R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
23.08.2018
Wirtschaftsrecht
OLG Stuttgart: Unwirksame Kündigungsklausel in AGB-Bausparverträgen

OLG Stuttgart, Urteil vom 2.8.20182 U 188/17

Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1985-3

Amtlicher Leitsatz

Die in Bausparverträgen verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung,

"Die Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag vor Auszahlung des Bauspardarlehens zu kündigen, wenn (...)

b) seit dem 1. des Monats, in dem der Bausparvertrag geschlossen wurde, mindestens 15 Jahre vergangen sind und die Bausparkasse dem Bausparer mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat."

ist gemäß § 307 BGB unwirksam, da sie den Bausparer auch bei Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Bausparkasse und der Gemeinschaft der Bausparer unangemessen benachteiligt.

Sachverhalt

I.

Der Kläger bekämpft eine AGB-Klausel der Beklagten, gestützt auf das UKlaG.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2017 (Az.: 11 O 218/16) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt, es zu unterlassen, die AGB-Klausel

 „Die Bausparkasse ist berechtigt, einen Bausparvertrag vor Auszahlung des Bauspardarlehens zu kündigen, wenn

 (...)

b) seit dem 1. des Monats, in dem der Bausparvertrag abgeschlossen wurde, mindestens 15 Jahre vergangen sind und die Bausparkasse dem Bausparer mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hat.“

oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Bausparverträgen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen.

Das Landgericht führt hierzu aus:

Die angegriffene Klausel § 14 Abs. 1 b) ABB sei nicht bereits gemäß § 309 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie weiche nicht von einer gesetzlichen Obliegenheit ab, zu mahnen oder eine Frist zu setzen.

Sie verstoße jedoch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB aus dem Gesichtspunkt der Vertragszweckgefährdung. Eine geltungserhaltende Reduktion sei verboten, so dass die Klausel insgesamt unwirksam sei.

Ein jederzeitiges Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB sei für die Zeit der Ansparphase bei Bausparverträgen regelmäßig stillschweigend abbedungen (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 24 f.) und so auch hier.

Das gesetzliche Kündigungsrecht in § 489 BGB sehe jedoch für den von § 14 Abs. 1 b) ABB erfassten Fall der fehlenden Zuteilungsreife (vgl. LGU Ziff. III. 2. b der Entscheidungsgründe) kein Kündigungsrecht und für den von § 14 Abs. 1 b) ABB ebenfalls erfassten Fall der unterbliebenen Annahme der Zuteilung (vgl. dort Ziff. III. 2. a) in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Kündigungsrecht erst 10 Jahre nach Erlangung der erstmaligen Zuteilungsreife vor (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 76 ff.).

§ 314 Abs. 1 BGB, der ein weiteres Kündigungsrecht vor Zuteilungsreife eröffne, setze einen wichtigen Grund sowie gemäß § 314 Abs. 2 BGB den Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder eine Abmahnung voraus. Diese Kündigungsmöglichkeit erweitere § 14 Abs. 1 b) ABB, was noch nicht per se unangemessen sei (§ 5 Abs. 3 Nr. 7 BauSparkG; Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 62).

Die gebotene umfassende Würdigung der betroffenen Interessen führe hier zu einer Unangemessenheit (vgl. zum Maßstab BGH, Urteile vom 01.02.2005 - X ZR 10/04, Rn. 36; vom 24.03.2010 - VIII ZR 178/08, Rn. 26 und vom 17.04.2012 - X ZR 76/11, Rn. 10). Auszugehen sei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.1986 -VIII ARZ 4/85, Rn. 15). Der generelle Prüfungsmaßstab schließe es nicht aus, Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps oder Unterschiede in den Interessenlagen zu berücksichtigen, soweit diese verallgemeinerungsfähig und typisierbar seien.

