich eine erfolgsabhängige Provision, verdient hätte. Eine solche Provision für die Vermittlung eines Anwaltsmandats unterfällt aber dem Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO und kann daher auch nicht mit Erfolg auf bereicherungsrechtlicher Grundlage beansprucht werden. Um den Schutzzweck des Provisionsverbots, wonach anwaltliche Mandate nicht ge- oder verkauft werden sollen, zu sichern, muss vermieden werden, dass im Rahmen des Bereicherungsausgleichs über das erlangte Etwas durch die "Hintertür" die verbotene Provision verschafft wird. Das Verbot liefe sonst leer. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in gleicher Weise eine andere Person hätte beauftragen können, die ihr die Leistung (die Mandate) gegen Entgelt in zulässiger Weise verschafft hätte. Darin liegt der Unterschied zu den oben zitierten Rechtsdienstleistungs- und Steuerberaterfällen des Bundesgerichtshofs. Die dortigen Leistungen hätten von anderen Personen erbracht werden können und sind daher nicht wertlos. Die hier erbrachte Leistung (Vermittlung von Anwaltsmandaten) ist gesetzeswidrig und daher wertlos.

 

(2) Den Ersatz von Allgemeinkosten oder sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mandaten, auf die ihre gesamte Tätigkeit im Verhältnis zur Beklagten abzielt, kann die Klägerin nur auf Grundlage einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung verlangen (§ 652 Abs. 2 BGB). An einer solchen fehlt es im Streitfall. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin mit der Beklagten ausdrücklich oder konkludent ein pauschales, von der Anzahl der generierten Mandate unabhängiges Entgelt für bestimmte Leistungen wie etwa die Vorhaltung und Aktualisierung der Softwarestruktur, die Betreuung von Interessenten, die Aufrechterhaltung der Kommunikation oder büroorganisatorische Maßnahmen vereinbart hätten. Nach der gelebten Geschäftsbeziehung der Parteien sollten all diese Leistungen nicht gesondert vergütet, sondern vielmehr mit dem von der Klägerin für die Verschaffung von Einzelmandaten jeweils berechneten Entgelt (Provision) abgegolten sein. Dann aber erwächst der Klägerin im Falle der Nichtigkeit der Provisionsabrede nach § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO, § 134 BGB auch kein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch für diese Leistungen.

 

(3) Darüber hinaus lässt sich anhand des Vorbringens der Parteien ein erstattungsfähiger Betrag für in erlaubter Weise erbrachte Dienstleistungen und Besorgungen ohnehin nicht fundiert bestimmen, sodass etwaige bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche auch nicht schlüssig darlegt sind. Legal erbracht werden dürfen die behaupteten Werbedienstleistungen (Markenaufbau, PR-Maßnahmen, Traffic-Einkauf). Auch darf für das Zurverfügungstellen einer Software, die die anwaltliche Tätigkeit unterstützt, eine Nutzungsgebühr verlangt werden. Legale Bürodienstleistungen sind ebenfalls denkbar, auch wenn im Sachvortrag der Klägerin unklar blieb, worin die Bürodienstleistungen genau lagen und die Erbringung von Bürodienstleistungen von der Beklagten bestritten wird. Anders als die Klägerin meint, hat sie aber für diese Dienstleistungen keine pauschalen Entgelte erhoben, die nicht gegen das Vermittlungsverbot verstoßen würden. Es handelt sich nicht um Pauschalen, sondern um eine bestimmte Vergütung für ein konkretes Mandat. Das Mandat war nicht nur Berechnungsgröße, sondern die Vergütung hing von der Beschaffung eines Mandats ab, denn ohne Vollmacht gab es keine Vergütung, schon deshalb, weil ohne Vollmacht der Lead nicht an die Partnerkanzlei weitergeleitet wurde. Die Leistung, die vorliegend verschafft wurde, nämlich das konkrete Mandat, hätte sich die Beklagte nirgendwo legal beschaffen können, gerade weil § 49b Abs. 3 BRAO Abgabe und Entgegennahme von Entgelten oder sonstigen Vorteilen für die Vermittlung von Anwaltsmandaten untersagt.

 

Die Höhe des Wertersatzanspruchs für zulässige Dienstleistungen kann auch nicht in Form der jeweiligen Rechnungshöhe als unstreitig zugrunde gelegt werden. Die Klägerin behauptet zwar, sie habe ein Alleinstellungsmerkmal am Markt in Deutschland und es stünden keine Möglichkeiten zu einer seriösen vergleichenden Betrachtung mit anderen Dienstleistern zur Verfügung, dies aber wird hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Software von der Beklagten bestritten und darauf hingewiesen, dass SAP, Salesforce und vergleichbare Unternehmen Software anböten, die vergleichbar oder sogar deutlich umfangreicher sei als die Software der Klägerin und deren Lizenzgebühren deutlich unterhalb der Lizenzgebühren der Klägerin lägen.

 

Da die Klägerin keine Differenzierung zwischen legalen Dienstleistungen, die die Beklagte sich bei ihr oder anderswo hätte einkaufen können, und der gesetzwidrigen Vermittlung von Mandaten bei ihrer Darstellung des Erlangten vornimmt, ist es dem Senat unmöglich, der Klägerin eine Teilvergütung für ihre ohne Zweifel teilweise auch legalen Tätigkeitsanteile zuzusprechen, sodass ihr ein Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB auch insoweit nicht zugesprochen werden kann. Die Auffassung des Landgerichts, das erlangte Etwas sei nicht schlüssig dargetan, ist daher zutreffend, mit der Folge, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht besteht.

