R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
25.05.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt a. M.: Unwirksamer Schiedsspruch – Anforderungen an einem Vermerk nach § 1054 Abs. 1 S. 2 ZPO

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 27.4.2023 – 26 Sch 14/22

ECLI:DE:OLGHE:2023:0427.26SCH14.22.00

Volltext: BB-Online BBL2023-1218-6

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Ein Vermerk ist im Sinne des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO dann formell ordnungsgemäß, wenn er die Tatsache des Fehlens der Unterschrift und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind. Die bloße Angabe „signature could not be obtained" ist insoweit nicht hinreichend, da daraus nur hervorgeht, dass eine Unterschrift nicht erlangt werden konnte, nicht aber, warum diese Unterschrift nicht erlangt werden konnte.

 

Aus den Gründen
I.

Die Parteien streiten um die Aufhebung eines „Schiedsspruchs“.

Die Antragsgegnerin kündigte im Mai 2016 die beabsichtigte Übernahme der X Company („X“) an. Daraufhin begannen weltweit die Kartellbehörden mit der Prüfung, ob diese Übernahme zu einer beherrschenden Stellung der Antragsgegnerin in bestimmten sachlichen und geographischen Märkten führen würde. Diese Prüfungen zogen sich letztlich etwa zwei Jahre hin.

Bereits zu Beginn dieser Prüfungen ging die Antragsgegnerin davon aus, dass sie verschiedene geschäftliche Aktivitäten ausgliedern und verkaufen werde müssen, um die zu erwartenden Auflagen der Kartellbehörden zu erfüllen. Die Antragsgegnerin bereitete daraufhin eine Veräußerung der betroffenen Aktivitäten vor. Hierfür fasste sie bestimmte der betroffenen Aktivitäten in Pakete von Vermögensgegenständen und Mitarbeitern („asset packages“) zusammen und erstellte für jedes dieser Pakete ein eigenes Financial Fact Book („FFB“).

Diese Financial Fact Books waren ein Teil der Informationen in einem Bieterverfahren, in dem unterschiedliche Interessenten für einzelne oder mehrere dieser Pakete boten. Während des Bieterverfahrens ergab sich aufgrund der parallel laufenden Diskussionen mit den Kartellbehörden die Notwendigkeit der Ausgliederung und des Verkaufs weiterer geschäftlicher Aktivitäten, die ebenfalls in Pakete aufgeteilt und für die dann ebenfalls jeweils ein Financial Fact Book erstellt wurde.

Mit drei separaten Asset Purchase Agreements (APA) jeweils vom 13. Oktober 2017, die dem Recht des US-Bundesstaates New York unterlagen, erwarb die Antragstellerin die (zu diesem Zeitpunkt: sieben) zu veräußernden Geschäftsbereiche. In dem insoweit wortidentischen Abschnitt 3.7 der Asset Purchase Agreements übernahm die Antragsgegnerin eine Gewährleistung in Bezug auf die Financial Fact Books.

In deutscher Übersetzung lautet Abschnitt 3.7 jeweils wie folgt:

„Abschnitt 3.7 Finanzinformationen. Die in den Financial Fact Books dargelegten Finanzinformationen („Finanzinformationen“):

(a) wurden in Übereinstimmung mit der auf den Seiten der Financial Fact Books dargelegten Erstellungsgrundlage („Erstellungsgrundlage“) erstellt;

(b) wurden aus den in der Erstellungsgrundlage beschriebenen Finanz- und Managementberichtssystemen abgeleitet;

(c) geben die Kostenzuweisungen in Übereinstimmung mit der Erstellungsgrundlage wieder; und

(d) stellen in allen wesentlichen Belangen die Ertragslage der in den Finanzinformationen dargestellten Geschäftsaktivitäten zu den jeweiligen Stichtagen oder für die dann endenden Zeiträume fair dar, jedoch nach Maßgabe

(i) der Erstellungsgrundlage und

(ii) der Tatsache, dass die Finanzinformationen (und die von der Verkäuferin bei der Erstellung dieser Finanzinformationen vorgenommenen Zuweisungen und Schätzungen)

(1) nicht notwendigerweise Rückschlüsse über die Kosten erlauben, die sich ergeben hätten, wenn die Geschäftsaktivitäten zu diesen Zeitpunkten oder für diese Zeiträume auf eigenständiger Basis betrieben worden wären, und

(2) möglicherweise kein Richtwert für die Kosten sind, die der Käuferin und ihren Tochtergesellschaften nach dem Vollzug der Transaktion entstehen werden.