Bausparen sei nach § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und § 3 BauSparkG sowie der Präambel der ABB ein zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen ein Darlehen beanspruchen zu können ohne eine Pflicht, das Bauspardarlehen tatsächlich in Anspruch zu nehmen (§ 5 ABB). Der Bausparer erwerbe eine Option, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, habe aber einen Zuteilungsanspruch nur nach Maßgabe einer ausreichenden Zuteilungsmasse (§ 4 Abs. 5 BauSparkG; BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 29 f.).

Eine Befugnis der Bausparkasse, sich von Verträgen lösen zu können, die nach Erreichen der Zuteilungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist von der Ansparphase in die Darlehensphase übergeleitet worden seien, deren Ansparphase also deutlich länger andauere, als es nach den verschiedenen Tarifen der ABB vorgesehen sei, liege im Interesse der Beklagten und auch des Bausparkollektivs.

Darüber hinaus müssten die ABB gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 BauSparkG Bestimmungen enthalten, welche die Erfüllbarkeit der von der Bausparkasse übernommenen Verpflichtungen dauerhaft gewährleistet erscheinen ließen.

Auch die Zinsstruktur sei unter dem Gesichtspunkt, die Liquidität der Bausparkasse aufrechtzuerhalten, zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 60 ff.). Die nachhaltige Sicherung der kollektiven Liquidität sei entscheidend für die erteilte Genehmigung der BaFin, die jedoch für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Klausel ohne Bewandtnis sei.

Der Bausparer habe ein Interesse daran, das Bauspardarlehen zu erlangen und nach Erlangung der Zuteilungsvoraussetzungen die Annahme der Zuteilung zu einem Zeitpunkt zu erklären, in dem er das Darlehen tatsächlich benötige oder hierfür eine Verwendung habe. Ihm sei eine gewisse Flexibilität und Überlegungszeit bezüglich der Ausübung der erworbenen Darlehensoption zuzubilligen (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017, XI ZR 185/16, Rn. 30).

Die angegriffene Klausel knüpfe nicht an den Zeitpunkt der Erlangung der Zuteilungsreife, sondern an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an und ermögliche der Beklagten auf diese Weise eine Kündigung 15 Jahre nach Vertragsbeginn, gleichviel ob Zuteilungsreife eingetreten sei und die Zuteilung erfolgt sei. In der längsten Tarifvariante blieben dem Bausparer noch ca. 4,5 Jahre Bedenkzeit ab der erstmaligen Zuteilungsreife bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte nach § 14 Abs. 1 b) ABB erstmalig zur Kündigung berechtigt sei.

Hierin liege eine Abweichung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, der den Bausparkassen ein gesetzliches Kündigungsrecht 10 Jahre nach Erlangung der erstmaligen Zuteilungsreife einräume (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, Rn. 76 ff.). Ob die Frist von 10 Jahren einen gesetzgeberischen Grundgedanken wiedergebe, könne offenbleiben. Sie sei zwar eine Obergrenze, wie der Gesetzeswortlaut („in jedem Fall“) zeige und könne als solche in ABB auch verkürzt werden. Sie könne aber jedenfalls als Anhaltspunkt dafür dienen, was der Gesetzgeber als angemessen angesehen habe.

Die angegriffene Klausel verkürze diese Frist in der längsten Tarifvariante um mehr als die Hälfte und damit unangemessen. Den Interessen des Bausparers an einer flexiblen Handhabung und hinreichender Überlegungszeit für die wohnwirtschaftliche Verwendung des Darlehens werde mit einer nur ca. 4½-jährigen Bedenkzeit vor dem Hintergrund der Bedeutung, Komplexität und Tragweite einer wohnungswirtschaftlichen Entscheidung, die im Leben regelmäßig einmalig sei, nicht angemessen Rechnung getragen.

Auch sei die Klausel in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2012 - VIII ZR 337/11, Rn. 16) nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Es sei unangemessen, dass der Bausparer nach der Ankündigung der Kündigungsabsicht keine Möglichkeit habe, die Kündigung durch die Erklärung der Annahme der Zuteilung noch abzuwenden. Dies benachteilige zumindest den Bausparer unangemessen, der eine angebotene Zuteilung nicht angenommen habe. Es gehöre zum Grundgedanken des Rechts der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen, dass diese eine Abmahnung oder eine Abhilfeaufforderung voraussetze. Dies ergebe sich aus § 314 Abs. 2 BGB.

