OLG Nürnberg: Unwirksamkeit eines formularmäßigen Aufrechnungsverbots wegen unangemessener Benachteiligung auch gegenüber Unternehmern
OLG Nürnberg, Urteil vom 20.8.2014 – 12 U 2119/13
Amtliche Leitsätze
1. Ein Aufrechnungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das lediglich die Aufrechnung mit unbestrittenen und mit rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen zulässt, die Aufrechnung mit sonstigen Gegenforderungen indes auch dann verbietet, wenn diese mit der aufgerechneten Hauptforderung synallagmatisch verknüpft sind, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders einer solchen Klausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam.
2. Dies gilt auch für eine Klausel, die gegenüber einem Unternehmer verwendet wird.
3. Dies gilt nicht nur im Bereich des Werkvertragsrechts, sondern auch für Werklieferungs- oder Kaufverträge (im Anschluss an BGH, Urteil vom 7. April 2011, VII ZR 209/07, NJW 2011, 1729).
§ 307 BGB, § 309 Nr. 3 BGB, § 310 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung gelieferten Betons geltend, mit ihrer Hilfswiderklage verfolgt die Beklagte zu 1 und Widerklägerin Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin wegen der angeblichen Mangelhaftigkeit eines Teils des gelieferten Betons.
Die Beklagte zu 2 ist die Komplementärin der Beklagten zu 1.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin unterbreitete der Beklagten zu 1 unter Bezugnahme auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen am 12.06.2012 ein Angebot über die Lieferung von Transportbeton (Anl B 3).
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Anl K 18) enthalten in VII. Ziffer 5 Satz 1 ein Aufrechnungsverbot. Dort heißt es: „Aufrechnung durch den Käufer mit Gegenansprüchen gleich welcher Art ist ausgeschlossen, es sei denn, dass der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch von uns nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.“
In VII. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es: „Mängelrügen beeinflussen weder Zahlungspflicht noch Fälligkeit und der Käufer verzichtet darauf, irgendein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, soweit er Kaufmann im Sinne des HGB ist.“
Am 21.06.2012 wurde ein abgeänderter Betonliefervertrag zwischen den Parteien geschlossen und durch die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen am 25.06.2012 bestätigt (Anl K 5).
Am 25.06.2012 kam es bei dem Einbau des durch die Klägerin gelieferten Betons zu Schwierigkeiten. Nach dem Einbringen des Betons in das Schüttrohr wurde bei dem Ziehen des Bohrrohrs (= Stützrohr) der Bewehrungskorb mit herausgezogen. Die Ursache hierfür ist zwischen den Parteien streitig.
Der in der Folgezeit gelieferte und am 03.07.2012 mit 19.235,76 EUR, am 25.09.2012 mit 23.077,67 EUR und am 02.10.2012 mit 27.631,80 EUR in Rechnung gestellte Beton (vgl. Anl K 7 - K 9) wurde durch die Beklagte zu 1 nur teilweise bezahlt.
Auf die erste Rechnung leistete die Beklagte zu 1 unstreitig 11.204,89 EUR. Auf die weiteren Rechnungen leistete die Beklagte zu 1 keine Zahlungen mehr.
Aus Kulanz verzichtete die Klägerin auf die Bezahlung einzelner Rechnungsposten der Rechnung vom 03.07.2012 in Höhe von insgesamt 2.251,58 EUR (vgl. Bl. 8 d. A.).
Die Klägerin hat sich auf das Aufrechnungsverbot in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen und bestreitet die behaupteten Mängel des Betons.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 56.488,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.779,39 EUR seit 23.07.2012, aus 23.077,67 EUR seit 15.10.2012 und aus 27.631,80 EUR seit 22.10.2012 zu bezahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen, der gelieferte Beton habe nicht die vertraglich vorgegebenen Eigenschaften aufgewiesen.
Die erste Rechnung vom 03.07.2012 sei nur in Höhe von 11.206,23 EUR berechtigt, da nicht nur die untauglichen (und durch die Klägerin nicht berechneten) Betonlieferungen vom 29.06.2012, sondern auch die anfänglich mangelhaften Betonlieferungen vom 25.06.2012 abzuziehen seien. Die Rechnung sei daher zusätzlich um weitere 4.855,50 EUR zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer zu kürzen. Die Beklagten meinen, zu einem Abzug in Höhe von jedenfalls 8.029,63 EUR berechtigt zu sein (vgl. Bl. 30 d. A.).