Ungeachtet jedweder weiteren Zusicherungen und Gewährleistungen in diesem Artikel III stellen die Zusicherungen und Gewährleistungen in diesem Abschnitt 3.7 die einzigen Zusicherungen und Gewährleistungen die Verkäuferin in Bezug auf die Finanzinformationen dar.“

Auch Abschnitt 7.12 (a) ist in den Asset Purchase Agreements identisch und lautet in deutscher Übersetzung jeweils wie folgt:

„Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit

Sämtliche strittigen Schadenersatzforderungen gemäß diesem Artikel VIl werden durch ein Schiedsverfahren endgültig entschieden, das vom Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) gemäß dessen Schiedsordnung verwaltet wird. Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt drei, von denen jeweils einer von den Parteien benannt wird und der dritte von den Mitschiedsrichtern einvernehmlich ausgewählt wird, wenn möglich innerhalb von dreißig (30) Tagen nach Auswahl des zweiten Schiedsrichters und danach durch die ICC."

Auch Abschnitt 7.12 (c) ist in den Asset Purchase Agreements jeweils identisch und lautet jeweils wie folgt:

„Der Sitz des Schiedsgerichts ist in Frankfurt am Main, Deutschland, und die Verfahrenssprache ist Englisch.“

In Abschnitt 9.8 (a) der Asset Purchase Agreements heißt es jeweils wie folgt:

„Dieser Vertrag unterliegt den Gesetzen des Bundestaates New York gemäß Abschnitt 5-1401 des allgemeinen Schuldrechts des Bundestaates New York und ist nach diesen Gesetzen auszulegen".

Die Antragstellerin reichte am 20. September 2019 Schiedsklage ein. Sie vertrat darin die Ansicht, die Antragsgegnerin habe im Rahmen dieser Transaktion gewisse Kosten, die ihr beim Betrieb des Geschäfts mit Saatgut entstanden sind, zu niedrig angegeben, wodurch die Antragsgegnerin die Finanzinformationsgarantie verletzt und der Antragstellerin Schaden zugefügt habe.

Als Schiedsrichter benannte die Antragstellerin C. Die Antragsgegnerin nominierte B. Bei beiden handelt es sich um in New York ansässige U.S.-amerikanische Rechtsanwälte. Zum Vorsitzenden wurde Rechtsanwalt Vorname1 Vorname2 A bestellt, der ebenfalls in New York als U.S.-amerikanischer Rechtsanwalt und zudem in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen ist.

Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin im Kern vor, dass sie Kosten, die sich auf die jeweils veräußerten Geschäftsbereiche bezogen, vorsätzlich nicht offengelegt habe. Dadurch sei die Garantie in Ziffer 3.7 der Asset Purchase Agreements verletzt worden. Zudem bestehe ein Anspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung.

Das Schiedsverfahren wurde von beiden Seiten mit sehr hohem Aufwand geführt. Die Parteien reichten jeweils hunderte Seiten an Schriftsätzen ein, zudem 30 schriftliche Zeugenaussagen, sechs Sachverständigengutachten sowie hunderte Anlagen. In der neuntägigen Schiedsverhandlung wurden zunächst mehrstündige, auf Power Point-Folien gestützte Eröffnungsplädoyers gehalten und anschließend über mehrere Tage hinweg vier Parteisachverständige sowie 16 Zeugen gehört, die durch die Verfahrensbevollmächtigten der Parteien ins Kreuzverhör genommen sowie durch das Schiedsgericht befragt wurden.

Mit „Endschiedsspruch“ vom 10. August 2022 wies das Schiedsgericht die Klagen („claims“) der Antragstellerin zurück (Ziff. 1 des Tenors des „Schiedsspruchs“). Zugleich verurteilte das Schiedsgericht die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Kosten des Schiedsverfahrens in Höhe von € 1.025.025,30 zu erstatten (Ziff. 2 des Tenors). Überdies verurteilte das Schiedsgericht die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Rechtsverfolgungs- und sonstigen Kosten in Höhe von € 14.000.000,00 zu erstatten (Ziff. 3 des Tenors). Sämtliche weiteren Anträge und Forderungen wies das Schiedsgericht zurück (Ziff. 4 des Tenors).