Wie die Beklagte in der Praxis agiere, sei für die rechtliche Beurteilung ohne Belang (vgl. Erman, BGB, 14. Aufl., 2014, § 307 BGB Rn. 5). Auch wenn § 309 Nr. 4 BGB nicht einschlägig sei, schließe dies die Prüfung am Maßstab der allgemeinen unangemessenen Benachteiligung nicht aus (BGH, Urt. v. 24.07.2008 - VII ZR 55/07, Rn. 38).

Hier habe der Bausparer, der eine angebotene Zuteilung nicht angenommen habe, nicht gegen eine Vertragspflicht verstoßen. Eine Abwendungsmöglichkeit zu geben, sei der Beklagten zumutbar, so indem sie eine Abwendungsfrist setze und klar verdeutliche. Dies ergebe sich aus einem Erst-recht-Schluss. Zum anderen diene die der Beklagten in § 14 Abs. 1 b) ABB eingeräumte Kündigungsmöglichkeit dem Interesse der Bausparkasse und des Bausparkollektivs, sich von Verträgen zu lösen, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist von der Anspar- in die Darlehensphase überführt würden. Wolle aber der Bausparer nach Mitteilung der Kündigungsabsicht den Vertrag doch noch in die Darlehensphase überführen, so sei das Interesse der Bausparkasse bedient und ein darüberhinausgehendes Interesse an einer Kündigung nicht erkennbar.

Auf Konstellationen, in denen eine Pflichtverletzung des Bausparers vorliege, komme es hier nicht an. Das Landgericht weist jedoch darauf hin, dass auch hier regelmäßig eine Abmahnung und eine Abhilfefrist erforderlich sei.

Die angegriffene Klausel sei auch intransparent. Die formal-sprachliche Transparenz des § 14 Abs. 1 b) ABB stehe vorliegend nicht in Frage, die inhaltliche i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sei jedoch nicht gegeben. Durch die doppelte Verwendung des Wortes „mindestens" gehe aus § 14 Abs. 1 b) ABB nicht klar und verständlich hervor, wann erstmals mit einer Kündigungsabsichtsmitteilung, mit der eigentlichen Kündigung und letztlich mit dem Wirksamwerden der Kündigung gerechnet werden könne.

Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 b) ABB sei bspw. eine Konstellation denkbar, in der bereits kurz nach Vertragsschluss („mindestens 6 Monate vor Ausspruch der Kündigung") die Kündigungsabsicht mitgeteilt und die eigentliche Kündigung - wenn die Beklagte ihrer bloßen Absichtserklärung dann auch tatsächlich folge und bis dahin die Auszahlung des Bauspardarlehens nicht erfolgt sei - erst nach 15 Jahren Vertragslaufzeit (zurückgerechnet auf den 1. des Monats des Vertragsabschlusses) ausgesprochen werde.

Auch könne die Beklagte 20 Jahre seit dem 1. des Monats des Vertragsschlusses verstreichen lassen, anschließend ihre Kündigungsabsicht mitteilen und erst nach weiteren 11 Monaten die Kündigung aussprechen.

Zu welchem Zeitpunkt die Kündigung wirksam werden solle, regele § 14 Abs. 1 b) ABB überhaupt nicht, da die Klausel nur auf den Ausspruch der Kündigung abstelle, nicht aber Aussagen zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung treffe.

Der durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr habe die Beklagte nicht beseitigt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.

Sie bringt vor:

Das Landgericht verkenne insbesondere die Zwecksetzung der als „gesetzliche Leitbilder" herangezogenen §§ 489 Abs. 1 Nr. 2; 314 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das angegriffene Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

Der Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil im Kostenpunkt aufzuheben, es im Übrigen abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und hält an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest. Zudem verweist er auf ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.06.2018 - 17 U 131/17.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug nimmt der Senat Bezug auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 05. Juli 2018. Der BaFin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

 

Aus den Gründen

 

II.