Darüber hinaus stünde der Beklagten zu 1 ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zu.
Es sei das Entfernen des untauglichen Betons und ein erneutes Einbringen erforderlich gewesen. Hierdurch seien Kosten in Höhe von insgesamt 49.598,35 EUR entstanden (vgl. Klageerwiderung vom 27.05.2013, S. 6 ff., Bl. 23 ff. d. A.).
Die Beklagte zu 1 hat mit dieser Forderung die Aufrechnung erklärt.
Das Aufrechnungsverbot der Klägerin sei unwirksam.
Die Beklagte zu 1 hat hilfswiderklagend, für den Fall der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbots, beantragt,
die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte zu 1 und Widerklägerin 49.598,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Klägerin und Hilfswiderbeklagte beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Am 20.09.2013 erging ein, bezogen auf den Antrag der Klägerin stattgebendes Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Bl. 79 ff. d. A.).
Zur Begründung hat das Landgericht zunächst ausgeführt, dass vorliegend durch Teilurteil entschieden werden könne, weil infolge des wirksamen Aufrechnungsverbots die von der Beklagten zu 1 erklärte Aufrechnung unwirksam sei (S. 3 f. des Urteils).
Die Hauptforderung sei unstreitig (S. 4 des Urteils).
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien Vertragsbestandteil geworden (S. 4 des Urteils).
Das in VII. Ziffer 5 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsverbot sei wirksam (S. 4 f. des Urteils).
Hierfür spreche auch, dass ein auf Mängel gestütztes Zurückbehaltungsrecht gemäß VII. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wirksam ausgeschlossen ist und damit kein Wertungswiderspruch vorliege (S. 6 des Urteils).
Gegen dieses, ihnen am 26.09.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.10.2013 bei dem Oberlandesgericht eingegangene und in bis zum 27.12.2013 verlängerter Frist am 21.12.2013 begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagten und Berufungsklägerinnen beantragen (Bl. 146 d. A.):
Das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.09.2013, AZ 5 HK O 2105/13, wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt (Bl. 105 d. A.),
die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.09.2013 - AZ: 5 HK O 2105/13 - zurückzuweisen.
Die Beklagten rügen mit ihrer Berufung insbesondere, das Landgericht habe das Recht fehlerhaft im Sinne von § 520 Abs. 3 Ziffer 2 ZPO angewandt, da es zu Unrecht ein Teilurteil erlassen habe (vgl. Bl. 146 d. A.).
Im Einzelnen rügen die Beklagten:
1. Das Landgericht habe nicht durch Teilurteil entscheiden können (Bl. 146 f. d. A.).
In Ansehung der gegenüber der Klageforderung erklärten Aufrechnung mit Gegenansprüchen und der nur hilfsweise geltend gemachten Widerklage sei die Klageforderung vorliegend nicht für eine gesonderte Entscheidung reif.
2. Das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsverbot sei unwirksam (Bl. 146 ff. d. A.).
Das Landgericht nehme rechtsfehlerhaft an, dass ein formularmäßiges Aufrechnungsverbot nur bei konnexen Gegenforderungen im Sinne von §§ 320, 273 BGB gemäß § 309 Nr. 2 BGB „zurücktreten“ müsse, wenn es sich um einen Gegenanspruch handeln würde, der aus einer zur Leistungsverweigerung berechtigenden Sachleistungspflicht hervorgegangen sei (Bl. 148 d. A.).
Entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/07) gehe das Landgericht rechtsfehlerhaft davon aus, dass eine einschränkende Auslegung des Aufrechnungsverbots gemäß §§ 242, 307 BGB möglich sei. Es nehme damit aber eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel vor (Bl. 149 d. A.).
Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sei ein Grundprinzip im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Bl. 150 d. A.). Zudem verbiete der in der Klausel verwendete Wortlaut eine einschränkende Auslegung (Bl. 152 d. A.).
Darüber hinaus benachteilige die Klägerin durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Geschäftspartner unangemessen (Bl. 153 d. A.).
Schließlich sei auch der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unwirksam (Bl. 153 f. d. A.).
Die Berufungsbeklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung (Bl. 106 ff. d. A.).
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/07) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu übertragen, da diese bezüglich eines Architektenvertrages, bei dem es sich um einen Werkvertrag handele, ergangen sei (vgl. Bl. 166 d. A.).
