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Wirtschaftsrecht
11.08.2011
Wirtschaftsrecht
OLG Jena: Unterzeichnung der Gesellschafterliste als höchstpersönliche Verpflichtung der Geschäftsführer

OLG Jena, Beschluss vom 5.7.2011 - 6 W 82/11

sachverhalt

I. Die Beteiligten erstreben die Aufnahme einer (geänderten) Gesellschafterliste in das Handelsregister.

Der Verfahrensbevollmächtigte reichte am 29.12.2010 zum Handelsregister des Amtsgerichts Jena eine Gesellschafterliste zur Aufnahme in den Registerordner des Registerblatts der Beteiligten zu 2) ein. Die am 29.12.2010 erstellte Liste ist unterzeichnet vom Beteiligten zu 1) und dem Prokuristen J. D..

Bei Unterzeichnung der Liste hatte die Beschwerdeführerin zwei Geschäftsführer. In § 4 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages ist die Vertretung der Gesellschaft wie folgt geregelt: „Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so ist dieser allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so ist jeder Geschäftsführer gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder gemeinsam mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt."

Mit Schreiben vom 3.1.2011 forderte das Amtsgericht Jena - Registergericht - die Beteiligte zu 2) unter Fristsetzung auf, eine ordnungsgemäße Gesellschafterliste vorzulegen. Als Begründung gibt das Amtsgericht an: "Die Unterschrift hat durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl zu erfolgen, andere Personen - also auch Prokuristen - sind hierzu nicht berufen."

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) widersprach mit Schreiben vom 24.1.2011. In diesem Schreiben bezog er sich auf ein eigens angefertigtes Gutachten des Deutschen Notarinstituts mit dem Ergebnis, dass, sofern man "eine Anmeldung durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl" zulasse, auch eine "unechte Gesamtvertretung erlaubt sein" müsse.

Mit Zwischenverfügung vom 28.1.2011 wies das Registergericht den Verfahrensbevollmächtigten im "Hinblick auf die in Absatz 3 des § 40 GmbHG normierten haftungsrechtlichen Folgen für den Geschäftsführer" darauf hin, dass die Gesellschafterliste nicht von einem Prokuristen, sondern nur von Geschäftsführern zu unterzeichnen sei, und setzte eine Frist zur Einreichung einer von den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl unterzeichneten Gesellschafterliste (Bl. 225 d.A.). Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 8.2.2011 (Bl. 226 f. d.A.).

Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Am 26.4.2011 wurde im Handelsregister eingetragen, dass der (weitere) Geschäftsführer, der am 29.12.2010 die Gesellschafterliste nicht unterschrieben hatte, ausgeschieden ist.

aus den gründen

II. Die Beschwerde ist statthaft (§§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 FamFG) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. §§ 63, 64 FamFG).

Das Thüringer Oberlandesgericht ist nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 1b, 23a Abs. 2 Nr. 3 GVG i.V.m. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 374 Nr. 1 FamFG zuständig.

Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Das Registergericht hat mit seiner Zwischenverfügung vom 28.1.2011 die begehrte Aufnahme der vom Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Gesellschafterliste vom 29.12.2010 zu Recht davon abhängig gemacht, dass nicht ein Prokurist, sondern die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl zu unterschreiben haben.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG haben die Geschäftsführer unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen.

Zwar dürfte die Norm mit der in der Literatur herrschenden Meinung einschränkend dahin auszulegen sein, dass die Gesellschafterliste nicht von sämtlichen Geschäftsführern unterschrieben sein muss. Es soll nach ganz überwiegender Auffassung ausreichen, wenn sie lediglich durch Geschäftsführer in einer vertretungsberechtigten Anzahl unterschrieben wird (vgl. statt vieler Ulmer/Paefgen, GmbHG Erg.-Band, 2010, § 40 Rn. 28; Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Auflage 2010, Nachtrag MoMiG § 40 Rn. 30; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Auflage 2009, § 40 Rn. 17; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage 2010, § 40 Rn. 35). Die herrschende Meinung beruft sich überzeugend auf den in § 78 GmbHG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, wonach die erforderliche Anmeldung zum Handelsregister nur in bestimmten, ausdrücklich genannten Fällen durch "sämtliche Geschäftsführer zu bewirken" ist, im übrigen aber durch "die Geschäftsführer". Eine Bewirkung durch sämtliche Gesellschafter ist mithin als (nicht analogiefähige) Ausnahme vorgesehen. Soweit nichts anderes angeordnet ist (so bei dem hier zu beurteilenden § 40 GmbHG) kann also unter dem Begriff "die Geschäftsführer" das gleiche verstanden werden, wie bei § 78 GmbHG: Geschäftsführer in einer vertretungsberechtigten Anzahl.