 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffene AGB-Klausel, deren Verwendung als solche durch die Beklagte zwischen den Parteien ebenso unstreitig ist wie die Klagebefugnis des Klägers und deren gerichtlicher Überprüfung die Genehmigung der einschlägigen ABB der Beklagten durch die BaFin nicht entgegensteht (BGHZ 212, 363, bei juris Rz. 11, m.w.N.) ist unzulässig; die durch die Verwendung geschaffene Wiederholungsgefahr ist - wie vom Landgericht erkannt - nicht entfallen. Die Klausel verstößt zwar - wie vom Landgericht erkannt - nicht gegen § 309 Nr. 4 AGB, noch - dies entgegen der Ansicht des Landgerichts - gegen einen aus § 314 Abs. 2 BGB zu entnehmenden Grundgedanken (dazu 1.), noch benachteiligt sie wegen fehlender Hinweise den betroffenen Verbraucher unangemessen (dazu 2.). Aber die Klausel verkürzt die Überlegungsfrist des Bausparers und verschiebt so das Vertragsgefüge unangemessen, darüber hinaus eröffnet sie Manipulationsmöglichkeiten; sie verfällt daher dem vom Landgericht ausgesprochenen Verdikt des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB (dazu 3.). Ob sie darüber hinaus intransparent ist, lässt der Senat offen; darauf kommt es nicht entscheidend an.

 

1.

 

Dem Landgericht ist nicht darin zu folgen, dass die angegriffene Klausel den Verbraucher (Bausparer) schon deshalb dem Grundgedanken des § 314 Abs. 2 BGB zuwider unangemessen benachteilige, weil das in ihr vorgesehene Kündigungsrecht der Bausparkasse weder unter den Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist, noch unter ein Abmahnerfordernis stellt.

 

a)

 

Nicht jede Kündigung erfordert eine vorherige Abmahnung oder eine Abhilfefrist. Beides ist auf die Fälle zugeschnitten, in denen der eine Teil seine Vertragspflichten nicht erfüllt und der andere daher anlassbezogen (namentlich aus wichtigem Grund; § 314 BGB) kündigt. § 314 Abs. 2 BGB setzt ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal voraus: „Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag (...)‘“. Das grundsätzliche Erfordernis zur Abmahnung bzw. zur Abhilfemöglichkeit soll die Härte des fristlosen Vertragsendes kompensieren und auf die Fälle besonders gravierenden oder hartnäckigen Fehlverhaltens eingrenzen.

 

Eine ordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses auszusprechen, steht grundsätzlich im freien Belieben jeder Vertragspartei; eines rechtfertigenden Grundes bedarf sie hierfür abseits hier nicht einschlägiger gesetzlicher Sonderregelungen, wie sie beispielsweise im Wohnraummietrecht und im Arbeitsrecht bestehen, nicht. Die ordentliche Kündigung ist bei Dauerschuldverhältnissen (ein solches ist auch ein Bausparvertrag) ein vertragliches und vertragstypimmanentes Recht, das die Parteien davor bewahrt, eine Vertragsbeziehung ad infinitum fortsetzen zu müssen. Dieses Recht kann bis an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen von den Vertragsparteien autonom ausgestaltet werden; zur Wahrung der berechtigten Interessen seines Vertragspartners muss der Kündigende bei der ordentlichen Kündigung eine Kündigungsfrist einhalten; diese soll dem Kündigungsempfänger Zeit geben, sich auf die neue rechtliche Situation vorzubereiten.

 

Da das ordentliche Kündigungsrecht nicht erst im Zusammenhang mit einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen des anderen Teils ausgeübt werden darf, geht die Annahme fehl, es bestehe ein gesetzliches Leitbild dahin, dass jedwede Kündigung in aller Regel eine Abmahnung und die Möglichkeit zu einer Abhilfe erfordere.