Das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsverbot sei zulässig (Bl. 169 f. d. A.).
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift des Senats vom 09.07.2014 (Bl. 180 f. d. A.) verwiesen.
Aus den Gründen
II.
Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das angefochtene Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.09.2013 gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückzuverweisen.
Das von dem Landgericht erlassene Teilurteil ist prozessual unzulässig und daher aufzuheben.
1. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Urteil über einen Teil des Streitstoffs im Sinne von § 301 Abs. 1 ZPO, was im Berufungsverfahren von Amts wegen nachzuprüfen ist, nur ergehen, wenn der betreffende - teilbare - Streitgegenstand (selbständiger prozessualer Anspruch oder abgrenzbarer Teil eines einheitlichen Klageanspruchs) zur Endentscheidung reif und das Teilurteil von der Entscheidung über den noch ausstehenden (in der ersten Instanz verbliebenen) Rest der Klageforderung unabhängig ist, mit anderen Worten die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.1999 - VIII ZR 184/98, NJW 2000, 958, 960 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 301 Rn. 2 ff.).
a) In Ansehung der durch die Beklagte zu 1 erklärten Aufrechnung mit Gegenansprüchen und der nur hilfsweise geltend gemachten Widerklage war die Klageforderung vorliegend nicht für eine gesonderte Entscheidung reif.
Die hilfsweise erhobene Widerklage steht in einem Eventualverhältnis zu der vorrangig geltend gemachten Aufrechnung der Beklagten zu 1 gegenüber der Klageforderung. Bezüglich einer Klage, der gegenüber mit der durch Eventualwiderklage geltend gemachten Forderung aufgerechnet ist, ist ein Teilurteil unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 575, 576).
b) Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 1 gegenüber der Klageforderung in Höhe von 56.488,86 EUR die Aufrechnung mit Gegenansprüchen in Höhe von 49.598,35 EUR erklärt hat, ändert hieran nichts.
Wird gegenüber einem einheitlichen Anspruch teilweise mit einer Gegenforderung aufgerechnet, die noch nicht zur Entscheidung reif ist, und kommt insoweit der Erlass eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO in Betracht, dürfte aus den gleichen Gründen ein Teilurteil über den restlichen Anspruch nur dann ergehen, wenn gleichzeitig im Übrigen ein Vorbehaltsurteil erlassen wird (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1995 - VIII ZR 269/94, NJW 1996, 395).
Vorliegend hat das Landgericht demgegenüber lediglich ein Teilurteil erlassen.
c) Allerdings hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt, dass, auch wenn eine Aufrechnung mit einem Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten gegenüber der Werklohnforderung der gesetzlichen Regelung des § 302 Abs. 1 ZPO unterliege, im Regelfall ein Vorbehaltsurteil über die Werklohnforderung nicht ergehen könne. Denn das Vorbehaltsurteil führe zu einer vorübergehenden Aussetzung der Wirkung einer materiell-rechtlich begründeten Aufrechnung. Es habe zur Folge, dass der Unternehmer einen Titel über eine Forderung erhalte, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht bestehe. Diese Wirkung sei grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Besteller gegenüber einer Werklohnforderung mit Ansprüchen aufrechne, die dazu dienen würden, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2005 - VII ZR 304/04, NJW 2006, 698, 699).
Ein Vorbehaltsurteil sei daher grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Besteller gegenüber der Werklohnforderung mit einem Anspruch auf Ersatz der Kosten der Mängelbeseitigung oder der Fertigstellung aus demselben Vertrag aufrechne (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2005 - VII ZR 304/04, NJW 2006, 698, 699).
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die erklärte Aufrechnung würde vorliegend einem Teilurteil nicht entgegenstehen, da wegen des wirksamen Aufrechnungsverbots in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin von der Unerheblichkeit des Aufrechnungseinwandes der Beklagten zu 1 auszugehen sei (S. 4 des Urteils).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Aufrechnungseinwand der Beklagten zu 1 aber vorliegend erheblich, denn das Aufrechnungsverbot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist gemäß § 307 BGB unwirksam.