Auf der letzten Seite des „Schiedsspruchs“ (S. 186) finden sich unter der Überschrift „The Arbitral Tribunal“ drei Unterschriftfelder für die Schiedsrichter C und D sowie den Vorsitzenden Schiedsrichter („President“) Vorname1 Vorname2 A, LL. M. Auf den entsprechenden Unterschriftszeilen finden sich die Unterschriften von D und Vorname1 Vorname2 A, LL. M. Der Schiedsrichter C unterschrieb den Schiedsspruch nicht. Unterhalb seines vorgedruckten Namens und der Bezeichnung „Co-Arbitrator“ findet sich der Klammerzusatz „signature could not be obtained“.

Ausweislich der Begründung des „Schiedsspruchs“ schloss sich das Schiedsgericht in Bezug auf die Auslegung des Inhalts der Garantie der engen Auslegung an, welche die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren vertreten hatte, und wies auf dieser Grundlage die Schiedsklage ab. Hilfsweise befasste sich das Schiedsgericht dann noch mit der Frage, ob die Antragsgegnerin dann, wenn die Garantie im Sinne des Vortrags der Antragstellerin (weit) auszulegen wäre, zusätzliche Kosten, die bei ihrer Berichtseinheit NPS angefallen waren (sog. „NPS-Kosten“), sowie zusätzliche Kosten für übergeordnete Konzernfunktionen (sog. „UF-Kosten“) in den Financial Fact Books nicht ausgewiesen und dadurch die Garantie verletzt habe. Auch auf dieser Grundlage seien die Ansprüche der Antragstellerin - so das Schiedsgericht weiter - umfassend abzuweisen.

Die Antragstellerin glich die in dem „Schiedsspruch“ zugunsten der Antragsgegnerin tenorierten Kostenforderungen unter Vorbehalt in voller Höhe aus.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der „Schiedsspruch“ beruhe auf einer wiederholten und evidenten Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

So habe das Schiedsgericht bei seiner Auslegung der Finanzinformationsgarantie Rechtsvortrag der Antragstellerin zum New Yorker Recht außer Acht gelassen. Nach New Yorker Recht sichere eine „Warranty“ das Vorliegen einer objektiven, überprüfbaren historischen Tatsache zu. Das Schiedsgericht habe der Antragsgegnerin stattdessen zugebilligt, subjektiv zu entscheiden, welche Kosten und Kostenkategorien offen zu legen seien. Dadurch habe es aus der Zusicherung einer objektiven Tatsache in Form konkreter Zahlen in den Financial Fact Books eine Zusicherung der subjektiven Meinung der Antragstellerin gemacht. Hätte das Schiedsgericht das Vorbringen der Antragstellerin zum New Yorker Recht berücksichtigt, hätte es - so die Antragstellerin weiter - wahrscheinlich entschieden, dass sich die Finanzinformationsgarantie auf „sämtliche Kosten“ erstrecke.

Überdies habe das Schiedsgericht zu der streitigen Auslegung der Finanzinformationsgarantie in Ziffer 3.7 (d) der Asset Purchase Agreements Tatsachenvortrag der Antragstellerin und Aussagen ihres Sachverständigen Herrn Es übergangen, ja sogar zu dieser Auslegung keine Entscheidung getroffen. Hätte es den übergangenen Vortrag berücksichtigt, hätte es - so die Antragstellerin weiter - wahrscheinlich entschieden, dass aus dem Erfordernis der „fairen Darstellung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes“ folge, dass die Antragstellerin „sämtliche Kosten“ habe offenlegen müssen.

Ferner habe das Schiedsgericht einzelne Aussagen von B während des Due Diligence Prozesses und Zeugenaussagen zur Maßgeblichkeit des tatsächlichen Betriebsmodells der Antragsgegnerin für die Auslegung des Inhalts der Finanzinformationsgarantie übergangen. Diese Beweismittel belegten, dass nach dem übereinstimmenden Parteiverständnis die Finanzinformationen in den Financial Fact Books entsprechend dem tatsächlichen Betriebsmodell der Antragsgegnerin darzulegen gewesen wären, „d.h. als Teil einer integrierten Mehrkulturen-Struktur und nicht als losgelöste Bereiche“. Daraus folge, dass die Antragsgegnerin sämtliche Kosten hätte offenlegen müssen, die den veräußerten Geschäftsbereichen in irgendeiner Art und Weise direkt oder indirekt zuzuordnen seien.