 

Der stillschweigende Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts bei Bausparverträgen aus dem Charakter sowie dem Sinn und Zweck des Vertrages heraus, beeinflusst dieses Ergebnis nicht. Er ist vertraglicher Natur und gibt daher keinen Hinweis auf ein gesetzliches Leitbild in § 314 BGB.

 

b)

 

Das Landgericht berücksichtigt bei seiner Entscheidung nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein zwingendes und unabdingbares Kündigungsrecht des Darlehensnehmers (in der Ansparphase des Bausparvertrages) vorgegeben hat (BGHZ 214, 94, bei juris Rz. 62), das nicht an eine Abmahnung oder irgendwie geartete Abhilfemöglichkeit gekoppelt ist.

 

c)

 

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Grundentscheidung für den Fall, dass die Parteien für ein Darlehenskündigungsrecht eine andere Frist als 10 Jahre vereinbaren, dahin hätte verändern wollen, dass dann § 314 Abs. 2 BGB einschlägig sein sollte, sind nicht ersichtlich. Eine derartige Differenzierung wäre auch sachfremd und insbesondere nicht durch einen Schluss a maiore ad minus getragen. Durch die Fristverkürzung wandelt sich eine Kündigung nicht von einer ordentlichen in eine aus einem vom anderen Teil zu verantwortenden Grund herrührende um.

 

2.

 

Soweit das Landgericht eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers aus dem Fehlen von Hinweisen auf Rechte, Gestaltungs- oder Reaktionsmöglichkeiten herleitet, ist ihm nicht zuzustimmen. Es obliegt im Grundsatz jeder Vertragspartei selbst, sich über ihre rechtlichen Möglichkeiten und das für sie wirtschaftlich sinnvolle Verhalten klar zu werden und sich erforderlichenfalls Rat einzuholen. Hingegen ist es grundsätzlich nicht die Aufgabe einer Vertragspartei, die Interessen ihres Vertragspartners zu wahren und ihn über allfällige Verhaltensoptionen aufzuklären. Ausnahmen hiervon bestehen dort, wo das Gesetz sie ausdrücklich anordnet und dort, wo der Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise ein anderes gebietet. Vereinbaren die Parteien in einem Dauerschuldverhältnis ein Kündigungsrecht, so ergibt sich daraus nach dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Obliegenheit des einen Teils, den anderen darüber aufzuklären, wie er das Kündigungsrecht beseitigen oder eine Kündigungserklärung abwenden kann.

 

3.

 

Die angegriffene Klausel verstößt jedoch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB, indem sie die Überlegungs- und Entscheidungsfrist des Bausparers darüber, ob das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen will, bezogen auf das gesetzliche Leitbild verkürzt und den Bausparer dadurch auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Bausparkasse und der Gemeinschaft der Bausparer unangemessen benachteiligt. Dies hat das Landgericht unter eingehender und zutreffender Wiedergabe des hierfür maßgebenden rechtlichen Rahmens richtig entschieden. Es hat hierbei insbesondere nicht das gesetzliche Leitbild verkannt, welches aus §§ 488 Abs. 3, 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu entnehmen ist.

 

a)

 

Auf das Vertragsverhältnis findet gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB seit dem 01. Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 Anwendung, soweit hier von Belang.

 

b)

 

Der § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Schutznorm zugunsten des Darlehensnehmers, und die dort statuierte Zehnjahresfrist für die Kündigung eines Darlehens mit gebundenem Zinssatz stellt keine starre Mindestfrist dar, so dass Abweichungen von dieser Frist zugunsten des Darlehensschuldners nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind (vgl. zur Berechnung BGHZ 214, 94 = BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16, bei juris Rz. 76 ff.).

 

c)

 

Gleichwohl enthält, was das Landgericht gleichfalls gesehen hat, § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dieser Frist eine in die Beurteilung der Frage, ob eine in AGB vereinbarte kürzere Frist den Bausparer unangemessen benachteiligt, einzubeziehende Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, die im Lichte der §§ 488 Abs. 3, 490 Abs. 3, § 314, 313 Abs. 3 BGB zu würdigen ist.