 

Die klägerseits beantragte Wiedereröffnung der Verhandlung kommt nicht in Betracht. Wiedereröffnungsgründe nach § 156 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Selbst wenn das Landgericht - wie von der Klägerin behauptet - in erster Instanz eine Hinweispflicht zum geltend gemachten Bereicherungsanspruch verletzt haben sollte, wäre die Klägerin aufgrund der Urteilsbegründung gehalten gewesen, in der Berufungsbegründung ergänzend vorzutragen und Beweis anzutreten. Das ist nicht erfolgt. Die Klägerin hat insoweit ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Hinzu kommt, dass die erbrachten Leistungen mit Ausnahme des Büroservice nicht streitig sind. Erlangt hat die Beklagte die vermittelten Mandate. Die Frage der Werthaltigkeit ist eine Rechtsfrage, die nicht im Wege einer Beweisaufnahme zu klären ist. Im Übrigen ist zum Umfang der Bereicherung auch kein Beweis zu erheben, weil die Klägerin weder in erster noch in zweiter Instanz Beweis angeboten hat.

 

3. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus culpa in contrahendo nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB zu. Derartige Ansprüche kommen nur dann in Betracht, wenn eine Partei die Verbotswidrigkeit des Rechtsgeschäfts kannte oder in Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 163). Hätte auch die andere Partei die Verbotswidrigkeit kennen müssen, ist der Anspruch wegen Mitverschuldens zu kürzen (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 163). Letzteres ist der Fall. Die Klägerin trägt im Rahmen der Streitverkündung vor, dass der Geschäftsführer der Beklagten, der zugleich zugelassener Rechtsanwalt ist, das Geschäftsmodell und die Plattform der Klägerin mitentwickelt hat und als ihr Justitiar für die rechtliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung der Klägerin zur Beklagten verantwortlich war, wobei die Beklagte eine Tätigkeit des Herrn L... als Justitiar bestreitet. Vielmehr sei Herr L... bis zum 28.01.2021 Geschäftsführer und Gesellschafter der S... UG gewesen, die wiederum bis heute Gesellschafterin der Klägerin sei. Die klägerische Behauptung zugrunde gelegt, war Herr L... auf beiden Seiten tätig, sodass derselbe Kenntnisstand auf beiden Seiten zu berücksichtigen wäre, mit der Folge, dass ein Anspruch jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausscheidet. Auch unabhängig von einer Tätigkeit des Herrn L... bei der Klägerin hätte die Klägerin die Verbotswidrigkeit kennen müssen, wenn sie sich doch nach eigenen Angaben intensiv und jahrelang mit dem Provisionsverbot beschäftigt hat. Dass ihr Geschäftsführer kein Jurist ist, kann sie nicht entlasten.

 

4. Es besteht auch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB. Zwar sind bei Nichtigkeit eines Auftrags wegen § 134 BGB die §§ 677 ff. BGB anwendbar, wenn ihre sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Vergütungsanspruch nach den §§ 683, 670 BGB entfällt aber dann, wenn die Aufwendungen in einer vom Gesetz verbotenen Tätigkeit bestanden, denn diese Aufwendungen durfte der Handelnde nicht den Umständen nach für erforderlich halten (BGH, Urteil vom 31.05.1990 - VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542, beck-online; BGH, Urteil vom 30.04.1992 - III ZR 151/91, NJW 1992, 2021, 2022, beck-online; BGH, Urteil vom 03.07.2008 - III ZR 260/07, NJW 2008, 3069, 3071, beck-online; BGH, Urteil vom 10.04.2014 - VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805, beck-online; Staudinger/ Fischinger/ Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 159). Aufwendungen zur Vermittlung eines Rechtsanwaltsmandats durfte die Klägerin nicht für erforderlich halten. Im Übrigen besorgt ein Makler kein fremdes Geschäft i.S.d. §§ 677 ff. BGB, sondern ein eigenes (BGH, Urteil vom 23.09.1999 - III ZR 322/98, NJW 2000, 72, 73, beck-online; OLG Hamm, Urteil vom 18.05.2020 – 18 U 57/19, NZG 2020, 828 Rn. 38, beck-online; MüKoBGB/Althammer, 9. Aufl. 2023, BGB § 652 Rn. 93).

 

5. Vergütungsansprüche folgen auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB in Form eines fremdnützigen Betruges des Herrn L... zugunsten der Beklagten oder aus §§ 826, 31 BGB analog als Schadensersatz. Die Klägerin hat insbesondere zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen nicht in hinreichender Form vorgetragen. Die Parteien haben zwar das Provisionsverbot gekannt, übereinstimmend aber vorgetragen, dass ein Verstoß nicht beabsichtigt war oder in Kauf genommen wurde.

 

II. Da die Hauptforderung nicht besteht, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen.

 

III. Über die Hilfsaufrechnung der Beklagten (GA 77 und Anlage B 2 GA 78ff.), mit der sie Forderungen aus abgetretenem Recht im Umfang von 109.648,26 EUR behauptet und über den dagegen erhobenen Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung der Lizenzgebühr nach § 313 Abs. 1 BGB hat der Senat mangels Hauptforderung nicht zu entscheiden.

 

C.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.

 

Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Frage, ob und inwieweit das von den Parteien gewählte Geschäftsmodell gegen das Provisionsverbot verstößt, hat für die Anwaltschaft grundsätzliche Bedeutung und wurde bislang - soweit ersichtlich - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.

 

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