An dieser Rechtslage hat sich auch nach der - insoweit unerheblichen - Änderung des § 40 GmbHG durch das MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008) nichts geändert (vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, 2006, § 40 Rn. 39 [zu § 40 a.F.]).

Jedoch genügt die Unterzeichnung der Gesellschafterliste vom 29.12.2010 durch einen Geschäftsführer und den Prokuristen im Rahmen unechter Gesamtvertretung - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Bereits der Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, wonach die Geschäftsführer „eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter (...) einzureichen" haben, spricht dafür, dass die Gesellschafterliste von den Geschäftsführern persönlich unterschrieben sein muss.

Der Zusatz ("von ihnen unterschriebene") muss nach dem im Wortlaut objektivierten Willen des Gesetzgebers eine eigenständige Bedeutung zum Ausdruck bringen, weil es seiner an sich nicht bedurft hätte. Die Pflicht der Geschäftsführer, die Liste zu unterschreiben, ergäbe sich - auch ohne den Zusatz - bereits aus § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, wonach die Änderung der Liste "durch die Geschäftsführer" erfolgt; wenn die Geschäftsführer die (geänderte) Liste erstellen, liegt es auf der Hand, dass sie auch von ihnen zu unterschreiben ist. Mit dem Zusatz "von ihnen" zeigt das Gesetz mithin deutlich, dass eine persönliche Unterschrift der Geschäftsführer gefordert ist und die Unterzeichnung durch einen Vertreter nicht genügen soll.

Schon deshalb teilt der Senat nicht die in der Literatur vertretene Auffassung, eine unechte Gesamtvertretung, bei der die Gesellschaft organschaftlich durch Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten wird, sei auch bei Unterzeichnung der Gesellschafterliste zulässig (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, aaO, § 40 Rn. 35; auch: Michalski-Terlau/Schäfers, GmbHG, 2002, § 40 Rn. 12 [zu § 40 a.F.]; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, 4. Auflage 2002, § 40 Rn. 4 [zu § 40 a.F.]; Hachenburg/Mertens, GmbHG, 8. Auflage 1997, § 40 Rn. 6 [zu § 40 a.F.]). Diese Auffassung verkennt, dass es sich bei der Unterzeichnung der Gesellschafterliste nicht um eine Pflicht der GmbH, sondern um eine - wie schon im Wortlaut angedeutet (s.o.) - höchstpersönliche Verpflichtung der Geschäftsführer handelt (Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 40 Rn. 17, FN 4; Scholz/Schneider, aaO, § 40 Rn. 30; Wachter in Bork/Schäfer, aaO, § 40 Rn. 20; Mayer, DNotZ 2008, 403, 413; auch: HK GmbH-Recht/Fichtelmann, 5. Auflage 2002, § 40 Rn. 7 [zu § 40 a.F.]; a.A. Ulmer/Paefgen, GmbHG Erg.-Band, 2010, § 40 Rn. 39; vgl. auch Wicke, GmbHG, 2. Auflage 2011, § 40 Rn. 7); für die hier vertretene Auffassung spricht auch, dass den Geschäftsführern die individuelle Verantwortung für die Richtigkeit der Gesellschafterliste übertragen wurde und sie nach Abs. 3 für Verletzungen ihrer Pflichten nach Abs. 1 haften (Bayer in Lutter/Hommelhoff, aaO, § 40 Rn. 17).

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es dem Beteiligten zu 1), der zwischenzeitlich alleiniger Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) geworden ist, freisteht, eine (geänderte) Gesellschafterliste unter neuem Datum allein zu unterschreiben und einzureichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

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