 

aa)

 

Zurecht verankert das Landgericht seine Abwägung der von ihm zutreffend erkannten Interessen im zeitlichen Anknüpfungspunkt der angegriffenen Klausel. Indem diese nicht an die Zuteilungsreife, sondern an den ersten Tag des Kalendermonats abstellt, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde, kommt sogar eine Kündigung vor Zuteilungsreife in Betracht, was der Beklagten die Möglichkeit gäbe, die Darlehensanwartschaft (oder Option) des Bausparers einseitig zu beseitigen und damit seine Vorleistung während der Ansparphase zweckfremd zu entwerten. Dabei handelt es ich freilich nur um Ausnahmefälle. Soweit eine Vertragspflichtverletzung des Bausparers die Zuteilungsreife bis 15 Jahre nach Vertragsschluss verhindert haben sollte, ist er nicht schutzwürdig.

 

Anders verhält es sich, wenn die Parteien eine Abrede dahin getroffen haben, dass der Regelsparbeitrag ausgesetzt wird und die Zuteilungsreife sich dadurch so lang verschiebt, dass die Klausel griffe.

 

Ob diese atypischen Fallkonstellationen ausreichen könnten, die angegriffene Klausel zu Fall zu bringen, kann indes dahinstehen.

 

bb)

 

Denn dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass allein die unstreitige Möglichkeit der Beklagten mit Hilfe des § 14 Abs. 1 b) ihrer streitgegenständlichen ABB die Überlegungs- und Entscheidungszeit des Bausparers in der längsten Tarifvariante auf ca. 4,5 Jahre ab der bei regulärem Verlauf eintretenden Zuteilungsreife zu verkürzen, eine unangemessene Abweichung zum Nachteil des Bausparers gegenüber der aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB erkennbaren Wertung des Gesetzgebers darstellt.

 

(1)

 

Die Unangemessenheit dieser Abweichung gründet nicht in erster Linie in der vom Landgericht zutreffend aufgezeigten prozentualen Abweichung von über 50% zu Lasten des Bausparers in dieser längsten Tarifvariante. Zurecht setzt das Landgericht diese Frist in Bezug zum Zweck des Vertrages: einer wohnungswirtschaftlichen Nutzung des Darlehensanspruchs. Dabei ist zu bedenken, dass der Bausparer häufig beim Abschluss des Bausparvertrages noch keine festen Pläne für den Einsatz des Darlehens (oder auch seines angesparten Guthabens) hat. Denn er kann im Voraus nicht sicher vorhersehen, wann der Bausparvertrag zugeteilt und ein Darlehen ggf. ausbezahlt wird. Die Bausparkasse verspricht ihm beim Vertragsschluss kein festes Zuteilungsdatum (vgl. auch BGHZ 214, 94, bei juris Rz. 87, u.H. auf Herresthal, ZIP 2016, 1257, 1263; Mülbert/Schmitz in Festschrift Horn, 2006, S. 777, 787 f.) und insbesondere in Perioden stark steigender Kapitalmarktzinsen kann sich zu Zuteilung signifikant verschieben.

 

Selbst dies außer Acht gelassen, erstreckt sich die Ansparphase regelmäßig über etliche Jahre (hier bis über 10 Jahre hinaus). Über einen solchen Zeitraum ist eine feste Lebensplanung nicht möglich. Zwar kann der Bausparer sich schon beim Vertragsschluss einen Plan zurechtlegen, was er mit dem Bauspardarlehen angehen möchte. Ob dieser etwa ein Jahrzehnt später noch so fortbesteht und die vorhergesehene Maßnahme noch möglich und sinnvoll ist, ist ungewiss. So können beispielsweise unvorhergesehene Veränderungen der Lebensumstände des Bausparers, das Fehlen geeigneter Objekte, stark gestiegene Preise am Immobilienmarkt oder ein grundlegend verändertes Zinsniveau für die Restfinanzierung Gründe dafür sein, eine wohnwirtschaftliche Maßnahme über Jahre hinaus zu verschieben.