Darüber hinaus habe das Schiedsgericht Aussagen des Zeugen F übergangen. Dieser habe ausgesagt, die Antragstellerin habe die Zahlen in den Financial Fact Books so verstanden, dass diese die Ergebnisse der veräußerten Geschäftsbereiche innerhalb der Konzernstruktur der Antragsgegnerin abbildeten.

Überdies habe das Schiedsgericht gegen § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO verstoßen. Sei die Begründung für das Fehlen einer Unterschrift eines Schiedsrichters nicht nur unzureichend, sondern fehle gänzlich, sei schon kein wirksamer Schiedsspruch zustande gekommen. Sollte der Senat zu dem Ergebnis gelangen, dass der Schiedsspruch infolge der fehlenden Unterschrift ohne Nennung eines Grundes unwirksam sei und könnten Aufhebungsgründe deshalb nicht geltend gemacht werden, sei hilfsweise die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 11. November 2022, vom 8. Februar 2023 sowie vom 22. März 2023 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

den in dem ICC-Schiedsverfahren (Az.: ...) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter Vorname1 A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern D und C, am 10. August 2022 erlassenen Schiedsspruch, mit dem die Schiedsklage abgewiesen und die Antragstellerin zur Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von € 1.025.025,30 und weiteren Kosten in Höhe von € 14.000.000,00 verurteilt worden ist, aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass der in dem ICC-Schiedsverfahren (Az.: ...) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter Vorname1 A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern D und C, am 10. August 2022 erlassene Schiedsspruch, mit dem die Schiedsklage abgewiesen und die Antragstellerin zur Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von € 1.025.025,30 und weiteren Kosten in Höhe von € 14.000.000,00 verurteilt worden ist, unwirksam ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,

hilfsweise die Sache an das Schiedsgericht in dem Verfahren Nr. ... des Internationalen Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer, bestehend aus dem Schiedsrichter Vorname1 Vorname2 A als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern D und C, zurückzuverweisen.

Sie ist der Ansicht, der Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt worden. Im Übrigen entspreche der Schiedsspruch den formalen Anforderungen des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO und sei daher wirksam. Die Unterschrift des Schiedsrichters C sei für die Wirksamkeit des Schiedsspruchs nicht erforderlich, da der Grund für das Fehlen der Unterschrift angegeben sei. Die Angabe „signature could not be obtained“ genüge § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Hiernach müsse der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben werden. Diese Angabe liege vor: Die Unterschrift habe nicht erlangt werden können. Die Formulierung des Schiedsspruchs mache deutlich, dass die Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichts versucht habe, eine Unterschrift des beisitzenden Schiedsrichters C zu erlangen, bei diesem Versuch jedoch nicht erfolgreich gewesen sei.

Sollte der Senat die Angabe „signature could not be obtained“ jedoch als nicht ausreichend erachten, wäre - so die Antragsgegnerin weiter - der Schiedsspruch unwirksam und der Aufhebungsantrag zu Ziffer 1 aus diesem Grunde als unzulässig abzuweisen. Da dann kein wirksamer Schiedsspruch vorläge, wäre das Schiedsverfahren nicht beendet.

Wegen der näheren Einzelheiten der Argumentation der Antragsgegnerin wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 23. Januar 2023, vom 16. März 2023 sowie vom 13. April 2023 verwiesen.

II.

Der Aufhebungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig (1). Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag der Antragstellerin ist dagegen zulässig und begründet (2).

1. Der Senat ist für die Entscheidung über den Aufhebungsantrag gemäß den §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, da der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Frankfurt am Main und damit im Bezirk des hiesigen Oberlandesgerichts liegt.

Der „Endschiedsspruch“ vom 10. August 2022 stellt in der vorliegenden Fassung jedoch keinen der Aufhebung nach § 1059 ZPO zugänglichen Schiedsspruch dar.