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorliegend Vertragsbestandteil geworden sind.
b) In VII. Ziffer 5 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es:
„Aufrechnung durch den Käufer mit Gegenansprüchen gleich welcher Art ist ausgeschlossen, es sei denn, dass der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch von uns nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.“
Die Klausel ist nicht bereits gemäß § 309 Nr. 3 BGB unwirksam, denn durch diese Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wird der Beklagten zu 1 als der Vertragspartnerin der Verwenderin nicht die Befugnis genommen, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen.
Das formularmäßige Aufrechnungsverbot ist nach dem Wortlaut des § 309 Nr. 3 BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn es unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen betrifft.
Da der Wortlaut der Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin der Regelung in § 309 Nr. 3 BGB entspricht, bestehen insoweit gegen die Wirksamkeit der verwendeten Klausel keine Bedenken.
c) Vorliegend bestehen allerdings Bedenken gegen die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Aufrechnungsverbots in VII. Ziffer 5 Satz 1, denn es ergibt sich durch diese Klausel ein Wertungswiderspruch zu dem in VII. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin geregelten Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten.
In VII. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es:
„Mängelrügen beeinflussen weder Zahlungspflicht noch Fälligkeit und der Käufer verzichtet darauf, irgendein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, soweit er Kaufmann im Sinne des HGB ist.“
Durch diese Regelung werden, soweit der Käufer Kaufmann ist, jegliche Zurückbehaltungsrechte durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgeschlossen. Eine Einschränkung in Bezug auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen wird nicht vorgenommen.
Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern ist die formularmäßige Abbedingung von §§ 273, 320 BGB zwar grundsätzlich zulässig. Dies gilt aber nicht, soweit die der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zugrundeliegenden Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1991 - III ZR 141/90, BGHZ 115, 324, 327).
Eine geltungserhaltende Reduktion in der Weise, dass die Klausel nur insoweit als unwirksam angesehen wird, als sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen rechtskräftig festgestellter, entscheidungsreifer oder unbestrittener Gegenforderungen ausschließt, ist insoweit nicht anzuerkennen (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.1984 - X ZR 97/83, BGHZ 92, 312, 315 f.).
Damit ist vorliegend aber davon auszugehen, dass die Regelung in VII. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin keinen Bestand haben kann, weil auch die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten ausgeschlossen wird, die auf unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen beruhen.
In der Folge würde sich ein Wertungswiderspruch zu der Regelung in VII. Ziffer 5 Satz 1 ergeben, sollte diese wirksam sein.
Allerdings besteht auch ein Wertungswiderspruch zwischen § 309 Nr. 2 und § 309 Nr. 3 BGB.
Gegenüber Vertragspartnern, die nicht Unternehmer sind, führt die Regelung in § 309 Nr. 2 BGB, nach der die Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten des Vertragspartners des Verwenders durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht eingeschränkt werden kann, zu dem in der Kommentarliteratur als zweifelhaft bezeichneten Ergebnis, dass bei Gegenansprüchen, die nicht auf Geld gerichtet sind, dem Vertragspartner des Verwenders ein formularmäßig nicht beschränkbares Leistungsverweigerungsrecht zusteht, während bei Gegenansprüchen, die auf Geld gerichtet sind, dem Vertragspartner des Verwenders die Aufrechnung untersagt werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 2014, § 309 Rn. 20).
Aus diesem Widerspruch wurde gefolgert, dass das Aufrechnungsverbot bei konnexen Geldforderungen gemäß der Wertung des § 309 Nr. 2 BGB zumindest dann „zurücktreten“ müsse, wenn es sich um einen Gegenanspruch handeln würde, der aus einer zur Leistungsverweigerung berechtigenden Sachleistungsforderung hervorgegangen sei (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 2014, § 309 Rn. 20).
Wollte man den vorliegend festgestellten Wertungswiderspruch entsprechend auflösen, müsste das - hier als wirksam unterstellte - Aufrechnungsverbot dann ebenfalls „zurücktreten“.
d) Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn die Regelung in VII. Ziffer 5 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin benachteiligt die Beklagte zu 1 gemäß § 307 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb unwirksam.
aa) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.04.2011 (- VII ZR 209/07, NJW 2011, 1729) entschieden, dass eine der vorliegenden Bestimmung gleichartige Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages den Vertragspartner des verwendenden Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, der Besteller werde durch das Verbot der Aufrechnung gezwungen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen würden. Dadurch werde in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in für den Besteller unzumutbarer Weise eingegriffen. Letzteres finde seinen Ausdruck in dem Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1 BGB.
bb) Diese Argumentation ist auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, auch wenn vorliegend durch die Beklagte größtenteils nicht im Synallagma stehende Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten geltend gemacht werden, sondern Schadensersatzansprüche gemäß § 651 Satz 1, § 437 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB.