 

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine nicht unbedeutende Zahl an Bausparern, anders als vom Landgericht angenommen, nicht nur einmal in ihrem Leben eine Immobilie kauft und dass darüber hinaus ein Bausparvertrag auch für eine Renovierung eingesetzt werden kann, wie sie bei Immobilien immer wieder anfallen.

 

(2)

 

Diese Umstände liegen zwar in der Sphäre des Bausparers, die Bausparkasse muss sich aber billigerweise auf sie einlassen, weil sie einem Bausparverhältnis mit seinen rechtlichen und historischen Besonderheiten wesensimmanent sind und den Wert der gegenseitigen Vertragsleistungen von Anfang an erkennbar und wesentlich beeinflussen. Mit dem Vertragsschluss nimmt die Bausparkasse für sich und für die Gemeinschaft der Bausparer die Vorteile einer langfristigen Bindung des Bausparers sowie einer über Jahre dauernden, nach ihren Bedürfnissen von ihr verlängerbaren Ansparphase in Anspruch. Sie muss daher dem Bausparer billigerweise einen gleichlangen Spieß belassen. Zwar gilt im Vertragsrecht der Grundsatz, dass die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung allein den Parteien obliegt. Und es ist den Gerichten auch untersagt, unter Verweis auf eine unausgewogene Leistungsbestimmung Korrekturen an einem Vertrag vorzunehmen; lediglich die zurückhaltend zu behandelnden Grundsätze aus §§ 242, 138, 226 BGB ziehen der Privatautonomie insoweit Grenzen. Für den Bausparvertrag gilt jedoch aus der historischen Entwicklung heraus und im BauSparkG festgelegt vertragszweckbezogen anderes.

 

Der Bausparer ist danach auch nicht auf die Wahlmöglichkeit beschränkt, entweder das ihm mit der Zuteilung offenstehende Darlehen unverzüglich anzunehmen oder den Vertrag aufzulösen. Aufgrund der beschriebenen Unsicherheiten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses widerspräche eine solche Beschränkung seinen für beide Teile erkennbaren berechtigten Interessen.

 

(3)

 

Außerdem wird das vertragliche Austauschverhältnis zu Lasten des Bausparers verschoben, wenn er zwar selbst der Bausparkasse über mehr als 10 Jahre ein anwachsendes Darlehen gewährt, diese ihm dann aber schon in mittlerer Frist seinen Darlehensanspruch entwinden kann.

 

(4)

 

Zurecht weist das Landgericht auch darauf hin, dass die angegriffene Klausel dem Bausparer nach der Ankündigung einer Kündigung keine Möglichkeit gäbe, die Kündigung durch die Erklärung der Annahme der Zuteilung noch abzuwenden, obwohl dies der Bausparkasse zumutbar wäre, schon weil dadurch nur der vertraglich vorgesehene Übergang von der Ansparphase in die Darlehensphase initiiert würde.

 

(5)

 

Nur eine Randerwägung und für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung ist der Umstand, dass die angegriffene Klausel der Bausparkasse selbst nach einer nicht angenommenen Zuteilung in die Hand gäbe, darüber zu entscheiden, ob der Bausparer sein vertraglich vorgesehenes Darlehen erhält. Verzögert sich die Auszahlung des Darlehens, bis die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist, so kann die Bausparkasse nach dem Wortlaut der Klausel kündigen. Daran hat sie aber regelmäßig kein Interesse.

 

III.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Senat schätzt den Wert der Sache auf der Grundlage der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Streitwertbemessung in UKlaG-Verfahren gegen die Wirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen vorliegend auf 30.000,- EUR. Da eine besondere Bedeutung der Beklagten am Markt gegeben ist, ist hier von dem regelmäßig niedriger festzusetzenden Wert deutlich abzugehen. Die Klausel hat besondere Bedeutung für die Gesamtheit der Verbraucher.

 

Der Senat lässt die Revision zu. Die Sache ist von grundsätzlicher Bedeutung.

 

 

 

stats