Ob ein mit dem Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO angreifbarer Schiedsspruch vorliegt, ist eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozessvoraussetzung des Aufhebungsverfahrens (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27.05.2004 - III ZB 53/03 -, NJW 2004, 2226, 2227; OLG München, Beschluss vom 28.06.2006 - 34 SchH 11/05 -, juris; Geimer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 1059 ZPO, Rdnr. 1; K. Schmidt, JuS 2004, 926). Auch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1054 ZPO ist daher durch den Senat von Amts wegen zu prüfen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.06.2006 - 34 SchH 11/05 -, juris; Voit, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1059, Rdnr. 3).

Gemäß § 1054 Abs. 1 ZPO ist ein Schiedsspruch durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Die Unterschrift ist höchstpersönlich und eigenhändig zu leisten (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 24.07.2014 - 26 Sch 28/13 -, juris; OLG München, Beschluss vom 25.02.2013 - 34 Sch 12/12 -, SchiedsVZ 2013, 230, 233; Anders, in: dies./Gehle (Hrsg.), ZPO, 81. Aufl. 2023, § 1054, Rdnr. 3; Voit, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1054, Rdnr. 6).

In schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügt allerdings die Unterschrift der Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird (§ 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Dies bedeutet, dass ein Vermerk im Sinne des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO dann formell ordnungsgemäß ist, wenn er die Tatsache des Fehlens der Unterschrift und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind (s. Senat, Beschluss vom 24.07.2014 - 26 Sch 28/13 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 07.12.2022 - 101 Sch 76/22 -, juris).

Insoweit gilt im Rahmen des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anderes als bei § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO (in diesem Sinne bereits Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucksache 13/5274, S. 55: „Dass der Grund für die fehlende Unterschrift anzugeben ist, steht im Einklang mit der Regelung des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten.“): Ein Verhinderungsvermerk ist im Sinne des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO formell ordnungsgemäß, wenn er die Tatsache der Verhinderung und deren Grund angibt, ohne dass dabei detaillierte Angaben erforderlich sind (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 22.08.2007 - 4 AZN 1225/06 -, NJOZ 2007, 5257, 5259; BGH, Urteil vom 21.01.2016 - I ZR 90/14 -, GRUR 2016, 860, 861; BVerwG, Beschluss vom 09.07.2008 - 6 PB 17/08 -, NJW 2008, 3450; Saenger, in: ders. (Hrsg.), ZPO, 9. Aufl. 2021, § 315, Rdnr. 6; zu § 117 Abs. 1 Satz 3 VwGO so auch BVerwG Beschluss vom 15.12.2020 - 3 B 34/19 -, NVwZ-RR 2022, 86, 87). Unterschreibt hingegen etwa der Vorsitzende Richter eines Landgerichts ein Kammerurteil mit dem Vermerk „zugleich für die an der Unterschriftsleistung gehinderten Richterinnen“, so liegt nur ein der Zustellung nicht fähiger Urteilsentwurf vor, weil damit der Grund für die Ersetzung der Unterschriften entgegen § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht angegeben ist (s. BGH, Beschluss vom 18.04.1984 - IVa ZB 2/84 -, VersR 1984, 586). Ebenso wenig ist der Vermerk des Kammervorsitzenden, ein Handelsrichter sei „durch Abwesenheit an der Unterschrift verhindert“ eine ordnungsgemäße Angabe eines Verhinderungsgrundes im Sinne des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO (s. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.11.1995 - 12 U 231/94 -, juris; in diesem Sinne etwa auch Thole, in: Prütting/Wegen (Hrsg.), ZPO, 13. Aufl. 2021, § 315, Rdnr. 6: „Allgemeine Floskeln wie „Abwesenheit“ oder „Nichterreichbarkeit“ reichen nicht, da sie im Grunde nur die Verhinderung als solche kennzeichnen“; ebenso Hunke, in: Anders/Gehle (Hrsg.), ZPO, 81. Aufl. 2023, § 315, Rdnr. 17).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich auch aus einer teleologischen Auslegung kein anderes Ergebnis. § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO dient nicht allein der bloßen Abgrenzung des Schiedsspruchs zu einem Entwurf. Die Bestimmung des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO verfolgt vielmehr verschiedene Zwecke. Insbesondere soll die Vorschrift auch sicherstellen, dass die unterzeichnenden Schiedsrichter die persönliche und rechtliche Verantwortung für den Schiedsspruch (vgl. Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1054, Rdnr. 9) und insbesondere für dessen ordnungsgemäßes Zustandekommen übernehmen (vgl. Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1052, Rdnr. 10; in diesem Sinne bereits RG, Urteil vom 18.12.1896 - II. 241/96 -, RGZ 38, 410, 412). Darüber hinaus wird mit der Unterschrift dokumentiert, dass der Schiedsspruch auch dem Ergebnis der Beratungen in der Sache entspricht (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.02.2013 - 34 Sch 12/12 -, SchiedsVZ 2013, 230, 233; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1054, Rdnr. 9). All diese Normzwecke verliert die Antragsgegnerin aus dem Blick, wenn sie lediglich auf die Abgrenzung des Schiedsspruchs zu einer Entwurfsfassung abstellt.