So bezieht sich die Klageforderung hauptsächlich auf weitere (mangelfreie) Betonlieferungen, die Gegenansprüche der Beklagten zu 1 demgegenüber auf Schäden, die durch den am 25.06.2012 gelieferten (angeblich mangelhaften) und mit 4.855,50 EUR netto am 03.07.2012 in Rechnung gestellten Beton entstanden sein sollen.
Die Argumentation einer „Umgehung“ von § 309 Nr. 2 BGB trifft auf den vorliegenden Sachverhalt folglich nicht unmittelbar zu. Zudem sind beide Vertragsparteien Unternehmer. Weiterhin weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass der Bundesgerichtshof die durch die Beklagten in Bezug genommene Entscheidung für das Werkvertragsrecht getroffen hat. Eine Entscheidung für den Werklieferungs- oder/und den Kaufvertrag liegt - soweit ersichtlich - bislang nicht vor.
cc) Vorliegend ist nach Auffassung des Senats von der Unwirksamkeit des in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltenen Aufrechnungsverbots auszugehen, weil es die Beklagte zu 1 entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Da das vertragliche Synallagma dieselbe Bedeutung für die Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmern wie im Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern hat, betrifft die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/07, NJW 2011, 1729) die generelle Möglichkeit der Aufrechnung mit synallagmatischen Gegenforderungen, die nicht durch einschränkende Klauseln verhindert werden kann (vgl. Kesselring/Hennig, NJW 2012, 1857, 1858). Zudem ist § 309 Nr. 3 BGB auch im Verkehr zwischen Unternehmern als konkretisierte Ausformung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.2007 - XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421, 3422).
Zwar scheint gegen eine solche Unwirksamkeit zu sprechen, dass sich der Wortlaut der Klausel an dem Gesetzeswortlaut in § 309 Nr. 3 BGB orientiert, denn danach sind explizit nur solche Klauseln verboten, die eine Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen ausschließen. Im Umkehrschluss müsste dies also bedeuten, dass jeder andere Aufrechnungsausschluss auch in vorformulierten Vertragsbedingungen zulässig sein müsste (vgl. Kesselring/Hennig, NJW 2012, 1857, 1858).
Weiterhin lässt der Bundesgerichtshof den Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten bei Unternehmern grundsätzlich zu (vgl. oben).
Allerdings wird vorliegend durch den Senat als ausschlaggebend erachtet, dass auch die Beklagten zunächst eine Leistung (zumindest teilweise) vergüten sollen, die nach ihrer Behauptung einen Schadensersatzanspruch in erheblicher Höhe hat entstehen lassen.
Es ist weiterhin deshalb von der Unwirksamkeit auszugehen, weil die Klausel selbst keine Unterscheidung zwischen synallagmatischen Gegenansprüchen einerseits und sonstigen Gegenansprüchen andererseits trifft. Die Klausel unterscheidet nicht zwischen der Forderung bezogen auf die angeblich mangelhafte Betonlieferung und den Forderungen bezogen auf die nachfolgenden, unstreitig mangelfreien Lieferungen.
Im Ergebnis muss die Aufrechnung mit Gegenforderungen aus demselben Vertragsverhältnis - wie im Übrigen auch die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten - stets möglich sein und kann daher auch nicht durch einschränkende Vertragsklauseln - wie die streitgegenständliche Regelung in VII. Ziffer 5 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin - ausgeschlossen werden (vgl. Kesselring/Hennig, NJW 2012, 1857, 1858).
Der Bundesgerichtshof hat dahinstehen lassen, ob der Ausschluss der Möglichkeit der Aufrechnung mit Ansprüchen, die nicht auf die Fertigstellungsmehrkosten oder die Mängelbeseitigungskosten gerichtet sind, zulässig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/07, NJW 2011, 1729).
Auch der Senat muss diese Frage nicht entscheiden, denn auch die vorliegende Klausel erfasst alle Gegenansprüche unterschiedslos. Sie kann nicht hinsichtlich des Ausschlusses der Aufrechnung von unbedenklichen Forderungen aufrechterhalten werden. Denn nach dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion kann eine Klausel nicht mit einem unbedenklichen Inhalt aufrechterhalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2010 - VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597).