Im Übrigen übersieht die Antragsgegnerin, dass der Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift im Einzelfall durchaus Bedeutung für ein späteres Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren zukommen kann. Zwar erfolgt in einem Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine inhaltliche Überprüfung des Verhinderungsgrundes (vgl. etwa Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1054, Rdnr. 17). Den Parteien steht es jedoch frei, sich in einem Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren auf den im Schiedsspruch angegebenen Grund für die fehlende Unterschrift zu berufen, wenn sich daraus Aufhebungsgründe ergeben sollten (vgl. etwa Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1052 Rdnr. 10, in Bezug auf Fehler bei der Art und Weise der Abstimmung; in diesem Sinne wohl auch RG, Urteil vom 18.12.1896 - II. 241/96 -, RGZ 38, 410, 412). So könnte beispielsweise die Angabe „Unterschrift konnte nicht erlangt werden, weil bei der Beratung abwesend“ in einem Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren von Relevanz sein, weil sie einen Beratungsmangel dokumentieren könnte.

Mit dem durch die Schiedsrichter zu wahrenden Beratungsgeheimnis hat die Auslegung des § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO nichts zu tun. Es ist Aufgabe der Schiedsrichter, einerseits einen den Anforderungen des § 1054 Abs. 1 ZPO genügenden Schiedsspruch zu erlassen und andererseits die jeweils einschlägigen Regeln über das Beratungsgeheimnis einzuhalten.

Auch eine historische Auslegung führt in Bezug auf § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu keinem anderen Ergebnis (vgl. die bereits oben zitierte Passage aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucksache 13/5274, S. 55). Soweit die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Vergleich zu § 1039 ZPO a.F. nach dem Willen des Gesetzgebers (nur) Erleichterungen enthalte, trifft dies nicht zu. Die entsprechende Erläuterung in der Gesetzesbegründung bezieht sich eben nicht lediglich auf § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO, sondern auf die Neufassung der Bestimmung des § 1054 ZPO im Ganzen. § 1054 ZPO brachte im Vergleich mit § 1039 ZPO a. F. in der Tat eine Reihe von Erleichterungen für die Nutzer der Schiedsgerichtsbarkeit: Beispielsweise wurde die nach § 1039 Abs. 3 ZPO a. F. vorgesehene Notwendigkeit der sogenannten Niederlegung des Schiedsspruchs bei dem zuständigen Gericht abgeschafft. Überdies verzichtet § 1054 ZPO - anders als § 1039 Abs. 3 ZPO a. F. - auf eine förmliche Zustellung (vgl. etwa Saenger, in: ders. (Hrsg.), ZPO, 9. Aufl. 2021, § 1054, Rdnr. 1). Darüber hinaus wurde in § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO erstmals auch die Ersetzung der Unterschrift des Vorsitzenden zugelassen. Zugleich wurden jedoch mit der inhaltlichen Anlehnung an § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Anforderungen von § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO teilweise gegenüber der Vorgängerregelung erhöht, indem nunmehr - anders als zuvor - auch ein Grund für eine fehlende Unterschrift anzugeben ist.

Selbst wenn man die Gesetzesbegründung - zu Unrecht - so verstehen wollte, dass deren Verfasser auch in Bezug auf § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Erhöhung der Anforderungen in den Blick genommen hätten, ist festzuhalten, dass eine derartige Vorstellung im Gesetz ggf. keinen Niederschlag gefunden hat. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist jedoch der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.11.2019 - XI ZR 650/18 -, NJW 2020, 461, 463). Dies bedeutet, dass die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.10.2017 - I ZR 172/16 -, NJW-RR 2018, 106, 110; Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 67/18 -, NJW 2019, 3065, 3071; Beschluss vom 23.03.2022 - 6 StR 63/22 -, NStZ 2022, 432, 433).

Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben, fehlt es im Streitfall an der erforderlichen Angabe eines Grundes für das Fehlen der Unterschrift. Aus dem maschinenschriftlichen Vermerk „signature could not be obtained“ geht nur hervor, dass eine Unterschrift nicht erlangt werden konnte. Offen bleibt hingegen die Frage, warum die Unterschrift des Schiedsrichters C nicht erlangt werden konnte. Insbesondere ist weder ersichtlich, ob dem Schiedsrichter C die Unterschriftsleistung aus einem bestimmten Grund (wie Krankheit, Urlaubsabwesenheit etc.) nicht möglich war oder ob er die Unterschriftsleistung verweigert hat. Mit anderen Worten: Der maschinenschriftliche Vermerk gibt lediglich die Tatsache der fehlenden Unterschrift, nicht aber deren Grund an (zu denkbaren Gründen für das Fehlen einer Unterschrift vgl. die beispielhafte Aufzählung bei Bantekas, in: ders./Ortolani/Ali/Gomez/Polkinghorne (Hrsg.), UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, 2020, S. 814).

Damit fehlt es wegen der unzureichenden Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift im Streitfall an der erforderlichen Anzahl an Unterschriften (§ 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Vor dem Hintergrund der unzureichenden Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift kann offenbleiben, ob der maschinenschriftliche Vermerk „signature could not be obtained“ auch deswegen unzureichend ist, weil dieser nicht gesondert unterschrieben ist. Zu der mit § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Ausgangspunkt vergleichbaren Bestimmung des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO („Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt.“) ist anerkannt, dass der den Verhinderungsgrund angebende Vermerk gesondert zu unterschreiben ist, so dass zwei Unterschriften (nämlich unter dem Urteil und unter dem Vermerk) zu leisten sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27.01.2021 - 1 StR 495/20 -, NStZ-RR 2021, 183, 184; Beschluss vom 14.12.2021 - 6 StR 514/21 -, NStZ 2022, 510; Meyer-Goßner, NStZ 1988, 529, 537). Gegen die Übertragbarkeit dieses Gedankens auf § 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO könnte sprechen, dass diese Bestimmung - anders als etwa § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO in Bezug auf die Frage der Verhinderung - keine Vorgaben zu der Frage macht, wer den Grund für die fehlende Unterschrift anzubringen hat. Allerdings dürfte zumindest zu verlangen sein, dass aus dem Schiedsspruch ersichtlich ist, wer die Verantwortung für die Angabe des Verhinderungsgrundes übernommen hat.

Das Fehlen der erforderlichen Anzahl an Unterschriften stellt indes im Streitfall keinen Aufhebungsgrund im Sinne des § 1059 Abs. 2 ZPO dar. Dem in Rede stehenden Dokument mangelt es an der in den Unterschriften ausgedrückten Anerkennung als finales Ergebnis durch das Schiedsgericht. Da die Regelungen der Förmlichkeiten in § 1054 Abs. 1 ZPO zwingend sind (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 22.06.2009 - 34 Sch 26/08 -, SchiedsVZ 2010, 169, 172; Beschluss vom 30.09.2020 - 34 Sch 13/18 -, BeckRS 2020, 25424; Anders, in: dies./Gehle (Hrsg.), ZPO, 81. Aufl. 2023, § 1054, Rdnr. 3), ist das Dokument demnach nicht als Schiedsspruch im Sinne des 10. Buches der Zivilprozessordnung zu betrachten. Folglich ist ein Antrag nach § 1059 Abs. 1 ZPO erst ab Nachholung der Unterschrift (oder einer Angabe des Grundes in hinreichender Form für das Fehlen der Unterschrift) statthaft. Vor diesem Zeitpunkt ist er als unzulässig zu verwerfen (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 28.06.2006 - 34 SchH 11/05 -, juris; Beschluss vom 25.02.2013 - 34 Sch 12/12 -, SchiedsVZ 2013, 230, 233; Wilske/Markert, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, 47. Edition, Stand: 01.12.2022, § 1054, Rdnr. 10a; Geimer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 1054 ZPO, Rdnr. 2; Schütze, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 1054, Rdnr. 8; in diesem Sinne für § 1039 ZPO a. F. auch BGH, Urteil vom 11.10.1979 - III ZR 25/77 -, juris).

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt im Streitfall eine Aufhebung auch nicht etwa deswegen in Betracht, weil der von zwei Schiedsrichtern unterzeichnete „Schiedsspruchs“ den Anschein eines ordnungsgemäßen Schiedsspruchs im Sinne des § 1054 ZPO erwecken könnte.

Zwar hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Falle einer in der Satzung eines Vereins enthaltene Ehrenratsordnung, die keine gültige Schiedsordnung darstellte, von einem „Scheinschiedsspruch“ gesprochen, der dann, wenn die Gegenpartei ihn für wirksam halte und daraus Rechte herleite, jedenfalls zur Klarstellung im Verfahren nach § 1062 ZPO aufzuheben sei, auch wenn er nicht für vollstreckbar erklärt werden und deshalb auch nicht Grundlage von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein könne. Das berechtigte Interesse einer Partei, einen mangels gültiger Schiedsordnung ohne Rechtsgrundlage ergangenen Schiedsspruch aufgehoben zu sehen, sei in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO vorausgesetzt (s. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2001 - 3 Sch 2/00 -, juris).

Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Wie oben bereits ausgeführt, ist es vielmehr eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozessvoraussetzung des Aufhebungsverfahrens, ob ein mit dem Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO angreifbarer Schiedsspruch vorliegt, der die formalen Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1 ZPO erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2004 - III ZB 53/03 -, NJW 2004, 2226, 2227; Geimer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 1059 ZPO, Rdnr. 1). Daran fehlt es hier jedoch.

2. Der von der Antragstellerin hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist zulässig (a) und begründet (b).

a. Zwar fehlt für eine auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Schiedsspruchs gerichtete Klage angesichts der Antragsmöglichkeit nach § 1059 ZPO grundsätzlich das rechtliche Interesse gemäß § 256 ZPO (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 1059 ZPO, Rdnr. 24). Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass ein Antrag nach § 1059 ZPO gerade unzulässig ist, weil gar kein wirksamer Schiedsspruch im Sinne des § 1054 ZPO vorliegt. Steht in einem derartigen Fall - wie hier - die Antragsgegnerin trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1 ZPO auf dem Standpunkt, dass es sich um einen formwirksamen Schiedsspruch handelt, so ist ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs zulässig (vgl. Voit, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1059, Rdnr. 3). Für einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs ist in entsprechender Anwendung des § 1062 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 ZPO das Oberlandesgericht zuständig (vgl. Voit, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1059, Rdnr. 3; für die vergleichbare Fallkonstellation eines Antrags auf Nichtanerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs vor Einleitung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens in diesem Sinne auch BGH, Beschluss vom 09.03.2023 - I ZB 33/22 -, juris).

b. Der Feststellungsantrag ist auch begründet, da der angebliche „Schiedsspruch“ - wie oben erläutert - (derzeit) unwirksam ist.

3. Auf die von der Antragstellerin gerügten vorgeblichen Verstöße gegen das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör kommt es nach alledem nicht an.

4. Die von der Antragsgegnerin hilfsweise beantragte Zurückverweisung an das Schiedsgericht kommt von Rechts wegen nicht in Betracht; für eine solche Zurückverweisung besteht auch kein praktisches Bedürfnis.

Ist die Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs beantragt worden, so kann das Oberlandesgericht gemäß § 1059 Abs. 4 ZPO in geeigneten Fällen auf Antrag einer Partei unter Aufhebung des Schiedsspruchs die Sache an das Schiedsgericht zurückverweisen. Auch § 1059 Abs. 4 ZPO setzt jedoch einen der Aufhebung nach § 1059 ZPO zugänglichen Schiedsspruch voraus. Wie gezeigt, fehlt es daran im Streitfall jedoch. Das Schiedsverfahren ist hier noch nicht abgeschlossen, da der dritte Schiedsrichter den „Endschiedsspruch“ weder unterschrieben hat noch in hinreichender Form der Grund für die fehlende Unterschrift angegeben worden ist. Von einer Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne des § 1056 ZPO kann daher hier keine Rede sein.

Die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze beider Seiten vom 13. April 2023 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens entspricht dem Hauptsachewert des Schiedsspruchs und wird im Streitfall gemäß § 39 Abs. 2 GKG auf € 30.000.000,- begrenzt.

stats