Aber selbst wenn es sich vorliegend ausschließlich um die Aufrechnung mit einem (streitigen) synallagmatischen Gegenanspruch handeln würde, wäre eine solche Aufrechnung nach der Klausel ebenfalls ausgeschlossen.
Soweit in der Literatur vertreten wird, nicht eine enge synallagmatische Verknüpfung vorauszusetzen, sondern das Aufrechnungsverbot bei konnexen Geldforderungen gemäß der Wertung des § 309 Nr. 2 BGB zumindest dann zurücktreten zu lassen, wenn es sich um einen Gegenanspruch handeln würde, der aus einer zur Leistungsverweigerung berechtigenden Sachleistungsforderung hervorgegangen sei (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 2014, § 309 Rn. 20), handelt es sich im Ergebnis um einen einer geltungserhaltenden Reduktion vergleichbaren Lösungsansatz.
Darüber hinaus ist eine Konnexität in diesem Sinne dann zu bejahen, wenn der Anspruch des Gläubigers und der Gegenanspruch des Schuldners auf „demselben rechtlichen Verhältnis“ beruhen. Dieser Begriff ist im weitesten Sinne zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, dass die beiderseitigen Ansprüche in dem selben Vertrag oder Schuldverhältnis ihre Grundlage haben; es genügt, wenn ihnen ein innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis zugrundeliegt (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.1991 - VIII ZR 190/90, BGHZ 115, 99, 103 f.).
Dies wäre aber vorliegend für den Schadensersatzanspruch gemäß § 651 Satz 1, § 437 Abs. 1 Nr. 3 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB der Fall.
Verstößt der Inhalt einer AGB teilweise gegen die §§ 307 ff. BGB, so ist die Klausel grundsätzlich im Ganzen unwirksam. Die Gesamtunwirksamkeit der Klausel ergibt sich aus dem Schutzzweck der §§ 307 ff. BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 2014, § 306 Rn. 6). Nur wenn die Klausel neben der unwirksamen, auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmungen enthält, bleiben diese wirksam. Voraussetzung für die Teilaufrechterhaltung ist, dass nach Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2006 - VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059, 1060).
Die streitgegenständliche Klausel („Aufrechnung durch den Käufer mit Gegenansprüchen gleich welcher Art ist ausgeschlossen, es sei denn, dass der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch von uns nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.“) ist in diesem Sinne nicht (z. B. in synallagmatische und nicht synallagmatische Gegenansprüche) teilbar.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten eine Zahlung zu leisten haben, die sie möglicherweise demnächst wieder zurückfordern können. Eine Einrede nach § 242 BGB wäre dann gegeben, wenn ein entsprechender Gegenanspruch der Beklagten tatsächlich entstanden ist.
Das Aufrechnungsverbot in VII. Ziffer 5 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist wegen des Verstoßes gegen § 307 BGB i.V.m. § 309 Nr. 3 BGB unwirksam, weil es entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Beklagte zu 1 unangemessen benachteiligt.
Somit fehlt es an einem wirksam vereinbarten Ausschluss der Aufrechnung insgesamt und damit auch insoweit, als es um nicht im Synallagma stehende Schadensersatzansprüche geht, wie sie hier von der Beklagten zu 1 geltend gemacht werden.
3. Da der Senat das Aufrechnungsverbot jedenfalls für unwirksam erachtet, konnte ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO vorliegend nicht ergehen, da die Entscheidung hinsichtlich der Klageforderung in Ansehung der durch die Beklagte zu 1 erklärten Aufrechnung mit Gegenansprüchen noch nicht reif war.
Entsprechend dem Antrag der Beklagten war daher das Teilurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, da dies klarstellt, dass eine möglicherweise eingeleitete Vollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil einzustellen ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 538 Rn. 59).
V.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
VI.
Die Revision wird zugelassen, denn die Rechtssache hat grundlegende Bedeutung, § 543 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. ZPO. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts hinsichtlich der Wirksamkeit eines formularmäßigen Aufrechnungsverbots entsprechend dem Wortlaut des § 309 Nr. 3 BGB liegt für den Werklieferungs- bzw. den Kaufvertrag im Verhältnis von Unternehmern zueinander - soweit ersichtlich - bislang noch nicht vor.